Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 19. Mai 2014 um 9:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (HR/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung H.R.: Interessant wäre zu erfahren, von welcher „OSZE-Mission“ Herr Annen, der vom German Marshall Fund (Mitglied der Atlantik-Brücke!) gefördert wurde, spricht. Meint er etwa die (deutschen, dabei ein Oberst) Soldaten, die im Osten der Ukraine festgehalten wurden, wie die Verteildigungsministerin, die diese Reise auch als „OSZE-Mission“ bezeichnete?
Es kann bezweifelt werden, dass die Aktionen der Soldaten im Rahmen der OSZE geschahen. Vielmehr kann angenommen werden, dass sie lediglich auf bilateraler Basis erfolgten. Siehe dazu auch: Deutsche Militärbeobachter in der Ukraine
dazu: “Es ist Teil meines Geschäfts”
Die öffentliche Diskreditierung, befremdet Stefan Kornelius von der “Süddeutschen Zeitung”. Aber mehr Transparenz stimmt er zu und gesteht ein, dass Journalisten hier was tun müssen.
Quelle: NDR Zapp
Anmerkung Orlando Pascheit: Es hat schon seine Richtigkeit, dass auf vielen Wahlplakaten einfach Frau Merkel zu sehen ist. Gegen sie läuft nichts. In einem dürften sich Europas Regierungschefs, wie in Fall Barroso, einig sein, allzu mächtig darf er nicht werden – also ist wieder Mittelmaß gefragt, wie bei den meisten Kompromisskandidaten. Die Wahl selbst ist nicht nur Volksverdummung, sondern hinsichtlich der Wahl des Kommissionspräsidenten betrügerisch.
Anmerkung unseres Lesers M.H.: “Gemeinsam erfolgreich in Europa”, das stellt die Tatsachen auf den Kopf und verleugnet die realen Verhältnisse. Angesichts der massenhaften Verelendung weiter Teile der europäischen Bevölkerung ist ein solcher Werbeslogan nicht nur dämliche Sprücheklopferei, er ist zynisch – der blanke Hohn.
Die CDU will uns mit ihren Wahlplakaten für dumm verkaufen. Sie hat ganz wesentlich eine europäische Entwicklung mit zu verantworten, die dem “einen Prozent” dient, vielleicht auch Deutschland, aber ganz gewiss nicht “den Menschen in Europa”.
Anmerkung JB: Nicht nur die NPD verspricht sich viel. Hier in der niedersächsischen Provinz stammen gefühlt 75% aller Wahlplakate von AfD, NPD oder den Republikanern. Die großen Parteien scheinen den Wahlkampf nicht so wirklich ernst zu nehmen. Die Plakate von CDU, SPD und Grünen sind an Belang- und Phantasielosigkeit kaum zu überbieten und auch die Linke wiederholt vor allem lang bekannte Slogans. Das wirkt alles doch sehr blutleer. Am Ende soll sich nur niemand darüber echauffieren, dass die Rechtspopulisten und Rechtsextremen auch in Deutschland einen Erdrutschsieg feiern können.
Anmerkung J.K.: Na also, geht doch. Wir schrieben hier ja bereits letzte Woche: „Man darf ziemlich sicher sein, dass dies in der „marktkonformen“ Demokratie auch bei den Energiekonzernen schon funktionieren wird. …. Natürlich erst wenn etwas Gras über die Angelegenheit gewachsen ist.“ Dass die Bundesregierung so schnell vor den Konzerninteressen einknickt überrascht dann doch. In der schönen neoliberalen Welt gibt es offenbar kein unternehmerisches Risiko mehr, Banken und Konzerne dürfen sich mittlerweile ganz nach Lust und Laune aus den öffentlichen Kassen selbst bedienen. Das Gute dabei, dann kann man wieder über die wachsende Staatsverschuldung herziehen und Kürzungen bei den Sozialausgaben einfordern.
Anmerkung JB: Für die Verantwortlichen in den Krankenhäusern bieten die momentanen Regelungen eine Steilvorlage zum Betrug, da die Krankenkassen in allen Fällen, in denen sie den Betrug nicht zweifelsfrei anhand der Akten belegen können, den Krankenhäusern die Kosten für die Überprüfung des jeweiligen Falls „erstatten“ müssen. Geprüft wird freilich nicht von externen Fachleuten, sondern von den Krankenhäusern selbst. Und selbst wenn ein Betrug zweifelsohne nachweisbar ist, kommen die Täter mit einem geringen Aufschlag davon. So verhindert man keinen Betrug. Da stellt sich die Frage, warum die „Betrüger“ nicht strafrechtlich verfolgt werden? Offenbar ist der „massive Abrechnungsbetrug“ politisch durchaus gewollt.
Anmerkung H.R.: Vorausgesetzt diese „Spiegel“-Information stimmt, wäre es erneut ein Beleg für die Flexibilität des SPD-Bundesvorsitzenden. Die NachDenkSeiten hatten mehrfach über Gabriels sehr variable Ansichten berichtet; u.a. hier: Deutschlands Geschäft mit dem Tod und SPD sieht in EU-US-Freihandelsabkommen mögliche Vorteile für Arbeitnehmer/innen. Macht sich Herr Gabriel angesichts seiner offensichtlichen Anpassungsfähigkeiten keine Sorgen über seine Glaubwürdigkeit?
Anmerkung Orlando Pascheit: Aladin El-Mafaalani spricht davon, dass den Aufsteigern aufgrund ihres veränderten Verhaltens Verrat vorgeworfen wird. Diese Reaktion mag in manchen Fällen zutreffen, ich persönlich habe eher das Gegenteil beobachtet: Den Stolz der Eltern und auch der Freunde – aber diese Beobachtung ist halt subjektiv und nicht wissenschaftlich gestützt. Wenn es denn zur Entfremdung kommt, liegt dies eher bei den Aufsteigern selbst, die sich von ihrem alten Umfeld distanzieren. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass El-Mafaalani sog. “Extremaufsteiger” untersucht hat, “die in einem bildungsfernen Elternhaus aufgewachsen sind und sich selbst über akademische Bildung in einer beruflichen Spitzenposition etabliert haben.” Die Distanzierung erfolgt “nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich vom Herkunftsmilieu – ich bezeichne das als Habitustransformation” so El-Mafaalani in einem Interview mit Jens Wernicke. Dabei es geht nicht so sehr um eine persönliche Entscheidung des Aufsteigers, sondern um einen quasi zwangsläufigen Anpassungsmechanismus. El-Mafaalani spitzt zu: „Für den Aufstieg müssen gerade die extremen Bildungsaufsteiger die Loyalität zu ihrem alten Milieu weitgehend aufkündigen. Sonst geht es nicht.“ Leider kann diese Aufkündigung der Loyalität nicht nur für die persönliche Umgebung Konsequenzen haben, sondern weit darüber hinaus.
Als entscheidende Wende in der bundesrepublikanischen Gesellschaft wird häufig auf den Sieg des Neoliberalismus hingewiesen, der sich auch in den Köpfen ursprünglich linker/alternativer Politiker und Gewerkschafter festsetzte. Man kann zwar Neoliberalismus sagen, aber entscheidend ist, dass das Kapital (auch durch seine wissenschaftlichen, politischen wie auch publizistischen Dienstleister) fast auf ganzer Linie gesiegt hat, dass es sich klüger angestellt hat. Dazu muss man nicht nach großartigen machiavellistischen Plänen zu suchen. Das Kapital ist ganz offen vorgegangen, wie z.B. in der ganzen Gesetzgebung (im Wesentlichen Wettbewerbsrecht) um das europäische Binnenmarktprojekt ersichtlich ist. Aber warum haben in den führenden Köpfen der linken Institutionen nicht alle Alarmglocken geläutet? Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass die Spitzen der klassischen Linken, der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, nicht einfach durch neoliberales Gedankengut angekränkelt waren, sondern dass ihr “Verrat” an der Arbeiterschaft im Sinne El-Mafaalanis in der Realisierung einer „enormen Trennungskompetenz“ liegt, die für ihren Aufstieg erforderlich war. Das Verhalten von Leuten wie Steinkühler, Schröder, Müntefering bis Fischer lässt sich dann als zwar extremes, aber klassisches Aufsteigersyndrom erklären. Geradezu augenfällig ist der Fall Gerhard Schröder. „Dass Schröder als Genosse der Bosse galt, war ihm offensichtlich nicht peinlich“, sagt El-Mafaalani. „Er schien sich darin zu gefallen.“ Schön wäre es, wenn es nur um Brioni-Anzüge ginge. Dieser ungeheure Drang mit dazuzugehören, hat zur Folge, dass man sich nicht nur dem äußeren Erscheinungsbild der da oben anpasst, sondern sich auch ihrer Gedankenwelt anpasst. Es war Peter von Oertzen, der sich gegen Ende seines Lebens ziemlich ungeschminkt zu Schröder äußerte: “Schröder tickt ganz einfach, er will von den feinen, den reichen, den mächtigen Leuten anerkannt werden. Er ist ein aufstiegssüchtiger Plebejer voll schrecklicher Minderwertigkeitskomplexe. … das Projekt ‘Sozialdemokratie’ ist nun erledigt. Man kann nicht gleichzeitig Gott dienen und dem Mammon. Schröder glaubt, wenn ein Vorstandsvorsitzender nett zu ihm ist, hat er den Klassenkampf gewonnen. Der spinnt, das ist eine lächerliche Einschätzung der realen Machtverhältnisse.” Die Frage ist natürlich, wie konnten solche Leute an die Spitze kommen. Für El-Mafaalani liegt eine mögliche Erklärung darin, “dass der Anpassungsdruck umso größer ist, je undurchlässiger die Gesellschaft ist.” Aber dies ist nur die eine Seite. Zeitgeschichtlicht dürfte sicherlich die folgenschwere Fehleinschätzung Oskar Lafontaines zu nennen sein, aber auch die Basis muss verlockt, angekränkelt sein von den äußerlichen Attributen der “feinen Gesellschaft”. Warum kann die Basis auch heute allzu häufig nicht unterscheiden, welcher ihrer Aufsteiger vom Willen beseelt ist, die Gesellschaft zum Besseren zu gestalten oder wer da einfach seinem ganz privaten Ehrgeiz folgt?
Sicherlich wird Geschichte in der Hauptsache nicht von Personen geschrieben, aber ich bin geneigt, den immer noch anhaltenden Niedergang der Sozialdemokratie ganz wesentlich einer bestimmten, unglücklichen Personenkonstellation zuzuschreiben: Die klassische “Linke”, die Sozialdemokratie ist am “Verrat” durchgeknallter, sich als Realpolitiker gerierenden, Aufsteiger zerbrochen und hat bis heute die Kraft verloren, eine glaubwürdige gesellschaftliche Alternative zu entwickeln. Dabei waren am Ende der Kohl-Ära viele Wähler bereit, zumindest den Versuch mitzutragen, das Kapital wieder stärker in Pflicht zu nehmen. – Unglücklich nenne ich diese Konstellation, weil der Elitenforscher Michael Hartmann – ich verdanke diesen Hinweis Jens Wernicke – festgestellt hat, dass “die wenigen Arbeiterkinder, die es ganz nach oben geschafft haben, immer noch relativ nah dran an der Meinung der Bevölkerung [seien]. Sie finden die sozialen Unterschiede immerhin auch zu gut 61 Prozent ungerecht. Bei den Elitenangehörigen, die stattdessen in gut bürgerlichen oder gar großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen sind, sieht es dagegen vollkommen anders aus. Die Großbürgerkinder halten die soziale Ungleichheit sogar mit einer Mehrheit von mehr als zwei zu eins für gerecht.” In der Gesamtheit halten knapp drei Viertel der Bevölkerung die sozialen Unterschiede hierzulande für ungerecht. Insofern ist es ein Unglück, dass ausgerecht eine besonders angepasste Personenkonstellation nach der Kohl-Ära die Geschicke der SPD und Deutschlands bestimmte. – (Die Arbeit von Aladin El-Mafaalani ist hier [PDF – 1.5 MB] herunterzuladen)
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=21758