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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 27. Februar 2007 um 9:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
Anmerkung: In dem Artikel heißt es: “Zugleich gehe ein Lohnanstieg um ein Prozent jedoch rechnerisch mit einem Beschäftigungsrückgang um 0,8 bis ein Prozent einher, wie dies auch schon frühere Analysen anderer Wissenschaftler gezeigt hätten.”
Der Autor outet sich damit als typischer Kartoffelmarkt-Ökonom: Steigen die Preise, so sinkt der Absatz, behauptet er, ganz gleich, ob es um Kartoffeln oder um Arbeit geht. Doch der behauptete „rechnerische Rückgang“ beruht bloß auf interessengesteuerten Modellannahmen. Dass in einem sinnvollen Maße höhere Löhne durch die Rückwirkung auf die Nachfrage mehr Jobs entstehen lassen können, liegt außerhalb seines Horizonts. Die Realität konfrontiert ihn daher mit einem wichtigen, empirischen Einwand: “Tatsächlich ist der Beschäftigungstrend in Deutschland freilich bis vor einem Jahr deutlich negativ gewesen, obwohl die durchschnittliche Lohnentwicklung seit Mitte der 90er-Jahre auch nach Einschätzung des IW als moderat gelten kann.”
Tja, was tun? Eine gute, d.h. nützliche Theorie verwerfen, nur weil sie nicht stimmt? Der Kartoffelmarkt-Ökonom findet eine Lösung und ändert einfach den Massstab: “Allerdings war die Lohnzurückhaltung nach seinen Maßstäben weniger ausgeprägt als nach denen der Gewerkschaften, die als so genannten neutralen Verteilungsspielraum für Tariferhöhungen die Summe aus Produktivitätsfortschritt und Verbraucherpreisanstieg zugrunde legen. Dieser Rahmen wurde tatsächlich nur 1999 überschritten, wie das WSI vorrechnet.
Dagegen legt das IW als beschäftigungsrelevantes Maß allein den Produktivitätszuwachs an. Im Vergleich dazu war die Lohnzurückhaltung in den vergangenen zehn Jahren weniger ausgeprägt als die Gewerkschaften rechnen.”
Es geht hier offensichtlich nicht darum, zum Verständnis volkswirtschaftlicher Zusammenhänge beizutragen. Hagen Lesch, Tarifexperte am Kölner IW, ist sich nicht zu schade, die Aufrechterhaltung des Lohndrucks auch in Zeiten einer etwas besseren Konjunktur propagandistisch zu begleiten.
Anmerkung: Schon die Einleitung ist furchtbar: “Die EU strebt eine aktive Mitgestaltung der Globalisierung durch die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit an.” Eine andere Form aktiver Mitgestaltung als die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit fällt den EU-Institutionen zur Globalisierung nicht ein?
Und so geht es weiter: “Beschränkungen, die von einigen Handelspartnern der EU hinsichtlich des Zugangs zu ihren Ressourcen an Energie, Metall und Primärrohstoffen auferlegt worden sind, stellen verschiedene Wirtschaftszweige der EU vor erhebliche Probleme.”
So? Welche denn? Im unmittelbar darauf folgenden Satz heißt es: “Die Kommission weist nicht nur auf die steigende weltweite Energienachfrage und die wachsende Abhängigkeit Europas von externen Energiequellen hin, sondern betont auch die Folgen für die Umwelt, die mit dem stetigen Streben nach Wirtschaftswachstum durch Handel einhergehen.” Was hat das eine bitte mit dem anderen zu tun?
Ein Rest an sozialem Gewissen wird vorgetäuscht:
“Globalisierung löst aber nach wie vor Ängste aus und führt auch zum Verlust von Arbeitsplätzen. Die Kommission unterbreitete deshalb dem Europäischen Rat im Oktober 2005 den Vorschlag, einen als Anpassungshilfe und Zeichen der Solidarität gedachten Fonds einzurichten, mit dessen Hilfe einmalig und zeitlich befristet Arbeitnehmer unterstützt werden sollten, die „ernsthaft und persönlich betroffen sind von durch Änderungen im Handelsgefüge bedingter Arbeitslosigkeit“.
Ist der Job weg, gibt es “einmalig und zeitlich befristet” etwas Unterstützung. Das wird die Ängste sicher besänftigen! Und was sagt der Deutsche Bundestag dazu? Er findet das offenbar zu großzügig:
“Nachdem der Europäische Rat diesen Ansatz im Dezember 2005 im Kontext der schwierigen Verständigung über die Finanzielle Vorausschau gut hieß, stimmte nun auf der Grundlage von Kompromissvorschlägen auch das Europäische Parlament (EP) am 13. Dezember 2006 der Errichtung des nach wie vor umstrittenen Fonds zu. Der Deutsche Bundestag hatte seine deutlichen Bedenken angemeldet und die Bundesregierung gedrängt, bei der Ausgestaltung auf die Durchsetzung bestimmter Punkte, darunter die Kofinanzierung, die Konzentration auf Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen und die Begrenzung des Finanzanteils für außergewöhnliche Umstände hinzuwirken.” Es gibt viele Gründe für die weit verbreitete Skepsis über die EU und die Globalisierung. Mit diesem Papier ist ein weiterer hinzugekommen.
Siehe auch: Was ist Splitting
Quelle: taz
Anmerkung: Lesenswert ist auch der Kommentar zum Versuch des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), soziale Gerechtigkeit durch einen Vergleich von privaten und staatlichen Renditen neu zu definieren: „Während das Abwägen der fiskalischen Bildungsrendite gegen die Rendite alternativer staatlicher Investitionen (oder ersatzweise gegen die Kosten der staatlichen Refinanzierung) selbstverständlicher Bestandteil vieler Modelle ist, erscheint der vom CHE zusätzlich vorgeschlagene Vergleich zwischen fiskalischer und privater Bildungsrendite bestenfalls originell. Sie ist jedoch in der bildungsökonomischen Fachliteratur nicht konsensfähig.“ Siehe auch:
Ein Gutachten für den Bundestag hinterfragt den Sinn von Studiengebühren.
Quelle: SZ
Kommentar: Soviel zu den aufgekommenen Hoffnungen während des G-7-Treffens in Essen.
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