Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 23. Februar 2007 um 10:28 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Anmerkung: Die Euphorie von Dieter Wermuth, dass „die Konjunktur brummt“, können wir allerdings nicht so ganz teilen.
Siehe auch:
Pro Stunde produziert ein Amerikaner 39,11 Euro, ein Euroländer 38,52 Euro und ein Deutscher 41,49 Euro.
Je nachdem wie gerechnet wird, kommt man zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Sie sind allesamt sehr angreifbar, woraus ich folgere, dass Forderungen nach noch intensiverem Strukturwandel, abgeleitet aus Produktivitätsunterschieden, auf wackligem Boden stehen. Strukturreformen sind stets erforderlich, aber dass sie in Europa dringlicher sind als anderswo, ist angesichts der ausgezeichneten Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, besonders der deutschen, und des hohen Niveaus der Stundenproduktivität nicht erkennbar.
Quelle: Herdentrieb Zeit Weblog
Anmerkung: Wo war denn in den letzten Jahren eine Preiskontrolle der Stromriesen? Da wird selbst der EU die Preistreiberei der Stromoligopole zu bunt und droht mit einer Enteignung der Netze um mehr Wettbewerb zu schaffen. Das kümmert unseren ökonomischen Fachmann vom Karlsruher Gericht wenig. Die Verfassungsrichter mischen sich immer mehr in die Ökonomie ein. Erst wollen sie eine Art Maastricht-Regelung für die Haushaltspolitik, dann beklagen sie, dass „in den Wettbewerbsgedanken …immer öfter Belange des Gemeinwohls eingepflanzt“ würden.
Kommentar Orlando Pascheit: „Nachfragepolitik, also die Stärkung der Kaufkraft in der Hand von Konsumenten, bleibt ein Wachstumsfaktor.“ Ein Satz, mit dem man leben kann – irritierend vielleicht, dass ein Schatzmeister der SPD ihn ausspricht. Doch wir werden schnell belehrt: „Es kommt darauf an, welche Einkommen gestärkt werden.“ Leider würden in Deutschland nachfragepolitische Argumente meist einhergehen „mit der Forderung nach hohen Transferleistungen“, aber die „hohen Transferleistungen können Resignation und den Verlust an lebenspraktischer und kultureller Kompetenz in der Arbeitslosigkeit nicht verhindern.“ Jetzt bricht der Schatzmeister doch durch. Zudem, der Mann hat ja so Recht, ohne Transferleistungen wird die Lebenspraxis den Arbeitslosen schon einholen und ausrichten.
Es folgt eine wunderbare Definition des vorsorgenden, aktivierenden Sozialstaats. Vorsorge muss für jene „40 bis 50 Prozent in der Mitte der Gesellschaft“ getroffen werden, welche die „tragenden und zahlenden Mitglieder des Sozialsystems“ sind. Originalton Beck: sich wieder stärker den Bürgerinnen und Bürgern zuwenden, die “Werte schaffen”.
Wir suchen immer noch den Wachstumsfaktor, dann kommt es: „In den Vereinigten Staaten und in Großbritannien stützt sich der Aufschwung der vergangenen fünfzehn Jahre auf eine Nachfragepolitik, die gezielt die wirtschaftlich aktiven Mitglieder der Gesellschaft gestärkt hat. … Es sind dadurch in diesen Ländern vor allem die Haushalte der Mittelschichten, die über steigende finanzielle Spielräume verfügen [gefördert worden]. Diese Einkommen aber – und das ist der entscheidende Unterschied – sind dienstleistungsfreundlicher als Transfereinkommen.“ Wie? Warum?
Es folgt keine Erklärung, sondern ein Ausflug zu den unternehmensnahen Dienstleistungen, wobei der Zusammenhang mit den förderungswürdigen dienstleistungsfreundlichen Einkommen der besser Verdienenden irgendwie auf der Strecke bleibt. Sollte die Antwort wirklich in dem Satz liegen: „Haushaltsnahe Dienstleistungen werden steuerlich begünstigt.“ Beschäftigungs- bzw. Wachstumsschub durch haushaltsnahe Dienstleistungen?
Ganz so dumm ist unser SPD-Schatzmeister nicht. Erhellend wirkt die Förderung der „tragenden und zahlenden Mitglieder des Sozialsystems“ vor dem Hintergrund, dass Harald Christ auch Vorstandsvorsitzender der HCI Capital AG ist. Dann gewinnt die Aussage, dass eine „Politik des billigen Geldes, erhebliche Steuererleichterungen zum Beispiel bei der Immobilienfinanzierung, und eine Gesetzgebung, die eine äußerst freizügige private Kreditvergabe ermöglicht, .. die Kaufkraft der Haushalte immens gestärkt“ haben, ihre tiefere Bedeutung.
Bleibt nur die Frage, warum die taz so etwas druckt, zumal eine Fassung dieses Beitrags in der “Berliner Republik” erschienen ist.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2135