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Titel: „Medienmacht und Medienmanipulation“. Ein ganz alltägliches Beispiel aus der BILD-Zeitung, natürlich „unabhängig und überparteilich“

Datum: 22. September 2005 um 12:52 Uhr
Rubrik: Medienkritik, Strategien der Meinungsmache, Wahlen
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Ein Leser der NachDenkSeiten schreibt sich seinen Ärger über die Lektüre von BILD vom 22.09.05 von der Seele.

In welche Richtung bewegen wir uns? – Ein Blick in den Springerprimus “BILD” lohnt sich heute allemal. Gezielt oder zufällig erhält der aufmerksame Leser „Informationen“ darüber, welche politisch-wirtschaftliche Identität die Zukunft bestimmen soll.

Schon die erste Seite präsentiert – zwar in kleinen Lettern, aber dennoch – den Sieger des Tages. Und wer anders könnte es sein, in diesen stürmischen Tagen für den deutschen Neoliberalismus als Hans-Werner Sinn? (Ist Deutschland noch zu retten?) Deutschlands “klügster Professor”, heißt es, sei vom Weltverband der Finanzwissenschaftler “Institute of Public Finance” zum neuen Präsidenten gewählt worden…Bild meint: Das macht Sinn!
Der Marktradikalismus und der damit verbundene Sozialabbau ist ins Hintertreffen geraten…absolute Mehrheit bei den Wahlen galten der linken Weltanschauung und denen, die sich jedenfalls im Wahlkampf als links stehend gaben. Aber: Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung…Deutschlands größter Wirtschaftszyniker wird zum Winner-Typen stilisiert.

Ebenso auf Seite eins die Überschrift: “Deutschland Schlusslicht beim Wachstum”
Kein anderes Land der Welt, so die BILD, würde beim Wirtschaftswachstum so absacken, wie die Bundesrepublik. Einige Zeilen weiter heißt es aber, man wäre Schlusslicht aller großen Industrieländer…nun hat man das Absacken also nochmals eingegrenzt. Bei ersterer Behauptung vermutete man, dass Deutschlands Wirtschaft gerade von Burundi und Laos überholt wurde… Der Fingerzeig Richtung “revolutionärem” Wahlvolk fehlt natürlich nicht – IWF-Chefökonom Rajan dazu: “Die Reformen müssen zu Ende gebracht werden. Ich hoffe, daß die neue Regierung dazu in der Lage ist.” Es wird aber noch präziser: Arbeitgeber müßten entlastet werden um Anreize für Neueinstellungen zu schaffen.“
Der Leser bekommt einmal mehr vermittelt, daß es keine anderen Möglichkeiten gäbe, unser Problem der stagnierenden Binnennachfrage anzupacken. Konkretisiert wird zudem nicht, lediglich Anreize sollen geschaffen werden…mehr auch nicht.

Auf Seite zwei springt uns ein großes Foto eines scheinbar resignierenden Bundespräsidenten entgegen. Die FAZ habe behauptet, dass Köhlers Entscheidung zur Neuwahl ein Fehler gewesen sei.
Natürlich, denn jetzt erkennt man, dass für die neoliberale Politik nur wenig Bereitschaft in der Bevölkerung vorhanden ist. Hätte es eine schwarz-gelbe Absolutmehrheit gegeben am Abend de 18.09., so hätte die FAZ niemals Köhler der Fehlentscheidung beschuldigt. Verfassungshüter allerdings erklärten schon nach Köhlers damaliger Ansprache, dass dies einem Verfassungsbruch gleichkäme, da Köhler sich der Bereitschaft der Parteien zur Neuwahl unterworfen habe und die Vertrauensfrage (die eigentlich Misstrauen ernten sollte) als Nebensächlichkeit abtat.

Im BILD-Kommentar bezieht sich Hans-Olaf Henkel noch einmal auf die Wachstumsprognose von Seite eins. Wichtig wäre, so Henkel, dass die neue Regierung sich auf eine stabile Mehrheit stützen könne und zudem reformfähig sei.
Auch hier das Zauberwort “Reform”. Was dieses Wort im Hinblick auf Sozialstaatlichkeit bedeutet, wissen wir jedenfalls bei dem ehemaligen Arbeitgeberchef Henkel natürlich ganz genau. In Augen vieler Wirtschaftsoffizieller, spielt es keine Rolle, ob sich z.B. die Grünen mit der Union über Inhalte einigen können, solange diese “schwarze Ampelkoalition” zustande kommt. Um dann weiter Sozialabbau betreiben zu können, verbrüdert man sich sogar mit dem Teufel, solange der nicht im Körper eines Lafontaine oder Gysi daherkommt.
Man darf nur hoffen, dass diverse Parteien nicht ihre politische Identität aufgeben, um regierungsfähig zu werden…bei anderen Parteien allerdings wünscht man sich die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, nicht nur zu Wahlkampfzeiten. Insgesamt sollte man aber allen Parteien nahelegen, die verfassungsverbürgte Sozialstaatlichkeit zu wahren und zu respektieren…

Enttäuschend stellte sich das Interview mit Altbundespräsident Richard von Weizsäcker heraus. Die Reformen am Arbeitsmarkt und die Sozialpolitik dürften nicht zurückgeschraubt, stattdessen müssten sie fortgesetzt werden.
Auch hier wieder der fade Beigeschmack, nur mit Reformen der neoliberalen Manier, wäre eine Besserung der Lage in Sicht. Nebenbei verkündet von Weizsäcker, dass die Große Koalition nichts mit dem Entstehen der antiautoritären 68er-Bewegung zu tun gehabt habe…nicht mal eine “Teilschuld” aufgrund fehlender innerparlamentarischer Opposition lässt er gelten.

Alles in allem: Die Richtung wird in den Medien vorgegeben, die BILD-Zeitung stellt nur eine der vielen Gleichschaltungsorgane dar. So aber wird die tägliche Zeitung beim Frühstück (heute fiel mir diese BILD nur zufällig in den Schoß) zum ärgerlichen Höhepunkt des Tages…

Sehr geehrte Köpfe der Nachdenkseiten, bleiben Sie uns lange erhalten…Ihre Präsenz erleichtert einem das Sein und schafft Gewissheit, nicht der einzige zu sein, der dem neoliberalen Wahnsinn feindlich gesonnen ist. Weiter so!

Viele Grüße,
Roberto De Lapuente
aus Ingolstadt/Bayern


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