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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. Februar 2007 um 13:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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(KR/WL)

  1. Das räuberische Deutschland
    Seit Anfang des Jahres 2000 ist von den deutschen Regierungen bewusst eine räuberische Politik hinsichtlich der Arbeitskosten verfolgt worden: es handelt sich weiterhin um echtes Sozialdumping gegenüber den europäischen Nachbarn. Dies gilt insbesondere für Frankreich, das ein Außenhandelsdefizit gegenüber Deutschland aufweist, das so groß ist wie das gegenüber China. Es ist höchste Zeit, dass die Nachbarn von Deutschland, und insbesondere die französischen Politikerinnen und Politiker, beschließen, Angela Merkel und ihre sozialdemokratischen Verbündeten mit ihrer Verantwortung für Europa zu konfrontieren und die deutsche Regierung auffordern, die notwendigen Maßnahmen hinsichtlich der Stärkung der Binnennachfrage zu ergreifen, um die Handelsüberschüsse gegenüber den anderen Ländern der Union zu reduzieren.
    Quelle: ATTAC Österreich (Übersetzung eines Artikels aus der Libération)
  2. Die Effektivlöhne gingen 2006 real sogar um 1 Prozent zurück – zum dritten Mal in Folge ein Rückgang.
    Schon seit Mitte der 90er-Jahre verläuft die Entwicklung in Deutschland deutlich schlechter
    als in anderen europäischen Ländern. So erhöhten sich der EU-Kommission zufolge von 1995 bis 2006 die Löhne in Schweden real um 33,6 Prozent, in Großbritannien um 30 Prozent, in Dänemark um 21,3 Prozent – in Deutschland hingegen nur um 8,3 Prozent.
    Die effektiven Entgelte fallen seit einigen Jahren geringer aus als die Tariflöhne. Zudem geht von den gesetzlichen Reformen des Arbeitsmarktes ein zusätzlicher Druck auf die unteren Lohngruppen aus. Und die Zahl der Teilzeitkräfte und Minijobber hat sich erhöht.
    Quelle: Böckler impuls 3/2007 [PDF – 316 KB]
  3. Geburtenboom: Frankreich zieht an Deutschland vorbei
    Der Bundesrepublik droht 2035 der Verlust ihrer wirtschaftlichen Führungsrolle in der EU. Ursache dafür ist die demografische Entwicklung. Anders als Deutschland kann Frankreich voraussichtlich schon bald die Früchte seiner kinderfreundlichen Bevölkerungspolitik ernten.
    Quelle: WELT

    Kommentar von Orlando Pascheit: Allmählich langweilt das: das Institut der deutschen Wirtschaft – wer sonst – bangt um die wirtschaftliche Führungsrolle Deutschlands. Dafür werden altbekannte Geburtenquoten auf 30 Jahre (!) hochgerechnet, in Wirtschaftskraft umgerechnet, und schon ist Deutschland geschlagen.

  4. Reumütige Rückkehrer – Deutsche Firmen kommen zurück
    Was hören wir immer in den Diskussionen landauf, landab? Die Unternehmen samt Arbeitsplätze verschwinden ins Ausland und wir bleiben gelähmt im maroden Standort Deutschland zurück. Pustekuchen! Immer mehr Unternehmen kehren inzwischen angeschlagen von ihrem Auslandstrip zurück und freuen sich genau an dem, was immer so gerne in düsteren Untergangsfarben geschildert wird. Ja, man glaubt es kaum, sie freuen sich am Standort Deutschland. Michael Hüther, Institut der Deutschen Wirtschaft: “Gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen haben wir eher die Indikation, dass 50 Prozent der Fälle (von Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer, KR) nicht erfolgreich sind.”
    Quelle: ARD – Bericht aus Berlin
  5. Der Steuerwettbewerb in Europa blüht
    Die Schweiz steht wegen ihrer Steuerpolitik unter Dauerdruck der EU. Dabei machen sich die EU-Staaten ihrerseits mit Tricks und Spezialtarifen die besten Steuerzahler abspenstig.
    Quelle: NZZ
  6. Die neue Ungleichheit
    Unsere Welt wird ungerechter. Denn die Einkommen werden ungleicher verteilt. Der Skandal dabei ist der Abstand zwischen Mittel- und Oberschicht. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Erpressungsmacht der Manager einen monopolistischen Zugewinn schafft.
    Quelle: FAZ

    Kommentar: Die massenhafte Verarmung und Verunsicherung der unteren Einkommensgruppen scheint die FAZ nicht besonders zu interessieren. Weil ihre eigene Leserschaft betroffen ist, sieht sie „den Skandal im Abstand zwischen Mittel- und Oberschicht“. Dass die FAZ die ungleiche Einkommensverteilung überhaupt als Problem erkennt, ist aber trotzdem bemerkenswert. Viele marktradikale Autoren und Professoren haben sich in dieser Hinsicht als weniger lernfähig erwiesen.

  7. NDR lehnt kritischen Bahn-Film ab. Autorin finanziert Bericht über die Privatisierung der Bahn AG deshalb mit Spenden.
    Das Modell: Jeder kann so viel bezahlen, wie er will. Wer 20 Euro gibt, erhält eine DVD. 100 Euro reichen für den Ehrentitel “HeizerIn der Bürgerbahn”, ab 1.000 Euro wird man LokführerIn. Als 40.000 Euro zusammen waren, hat Franke mit den Dreharbeiten begonnen. Mehr als die Hälfte des Geldes kam von Spendern aus Berlin. Dort soll am 17. März im Filmtheater Babylon auch die Premiere gefeiert werden.
    Quelle: taz
  8. Opposition unter geheimer Kontrolle
    Die Bundesregierung hat nach einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion bestätigt, daß die Verfassungsschutzbehörde über die Linksfraktion im Bundestag eine Sachakte angelegt hat.
    Quelle: Linksnet

    Kommentar: Durchaus zutreffend ist auch dieser Abschnitt: „Selbstbewusst können die Abgeordneten der Linksfraktion aber auch geltend machen, dass gerade sie sich für die Realisierung von Kernforderungen der Verfassung engagieren: Sozialstaatsgebot, soziale Verpflichtung des Gebrauchs von Eigentum, Verbot von Angriffskriegen, Schutz der Menschenwürde und der Bürgerrechte, Bewahrung des Grundrechts auf Asyl, Trennung von Polizei und Geheimdiensten, strikte Beachtung des Datenschutzes, aktiver Widerstand gegen Neofaschismus, um nur einige Beispiele zu nennen. Andere im Bundestag vertretene Parteien, namentlich die regierenden, haben da deutliche Defizite.“

  9. Landesbeauftragter für den Datenschutz in Schleswig-Holstein hält die Schüler-ID für verfassungsrechtlich hochproblematisch
    Die Pläne und Regelungen zur Schüler-ID für Zwecke der Analyse von individuellen Bildungsverläufen sind verfassungsrechtlich hochproblematisch, weil sie für die Betroffenen erhebliche Risiken für ihre zukünftige Entwicklung bergen, ohne wirklich erforderlich zu sein. Qualitative Aussagen können von der empirischen Sozialforschung auch auf der Ebene von Stichproben getroffen werden: Die Notwendigkeit einer lebenslangen Totalerhebung von Schülerdaten ist weder notwendig noch verhältnismäßig.
    Quelle: Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
  10. »Atomkraft wird keinen nennenswerten Beitrag leisten können«
    Der Anteil der AKW an der Energieversorgung geht zurück. In Europa ist nur noch einziger Reaktor im Bau. Auch die Internationale Energieagentur geht inzwischen davon aus, dass der AKW-Anteil zurückgeht.
    Quelle: Junge Welt
  11. Systematischer Wucher mit Krediten
    Dresdner Bank und Citibank kommen bei Untersuchungen von Verbraucherschützern schlecht weg: Sie sollen ihre Kunden bei Finanzdienstleistungen schlecht beraten. Der Druck geht dabei vom Management aus, meint die Gewerkschaft ver.di.
    Quelle: TAZ
  12. Die Pharmaindustrie in den USA unter Druck
    Die Pharmaindustrie in den USA wird vom neuen Kongress deutlich weniger pfleglich behandelt als zuvor. Es sind einige Vorhaben in der Pipeline, welche Druck auf die Preise und Kosten auslösen könnten. Ob diese zu neuen Gesetzen führen, ist allerdings noch offen.
    Quelle: NZZ
  13. Der Anti-Huntington
    Der Nobelpreisträger Amartya Sen erklärt originell, “warum es keinen Krieg der Kulturen gibt”. Dabei kritisiert er sowohl die islamischen Fundamentalisten wie ihre westlichen Gegner. Sen ist ein kämpferischer Anhänger eines konsequenten, säkularen Republikanismus, der das Individuum und dessen Wahlfreiheit ins Zentrum rückt. Die Vorstellung, dass Staat und Gesellschaft aus verschiedenen kulturell-religiösen Milieus rekrutieren sollen, hält er, von Afghanistan über den Irak bis nach London, für einen fundamentalen Irrtum. Dass sich Briten oder Iraker zuerst als Sunniten, Christen oder Schiiten definieren und erst in zweiter Linie als Bürger der Republik, darin erkennt Sen, in dieser Frage an Mahatma Gandhi geschult, Gift für die Demokratie.
    Quelle: TAZ
  14. Lucas Zeise: Zeit für Widerworte
    Falsche Politik kann man nicht dadurch ändern, dass man ihr zustimmt. An diese extrem schlichte Erkenntnis muss man leider die Bundesregierung erinnern. Sie folgt der jeweiligen Politik Washingtons, zögert dabei manchmal dem Schein nach, gibt aber dann öffentlich seufzend nach und verstrickt sich so in das Desaster US-amerikanischer Außenpolitik.
    Quelle: FTD


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