NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Die Instrumente des neoliberalen EU-Orchesters

Datum: 10. März 2014 um 9:23 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Globalisierung, Lobbyismus und politische Korruption, Neoliberalismus und Monetarismus, Wettbewerbsfähigkeit
Verantwortlich:

Das geplante Freihandelsabkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) ist nur die Fortsetzung einer schon jahrzehntelang betriebenen, massiven Liberalisierungs-, Deregulierungs- und Privatisierungspolitik innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union sowie darüber hinaus. Inzwischen gibt es eine Vielzahl kaum noch überschaubarer innereuropäische, aber auch bilaterale oder regionale Verträge oder interkontinentale Verhandlungsansätze, die die Weichen für eine solche Politik längst gestellt haben – zumal innerhalb Europas. Wenn ein Abkommen scheiterte, gab es kurze Zeit später unter anderem Namen einen neuen Anlauf. Der Widerstand dagegen glich dem Kampf gegen eine Hydra, jenem schlangenähnlichen Unwesen, dem immer wieder neue Köpfe nachwachsen. Mit dem transatlantischen Abkommen TTIP soll diese neoliberale Politik nun auch jenseits der Europäischen Union abgesichert werden. Da die Bestrebungen der WTO, den grenzenlosen Freihandel weltweit einzuführen, nur teilweise erfolgreich waren, zielt das TTIP nun als weiterer Schritt auf eine weitgehende transatlantische Marktöffnung außerhalb der Europäischen Union, bilateral mit den USA. Dieses Abkommen ist jedoch – wie viele andere – gleichfalls nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer weltweiten grenzenlosen Bewegungsfreiheit für Investoren und zu Handelsfreiheit für internationale Konzerne, ohne steuernde Einflussmöglichkeiten demokratischer Gesetzgebung. Dank ihres gerade schon filzartigen Netzwerks an Lobbygremien innerhalb Europas und weltweit, sind Gewinner dieser Entwicklung die großen Konzerne. Verlierer sind die nur national oder regional orientierte Wirtschaft, die nationalen Parlamente und vor allem die Bürger, deren demokratische Rechte noch stärker durch internationale Vorgaben verbarrikadiert werden. Christine Wicht versucht das Dickicht der übernationalen Verträge ein wenig zu lüften, um einen Blick auf die Instrumente und die Partitur des neoliberalen EU-Orchesters freizumachen.

Freihandelsabkommen sind für Europa nicht neu. Sie sind schon lange Bestandteil von Verhandlungen über diverse Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, beispielsweise mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums sowie einigen Assoziierungsabkommen mit Mittel- und Zentralamerika. Strickmuster und Stoßrichtung sind im Prinzip immer gleich: Arbeitnehmerrechte, Sozial- und Umweltstandards sollen zugunsten wirtschaftlicher Interessen geschleift und meist dazu noch ein Steuerdumping in Gang gesetzt werden. Investoren wollen ohne Hindernisse und Risiken investieren, ihre eigenen Regeln festsetzen und möglichst unabhängig (und ungestört) von nationaler Gesetzgebung agieren. Dazu gehört z.B. das Investor-Staat-Klage-Verfahren vor den sogenannten Schiedsgerichten. Das Wort „Schiedsgericht“ suggeriert, dass es sich um ein Gericht handelt, die Formulierung „Schiedsstelle“ wäre jedoch die treffendere Formulierung, denn es handelt sich um privatrechtliche Gremien, die über einen Rechtsstreit, unter Ausschluss jeder staatlichen Gerichtsbarkeit, entscheiden. Ein früher Versuch, den Investoren weitgehende Rechte einzuräumen, war das globale Liberalisierungsprojekt MAI (Multilaterales Investitionsabkommen, siehe hier [PDF – 512 KB]) aus den 1990er Jahren. Es war als zentraler Hebel zur weiteren Liberalisierung und Marktöffnung gedacht. Das MAI wurde zwischen der EU-, den OECD-Staaten und transnationalen Konzernen verhandelt. Es war ein Versuch, neoliberale Strukturen im großen Rahmen einzuführen. Dank des massiven Widerstands von NGOs und Bürgern wurde das Abkommen zwar verhindert, aber über die 1994 in Marrakesch geschlossenen GATS-Vereinbarungen wurde das gescheiterte Abkommen im Dienstleistungsbereich wieder vorangetrieben.

Wenn ein Abkommen scheitert, kommt es für gewöhnlich nach einer kurzen Rückzugsphase umetikettiert und mit neuen Forderungen wieder auf den Tisch. Das derzeit verhandelte TTIP enthält Elemente des MAI und zielt auf eine bilaterale transatlantische Marktöffnung aller Marktbereiche zwischen der Europäischen Union und den USA. Pia Eberhardt von der Nichtregierungsorganisation „Corporate European Observatory“ (CEO) erläuterte mir in einem Telefonat, dass derzeit schon über 3000 Investitionsabkommen existieren. Die meisten davon sind bilateral verhandelt. Zwar werde das TTIP-Abkommen u.a. damit begründet, ein wirtschaftspolitisches Gegengewicht zu Indien, Brasilien und China zu etablieren, doch verhandle die EU derzeit auch über ein bilaterales Abkommen mit China. Für Thomas Fritz von FDCL, dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V., ist sicherheitspolitisch relevant, dass die EU und die USA mit dem TTIP eine wirtschaftspolitische Frontstellung gegen große Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien aufzubauen versuchen. Militärs hegen dabei zusätzlich die Hoffnung, dass Europa und Nordamerika durch TTIP auch wirtschaftlich wieder stärker wachsen, und damit auch die Militärhaushalte. Man setzt auch auf eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit und eine Koordinierung der Militärausgaben und der öffentlichen Aufträge an die Rüstungsindustrie, obgleich man im TTIP auf eine generelle Ausnahme für Fragen der “nationalen Sicherheit” pochen wird.

Bisher waren die Verträge der EU quasi nur freiwillige Selbstverpflichtungen, mit denen sich die Staaten verpflichteten, bestimmte Regeln einzuhalten, die rechtlich jedoch nicht bindend sind. Das ging der Wirtschaft nicht weit genug. Sie wollte weiteren Zugang zu neuen Märkte eröffnet bekommen. Die Vorbereitungen dafür wurden auf EU-Ebene beschlossen, in Form von Twopack, Sixpack, Europäischem Semester und Konsorten. Die klare Handschrift der Wirtschaftslobby und ihr stetig wachsender Einfluss ziehen sich seit Jahren wie ein roter Faden durch die gesamte EU-Wirtschaftspolitik, die konsequent das Ziel eines weiteren neoliberalen Umbaus der Europäischen Union verfolgt.

Begründet wurde die neoliberale Umgestaltung der EU schon immer mit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Ein wesentlicher Schritt zur Erlangung dieses Zieles war die Vollendung des europäischen Binnenmarktes, als am 1. Juli 1987 die Einheitliche Europäische Akte (EEA) in Kraft trat. Sie definierte den Europäischen Binnenmarkt als einen „Raum ohne Binnengrenzen“, der auf einen freien Wettbewerb und Handel mit Dienstleistungen ausgerichtet ist. Mit ihr wurden die noch bestehenden nicht-tarifären Handelshemmnisse innerhalb der EU weitestgehend abgebaut. Die EEA ist die gewichtigste Änderung bzw. Ergänzung der Verträge der Europäischen Gemeinschaft. Ihr folgten danach die Verträge von Maastricht, Amsterdam, Nizza und Lissabon.

Mit der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags 1991 wurde die Wirtschafts- und Währungsunion auf den Weg gebracht und damit geriet die öffentliche Hand zunehmend unter finanziellen und juristischen Druck. Im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion wurde der so genannte Stabilitätspakt vereinbart, der von allen EU-Staaten einen ausgeglichenen Staatshaushalt fordert. Da dieser Pakt nicht konsequent durchgesetzt wurde, forderten Lobbyverbände weitergehende Maßnahmen, die Staatshaushalte unter steigenden Finanzdruck zu setzen, um die Märkte in öffentlicher Hand schneller für die Privatwirtschaft einnehmen zu können. Mit den engen und starren Bewertungsformeln des Sixpack, Two-Pack und des Fiskalpakts wurde den EU-Staaten ein enges Finanzkorsett angelegt, das bewirken soll, dass bei staatlicher Überschuldung die Kriterien für Strukturreformen greifen, die zu Sozialabbau und Privatisierung von Staatseigentum führen. Die zweifelhaften Exempel werden in den Staaten Südeuropas statuiert. Die Länder brauchten nach der Krise und Rettung ihrer Banken dringend Geld und die Kreditvergabe wurde von Austeritätsmaßnahmen abhängig gemacht, die unter anderem Privatinvestitionen in Milliardenumfang als alleinige Möglichkeit zuließen. Dies ist für Unternehmen und Investoren eine gigantische Gelegenheit, um Zugang zu Wirtschaftssektoren zu bekommen, die bislang teilweise oder ganz in öffentlicher Hand waren. Schon Naomi Klein hat in ihrem Buch „Schock-Strategie dargelegt, dass der Kapitalismus nach Kriegen, Schocks und Krisen besonders gut funktioniert. Es sei die beste Zeit radikale Ideen des „freien Marktes“ nach einem großen Schock umzusetzen, und die Finanzkrise war ein solcher Schock.

Sixpack, Two-Pack und Fiskalpakt tragen die Handschrift mächtiger Lobbyverbände

Der so genannte „Sixpack“, der aus sechs Teilen der Gesetzgebung besteht, aus fünf Verordnungen und einer EU-Richtlinie, die im Januar 2012 in Kraft getreten sind, ist maßgeblich auf die Arbeit der Lobbyorganisation BusinessEurope (BE) zurückzuführen. Das neoliberale Orchester hat praktisch eine Partitur bekommen, die nun den Takt vorgibt. Den Rhythmus gibt das „Europäische Semester“ vor, um bei der musikalischen Sprache zu bleiben. Hier wird die genaue jährliche Abfolge aller EU-Kontrollen und -Entscheidungen geregelt. Die nationalstaatlichen Haushalte der EU-Staaten werden nunmehr unter strenger Aufsicht der EU-Kommission geprüft, verglichen und bewertet. Diese auf EU-Ebene verschobene Haushaltsüberwachung erfolgt weder demokratisch kontrolliert noch transparent. Weist die Bewertung eine Überschuldung aus oder auch nur einen zu langsamen Abbau einer Verschuldung, so werden rasch Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Defizitkriterien erlassen (siehe Griechenland). Die Recherchen der niederländischen Nichtregierungsorganisation „European Corporate Observatory“ (CEO) haben ergeben, dass die mächtigen Lobbyorganisationen BusinessEurope (BE) und der European Round Table (ERT) massiven Einfluss auf die Verhandlungen zu Sixpack, Two-Pack und Fiskalpakt genommen haben. Die Politik der neoliberalen Sparpolitik und Wirtschaftsführung, so CEO, sind nicht nur das Ergebnis einer falschen oder fehlerhaften Wirtschaftstheorie, sie wurden bewusst gefördert, um mächtigen Konzerninteressen zu dienen. BE hat die Krise genutzt, um seine wirtschaftliche und politische Agenda voranzutreiben, da die Sparmaßnahmen den Druck auf den Sozialstaat erhöhen und neue Bereiche für privaten Profit eröffnen, wann immer öffentliche Dienstleistungen und Unternehmen privatisiert werden. Kürzungen im Bereich der Sozialabgaben schwächen zudem den Schutz der Arbeitnehmer und führen zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Obendrein geht durch den Sparzwang eine Vertiefung der neoliberalen Wirtschaftspolitik durch Privatisierung und Liberalisierung einher, wodurch die sozialen Errungenschaften abgebaut werden. Das Strategiepapier von BE, „Putting Europe back to Track“ [PDF – 2.4 MB] von 2009, was so viel heißt wie, Europa auf den richtigen Weg bringen, enthält all die altbekannten neoliberalen Forderungen, wie die Vertiefung des Binnenmarktes, die Deregulierung der Arbeitsmärkte, die Förderung des freien Handels, Sparmaßnahmen und neoliberale Strukturreformen wie Reformen der Rentensysteme und die Förderung der privaten Altersvorsorge, die Erhöhung des Wettbewerbs unter den Anbietern von Pflege-und Krankenkassen, die Reduzierung der Unternehmenssteuern. BE drängte schon damals intensiv auf eine strikte Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, den Abbau des öffentlichen Sektors in Form von Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und eine Verschiebung von Steuerbelastungen von Unternehmen in Richtung Verbrauchsabgaben, die diejenigen Haushalte am stärksten belasten, die den größten Teil ihres Einkommens konsumieren (müssen). Im Frühjahr 2010 veröffentlichte BE einen Aktionsplan mit dem Titel „Die Kombination von finanzieller Nachhaltigkeit und Wachstum“, dieser enthält bereits einen Aufruf für verbindliche Haushaltsregeln auf europäischer und nationaler Ebene, unter Berücksichtigung der nationalen Defizite und Staatsverschuldung in Relation zum BIP. BE pflegt enge Kontakte zur EU-Kommission, die deren Forderungen auch weitgehend umgesetzt hat. Die gesamte Haushaltsüberwachung nötigt zu Sparmaßnahmen und neoliberalen Strukturreformen, womit Zug um Zug die Wunschliste der großen Unternehmen durchgesetzt wird. Wenn ein Land in den sozialen Fortschritt investiert, worin die EU-Kommission keinen wirtschaftlichen Wert erkennt, dann gibt es keine Ausnahmen vom Sparzwang, aber wenn zum Beispiel ein Staat sein Rentensystem privatisiert oder Arbeitsschutz beseitigt wird, entspricht dies sehr wohl einer Strukturmaßnahme gemäß dem neuen Rahmenwerk. (Nachzulesen sind diese Recherchen und die Quellen hier).

Déjà-vu

In Kombination mit dem Fiskalpakt bildet der Sixpack einen massiven Angriff auf demokratische und soziale Rechte der EU-Bürger, weil Staaten der Bewertungsformel unterliegen und Staaten, die Kredite in Anspruch nehmen, zwingend die daran gekoppelten Strukturmaßnahmen, im Wesentlichen also auch eine Austeritätspolitik, umsetzen müssen. Diese Politik erinnert an die Politik von IWF und Weltbank. Damit folgt die EU den Prinzipien derjenigen Institutionen, die mit Beginn der 1980er Jahre, mit dem Aufkommen des Monetarismus als vorherrschender ökonomischer Schule und beeinflusst von den so genannten Chicago Boys um Milton Friedman, mit ihrer wirtschaftspolitischen Ausrichtung einen marktradikalen neoliberalen Wirtschaftskurs einschlug und Kredite fortan nur noch vergab, wenn die Staaten massiven Auflagen, den so genannten Strukturanpassungsprogrammen, zustimmten. Mit der Durchsetzung der Prinzipien des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, der Wettbewerbsorientierung, vor allem aber auch der Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben, verschaffte der IWF den Konzernen der reichen Mitgliedsländer Zugang zu neuen Märkten in den Kreditnehmerländern und vor allem wirtschaftliche Macht. Diese Politik wirkte sich vielfach fatal auf die Lebensbedingungen der jeweiligen Bevölkerung der vom IWF „geförderten“ Staaten aus, insbesondere in Südamerika und Afrika. Meist ist auch ein damit einhergehender Raubbau an der Umwelt zu beobachten. Die Reform der EU-Vorschriften ist für die Unternehmen von enormer Bedeutung, da ihre Forderungen nun in Verordnungen und Richtlinien eingeflossen sind und umgesetzt werden müssen. Sie haben damit einen für die Erlangung ihrer Ziele wichtigen Meilenstein zum neoliberalen Umbau der EU verankern können.

Die EU fit machen für den Weltmarkt

Die Vergabetechnik öffentlicher Aufträge steht beim TTIP im Fokus der EU-Kommission, flankiert vom Liberalisierungsbestreben des Dienstleistungsmarktes und der Veränderungen der Investitionsbedingungen, damit Investoren in Drittlandsmärkten frei investieren können. Diese Themen ziehen sich auch schon wie ein roter Faden durch diverse EU-Verträge. Seit Jahren moniert die EU-Kommission, dass der Bereich der öffentlichen Aufträge auf diskriminierende Praktiken stoße und dieser große Handelsbereich nach wie vor gegen multilaterale Regeln immun sei. Nach Auffassung der EU-Kommission ist der Dienstleistungsmarkt ein Eckpfeiler der EU-Wirtschaft. Deshalb sei die schrittweise Liberalisierung des globalen Dienstleistungshandels von besonderer Bedeutung für künftiges Wirtschaftswachstum. Die Investitionsbedingungen sollen nach dem Willen der EU-Kommission in Drittländern gleichfalls verbessert werden, vor allem im Dienstleistungsbereich. Mit der am 15.11.2006 vom Europäischen Parlament mit großer Mehrheit verabschiedeten Dienstleistungsrichtlinie wurden die im EU-Vertrag festgelegten Zielen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit verwirklicht.

Die Dienstleistungsrichtlinie zielt auf eine weitgehende Liberalisierung nahezu des gesamten Dienstleistungssektors. Sie ist insofern die Umsetzung der Ziele des GATS-Abkommens (General Agreement Trade Services) innerhalb der Europäischen Union. Die EU-Kommission führte im Auftrag der EU-Mitgliedstaaten die Verhandlungen für das „Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ mit der WTO, das GATS. GATS bildet ein Rahmenwerk zur Liberalisierung des internationalen Handels und sieht vor, dass weltweit mehr als 150 Sektoren des Dienstleistungsbereichs, unter Berücksichtigung der Meistbegünstigungsklausel und des Inländerprinzips, für den Weltmarkt geöffnet werden. Das Inländerprinzip besagt, dass ausländischen Firmen gleich behandelt werden müssen wie lokale Unternehmen. In Kombination mit der Meistbegünstigungsklausel, die es verbietet umweltbewusste oder soziale Firmen zu bevorzugen, wird Konzernen eine grenzenlose Macht zuteil.

Insofern ist die Dienstleistungsrichtlinie ein weiterer Schritt auf jenem Weg, der mit der Einheitlichen Europäischen Akte eingeleitet wurde und der nahtlos in die Lissabon-Strategie mündete. Der European Round Table (ERT) schlug der EU-Kommission 1993 vor, eine Europäische Wettbewerbskommission (European Competitiveness Council) zu gründen, um der Wettbewerbsfähigkeit höchste Priorität auf der politischen Agenda zu geben. Das “Beratergremium zur Wettbewerbsfähigkeit” bestand aus 13 prominenten Industriellen, Gewerkschaftlern, Bankmanagern, Akademikern und Politikern. Diese Gruppe konzipierte die Lissabon-Strategie, mit der die EU zum dynamischsten, wettbewerbsfähigsten und wissensbasiertesten Wirtschaftsraum der Welt werden sollte.

Eine Voraussetzung zur Erlangung dieser Ziele war die Vollendung des Binnenmarkts, mit ihren vier Grundfreiheiten, der Kapital-, Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Warenverkehrsfreiheit. Nachdem die Ziele der Lissabon-Strategie zunächst nur sehr zögerlich in den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden, wurde im Sommer 2003 ein Think Tank, der „Lissabon Rat“ in Brüssel mit der Aufgabenstellung gegründet, marktradikale „Reformprojekte“ in ganz Europa durchzusetzen, die vor allem auf die Abschaffung wohlfahrtsstaatlicher Elemente abzielen. In Gerhard Schröder fanden EU-Kommission und Wirtschaft seinerzeit einen willigen Partner für die Umsetzung der Lissabon-Strategie, die im vorauseilendem Gehorsam als Agenda 2010, mit tiefgreifenden Umwälzungen in der Arbeitsmarktpolitik, im Arbeitsrecht, im Rentenrecht und massiven Steuerbegünstigungen für Reiche und Unternehmen als sozialpolitischer Reform-Rohrkrepierer in die Geschichte eingehen wird.

Die Lissabon-Strategie lieferte wiederum die Basis für das Flexicurity-Konzept. Hinter der Wortverbindung „Security“ (Sicherheit) und „Flexibilität“ verbirgt sich eine europaweite Doppelstrategie, mit dem (vagen) Versprechen von mehr Sicherheit und der gleichzeitigen Durchsetzung eines massiven Abbaus von Arbeitnehmerrechten auf europäischer Ebene. Das Flexicurity-Konzept steht für den Abbau des Kündigungsschutzes, die Verschärfung der “aktivierenden Arbeitsmarktpolitik”, Verlängerung der Lebensarbeitszeit und Kürzung bei den Renten sowie Verlängerung der Arbeitszeiten, Ausweitung der Leiharbeit etc. Mit dem Flexicurity-Konzept wollte man das dänische Modell auf EU-Ebene ausbauen (allerdings nur das einfache Entlassung, nicht allerdings die große Unterstützung für Arbeitslose). Die Umsetzung war in den einzelnen EU-Staaten unterschiedlich. In Frankreich und Italien hatte es wenig Auswirkungen, weil in beiden Ländern die Arbeitnehmervertretungen stark sind. Da die einzelnen Strategien in den Augen der Wirtschaftsvertreter nicht zielführend waren, arbeiteten sie an weiteren „Reformen“, die die Länder zur Umsetzung zwingen sollten, ohne Ausnahme.

Zuständigkeit der Verhandlung über Handelsverträge
Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon ist in Bezug auf das Freihandelsabkommen von wesentlicher Bedeutung. Im Vertrag von Lissabon wurden nicht nur die vier Grundfreiheiten gestärkt, es wurde auch die Kompetenz der Europäischen Union in Bezug auf die Aushandlung und die Annahme von Handelsverträgen unter anderem auf den Bereich ausländischer Direktinvestitionen ausgeweitet. Damit ist die Zuständigkeit der Verhandlung über Handelsverträge auf die EU-Kommission übergangen, das ist eine wichtige Voraussetzung für die TTIP-Verhandlungen, die nun die EU-Kommission führt. Allein die Europäische Kommission hat ein Initiativrecht und kann damit die zukünftige Entwicklung der EU wesentlich prägen und gestalten. Die tatsächlichen Verhandlungen werden von der Generaldirektion Handel als Teil der Kommission geführt, wobei eine enge Absprache mit einem vom Rat bestellten wöchentlich tagenden Ausschuss für Handelspolitik (Trade Policy Committee (TPC); früher 133er Ausschuss) erfolgt. Das TPC unterstützt die EU- Kommission bei Verhandlungen über Handelsabkommen und berät sie in der Gemeinsamen Handelspolitik. Vorsitz führt die jeweilige EU-Ratspräsidentschaft.

Auswirkungen der Verlagerung der Handelsverträge auf die Ebene der EU-Kommission

Seit die Zuständigkeit zu Verhandlungen über Handelsverträge auf die EU-Kommission verlagert wurde, können für die Wirtschaft relevante Themen aufgegriffen und in einen systematischen Zusammenhang gebracht werden. Die Wunschliste der Wirtschaftsvertreter hätte zuvor bei der Zersplitterung der Zuständigkeiten deutlich weniger Möglichkeiten zur Verwirklichung gehabt. Ein Beispiel für die Verhandlungen über Handelsabkommen ist das Strategiepapier „Global Europe – Competing in the World“ von Oktober 2006. Damit schlug die EU eine Neuausrichtung der gemeinsamen Handelspolitik ein, basierend auf die Änderung im Vertrag von Lissabon. Da die so genannten „Singapur“-Themen (Investitionen, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen) in der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) von den Entwicklungsländern abgelehnt wurden, benötigt die EU eine eigene Strategie, um die Ansprüche der europäischen Exportwirtschaft – statt über eine internationale Abmachung der WTO – praktisch durch die Hintertür, in Form von bilateralen Verträgen, doch noch durchzusetzen.

Global Europe umfasst die Öffnung der Dienstleistungsmärkte, den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse, den ungehinderten und gesicherten Zugang der EU-Mitgliedstaaten zu Energie- und Rohstoffen, die Liberalisierung öffentlicher Beschaffungsmärkte, den Schutz der Eigentumsrechte (einschließlich der Patente) und absolute Investitionsfreiheit zur Schaffung eines günstigen Investitionsklimas. Armutsbekämpfung, die Sicherung sozialer Standards oder verpflichtende Standards für die Industrie im Umwelt- und Klimaschutz sowie der Erhalt bzw. der Ausbau der Arbeitnehmerrechte werden nicht behandelt. Hingegen kommt den nicht-tarifären Handelshemmnissen große Bedeutung zu. Wirtschafts- und Außenpolitik fusionieren damit praktisch zu einer Gesamtstrategie. Global Europe ist der außenpolitische Bestandteil der Lissabon-Strategie. Wie innerhalb Europas, geht es bei Global Europe um die weitere Liberalisierung des internationalen Handels, um die Märkte der betreffenden Länder für europäische Unternehmen zu öffnen. Begründet wird dieses Ziel mit der Wahrung der Interessen und Chancen der EU in der globalisierten Welt. Der in der Öffentlichkeit wenig bekannte, in Brüssel wöchentlich tagende 133er-Ausschuss für Handelspolitik (jetzt Trade Policy Committee (TPC)) berücksichtigte bei der Ausarbeitung aus nahe liegenden Gründen vor allem die Interessen der Wirtschaft. Die Omnipräsenz der Brüsseler Lobbyisten kommt im Inhalt des Papiers unübersehbar zum Ausdruck. In Zusammenhang mit Global Europe müssen auch die EPAs (Economic Partnership Agreements) mit den AKP-Staaten (Afrika-Karibik-Pazifik) gesehen werden. Die AKP-Staaten sollen ihre Märkte stärker für die Wirtschaft der EU öffnen und im Gegenzug mit Hilfe von „Zollpräferenzen“ Zugang zu europäischen Märkten erhalten.

Lobbyismus und TTIP

Ein wesentliches Merkmal der immer neoliberaler werdenden EU ist der sich ständig ausdehnende Lobbyismus auf allen Ebenen. Ebenso wie bei der Global-Europe-Strategie, ist die Omnipräsenz der Brüsseler Lobbyisten auch bei den TTIP-Verhandlungen deutlich erkennbar. Maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt ist das TABD. Das Transatlantische Dialogbündnis (TABD) ist ein Lobbynetzwerk, das sich die Einflussnahme auf die Außenhandelspolitik der EU, der USA und der Welthandelsorganisation WTO zum Ziel gesetzt hat. Im TABD sind die Vertreter Transnationaler Konzerne aus USA und EU vertreten, dazu gehören u.a. Nokia, PriceWaterhouseCoopers, Bertelsmann, Dow Chemical, Deutsche Telekom, IBM, UPS, Bayer, Hoffmann La Roche, Glaxo Wellcome, Ford, Monsanto, Siemens, Unilever. Ziel des Dialogs ist es, den Handel beschränkende Hindernisse zu beseitigen und die Außenhandelspolitik der EU, der USA und der WTO zu beeinflussen. Das TABD umfasst Arbeitsgruppen, in denen u.a. über Zertifizierung, Regulierung und Handelsliberalisierung gesprochen wird. Die Amsterdamer Nichtregierungsorganisation CEO hat recherchiert, dass bis zu 80% der TABD-Empfehlungen von der EU-Kommission und der US-Regierung aufgenommen und in nationale Politik umgesetzt wurden. Um den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse anzuschieben, wurde im Jahr 2011 ein Beratergremium, dem u.a. BusinessEurope und die Bertelsmann Stiftung angehören, eine High-Level Working Group on Jobs and Growth (RGIT) eingerichtet. Der Endbericht der RGIT zur High-Level-Working Group kann hier [PDF – 41.4 KB] nachgelesen werden.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) setzt sich, eigenen Angaben zufolge, in Berlin, Brüssel und Washington für eine stärkere transatlantische Wirtschaftsintegration ein. Die strategische Ausrichtung der USA-Arbeit des BDI wird vom BDI-US-Board [PDF – 127 KB] der deutschen Industrie bestimmt, in dem CEOs, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder aus ca. 40 Unternehmen vertreten sind. Das Board wird auf Arbeitsebene vom „BDI-Arbeitskreis USA“ [PDF – 92.6 KB] unterstützt, der die Positionen des BDI im engen Dialog mit den BDI-Mitgliedsverbänden erarbeitet. Der BDI ist durch die »Representative of German Industry and Trade« auch in Washington in ständigem Austausch mit politischen Entscheidungsträgern.

Die deutsche Wirtschaftslobby fordert eine tiefgehende und umfassende bilaterale Initiative für den transatlantischen Handel in folgenden Bereichen: Zölle, nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Dienstleistungen, Investitionen, öffentliche Vergabe, Geistiges Eigentum sowie Arbeitnehmerentsendung. Höchste Priorität der Arbeitsgruppe ist die Harmonisierung von Standards und anderen Vorschriften in der EU und den USA. Die vollständige Stellungnahme hier [PDF – 948 KB].

Eine weitere Lobbygruppe, die massiv Einfluss auf die Ausarbeitung des Freihandelsabkommen TTIP hat, ist die schon oben erwähnte Lobbyorganisation BusinessEurope, BE, sie konzentriert sich auf die „Reform“ des Wohlfahrtstaates, auf Wachstum und Arbeitsplätze, die Vollendung des gemeinsamen Marktes und die Bekämpfung des nationalen Protektionismus. Es ist eine der größten Lobbyorganisationen, sie besteht seit 1949 und nannte sich bis zum 23. Januar 2007 Union of Industrial and Employers’ Confederation of Europe (UNICE). Die Organisation besteht eigenen Angaben zu Folge aus 41 Mitgliedsverbänden in 35 Ländern. Sie arbeitet an Gesetzesentwürfen und EU-Programmen mit und ist eng verbunden mit dem European Round Table of Industrialists (ERT). Aus Deutschland sind der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) in BE vertreten.

Den Verhandlungen für das Freihandelsabkommen TTIP sind etliche transatlantische Dialogforen vorausgegangen, die in unterschiedlichem Maße aktiv und an den Strukturen der Zusammenarbeit EU-USA beteiligt waren und teilweise noch sind. Ein eng geflochtenes Netz aus Konsultations- und Kooperationsmechanismen soll das Freihandelsabkommen auf den Weg bringen. Treibende Kraft hinter den Verhandlungen sind transnational agierende Konzerne, denen die bisherigen Verträge nicht weit genug gehen. Zu Beginn stand die am 23. November 1990 von EU und USA verabschiedete Transatlantische Erklärung (Transatlantic Declaration). Der damalige US-Präsident George Bush sen. handelte die Agenda für die Transatlantische Erklärung aus, mit welcher die Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten gestärkt werden sollte [PDF – 33.2 KB].

1992 wurde das Transatlantic Policy Network (TPN) ins Leben gerufen. Mit Veranstaltungen und Publikationen konzentriert sich das TPN, eigenen Angaben zufolge, auf die transatlantische Partnerschaft und die Förderung der Führungsrolle in der Weltwirtschaft. Das TPN ist eine Lobbyorganisation großer europäischer und US-amerikanischer Unternehmen und wirtschaftsnaher Netzwerke, die durch die Einbindung von europäischen und US-amerikanischen Politikern die transatlantische Politik im Sinne ihrer wirtschaftlichen Interessen beeinflusst. Im TPN versammeln sich Großunternehmen, darunter Bertelsmann, Boeing, Dow-Chemical, JP Morgan, Nestlé, Daimler AG, Deutsche Bank oder Microsoft und über Hundert Abgeordnete des US- Kongresses und des Europaparlaments, darüber hinaus Think Tanks, Handelskammern und Arbeitgeberverbände. Es versteht sich als Netzwerk seiner vielen Mitglieder. Das TPN setzt sich momentan intensiv für das geplante Freihandelsabkommens TTIP ein.

1994 begannen im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsdialogs (TABD), die Verhandlungen zur New Transatlantic Agenda, Neue Transatlantische Agenda (NTA). Am 3. Dezember 1995 auf dem EU-US-Gipfel in Madrid unterzeichneten der Präsident der EU-Kommission, Santer, der spanische Ministerpräsident González und US-Präsident Clinton die NTA, welche die Transatlantische Erklärung von 1990 ersetzte. Zentraler Bestandteil der NTA ist die Schaffung eines neuen transatlantischen Marktplatzes, des New Transatlantic Marketplace (NTM). Dieser hatte zum Ziel, bis zum Jahr 2010 alle verbleibenden Schranken bei Handel und Dienstleistungen und alle Zölle auf Waren zu beseitigen. Die technischen und nicht-tarifären Handelshemmnisse sollten durch Harmonisierung und die gegenseitige Anerkennung von Standards und Grenzen überwunden werden. Öffentliche Ausschreibungen, geistiges Eigentum und alle Investitionen sollten völlig liberalisiert werden und ein transatlantischer Schlichtungsmechanismus die Deregulierung im Streitfall erzwingen. Der NTM sollte nach dem Vorbild der NAFTA, dem Freihandelsabkommen zwischen Kanada, USA und Mexiko, eingeführt werden. Innerhalb der EU sprach sich vor allem die damalige französische Regierung gegen den NTM aus.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des EU-USA-Gipfeltreffens in London im Mai 1998 verkündete der damalige britische Premierminister Tony Blair die Geburt einer weiteren Partnerschaft, der New Transatlantic Economic Partnership (TEP) zur Intensivierung und Erweiterung der multilateralen und bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Handel und Investitionen. TEP war das Ergebnis intensiver und ausführlicher Gespräche zwischen der US-Regierung und der Europäischen Kommission. Der New Transatlantic Marketplace Vertrag (NTM) wurde ab diesem Zeitpunkt als New Transatlantic Economic Partnership (TEP) weiterverhandelt.

Am 30. April 2007 wurde die Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsintegration [PDF – 107 KB] zwischen der Europäischen Union und den USA unterzeichnet. Der daraufhin auf Initiative von Bundeskanzlerin Merkel, EU-Präsident Barroso und US-Präsident Bush auf dem Transatlantischen Gipfel am 30. April 2007 ins Leben gerufene Transatlantische Wirtschaftsrat Transatlantic Economic Council (TEC) befasst sich mit dem Abbau von Handelshemmnissen (Abbau regulatorischer Lasten) und fokussiert sich auf die Realisierung eines transatlantischen Wirtschaftsraums. BDI-Vizepräsident Jürgen Thumann nimmt als Vorsitzender des TABD und zugleich als Präsident des europäischen Wirtschaftsverbandes BusinessEurope von europäischer Seite an Treffen des TEC teil. Im Rahmen des TEC wurde das bereits erwähnte Beratergremium High-Level Working Group on Jobs and Growth (RGIT) eingerichtet.

Das sind längst nicht alle Lobbyorganisationen, die ihren Einfluss auf die europäische Wirtschaftspolitik geltend machen. Zwei enorm einflussreiche Lobbyverbände wären noch zu nennen, die gesamte Palette würde den Rahmen sprengen: Das European Services Forum (ESF), ihm gehören 47 der größten europäischen Konzerne und 35 europäische Dachverbände aus Versicherungen, Banken, Unternehmen des Dienstleistungssektors an. Das ESF hat sich zum Ziel gemacht, die Interessen des europäischen Dienstleistungssektors und die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte in der ganzen Welt in Verbindung mit den GATS-Verhandlungen und mit den regionalen und bilateralen Handels-Verhandlungen, voranzutreiben. Auch die International Chamber of Commerce (ICC), die 1500 Wirtschaftsorganisationen und mehr als 5000 internationale Unternehmen vertritt, darunter 50 Großkonzerne (u.a. Coca-Cola, Goldman Sachs, McDonald’s, Rio Tinto Zinc und Unilever), hat ihren Einfluss geltend gemacht.

Neben diesen vor allem wirtschaftsnahen Lobbyorganisationen gibt es eine große Anzahl von politischen Zirkeln, in denen Netzwerke geflochten werden. Im Verhältnis zwischen USA und Deutschland wäre da u.a. die „Atlantik-Brücke“ zu nennen.

Das TTIP als Zwischenschritt

Das momentan verhandelte TTIP ist also nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer weltweiten grenzenlosen Bewegungsfreiheit für Investoren und Handelsfreiheit für internationale Konzerne ohne hemmende Einflussmöglichkeiten. Die Europäische Union wurde nach dem Willen der Wirtschaft peu à peu umgebaut und in eine neoliberale Richtung gelenkt. Es sollen immer noch günstigere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft geschaffen werden. Strickmuster und Stoßrichtung sind im Prinzip immer gleich. Mächtige Lobbyverbände üben Einfluss auf supranationale Organe um ihre Forderungen durchzudrücken und soziale Errungenschaften und demokratische Rechte zu schleifen. Der Einfluss von Lobbyorganisationen auf nationaler und EU-Ebene ist gravierend, er hebelt die Demokratie aus, denn die Macht geht dann nicht mehr vom Volke aus sondern von der Wirtschaft. Es ist ein Systemfehler, der behoben werden muss, sonst wird das Volk in die Rolle des Zuschauers manövriert. Letztendlich spielt es schon heute keine Rolle mehr, welche Partei regiert. Real regiert die Wirtschaft aufgrund ihrer Macht im Hintergrund und durch das Netzwerk ihrer Lobbyorganisationen.

Auch das Freihandelsabkommen TTIP hat massive Auswirkungen auf die europäische Demokratie. Bundestag und Bundesrat müssen nur dem Freihandelsabkommen TTIP zustimmen, um sich im Bereich der Wirtschaftspolitik weitgehend selbst zu entmachten. Neue Tendenz der EU-Politik ist es, Kompetenzen und Gestaltungsmacht auf EU-Ebene zu verlagern und damit nationale Parlamente aus diesen Bereichen auszuschalten. Wenn nach diesem Verfahren das TTIP ratifiziert ist, darf es nicht mehr verändert werden, es wird praktisch in Stein gemeißelt. Änderungen wären dann nur mit Zustimmung aller Beteiligten möglich, und die kann man praktisch ausschließen. Auch ein neues Parlament, selbst nach Neuwahlen, dürfte dann von den ratifizierten Verträgen nicht mehr abweichen. So entmachten sich nationale Parlamente für alle Zeiten und bleiben festgezurrt in einem System, das keine Spielräume für eigene Entscheidungen zulässt. Die Demokratie ist ad absurdum geführt und die Bevölkerung wird von einer Wirtschaftsdiktatur regiert.

(Hier noch ein interessanter Link zu einer Anhörung im Bundestag zu TTIP)


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=21044