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Titel: Geheime Rektoren-Gehälter als Politikum

Datum: 24. Februar 2014 um 8:20 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Hochschulen und Wissenschaft, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Mit der Veröffentlichung der aus Steuermitteln finanzierten üppigen Gehälter von Hochschulrektoren, scheinen die NachDenkSeiten in ein Wespennest gestochen zu haben. Die ertappten Präsidenten reden von „Skandal“ und „Rechtsbruch“ und sie erwägen Anzeigen wegen „Geheimnisverrats“. Es wird eine „gezielte Indiskretion“ des Wissenschaftsministeriums unterstellt und darüber hinaus werden die eigenen Gehaltsangelegenheiten zum Politikum erhoben. Wieder einmal wird der Bote der Information beschimpft, um von der Botschaft selbst abzulenken. Die Rektoren sehen „Vertrauen“ zerstört, wo doch sie selbst durch ihre „Selbstbedienung“ Vertrauen gegenüber den Hochschulangehörigen und der Öffentlichkeit verloren haben. Ein beachtlicher Teil der Uni-Präsidenten ist offenbar Opfer der Ideologie der „unternehmerischen Hochschule“ geworden: Sie betrachten sich als Chefs der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihrer Hochschulen und wollen sich deren wissenschaftliche Leistungen auf ihrem Gehaltskonto gutschreiben lassen. Von Wolfgang Lieb.

Das Gehalt jedes/r öffentlich Bediensteten vom Dienstboten angefangen, über die Polizeibeamten, die Oberbürgermeister, bis hin zu Ministerinnen oder der Ministerpräsidentin (§ 7 Landesministergesetz, vom Grundschullehrer bis hin zum Professor (egal ob nach C oder W besoldet) ist mit allen Details im Ministerialblatt des Landes NRW [PDF – 617 KB] für alle nachzulesen.

Nicht nur im Öffentlichen Dienst herrscht Transparenz, selbst die Vorstände von deutschen Aktiengesellschaften müssen inzwischen per Gesetz ihre genauen Einkommen öffentlich preisgeben.

Ausgerechnet mit der Offenlegung der aus Steuermittel finanzierten Gehälter von Hochschulpräsidenten scheinen die NachDenkSeiten jedoch in ein Wespennest gestochen zu haben.

Die Veröffentlichung der Liste der mit den zwischen Rektoren und Hochschulräten ausgehandelten Gehältern wird von den PräsidendentInnen als „Skandal“ betrachtet. Der „Chef der Ruhr-Uni Bochum“ spricht von „Rechtsbruch“. Der Kölner Rektor findet es „ärgerlich und irritierend“, dass die Gehälter öffentlich nachzulesen seien und sieht dahinter die Absicht, “die Rektoren zu diskreditieren“ (Kölner Stadt-Anzeiger v. 22./23.02.2014 S. 8 siehe auch WDR). Der Siegener Rektor sieht gar eine Gefährdung der Annäherung zwischen den Unis und dem Ministerium.

Angeblich denken Rektoren sogar über eine Anzeige wegen Geheimnisverrats aufgrund der Veröffentlichung nach. Und die CDU-Opposition im Landtag, die sich schon immer gern zum Sprachrohr der Rektoren machte, beantragt eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses.

Weil es so schön ins rektorale Feindbild passt, wird eine „gezielte Indiskretion“ aus dem Ministerium unterstellt. Doch weder der Autor des Artikels, noch die diesen Beitrag wiedergebenden NachDenkSeiten, hatten vorher Kontakt mit dem Wissenschaftsministerium – geschweige denn mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin aus diesem Ressort. Geradezu verschwörungstheoretisch wird es, wenn mit der Veröffentlichung eines Gastbeitrages auf den NachDenkSeiten eine Verbindung hergestellt wird, dass ich als Mitherausgeber dieses Internetportals vor nun 14 Jahren einmal Staatssekretär im Wissenschaftsministerium gewesen sei.

Das ist schon deshalb abwegig, weil der Autor des Beitrags über die Gehaltsliste der Rektoren schon 4 Tage vor den NachDenkSeiten detailliert in der Sendung Campus und Karriere im Deutschlandfunk berichtet hat [Audio – mp3] und einen Tag zuvor, am 12. Februar, schon bei WDR5 in der Sendung Westblick.

Die geradezu irrationalen Reaktionen der Rektorinnen und Rektoren auf die Offenlegung ihrer immensen Gehaltssteigerungen in relativ kurzer Zeitspanne lassen sich eigentlich nur damit erklären, dass sie sich bei ihrer Geheimniskrämerei ertappt fühlen und dass es ihnen offenbar peinlich ist, dass die Bediensteten an den Hochschulen und die Professorinnen und Professoren Nullrunden bei ihren Gehältern hinnehmen mussten, während sie sich selbst üppige Gehaltssteigerungen genehmigten.

Es kommt eben bei den Hochschulangehörigen nicht so gut an, dass Uni-Rektoren innerhalb von 8 Jahren im Geheimen Gehaltserhöhungen zwischen 40 bis 70% ausgehandelt haben, während eine Umfrage des DGB über die Beschäftigungsbedingungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen Folgendes ergab:

„79 Prozent der Wissenschaftler an Universitäten hatten in der Umfrage angegeben, befristet beschäftigt zu sein, an den Fachhochschulen sind es 57 Prozent. Zudem machen rund zwei Drittel aller vollzeitbeschäftigten Wissenschaftler nach eigenen Angaben regelmäßig Überstunden. Bei den Halbtagsbeschäftigten ist die Lage noch dramatischer, hier sind es 75 Prozent, die – zumeist unbezahlte – Überstunden leisten. Vier von zehn Befragten halten zudem ihr Einkommen für nicht angemessen, jeder fünfte Beschäftigte klagt über eine zu hohe Arbeitsbelastung“.

Es gehört zu den ganz typischen Verteidigungsstrategien, wenn Personen des öffentlichen Lebens mit unangenehmen, bisher geheim gehaltenen Informationen konfrontiert werden: Man beschimpft den Informanten und beschuldigt den Boten der Nachricht und streut darüber hinaus den Verdacht des Geheimnisverrats aus, um von der Botschaft selbst abzulenken.

Doch damit ist es in diesem Falle nicht genug: Die RektorInnen erheben ihre eigenen Gehaltsangelegenheiten zum Politikum, indem sie deren Veröffentlichung im politischen Streit um die Novelle des NRW-Hochschulgesetzes in Stellung bringen. Dadurch werde die „inhaltliche Diskussion über die Zukunft der Hochschulen in NRW“ belastet, meint der Kölner Rektor Axel Freimuth. Man tut von Seiten der Hochschulleitungen also so, als sei ein Gesetzgebungsakt vom gegenseitigen „Vertrauen“ zwischen der Ministerin und den RektorInnen abhängig. Die Gesetzgebung wird nicht mehr als öffentliche politische Debatte, sondern sozusagen als „Vertrauenssache“ zwischen der Ministerin und den Rektoren verstanden. Die Präsidentinnen steigern sich in eine Rolle hinein, als müsse der Gesetzgeber Gesetze wie Verträge mit ihnen als souveräne Rechtssubjekte ausverhandeln, gerade so als käme es auf andere Mitglieder der Hochschule oder auf gesellschaftliche Belange gar nicht mehr an.

Wie sehr zumindest ein beachtlicher Teil der PräsidentInnen von der Wirklichkeit entrückt und Opfer eigener Managementphantasien geworden ist, belegt eine Bemerkung des Siegener Rektors Holger Burckhart. Er rechtfertigt die Gehaltssteigerung von 84.000 auf 131.000 Euro für die Rektoratstätigkeit wie folgt: „Die Uni Siegen ist immerhin ein Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern, 18 000 Azubis und einem Umsatz von 250 Millionen Euro.“

Er erklärt also die derzeit 255 Professorinnen und die rund 1.600 wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Bediensteten der Universität schlicht zu „Mitarbeitern“ (s)eines Unternehmens, als deren Chef er sich offensichtlich fühlt. Die Studierenden (übrigens wie die Hochschullehrer eigenständige Träger der Wissenschaftsfreiheit) sind für ihn „Azubis“ seines Betriebes. Die 250 Millionen, die der Rektor als „Umsatz“ seines Unternehmens Universität betrachtet, sind – das scheint völlig aus dem Blickfeld geraten zu sein – zum ganz überwiegenden Teil staatliche Zuschüsse für den laufenden Betrieb und für das Personal aus dem Landeshaushalt. Auch die Tatsache, dass die Universität Siegen im Jahr 2013 voller berechtigtem Stolz Drittmittelbewilligungen über 40 Millionen ausweisen konnte, ist vor allem ein Verdienst der Wissenschaftler/innen dieser Hochschule und zum kleineren Teil ein persönlicher Erfolg des Rektors. Diejenigen, die diese Gelder eingeworben haben, dürften sich zurecht fragen, warum sich ihre Leistungen nun allein im Gehalt des Rektors niederschlagen sollte. Im Übrigen dürfte der Löwenanteil der Drittmittel gleichfalls aus öffentlichen Kassen und somit aus Steuergeldern fließen. Hier wird „freie Wirtschaft“ mit Steuermitteln gespielt.

Wie absurd das Selbstbild des Siegener Rektors als Unternehmensmanager ist, wird deutlich, wenn man es einmal beispielhaft auf andere Bereiche des öffentlichen Sektors überträgt: Legt man den Haushaltsplan des Landes NRW zugrunde, so hätte die Ministerpräsidentin des Landes einen „Umsatz“ von knapp 60 Milliarden Euro und sie hätte rd. 300.000 „Mitarbeiter“. Welches Gehalt wäre für sie „angemessen“, wenn man der Logik des Siegener Rektors folgte? Man könnte diese absurde Rechnung für ganz viele öffentliche Bereiche aufmachen: So „beschäftigte“ etwa die Schulministerin etwa 150.000 Lehrer oder der Innenminister hätte 40.000 Polizistinnen und Polizisten als „Mitarbeiter“. Beide gehörten zu den Chefs der größten „Unternehmen“ im Lande. Kein Mensch würde jedoch auf die Idee kommen, diese Minister wie die Vorstandsvorsitzenden von Thyssen-Krupp oder RWE zu bezahlen.

Es ist bemerkenswert, dass die Kommentatoren in den nordrhein-westfälischen Medien fast durchgängig kein Problem darin sehen, wenn sich Hochschulrektoren im Hinblick auf ihre Bezahlung an Managern der „freien Wirtschaft“ (z.B. Kerstin Meier im Kölner Stadt-Anzeiger v. 22./23. Februar) messen. In den gleichen Medien wird allerdings ständig auch darüber hergezogen, dass die Landesregierung zu viele Schulden mache. Wenn an Hochschulen als vom Land getragene Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuergelder nach Gusto von nicht zur Verantwortung ziehbaren Hochschulräten an Präsidentinnen und Präsidenten verteilt werden, dann soll das allerdings erstens geheim bleiben und zweitens brauchen sich die Gehälter nicht mehr an dem Gehaltsgefüge zu orientieren, das bei Direktoren von Schulen, bei Gerichtspräsidenten, bei Oberbürgermeistern oder sonstigen durchaus mit vergleichbarer Verantwortung beladenen öffentlichen Funktionen als ganz selbstverständlich, ja oft sogar als überhöht betrachtet wird.

Ja, es ist richtig, dass Rektoren früher zu gering bezahlt worden sind, das gilt aber bis heute auch für Grundschulrektoren oder für Professorinnen und Professoren ganz allgemein. Es kann jedoch nicht der richtige Weg sein, dass an den Hochschulen oder im gesamten öffentlichen Sektor die Gehälter zwischen Leitungsebenen und den übrigen Bediensteten wie im privaten Sektor immer weiter auseinanderdriften.

Ja, die Gehälter im öffentlichen Sektor sind gemessen an der privaten Wirtschaft in den letzten zwei Dekaden immer weiter in Rückstand geraten und man muss sich gerade für die Hochschulen Gedanken darüber machen, wie man im Wettbewerb mit dem Ausland und mit der privaten Wirtschaft hochqualifizierte Leute einwerben und behalten kann. Das Problem ist jedoch bei Wissenschaftlern (vor allem Nachwuchswissenschaftlern) drängender als bei Rektoren.

Ohne Zweifel könnten viele Wissenschaftler an der Hochschule in der Privatwirtschaft ein höheres Einkommen erzielen. Ob sie damit eine vergleichbare Altersversorgung hätten, ist eine andere Frage. Sicher ist allerdings, dass sie außerhalb der Hochschule ihrem größten Privileg – nämlich der Garantie ihrer Freiheit in Wissenschaft und Forschung – weitgehend verlustig gingen.

Es ist nachvollziehbar, dass die Rektorinnen und Rektoren in ihrer Managementmentalität dieses Freiheitsprivileg nicht mehr empfinden und sich deshalb auf den materiellen Vergleich ihrer Einkommen mit Führungskräften der Wirtschaft zurückziehen.

Da stellt sich allerdings die Frage, ob den Hochschulen und den Wissenschaftlern Leitungskräfte mit einer solchen Motivation gut tun.

Was bei dieser Debatte unter den „Exzellenzen“ der Hochschulen ohnehin völlig verloren gegangen zu sein scheint, das ist der Bezug zu den ganz normalen Einkommensbeziehern nicht nur an den Hochschulen, sondern auch in der übrigen Gesellschaft.

Hinweise:

  • Geheime Rektoren-Gehälter veröffentlicht
    Es riecht nach gezielter Indiskretion. Im Internet sind die geheimen Zusatzbezüge aller Hochschul-Rektoren aus NRW aufgetaucht. Daraus geht hervor, dass deren Gehälter deutlich gestiegen sind. Die Veröffentlichung platzt mitten in den Streit um das neue Hochschulgesetz…
    Die CDU dagegen ist entsetzt über den “Geheimnisverrat” und beantragt eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses.
    Quelle: WDR1
  • Inidiskretion gegenüber Uni-Rektoren schürt Vertrauenskrise
    Etliche Uni-Rektoren in NRW sind erbost über die Offenlegung ihrer Gehälter „ohne Rücksprache”. Die Quelle vermutet Siegens Rektor Holger Burckhart im NRW-Wissenschaftsministerium. Die Indiskretion gefährdet die Annäherung zwischen den Unis und dem Ministerium.
    Mit der Veröffentlichung seines Gehalts hat Holger Burckhart, Rektor der Universität Siegen, kein Problem. Im Prinzip jedenfalls. Weil er zur Höhe steht. Weil er es für angemessen hält für den Verantwortungsbereich und im Verhältnis zum Verdienst normaler Professoren oder mittelständischer Unternehmer: „Die Uni Siegen ist immerhin ein Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern, 18 000 Azubis und einem Umsatz von 250 Millionen Euro.“ Was ihn und seine Kollegen aber erbost ist die Weitergabe ohne Rücksprache zum gegenwärtigen Zeitpunkt: „Wie soll da Vertrauen entstehen?“…
    Quelle: WAZ.de
  • Rektoren verdoppeln ihre Gehälter und kritisieren Transparenz
    Zu der geleakten Gehaltsstatistik der Uni-Rektoren sagt Dr. Joachim Paul, Fraktionsvorsitzender der Piraten im Landtag NRW:
    „Wer heimlich an der Schokolade nascht, darf sich nicht wundern, wenn das rauskommt. Es ist schon bemerkenswert, wenn sich Rektoren offensichtlich ihre Bezüge innerhalb von acht Jahren verdoppeln lassen. Dass sie sich aber dann darüber empören, dass diese Tatsache öffentlich bekannt wird, ist eine Frechheit. Die Bezüge der Uni-Rektoren werden aus Steuermitteln finanziert – der Steuerzahler hat grundsätzlich ein Anrecht darauf zu erfahren, was mit seinem Geld passiert. Wer auch immer die interne Gehaltsstatistik geleakt hat, hat richtig gehandelt!
    Mit der Kritik an der ‚gezielten Indiskretion‘, wie es die Rektoren nennen, wollen sie lediglich von der unverhältnismäßigen Gehaltserhöhung ablenken. Gute Arbeit soll auch mit gutem Geld belohnt werden – aber anstatt die Hochschule als Selbstbedienungsladen zu missbrauchen, sollten die Rektoren ihre Bezüge an den Gehältern der eigenen Mitarbeiter messen: deren Gehälter sind um keine zehn Prozent gestiegen.
    Es wird höchste Zeit für ein neues Hochschulgesetz, welches Transparenz in den Mittelpunkt stellt.“
    Quelle: Piratenfraktion im Landtag NRW


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