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Titel: Zur Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“ – Vom Weißwaschen deutscher „Machteliten“ und vom Anschwärzen ihrer Kritiker

Datum: 19. Februar 2014 um 9:04 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Gedenktage/Jahrestage, Strategien der Meinungsmache
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Peter Dausend zählt unter dem Titel „Krieg & Kurt“ für das laufende Jahr 25 Gedenkmöglichkeiten auf; vor lauter Gedenktagen komme man gar nicht mehr zum Denken, befürchtet er. Die Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“ belässt es bei drei Gedenkdaten aus dem 20. Jahrhundert und nimmt noch ein weiteres Datum aus dem 21. Jahrhundert dazu: 100 Jahre „Ausbruch“ des Ersten Weltkriegs, 75 Jahre Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch Deutschland, 25 Jahre Mauerfall und Ende der realsozialistischen Regime in Osteuropa und 10 Jahre Osterweiterung der EU. Damit hat man die „Brückenköpfe“ der Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“ beisammen, über die die Herausgeber der Ausstellung, drei deutsche „ideologische Staatsapparate“, nämlich das „Münchner Institut für Zeitgeschichte“, „Deutschlandradio Kultur“ und die „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“, gesponsert von der Daimler-AG, eine „dramatische Geschichte“ Europas „zwischen Freiheit und Tyrannei, zwischen Demokratie und Diktatur“ wölben.
Die Ausstellung erhebt den Anspruch, eine sinnstiftende „europäische Perspektive“ einzunehmen, bleibt aber von Anfang bis Ende ein Stück deutsch-hegemonialer „Erinnerungskultur“, meint Hans Otto Rößer in seiner kritischen Analyse.

Vorbemerkung WL: In dem Artikel wird die Kritik an den unwissenschaftlichen Darstellungsmethoden der Ausstellungsmacher sehr detailliert belegt, der Text ist deshalb selbst für die Gepflogenheiten der NachDenkSeiten ziemlich umfangreich. Ich habe deshalb einige kritische Urteile Hans Otto Rößers über die Ausstellung seiner ausführlichen Analyse vorweggestellt. Der längere Artikel, vor allem für historisch interessierte Leserinnen und Leser, ist als Datei [PDF – 2 MB] zu öffnen.

Der Ausstellungstitel vergreift sich am Titel des berühmten Buches von Eric Hobsbawm. Aus dessen “Zeitalter der Extreme“ wird aber ein Jahrhundert der Extremismen und Extremisten – in Wiederbelebung der „Totalitarismustheorie“ mit ihrer kruden Gleichsetzung von links und rechts.

Erst wird geschossen, dann geraten die guten Bürger zwischen der Scylla des Rechtsextremismus (schlimm) und der Charybdis des Linksextremismus (schlimmer) ins Schwimmen, um schließlich als Sieger der Geschichte ins gelobte Land einer osterweiterten EU einzulaufen. Ziel und Ende der Geschichte.

Die Ausstellung erhebt den Anspruch, eine sinnstiftende „europäische Perspektive“ einzunehmen, bleibt aber von Anfang bis Ende ein Stück deutsch-hegemonialer „Erinnerungskultur“, nämlich die „von uns proklamierte Sicht auf das Zeitalter der Extreme“.

Die Ausstellung macht nirgends deutlich, dass ihre Behauptungen in einem diskursiven Feld stehen und darin hoch umstritten sind. Ihr Gestus ist nicht diskursiv, sondern apodiktisch. Sie tut so, als verkünde sie zum Zweck „politischer Breitenbildung“ völlig unstrittige Wahrheiten, wo es tatsächlich um die „von uns proklamierte Sicht“ geht.

Es wäre zu viel der Ehre, würde man den Ausstellungsmachern vorwerfen, das geschichts- und politikdidaktische Ziel persönlicher Urteilsfähigkeit verfehlt zu haben. Ihre „politische Breitenbildung“ nimmt dieses Ziel nicht einmal ansatzweise in den Blick.

Im Hinblick auf das Scheitern der Weimarer Republik suggeriert die Ausstellung z.B., dass die Aushöhlung des Parlamentarismus der negativen Mehrheit antidemokratischer Parteien (NSDAP und KPD – die DNVP wird freundlicherweise nicht erwähnt) geschuldet sei… Die Wende zum Antiparlamentarismus erfolgte, weil die bürgerlichen Parteien den politischen und sozialpolitischen Kompromiss der Weimarer Koalition aufgekündigt hatten. Es sind nicht die „Extreme“ an den Rändern, es ist die wirtschaftliche, soziale und politische Radikalisierung der bürgerlichen „Eliten“ und ihres politischen Personals, der bürgerlichen Parteien, es ist der „Extremismus der Mitte“, der zur Auflösung der parlamentarischen Demokratie führt.

Ein Hauptakteur, die Großindustrie bzw. das Großbürgertum, wird eher beiläufig erwähnt. Seine Rolle und die Rolle der bürgerlichen Parteien bei der Zerstörung der Weimarer Republik werden verschwiegen. Insbesondere wird nicht deutlich, dass die auf den Abbau des Sozialstaates gerichtete Krisenpolitik der Unternehmer in der Konsequenz die Zerstörung nicht nur der Formen parlamentarischer Repräsentation, sondern jeder demokratischen Artikulation implizierte. Stattdessen wird eine Kausalität fingiert (eine negative Parlamentsmehrheit von NSDAP und KPD), die als solche niemals zur Ernennung Hitlers als Kanzler geführt hätte.

Die Trennung zwischen sozialer Lage und politischer Artikulation wirkt besonders niederträchtig bei der Wiederholung des mehrfach widerlegten Irrtums, die Arbeitslosen hätten den Aufstieg der Nazis mit Stimmen befördert. In den großen Erzählungen der deutschen „Eliten“ richten eben immer die Ärmsten und Ohnmächtigsten das größte Unglück an. Sie essen falsch, sie lieben falsch, sie wählen falsch. In den großen Erzählungen der deutschen „Eliten“ werden immer nur die Wehrlosesten verhöhnt und die Hungrigen als „Hans Wurste“ lächerlich gemacht. Immer sind die Niedrigsten die größten Betrüger und bekommen komische Indianernamen. Sie heißen „Florida-Joe“ oder „Karibik-Klaus“, aber niemals Josef Ackermann oder Klaus Zumwinkel.

Es ist empörend, dass einen die Manipulationen, Verfälschungen und Halbwahrheiten dieser Ausstellung dazu zwingen, Fakten zu reproduzieren, die man in jedem halbwegs brauchbaren Schulbuch nachlesen kann.


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