Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Edathy
- Fußball WM Katar: Über 450 indische Arbeiter 2012/2013 gestorben
- Merkel blockt Griechen-Hilfe
- TTIP: »Es geht hier nicht um EU versus USA«
- Steuern
- VW-Chef verdient am Tag so viel wie andere im Jahr
- Premier Abe: Japan steht Lohn-Überraschung bevor
- Papst Franziskus und der Marktgott
- Streit um Undercover-Reportage – Daimler verklagt den SWR
- Ein Jugendlicher wird etwa 10.000 Stunden länger arbeiten als sein Vater
- Infrastruktur verfällt: Investitionen über 120 Milliarden nötig
- Finanzinvestoren am Wohnungsmarkt
- Der vergessene Einsatz: Deutsche Soldaten vor der Küste des Libanon
- Gehirn-Gymnastik mit Hitler und Josef Joffe
- zu guter Letzt: Der steinige Weg zum Audio-Podcast
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Edathy
- Wolfgang Bittner – Nur eine Schmierenkomödie?
[…] Nach Aufdeckung der NSU-„Informations- und Ermittlungspannen“ kam es zu mehreren Rücktritten leitender Beamter der Staatsschutzorgane. Seither ist zu vermuten, dass eine Kumpanei zwischen so genannten Staats- und Verfassungsschützern und Rechtsextremisten bestanden hat und eventuell noch besteht. Edathy hatte sich als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses in diesen Kreisen sehr unbeliebt gemacht.
Ist es gewagt, auf solche Hintergründe aufmerksam zu machen? Natürlich kommt sofort der Einwand, es handele sich um eine Verschwörungstheorie. Aber in der Vergangenheit haben sich bekanntlich viele Verschwörungstheorien als wahr erwiesen. Die Affäre um den Politiker Edathy entwickelt sich immer mehr zu einer Schmierenkomödie. Und die Frage, der bisher aus dem Weg gegangen wird, lautet: Wer steckt dahinter? Was ist die Absicht? Noch wichtiger ist allerdings die Frage, die sich inzwischen viele Bürger stellen: Gibt es keine dringenderen Probleme in Deutschland?
Quelle: Hintergrund
- Das Strafrecht ist keine Moralkeule
Edathys Handeln kann man verwerflich finden. Doch das Strafrecht darf nicht missbraucht werden, um Menschen zu outen, die keine Gesetze gebrochen haben. […]
Bei Edathy argumentieren Ermittler damit, dass ein Teil derjenigen, die strafrechtlich belanglose Nacktbilder von Jungen bestellen, auch strafrechtlich relevante Kinderpornografie ordern würden. Dass auch der andere Teil nach einem solchen Verfahren „bürgerlich und politisch tot“ ist, wie es die Strafrechtlerin Monika Frommel formuliert, nehmen sie billigend in Kauf.
Wenn die Bundesregierung den Ankauf solcher Bilder für strafwürdig befindet, muss sie ihn verbieten. Macht sie das nicht, müssen Käufer vor Verfolgung geschützt werden. Schließlich ist auch nicht jeder Porschefahrer ein Temposünder – selbst wenn der Verdacht naheliegt. […]
Ähnlich ist die Lage derzeit beim Thema Prostitution. Ein Teil der Bevölkerung drängt auf ein vollständiges Verbot. Die Bundesregierung lehnt das ab, plant aber einen fragwürdigen Mittelweg: Die Freier von Zwangsprostituierten sollen bestraft werden. Weil in der Praxis der Nachweis kaum zu führen ist, dürften zahlreiche Bordellbesucher geoutet werden, denen juristisch nichts vorzuwerfen ist.
Auch hier gilt: Wenn die Bundesregierung Prostitution für schädlich hält, muss sie sie direkt verbieten. Sie darf aber nicht den Umweg über das Outing wählen. Strafrecht muss präzise sein, es darf nicht als Moralkeule genutzt werden.
Quelle: taz
dazu: Der Fall Edathy muss bleiben!
Quelle: Stuttmann Karikaturen
- Fußball WM Katar: Über 450 indische Arbeiter 2012/2013 gestorben
Nach Angaben der indischen Botschaft in Katar sind in den beiden vergangenen Jahren insgesamt über 450 indische Arbeitskräfte in Katar gestorben, Dies berichtet die Nachrichten-Agentur AFP. Im Jahr 2012 wurden 237, in den ersten elf Monaten 2013 218 Todesopfer verzeichnet. Der britische Guardian hatte zuvor bereits über Hunderte nepalesische Gastarbeiter, die im Emirat am Persischen Golf zu Tode gekommen waren, berichtet. Die indische Botschaft gab allerdings keine Details an, unter welchen Umständen die indischen Arbeitskräfte. umgekommen waren. Erst in der vergangenen Woche hatte Katar verkündet, neue Arbeitsrichtlinien, die internationalen Standards entsprechen sollen, in die Tat umzusetzen. Amnesty International und der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) hatte bereits die Arbeitsbedingungen in Katar mehrfach angeprangert. Teilweise sollen die Arbeiter dort wie Sklaven behandelt worden sein. “Katar wählt offenbar den Weg, die moderne Sklaverei fortzusetzen. Dies ist die Wurzel für die unglaublich hohe Todesrate bei den Arbeitern”, teilte IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow AFP in einer Erklärung mit.
Der Weltverband FIFA hatte zuletzt den Eindruck vermittelt, dass er trotz der offenkundigen Menschenrechtsverletzungen an der Vergabe der Endrunde 2022 an Katar festhalten wolle. “Ein WM-Entzug wäre absolut kontraproduktiv”, hatte FIFA-Exekutivmitglied Theo Zwanziger nach der Anhörung zum Thema Katar vor dem Menschrechtsausschuss der Europäischen Union (EU) erst am vergangenen Donnerstag in Brüssel gesagt. Zwanziger verwies darauf, dass erst die WM-Vergabe die Zustände in Katar öffentlich gemacht habe. Die Welt am Sonntag hatte hingegen berichtet, dass die FIFA über eine Neuvergabe der WM-Endrunde 2022 nachdenke. Es sei eine “ernstzunehmende Option”, dass die WM beim Kongress im Frühjahr 2015 neu vergeben werde.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist an der Zeit, dass unsere in Sachen Sotschi so meinungsfreudigen Medien sich endlich zur WM in Katar eine Meinung bilden. Oder sind sie etwa der Meinung Zwanzigers, wie toll es sei, dass die WM-Vergabe die Zustände in Katar erst öffentlich gemacht habe. Was für eine Öffentlichkeit würde erst die Rücknahme der WM-Vergabe herstellen. Ach ja, auch unser Bundespräsident könnte sein Scherflein beitragen und verkünden, dass er nicht nach Katar reisen würde.
- Merkel blockt Griechen-Hilfe
Griechenland kann vor der Europawahl nicht mit neuen Finanzhilfen rechnen. Also werden die EU-Bürger im Mai wohl ihre Stimme abgeben müssen, ohne zu wissen, wie das griechische Schuldendrama ausgeht. Dabei hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits von einem “begrenzten Anschlussprogramm” in Höhe von 10 bis 20 Milliarden Euro gesprochen, gekoppelt an Auflagen, die einen möglichen Wahlsieger Tsipras ausbremsen sollten. Doch daraus wird nichts. Merkel bremste Schäuble nämlich aus. Dabei schert sie sich weniger um Griechenland als um einen möglichen Wahlerfolg der europakritischen AfD in Deutschland. Merkel fürchte, dass die AfD bei der Europawahl von neuen Griechenland-Hilfen profitieren würde, meldete der Spiegel. Das Kanzleramt habe der Regierung in Athen mitgeteilt, das sie nicht mit neuen Hilfen rechnen könne. Bei der Eurogruppe in Brüssel waren am Montag frische Gelder kein Thema mehr. Das Land könne noch 22 Milliarden Euro aus dem aktuellen Hilfsprogramm abrufen. Vor einer Freigabe wolle man die endgültigen Etatzahlen für 2013 sehen, betonte Dijsselbloem. Diese werden Anfang Mai erwartet. Zudem muss die Troika grünes Licht geben. Sie hat ihre seit Wochen geplante Inspektion in Athen jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben. Kurz: Die Geldgeber halten Griechenland hin – erst nach der Europawahl sollen die Würfel fallen.
Quelle: taz
- TTIP: »Es geht hier nicht um EU versus USA«
Interview mit Elmar Wigand zu transatlantischem Freihandel und Arbeitsrechten […]
Von dieser Vorstellung muss man sich komplett lösen, dass es hier um EU versus USA geht. Das ist im Grunde altes Denken, das heutzutage mehr denn je überholt ist, weil die Konzerne – besonders zwischen Deutschland und den USA – längst miteinander verwoben sind. Wir argumentieren von einem kosmopolitischen Arbeitnehmerstandpunkt aus.
Quelle: arbeitsunrecht in deutschland
- Steuern
- Steuerparadies Deutschland
Das Autoimperium Fiat verlässt sein Ursprungsland Italien, um in Großbritannien Milliarden Euro am Fiskus vorbei zu steuern. Aus dem gleichen Grund haben US-Multis wie Google und Starbucks ihre Europazentralen nach Holland oder Irland verlegt. Solche Seitensprünge sind von DAX-Konzernen unbekannt. Doch zahlen sie deshalb braver Steuern?
Der renommierter Fiskalexperte Ralf Maiterth zweifelt: »Die ganze Messung ist sehr schwierig«, »weil wir keine verlässlichen Steuerdaten haben.« Die 30 größten deutschen Konzerne, zusammengefasst im Deutschen Aktienindex (DAX), veröffentlichen auch in der diesjährigen Börsenberichtssaison nur handelsrechtliche Jahresabschlüsse. Darin werden zwar Gewinnsteuern genannt, aber nicht, wo diese gezahlt wurden. Beispiel Daimler: »Da haben sie alles, was Daimler verdient und was Daimler an Steuern gezahlt hat«, es werde aber nicht unterschieden nach In- und Ausland, so Maiterth. Es sei daher nicht zu beurteilen, ob Steuern hierzulande korrekt abgerechnet würden.
Quelle: Neues Deutschland
- “Wir sind die Dummen”
Steuerfahnder und Finanzbeamte treiben für den Staat Milliarden ein, doch sie werden beschimpft und bedroht, einige gehen nebenher putzen. Meist bleiben sie im Hintergrund. Hier erzählen sie von ihrer Arbeit – und davon, wie die Politik sie oft im Stich lässt
Quelle: ZEIT
- Ich betrüge, also bin ich
Ich habe mich mal erkundigt. Ein Konto in der Schweiz kostet rund 300 Euro im Jahr. Wird ein Kraftakt mir eines anzulegen. Und dann will es ja auch mal gefüllt sein. Von was, weiß ich noch nicht. Aber da in Deutschland mittlerweile jeder Maurer oder jede Lagerfachkraft eines hat, möchte ich nicht nachstehen.
Wie ich auf so einen Gedanken komme? Na ja, ich habe neulich mal eines dieser gut gelaunten Morgenmagazine gesehen. Als das mit der Schwarzer noch aktueller war. Die haben da in einem Einspieler explizit unterstrichen, dass Steuerbetrug kein Reichensport sei, sondern in allen Gesellschaftsschichten vorkomme. Unterlegt haben sie diese Botschaft mit Bildern eines mit Kelle und Mörtel arbeitenden Kerls; kurzer Schwenk und plötzlich befand sich der Zuseher in einem riesigen Hochregallager, in dem sich schemenhaft einige menschliche Gestalten abzeichneten. Ich nehme an, das sollte mir sagen: Hey, Kumpel, Maurer und Lagerist haben so ein Schwarzgeldkonto – und du?
Oder man wollte damit ausdrücken, dass die Reichen ihr Geld über die Grenze bringen und die, die auch schwitzen, wenn sie sich Geld in ihrer täglichen Tretmühle beschaffen müssen, tricksen halt bei der Steuererklärung. Als ob beides dasselbe ist. Und welche Möglichkeiten hat man denn schon, wenn man mit einem jährlichen Brutto von 23.000 oder 28.000 Euro auskommen muss? Da gibt es ja kaum Spielräume für nen netten Zuverdienst. Und welcher normale Kerl weiß schon, wie er seine Steuererklärung so konjugiert, dass dabei was rumkommt?
Quelle: ad sinistram
- VW-Chef verdient am Tag so viel wie andere im Jahr
Ein deutscher Arbeitnehmer muss im Durchschnitt ein Jahr arbeiten, um so viel Geld zu bekommen wie Volkswagen-Boss Martin Winterkorn jeden Tag verdient. Ein Vergleich.
Quelle: FAZ
Anmerkung JB: „Verdient so viel wie andere im Jahr“ ist seltsam unpräzise. Winterkorns Tageseinkommen liegt – um genauer zu sein – fast 10% über dem Durchschnittseinkommen eines deutschen Haushalts, also doppelt so hoch wie das Durchschnittseinkommen pro Person. Indem die FAZ hier einen „Arbeitnehmer in der deutschen Privatwirtschaft“ statistisch heranzieht, kommt sie natürlich auf einen höheren Wert. Die Situation ist also noch bedrückender als es die FAZ darstellt.
- Premier Abe: Japan steht Lohn-Überraschung bevor
Nach zwei Jahrzehnten der Stagnation schaffte die japanische Wirtschaft im Jahr 2013 die positive Trendwende. Und mit der Ankunft der von uns so bezeichneten „Lohn-Überraschung“ wird sich die Zukunft noch vielversprechender gestalten.
(…)
Als ich die Statistik zum ersten Mal sah, war ich entsetzt: das Lohnniveau in Japan war seit dem Jahr 2000 jährlich um durchschnittlich 0,8 Prozent gefallen. Im Vergleich dazu lag das durchschnittliche Nominallohnwachstum in den Vereinigten Staaten und Großbritannien bei 3,3 Prozent und in Frankreich bei 2,8 Prozent. Im Jahr 1997 erhielten die Lohnempfänger in Japan brutto insgesamt 279 Billionen Yen; bis 2012 war dieser Wert auf 244,7 Billionen Yen gefallen.
Anders ausgedrückt: die japanischen Lohnempfänger haben in den letzten fünfzehn Jahren 34,3 Billionen Yen eingebüßt – dieser Wert liegt höher als das jährliche BIP von Dänemark, Malaysia oder Singapur. Nur wenn es gelingt, diesen Trend umzukehren, wird Japans Wirtschaft wieder einen langfristigen Aufwärtskurs nehmen können.
(…)
In diesem Zusammenhang sticht die Lohn-Überraschung hervor, denn nur wenn diese lange verschüttete Verbindung zwischen Unternehmensgewinnen und Löhnen wieder hergestellt ist, werden Investitionen in Häuser, Autos und andere Gebrauchsgüter sowie der Verbrauch der Haushalte im Allgemeinen Japan aus seiner Deflation befreien und seine Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad führen.
Quelle: Project Syndicate
Anmerkung unseres Leser J.Z.: In Japan hat man nach zwei Jahrzehnten Krise endlich erkannt, dass Löhne nicht nur Teil der Kosten der Unternehmen sind, sondern ebenso deren wichtigste Erlösquelle darstellen.
Das Beispiel zeigt, dass eine Volkswirtschaft mit einer hinreichend nicht-produktivitätsorientierten Entlohnung schrumpft, sobald der inländische Nachfrageausfall nicht durch Auslandsnachfrage kompensiert wird. Das bedeutet allerdings auch, dass diese Strategie relativer oder absoluter Lohnsenkungen (Euphemismus: Strukturreformen) nicht von allen Ländern gleichzeitig praktiziert werden kann, will man eine schrumpfende Weltwirtschaft vermeiden.
Je größer ferner eine Einzelwirtschaft ist und je stärker eine interne Abwertung über die Löhne ausfällt, umso unwahrscheinlicher ist die Möglichkeit, das Problem der ausfallenden Binnennachfrage überhaupt über das Ausland externalisieren zu können.
Für die in diesem Kontext riesige Eurozone werden die negativen Auswirkungen des andauernden Rattenrennens der internen Abwertungen sozusagen gehebelt.
- Papst Franziskus und der Marktgott
Weiß Gott, der Papst hat sich etwas gedacht, als er in seinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ verkündete: „Diese Wirtschaft tötet.“ Es ist ein absoluter Satz. Wahrhaft päpstlich. Und nicht die einzige Formulierung mit der Kraft eines Bannstrahls. Weitere anklagende Worte des Franziskus seien hier zitiert: „Die Anbetung des antiken goldenen Kalbs hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel.“
„Wir haben neue Götzen geschaffen.“ „Es entsteht eine neue, unsichtbare, manchmal virtuelle Tyrannei, die einseitig und unerbittlich ihre Gesetze und ihre Regeln aufzwingt.“ „In diesem System, das dazu neigt, alles aufzusaugen, um den Nutzen zu steigern, ist alles Schwache (…) wehrlos gegenüber den Interessen des vergöttlichten Marktes, die zur absoluten Regel werden.“ Die Exkommunikation des Marktradikalismus durch den Vatikan erfolgt unmissverständlich, ungehalten, unerbittlich.
Und wie reagieren die Leib- und Liebediener eben jenes unfehlbaren Marktes? „Der Papst irrt“, erklärt Marc Beise mit kühnem Gestus in der Süddeutschen Zeitung. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zeiht Rainer Hank den katholischen Oberhirten erbittert der „spätmarxistischen“ Theologie. Verständlich, dass jetzt in den Wirtschaftsredaktionen der Teufel los ist. Hat man doch über Jahre und Jahrzehnte die Segnungen des Marktes gepredigt, hat man doch Tag für Tag der unsichtbaren Hand des Marktes gehuldigt, hat man doch das Heil beschworen für und für, das anbrechen werde von Ewigkeit zu Ewigkeit, wenn dereinst den Geboten des Marktgottes Genüge getan werde. Und nun dies: Ein Antikapitalist auf dem Stuhle Petri!
So jedenfalls belieben die Wortführer der Marktgläubigen zu behaupten. In der Welt unterschiebt die stellvertretende Chefredakteurin Andrea Seibel dem Papst die Sentenz: „Kapitalismus tötet“, als Zitat wohlgemerkt, in Anführungszeichen. Und Seibel rüffelt den Papst: „Franziskus hätte den Satz besser nicht gesagt.“ Er hat den Satz auch nicht gesagt. Im päpstlichen „Evangelii Gaudium“ ist die Passage nicht zu finden. Dort lautet die Formulierung: „Diese Wirtschaft tötet.“ Mit dem Satz meint der Papst ausdrücklich den Marktradikalismus – nicht etwa den Kapitalismus als Ganzes.
Quelle: Cicero
- Streit um Undercover-Reportage – Daimler verklagt den SWR
Es war ein schöner Coup für den Südwestrundfunk (SWR). Monatelang hatte der Fernsehreporter Jürgen Rose zu Dumpinglöhnen in der deutschen Wirtschaft recherchiert, gut zwei Wochen arbeitete er selbst für eine Logistikfirma im Untertürkheimer Mercedes-Werk – unerkannt und mit versteckter Kamera. Dann, zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr, lief sein Beitrag im Mai 2013 in der ARD. Titel: „Hungerlohn am Fließband: Wie Tarife ausgehebelt werden.“ Hauptbotschaft: selbst für den „Nobelkarossenbauer“ Daimler seien neben der gut entlohnten Stammbelegschaft Menschen tätig, die so wenig verdienten, dass sie davon nicht leben könnten. Bei einem Bruttosalär von 1220 Euro, rechnete Rose vor, hätte er als Familienvater mit vier Kindern Anspruch auf Hartz-IV-Aufstockung von 1550 Euro. Dabei habe sich seine Tätigkeit kaum von jener der regulären Daimler-Kollegen unterschieden. Mit denen, das schienen die heimlich gefilmten Bilder zu belegen, arbeitete der Reporter „Hand in Hand“.[…]
Nun aber schlägt Daimler zurück. Eine Viertelmillion Euro soll der SWR als Ordnungsgeld zahlen, wenn er die von Rose gedrehten Bilder noch einmal zeigt. Ersatzweise sei Ordnungshaft zu verhängen, „zu vollziehen an dem Intendanten“, also Peter Boudgoust. So fordert es der Autokonzern, vertreten durch den Vorstandschef Dieter Zetsche, in einer beim Landgericht Stuttgart eingereichten Klageschrift.
Quelle: Stuttgarter Zeitung
- Ein Jugendlicher wird etwa 10.000 Stunden länger arbeiten als sein Vater
Die durchökonomisierte Gesellschaft und ihr Arbeitswahn ist das Thema des Buches Tyrannei der Arbeit von Ulrich Renz. Telepolis sprach mit dem Mediziner über das Mantra von Politik, Wirtschaft, Medien und Eliten.
Quelle: Telepolis
- Infrastruktur verfällt: Investitionen über 120 Milliarden nötig
Überlastete Autobahnen, marode Brücken und langsame IT-Netze – rund 120 Milliarden Euro müssten einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge in den nächsten zehn Jahren in die Infrastruktur fließen, damit der Standort Deutschland seinen internationalen Wettbewerbsvorteil nicht verliert.
Die heimischen Unternehmen bewerten den aktuellen Zustand derzeit noch mit der Note “gut”, wie das arbeitgebernahe Institut am Montag unter Berufung auf eine Umfrage unter 2800 Firmen mitteilte.
Fast zwei Drittel der deutschen Unternehmen sehen aber durch Mängel im Straßenverkehrsnetz ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigt, wie aus der Umfrage hervorgeht. Rund 54 Prozent der Befragten bewerteten den Zustand der Kommunikationsnetze als Hemmnis für ihre Arbeit. Mit Blick auf eine sichere und bezahlbare Stromversorgung waren es 43 Prozent.
Der genannte Investitionsbedarf sollte zu je einem Drittel in Fernstraßen und Brücken fließen, in die Modernisierung der IT-Netze sowie in den Ausbau der Stromnetze im Zuge der Energiewende. Im Straßenverkehr gehe es dabei vor allem um den Ausbau und die Erhaltung der Hauptverkehrsachsen, erläuterten die Forscher.
Langfristig zahlten sich Investitionen in die Infrastruktur erfahrungsgemäß aus, rechnet das IW vor: “Steckt die Politik zehn Milliarden Euro sinnvoll in Straßen, Stromnetze und Co, erhöht das laut Faustformel die Wirtschaftsleistung um 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.” Die Investitionen lohnten sich schon nach vier Jahren.
Quelle: Focus
Anmerkung J.K: Dass sich neoliberale Leitmedien wie der Focus über die verfallende Infrastruktur echauffieren ist eigentlich blanker Zynismus. Sind doch Steuersenkungen und Schuldenbremse wesentliche Teile des neoliberalen Mantras. Dass der öffentlichen Hand dann keine Mittel mehr zur Verfügung stehen muss keinen verwundern. Gerade mit der Schuldenbremse ist es gelungen ein entscheidendes Element der neoliberalen Strategie institutionell zu verankern um so die sozialen Interventionsmöglichkeiten des Staates signifikant zu limitieren.
Aber selbst mit Schuldenbremse wäre die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur kein Problem, wenn nur die ebenfalls politisch gewollte Nachlässigkeit bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und aggressiven Steuervermeidung gerade der Unternehmen aufhören, und damit der Allgemeinheit die geschätzten 50 Milliarden Euro zur Verfügung stehen würden, die ihr jährlich durch Steuerhinterziehung entgehen.
passend dazu: Der geplünderte Staat
Viele Bauvorhaben lässt der Staat von privaten Investoren finanzieren. Doch oft werden sie dadurch nicht günstiger, sondern kosten Steuer-Milliarden. Niemand kontrolliert solche Projekte.
Quelle: NDR
- Finanzinvestoren am Wohnungsmarkt
Schnelle Rendite suchen Investoren, die mit Hunderttausenden ehemals öffentlich geförderter Wohnungen spekulieren. Die Folge: Mieten steigen, Schäden werden nicht mehr repariert – Wohnung wird zur Ware.
Monatelang hat Nataliya Chestnova der Hausverwaltung Briefe und Fotos geschickt, die belegten, dass ihr Keller nach einem Rohrbruch bis zur Wade unter Abwasser stand – ohne Reaktion. Der Besitzer, ein Investmentfonds aus Australien, lässt den Hochhausblock in Köln-Chorweiler verwahrlosen. Viele Kommunen, Länder und der Bund haben in den vergangenen zehn Jahren ihre einst gemeinnützigen Bestände verkauft. Einige Städte, wie Dresden, sind stolz darauf – andere rudern zurück. Denn bundesweit fehlen vier Millionen Sozialwohnungen; daran werden auch die jetzt diskutierten Reformen kurzfristig nichts ändern. In den Städten wächst die Wohnungsnot – und der Widerstand.
Quelle: WDR
- Der vergessene Einsatz: Deutsche Soldaten vor der Küste des Libanon
Ein vergessener Einsatz, obwohl jedes Jahr Hunderte von deutschen Soldaten dafür abgestellt werden. Sie überwachen den rund 200 Kilometer langen und 82 Kilometer breiten Seeraum. Gesucht werden Schiffe, die Waffen, zum Beispiel Raketen für die Hisbollah-Miliz, schmuggeln. So lautet der ursprüngliche Auftrag der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon. – Fregattenkapitän Matthias Elvert ist der deutsche Verbindungsoffizier zur libanesischen Marineführung. Der schlanke Brillenträger gehört vorübergehend zur deutschen Botschaft. Sonst ist er Inspektionschef an der Marineoperationsschule in Bremerhaven. “Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, die libanesische Marine zu unterstützen und zu befähigen, indem wir Projekte realisieren, die in den Bereichen liegen Ausstattung, Ausrüstung und eben Ausbildung. Und da das Ganze sich außerhalb des Unifil-Rahmens abspielt, bin ich quasi derjenige, der dann bei der libanesischen Marine ermitteln muss, was ist eigentlich der Bedarf, in welchen Schritten soll sich hier die Marine weiterentwickeln, und der dann auf der anderen Seite Kontakte nach Deutschland pflegt zum Verteidigungsministerium und zum Auswärtigen Amt, um feststellen zu lassen, welche Projekte wollen und können wir realisieren, was macht Sinn und was ist finanzierbar. … “Gutes Beispiel dafür ist diese Küstenradarstation. Wir haben hier entlang der libanesischen Küste Radarstationen, neun Stück an der Zahl, aufgebaut, mit denen die Libanesen in der Lage sind, ihre Territorial-Gewässer zu bewachen, zu kontrollieren. Und zunächst einmal wurde das anfänglich durch Ausbildungskommandos begleitet, die aus Deutschland kamen und nun ist es so, quasi in der Fortsetzung dessen, dass die beiden Ausbilder, die Unifil zugehören, die weitere oder kontinuierliche Ausbildung auch sicherstellen.” – Über die Kosten des Einsatzes will kein Offizier in Beirut reden: “Weiß ich nicht!”, “Kenn ich nicht”, sind die Standardantworten. Auf eine parlamentarische Anfrage nennt die Bundesregierung 75,1 Millionen Euro einsatzbedingte Zusatzausgaben – für die ersten zwölf Monate. Das war 2007. Nach sieben Jahren Unifil-Einsatz kommen so – grob geschätzt- fast eine halbe Milliarde Euro zusammen.
Quelle: Deutschlandradio
- Gehirn-Gymnastik mit Hitler und Josef Joffe
Josef Joffe, der Herausgeber der »Zeit«, äußert sich in der aktuellen Ausgabe zu Kritik an seiner Arbeit:
Ein Wort in eigener Sache: Dieser Autor hat vor zwei Wochen (Zeitgeist 6/14) mit Blick auf die »Raus mit Lanz«-Petition geschrieben: »In analogen Zeiten hieß es: ›Kauft nicht beim Juden!‹« Das geht gar nicht, echauffierten sich die Hohepriester des Digital-Tempels und deren Jünger.
(sic!)
»Die ZEIT sei ein ›Scheißblatt‹, war einer der subtileren Kommentare. Und: ›Mir fällt zu diesem Vergleich nichts mehr ein.‹ Dieser Spruch stammt übrigens von Karl Kraus, dem zu Hitler nichts mehr eingefallen war.«
Anscheinend habe ich Joffe also dadurch, dass ich geschrieben habe, dass mir zu seinem Vergleich nichts mehr einfällt, versehentlich mit Hitler verglichen.
Joffe hält den Nazi-Vergleich aber für zulässig, prinzipiell und konkret im Fall der Petition gegen Markus Lanz. Er kritisiert die »Sprachpolizei« und schreibt:
Quelle: Stefan Niggemeier
- zu guter Letzt: Der steinige Weg zum Audio-Podcast
Unsere Audio-Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit. Jörg Wellbrock spricht regelmäßig ausgewählte Beiträge der Redaktion auf, zahlreiche Hörer nutzen den Service der NachDenkSeiten.
Bis ein Audio fertig ist, braucht es eine Weile. Dabei kommt es natürlich auch zu Fehlern und Versprechern.
Wellbrock hat ein paar „Outtakes“ nicht wie üblich in den „Rundordner“ befördert, sondern einen kleinen Zusammenschnitt gemacht.
Hier das Ergebnis.
Podcast: Play in new window | Download
Wir wünschen viel Spaß beim Hören!