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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Februar 2014 um 9:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Edathy
  2. Maybritt Illner: Steuern, Schuld und Sühne – Wie machtlos ist der Staat?
  3. Detlef Umbach zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Lahme Ente EZB!
  4. Als Österreich Griechenland war: Krisenpolitik damals und heute
  5. Geldwäschern das Handwerk legen: Das Europäische Parlament muss anonymen Briefkastenfirmen ein Ende machen
  6. Kosten der Arbeitslosigkeit in zehn Jahren halbiert
  7. Der rote Erhard
  8. Jobwunder TTIP? Das Beispiel NAFTA
  9. Hat das Europäische Sozialmodell eine Zukunft?
  10. Die SPD und der Gentechnik-Mais: Danke, Genossen! Weg für Gentechnik-Mais frei
  11. God save BP
  12. Tuzla Calling: Krsto Lazarević: Soziale Proteste in Bosnien-Herzegowina
  13. Britain’s 100 years of conflict
  14. Durchmarsch der nationalen Neoliberalen? Die AfD und die neue europäische Rechte
  15. Statistisches Bundesamt: Nicht mal jeder Zweite schafft sein Studium in der Regelzeit
  16. Hurra, eine Einladung in die ARD – und doch eine Absage

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Edathy
    1. Edathys geschwätzige Parteifreunde: Kein Verlass auf Unschuldsvermutung und Datenschutz bei Politikern
      Wie DIE WELT und nunmehr die TAGESSCHAU unter Berufung auf Ermittlerkreise berichten, soll sich Edathy bei einem Anbieter in Kanada sogenannte “Posing Pictures” per Kreditkarte bestellt haben. Hierbei handelt es sich um Videos, bei denen Kinder oder Jugendliche leicht oder gar nicht bekleidet posieren, ohne dass sexuelle Handlungen oder sogenanntes “wirklichkeitsnahes Geschehen” dargestellt werden. Der Besitz derartiger Aufnahmen wäre mithin straflos, da kein Fall nach § 184b StGB vorliegt. Derartige Bilder hätten allenfalls einen Anfangsverdacht zur Einleitung von Ermittlungen nach ggf. doch strafbarem Material gerechtfertigt. Das Streuen von Informationen über das Ermittlungsverfahren und den Besitz der Bilder, welche die Privat- und ggf. Intimsphäre betreffen, verletzte damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Politikers.
      Quelle: Telepolis
    2. Die Gummiparagrafen, die er rief …
      […] Die – nennen wir es mal – Pointe des Falles liegt eigentlich darin, dass Edathy bis 2009 Vorsitzender des Innenausschusses war und dann (als Nichtjurist) im Rechtsausschuss wirkte. 2008 war er dabei, als § 184b StGB überarbeitet wurde. Er hat also an dem Gummiparagraf mitgewirkt, der ihm jetzt verdachtsweise zur Last geworden ist.
      Quelle: Markus Kompa

      Anmerkung JB: Der Fall Edathy ist höchst verstörend. Sollten die Vorwürfe stimmen, hat sich Edathy (womöglich vor langer Zeit) über das Internet „Posingfotos“ von Knaben bestellt. Darüber mag man den Kopf schütteln, man mag es auch scharf kritisieren – dies ist jedoch nicht strafbar. Genau so wie andere private Dinge hätte so etwas nie an die Öffentlichkeit kommen dürfen. Nun ist Edathy eine politische Leiche, so viel ist klar. Wie Markus Kompa zynisch anmerkt, ist er jedoch auch ein Opfer der Gesetze geworden, an denen er selbst mitgearbeitet hat – eine in der Tat bittere Pointe. Das Verhalten von Friedrich, Oppermann und Co. ist menschlich verständlich und – ja – hoch anständig. Es ist jedoch – anders als der Besitz von „Posingfotos“ – strafbar. Dadurch hat sich diese unappetitliche Geschichte zu einer echten Staatsaffäre entwickelt. Und mittendrin sind die Geheimdienste und das BKA. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie diese Affäre ausgeht, ist vollkommen offen. Hoffen wir, dass die Politikelite nun erkennt, wie gefährlich die von ihr geschaffenen Sicherheitsgesetze sind. Das alles erinnert mich ein wenig an Goethes Zauberlehrling – „die Geister, die ich rief…“

      p.s.: Nicht auszudenken, wenn es statt Edathy einen Linken- oder einen Grünen-Politiker getroffen hätte.

      p.p.s.: Natürlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung.

    3. Felix Leitner zur Frage, ob es sein kann, dass dem Edathy von den Geheimdiensten das Material untergeschoben wurde
      Quelle: Fefes Blog
    4. Der entscheidende Begriff
      Die Süddeutsche Zeitung liefert heute abend interessante, aber auch bestürzende Informationen zum Fall Sebastian Edathy. Danach soll sich der Anfangsverdacht gegen den zurückgetretenen SPD-Bundestagsabgeordneten lediglich darauf stützen, dass er legale Aufnahmen von Kindern im Internet bezogen hat.
      Daraus schlossen die Ermittler laut SZ allerdings, Edathy könne womöglich auch strafbare Kinderpornografie besitzen. In dem sechsseitigen Durchsuchungsbeschluss stehe ausdrücklich, bei den Aufnahmen, die Anlass für die Ermittlungen waren, handele es sich nicht um Kinderpornografie im Sinne des Strafgesetzes.
      Quelle: Lawblog
    5. Mit zweierlei Maß: Über “hoheitlich gewonnene”, sowie andere Informationen und deren taktische Verwendung
      Wenn ein kleiner Polizeibeamter Informationen abfragt aus dem polizeilichen Informationssystem und diese weitergibt – sei es gegen Entgelt oder im Tausch gegen sonstige Vergünstigungen des Empfängers – kann sich der Rechtsstaat unerbittlich zeigen. Im Urteil heißt es dann rasch einmal, dass “das Vertrauen der Bürger in ihre Polizei” nachhaltig erschüttert sei. Mehr als ein Jahr Haftstrafe auf Bewährung, damit zwangsläufig einhergehend die Entfernung aus dem Dienst und gleichbedeutend damit die Vernichtung der bisherigen beruflichen Existenz, so wurde in solchen Fällen in den letzten Jahren mehrfach Recht gesprochen.
      Für Amtsträger, die gleichzeitig Politiker sind, gelten offensichtlich andere Maßstäbe. Vom CSU-Politiker Friedrich wird seit Donnerstag, dem 13.2. in den Medien berichtet: Im Oktober 2013, damals war Friedrich, wie die gesamte Bundesregierung nur geschäftsführend im Amt, habe ihn der Staatssekretär Fritsche darüber informiert, dass ein Name – nämlich der des SPD-Innenpolitikers S.E. – “bei internationalen Ermittlungen auf einer Namensliste aufgetaucht sei”. Ein Vorfall, der umgehend persönliches Eingreifen des Bundesinnenministers erforderlich macht:.
      Friedrich ließ sic, so wird berichtet, erst einmal versichern, dass dahinter keine “strafrechtlichen Vorwürfen waren” und informierte anschließend “aufgrund der politischen Dimension des Falles” den Chef des inzwischen von seiner Fraktion auserkorenen Wunschpartners für die gemeinsame Regierungsbildung, nämlich Gabriel von der SPD.
      Quelle: Polygon
  2. Maybritt Illner: Steuern, Schuld und Sühne – Wie machtlos ist der Staat?
    Mit der neuen SPD-Generalskretärin Fahini, Sahra Wagenknecht, Rainer Brüderle, Bundesrichter Fischer, einem Schweizer und dem Vorsitzenden der Steuergewerkschaft in NRW, Lehmann.
    Quelle: ZDF

    Anmerkung AM: Die Sendung war in mehrerer Hinsicht interessant; unter anderem wegen der deutlichen Argumente für das Ende der Strafbefreiung bei Selbstanzeigen, wegen der Informationen über das Nord-Süd-Gefälle bei der Steuerfahndung, wo insbesondere Bayern sich ein Standortvorteil dadurch verschärft, dass weniger geprüft wird. Leider ist der mehrmalige Hinweis von Sahra Wagenknecht auf die notwendige Verpflichtung der Banken, nach US- Vorbild an der Aufdeckung von Steuerhinterziehung mitzuwirken, nicht aufgegriffen worden. Insgesamt aber eine faire Sendung.

  3. Detlef Umbach zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Lahme Ente EZB!
    Das OMT-Programm (Outright-Monetary-Transactions) sah vor, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Staatspapiere eines Euro-Krisen-Landes aufkaufen kann, falls sich das Land den Regeln des Rettungsfonds ESM unterwirft. Diesen Aufkauf wollte die EZB in der Menge einzig von der Krisensituation abhängig machen, außerdem wollte sie auf eine privilegierte Stellung als Schuldner bei etwaigen Schuldenschnitten verzichten.
    Bislang ist das OMT-Programm bloße Ankündigung geblieben, kein Euro wurde ausgegeben, dennoch war bereits die Ankündigung des Programms hoch wirksam. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 7.2.2014 einen Mittelweg gewählt. Zwar hat es seine Zweifel an der Vereinbarkeit des OMT-Programms mit dem EU-Recht zu Protokoll gegeben, die Entscheidung wurde aber erst einmal an den Europäischen Gerichtshof delegiert. Zwei von acht Richtern haben sich dem Votum nicht angeschlossen und erklärt, dass das Verfassungsgericht seine Kompetenzen überschritten hat.
    Die Folgen hat der Präsident des DIW, Marcel Fratzscher, klar benannt: »Das Urteil bedeutet ein vorläufiges Aus für das OMT-Programm. Denn die EZB würde sich in eine politisch schwierige Lage begeben, wenn sie eine Maßnahme während eines laufenden Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof umsetzen würde. Das Urteil schafft Unsicherheit über die generelle Handlungsfähigkeit der EZB… Dies ist besorgniserregend, denn Finanzmärkte halten sich selten an die Zeitpläne von Gerichten.«
    Quelle: sozialismus.de

    Dazu auch: Die Verfassungsrichter blamieren sich bis auf die Knochen
    Man kann die Bundesbank für vieles kritisieren – auch für ihre Haltung gegenüber potenziell unbegrenzten Anleihekäufen der EZB. Aber das, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum OMT-Programm von sich gegeben hat, das ist so hanebüchen, dass wir die Bundesbank unbedingt vor diesen Richtern in Schutz nehmen müssen. Die Begründung des Verfassungsgerichts kratzt so erheblich an der ökonomischen Reputation der Bundesbank und vor allem des Jens Weidmann, dass es fast schon weh tut.
    Quelle: WeitwinkelSubjektiv

  4. Als Österreich Griechenland war: Krisenpolitik damals und heute
    Wer den österreichischen Weg in Diktatur und Bürgerkrieg verstehen will, muss sich mit der damaligen Wirtschaftskrise beschäftigen. Bereits 1932 sagt Justizminister Kurt Schuschnigg im Ministerrat: „Die Parlamente aller in wirtschaftlicher Not darniederliegenden Staaten haben sich als ungeeignet erwiesen, Staat und Volk aus der Krise herauszuführen. Die Regierung stehe daher vor der Entscheidung, […] ob der nächste Kabinettswechsel nicht gleichbedeutend mit der Ausschaltung des Parlaments sein müßte. Bei einem solchen Notstand sei ein Regieren mit dem Parlament nicht möglich.“ Aus Angst, mit ihrer Krisenpolitik in der Volksvertretung zu scheitern und die Macht zu verlieren, schaltet die Regierung Parlament und Sozialdemokratie aus. Dieser Kurs wird zum „Katalysator für den Weg in den Austrofaschismus“ (Tálos/Manoschek). Auch in der heutigen Eurokrise greifen die politischen Eliten angesichts wachsender Widerstände zunehmend auf autoritäre Maßnahmen zurück. Am deutlichsten wird das in Griechenland. Welche Gemeinsamkeiten hat der Krisenstaat mit dem damaligen Österreich? Was können wir aus der Geschichte lernen?
    Quelle: Arbeit&Wirtschaft
  5. Geldwäschern das Handwerk legen: Das Europäische Parlament muss anonymen Briefkastenfirmen ein Ende machen
    Anfang kommender Woche soll in zwei Ausschüssen des Europäischen Parlaments über die vierte Fassung der EU-Anti-Geldwäscherichtlinie abgestimmt werden. In diesem Zusammenhang fordern die zivilgesellschaftlichen Organisationen Transparency International Deutschland, Attac und das Netzwerk Steuergerechtigkeit die verpflichtende Offenlegung der Nutznießer (“wirtschaftlich Berechtigte”) von Firmen, Trusts und anderen Rechtspersonen in einem Register, das öffentlich ist und abgefragt werden kann. Derartige öffentliche Register waren in dem Gesetzesentwurf der EU-Kommission noch nicht enthalten, könnten jetzt aber durch das Parlament ergänzt werden. Die Ermittlungsbehörden, die Öffentlichkeit und die Wirtschaft hätten dann einen besseren Überblick und könnten Geldwäsche früher unterbinden und schneller aufklären.
    Laut einem neuen Bericht der OECD über den Zahlungsverkehr mit Entwicklungsländern stellen 27 von 34 OECD-Länder völlig unvollständige Informationen über die Nutznießer von Firmen und Trusts zur Verfügung. Damit ist eine wirksame Bekämpfung von Geldwäsche und deren Vortaten Steuerhinterziehung, Bestechung und Bestechlichkeit erheblich behindert. Markus Henn, Referent für Finanzmärkte bei WEED und Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit: „Die Abgeordneten haben die Chance, einen großen Schritt zur effizienteren Bekämpfung von Geldwäsche zu gehen. Mit der Einführung von öffentlichen Registern über die wahre Nutznießerschaft würde es für Kriminelle und korrupte Eliten deutlich schwerer werden, ihr Geld zu verstecken.” Caspar von Hauenschild, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland: „Einige Wirtschaftsvertreter klagen über mehr Aufwand durch eine konsequente Richtlinie. Dabei würde die Transparenz es zum Beispiel Banken erleichtern, die vorgeschriebene Kenntnis ihrer Geschäftspartner nachzuweisen.” Jutta Sundermann von Attac ergänzt: „Es muss sichergestellt sein, dass Verstöße gegen die Geldwäschegesetze ausreichend sanktioniert und die Sanktionen öffentlich gemacht werden. Nur so können sowohl die Kriminellen als auch die beteiligten Banken und Unternehmen abgeschreckt werden. Auch die Erfassung von politisch und wirtschaftlich exponierten Personen muss verbessert werden. Wie die jüngsten Veröffentlichungen über die fragwürdigen Aktivitäten der Deutschen Bank im Zusammenhang mit krummen Geschäften chinesischer Politiker und andere Fälle zeigen, reichen die geltenden Vorgaben nicht aus.”
    Quelle: weed

    Weitere Informationen:

  6. Kosten der Arbeitslosigkeit in zehn Jahren halbiert
    Für “Arbeit und Soziales” gibt Deutschland viele Milliarden aus, 2014 beträgt der Anteil im Bundeshaushalt mit etwa 120 Milliarden sogar mehr als 40 Prozent. Die Kosten der Arbeitslosigkeit sind in den vergangenen Jahren aber gesunken, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört. In den vergangenen zehn Jahren haben sie sich demnach inflationsbereinigt halbiert.
    2012 betrugen die Kosten der Arbeitslosigkeit demnach knapp 54 Milliarden Euro, etwa zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. 2003 hingegen waren es mit 91,5 Milliarden Euro noch mehr als vier Prozent.
    Die Forscher führen den Rückgang auf die Hartz-Reformen und den Aufschwung zurück: “Zu dem positiven Ergebnis haben insbesondere die Arbeitsmarktreformen und die streckenweise bessere Wirtschaftsentwicklung beigetragen”.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung JB: Wenn man den Erwerbslosen das Geld kürzt, sinken die Kosten. Das ist klar. Klar ist auch, dass die durch die solide Weltwirtschaft bis zur Finanzkrise gesunkenen Arbeitslosenzahlen ebenfalls Kosten gespart haben. Die Aussagen der „Forscher“ sind also Binsen, deren volkswirtschaftliche Aussagekraft gegen Null geht. Interessanter wäre eine Modellrechnung, wie die Arbeitslosigkeit sich ohne Hartz-Reformen und bei normalen Reallohnsteigerungen entwickelt hätte. Doch eine solche Rechnung ist natürlich nicht seriös machbar, da in den Rechenmodellen – egal von welcher Seite – vor allem Ideologie stecken würde. Die Aussage: „Ohne Hartz und mit ordentlichen Lohnsteigerungen wären die Kosten für Arbeitslosigkeit nocht stärker gesunken“ ist daher weder verifizierbar noch falsifizierbar … dem gesunden Menschen- und Ökonomenverstand ist jedoch näher als die neoliberale Agenda.

  7. Der rote Erhard
    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel legt den Jahreswirtschaftsbericht vor und preist ihn als Gerüst sozialdemokratischer Politik. Auffällig an der 84-seitigen Broschüre ist vor allem der Anspruch.
    Es tritt auf: der Schattenkanzler, der rote Erhard, Sigmar Erhard, ach was: der Enkel von Karl Schiller! Über einen Mangel an positiven Zuschreibungen kann sich Sigmar Gabriel derzeit nicht beklagen. Doch an diesem Morgen, an einem der protokollarisch wichtigsten Tage im Jahresablauf eines Wirtschaftsministers, muss der SPD-Chef einem anderen den Vortritt lassen: Der bei der Ämtervergabe der großen Koalition ausgemusterte Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, der nun den Wirtschaftsausschuss des Bundestages leiten darf, drängt sich an die Mikrofone. So kann der CSU-Mann, noch ehe der Minister seinen Jahreswirtschaftsbericht vorstellt, schon einmal einen Kommentar dazu absondern und sich für ein paar Minuten wichtig fühlen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    dazu: Gabriel für höhere Löhne – aber nur verbal
    Im jüngsten Jahreswirtschaftsbericht vermittelt Wirtschaftsminister Gabriel den Eindruck, dass er bei Tariflohnerhöhungen auf Mäßigung setze. Es müssten „Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren.“ Von einem Ausgleich der Preissteigerungen, geschweige denn von einer Umverteilungskomponente keine Rede.
    Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages befragt, korrigierte er sich unter Verweis auf sein Wissen aus früheren Lehrgängen bei der IG Metall. Die Löhne sollten nicht nur entlang von Produktivitäts- und Preisentwicklung steigen, Gabriel bekundete auch Verständnis, dass die Gewerkschaften zusätzlich eine Umverteilungskomponente fordern. Ja noch mehr, er halte „das auch für absolut berechtigt“.
    Im von Gabriel zu vertretenden Jahreswirtschaftsbericht sollen die Brutto- und auch die Tariflöhne jedoch gerade einmal um 2,7 Prozent ansteigen. In Anbetracht von einem erwarteten Plus bei den Profiten um rund fünf Prozent nimmt sich das bescheiden aus.
    Quelle: Michael Schlecht

  8. Jobwunder TTIP? Das Beispiel NAFTA
    Durch das Freihandelsabkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zwischen der EU und den USA soll das Wachstum gefördert werden. Damit sollen auch Hunderttausende Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks entstehen. Die Erfahrung zeigt aber: Freihandelsabkommen nach kapitalistischem Muster vernichten bisherige Arbeitsplätze und schaffen eine geringere Zahl neuer, prekärer Jobs.
    Seit 1994 gilt zwischen den USA, Mexiko und Kanada das North Atlantic Free Trade Agreement (NAFTA). Im Unterschied zum 1947 beschlossenen Freihandels-Rahmenabkommen GATT ist es Neoliberalismus pur: Es geht weniger um Zollfragen als um die Freiheit der Investoren. So enthält NAFTA erstmalig auch die private Schiedsgerichtsbarkeit. Die US-Regierungen von William Clinton bis Barack Obama legten und legen seitdem für weitere Freihandelsabkommen (GATS, TRIPS u.a.) das NAFTA-Muster zugrunde, so auch jetzt für TTIP mit der EU und für die Trans-Pacific Partnership (TPP) mit elf pazifischen Staaten.
    Quelle: arbeitsunrecht.de

    Anmerkung RS: Rügemer suggeriert hier wieder einmal (diesmal wieder besseren Wissens), die in den nicht-ratifizierten ILO-Normen enthaltenen Arbeitsrechte würde es in den USA nicht geben. Bis auf das Recht auf bezahlten Urlaub und ein festgelegtes Verfahren für die Festsetzung des Mindestlohns (das dürfte auch auf manche europäische Staaten auch zutreffen, geschweige denn Deutschland, das nicht einmal einen Mindestlohn hat!) sind diese Rechte in den USA gesetzlich verankert. Daher ist sein Argument, die Anerkennung des jeweiligen Rechtszustand in den anderen Staaten würde diese Rechte quasi außer Kraft setzen, nicht schlüssig.

  9. Hat das Europäische Sozialmodell eine Zukunft?
    Die Krise Europas ist vor allem eine Krise des Euros. Die gemeinsame Währung hatte zwar eine Europäisierung im Sinne der nominalen Konvergenz vorangetrieben, insbesondere in Form einheitlicher Zinssätze. Dadurch wurden aber die realen Divergenzen verschärft, erkennbar vor allem an der zunehmenden Spanne der Arbeitslosenquoten in der EU-27 von 3,9 (Niederlande) bis 19,6 Prozent (Lettland) im August 2009 auf 4,8 (Österreich) bis 27,3 Prozent (Spanien) im Oktober 2013; die Jugendarbeitslosenquoten entwickelten sich bekanntlich noch dramatischer auseinander. Warum das so ist, soll an einem Modell kurz erläutert werden.
    Quelle: Gegenblende
  10. Die SPD und der Gentechnik-Mais: Danke, Genossen! Weg für Gentechnik-Mais frei
    Im Regierungsprogramm 2013-2017 der SPD liest man auf Seite 95: „Wir lehnen – wie 80 Prozent der deutschen Bevölkerung – den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ab, denn die Grüne Gentechnik darf den Menschen nicht aufgezwungen werden.“ Entweder eine glatte Lüge oder die SPD-Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben gegen ihre verfassungsrechtliche Pflicht (Art. 38 GG), sich als Vertreter des Volkes nicht an Aufträge und Weisungen zu binden und nur im Sinne des eigenen Gewissens abzustimmen, verstoßen.
    Warum? In der Abstimmung über einen Antrag der Grünen, die Bundesregierung solle im EU-Ministerrat gegen die Anbauzulassung des gentechnisch veränderten Maises 1507 stimmen, haben sich letzten Donnerstag 160 SPD-Abgeordnete für die Ablehnung des Antrags ausgesprochen, 15 Abgeordnete der SPD enthielten sich, 18 stimmten gar nicht erst ab (darunter auch Wirtschaftsminister Gabriel, der sich noch vor einigen Tagen gegen eine Anbauzulassung ausgesprochen hatte) und nicht einer stimmte für den Antrag der Grünen. Im Gegensatz zu 5 Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion, die sich für den Antrag der Grünen aussprachen.
    Quelle: Informationsdienst Gentechnik
  11. God save BP
    Der britischen Regierung ist ein großer Coup gelungen. Sie hat John Manzoni unter Vertrag genommen, zuvor 30 Jahre lang Manager im Öl- und Gasgeschäft. Unter seiner Ägide als Leiter des Raffineriegeschäfts bei BP explodierte 2005 die drittgrößte Raffinerie der USA in Texas; dabei starben 15 Arbeiter. Zuletzt war Manzoni Chef der kanadischen Talisman Energy, die in den USA Erdgas mittels der umstrittenen Fracking-Methode gewinnt. Allein die Umweltbehörde im US-Bundesstaat Pennsylvania hat Dutzende Verstöße der Firma gegen Umweltauflagen festgestellt – unter anderem, weil giftige Flüssigkeiten das Grundwasser verschmutzen. 2012 flog Manzoni bei Talisman raus, laut Analysten wegen nachhaltigen Misserfolgs. Manzoni wird Chef der 2013 ins Leben gerufenen “Major Projects Authority”, einer Behörde, die Großprojekte der Regierung besser managen soll. Unter anderem soll Manzoni das Atomprogramm der Insel retten, außerdem zeigt er sich für den Ausbau der Bahn im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge verantwortlich.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Frau Thatcher hat auf ganzer Linie gesiegt. Selbst beim Staat setzen die Briten auf die Privatwirtschaft. Edmund John Philip Browne, Exchef von BP, wurde z.B. von der Regierung beauftragt, ehemalige Manager als Behördenchefs zu rekrutieren. Gleichzeitig ist Browne Chef einer Firma, die in Großbritannien Schiefergas in großem Maßstab fracken will.

  12. Tuzla Calling: Krsto Lazarević: Soziale Proteste in Bosnien-Herzegowina
    Die größten Proteste in der Geschichte des jungen Balkanstaats Bosnien-Herzegowina begannen vorige Woche im nordbosnischen Tuzla. Nachdem etwa 1 000 Arbeiter innerhalb kürzester Zeit ihre Stelle verloren hatten, zogen sie am 4. Februar vor das Regierungsgebäude des Kantons und forderten Sozialleistungen und ein Eingreifen der Regierung. Die Arbeiter waren zuvor monatelang nicht bezahlt worden, einige angeblich vier Jahre lang. Unternehmen wurden meist für eine geringe symbolische Summe privatisiert, ausgeschlachtet und gingen dann innerhalb kürzester Zeit bankrott. Die Privatisierungen zu beenden und rückgängig zu machen, ist eine der Hauptforderungen der Demonstrierenden. Armut und Korruption sind die Ursachen des Protests. Innerhalb kürzester Zeit gab es Demonstrationen im gesamten Land. Am Tag darauf wurde in Sarajevo der Sitz des Präsidiums von Bosnien-Herzegowina in Brand gesteckt. In Mostar wurden die Zentralen der nationalistischen Parteien, der kroatischen HDZ und der bosniakischen SDA, in Brand gesteckt. Die beiden Parteien leben seit nunmehr 20 Jahren davon, Ressentiments gegen die jeweils anderen sogenannten ethnischen Gruppen zu schüren. Das politische System ist so aufgebaut, dass jeder Posten im Staat nach einem Proporz vergeben wird, was Korruption und nationalistische Parteien begünstigt. Die größten Proteste fanden in den Städten mit bosniakischer Bevölkerungsmehrheit statt, aber auch in den Städten mit serbischer Bevölkerungsmehrheit kam es zu Demonstrationen gegen die Regierung. Proteste gab es bald im ganzen Land.
    Quelle: Jungle World

    Anmerkung Orlando Pascheit: Einen Tag lang berichteten die Medien. Dabei halten die Proteste gegen Korruption und Armut bis heute an. In unseren Medien begegnet einem kaum Analyse, vor allem Nichts über das Versagen Europas, das diesen künstlichen und teuren Staat letztlich verantwortet. Das Versagen begann eigentlich schon mit der allzu frühen Anerkennung (Genscher) der sich aus dem jugoslawischen Staatenbund lösenden Republiken ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Arbeitsteilung Jugoslawiens und die Überlebensfähigkeit dieser Gebilde, die von gierigen, machtgeilen Eliten vereinnahmt worden waren. – Die Arbeitslosenquote in Bosnien beträgt heute 44 Prozent. Ein Fünftel der 3,8 Millionen Bosnier ist arm. Und Hunger ist kein Fremdwort. Neben der Misswirtschaft und Armut bricht zudem durch den Beitritt Kroatiens in die Europäischen Union ein wichtiger Absatzmarkt für bosnische Produkte weg.
    Die bosnische Staatsstruktur ist aufgrund des Vertrags von Dayton aus dem Jahr 1995 in zwei Gebilde geteilt, die Föderation und die Republika Srspka. Die bosniakisch-kroatische Föderation wiederum ist unterteilt in zehn Kantone, die über jeweils eigene Regierungen verfügen (130 Minister). Die Kantone haben auch Steuerhoheit und eine eigene Polizei. Wie soll etwas funktionieren, das von vornherein so stark auf Spaltung angelegt ist. Positiv zu werten ist, dass jetzt endlich Serben, Kroaten und Bosniaken statt sich in ethnonationalistischen Parolen zu ergehen, gemeinsam gegen die herrschende Kleptokratie antreten.

  13. Britain’s 100 years of conflict
    British forces are set to withdraw from Afghanistan by the end of 2014. If 2015 is a year of peace for the UK, it will be the first for at least 100 years. Here the Guardian charts every conflict in which British forces have engaged since 1914.
    Quelle: The Guardian

    Anmerkung unseres Lesers D.F.: Ein lehrreiches Stück für diejenigen, die behaupten, Deutschland müsse sich militärisch überall beteiligen. Da wird recht anschaulich dargelegt, wie UK seit über 100 Jahren Krieg führt. Das ist ganz wörtlich gemeint: Seit 100 Jahren sind britische Truppen irgendwo auf der Welt in Kämpfen verwickelt – schier unglaublich! Noch wichtiger: Die Zahlen der Toten machen klar, wer JEDES MAL den höchsten Preis zahlt – die Nicht-Beteiligten, die Zivilbevölkerung. Bravo, Guardian! Mal wieder.

  14. Durchmarsch der nationalen Neoliberalen? Die AfD und die neue europäische Rechte
    Wohin treibt die AfD? Diese Frage beschäftigt derzeit nicht nur die politische Klasse in Deutschland. Lange Zeit mutmaßten viele, die neue Partei werde sich nach euphorischem Beginn in kurzer Zeit zerlegen oder am Aufbau einer tragfähigen Organisation scheitern, ähnlich wie die Piraten. Doch bei der Bundestagswahl im September 2013 verpasste die AfD nur äußerst knapp die Fünfprozenthürde – nicht zuletzt deshalb, weil ihr damals in der Bevölkerung weithin bekannte und respektierte Politikpersönlichkeiten fehlten. Dagegen kann nach dem jüngsten Parteitag fest damit gerechnet werden, dass der Einzug ins Europaparlament im Mai 2014 gelingen wird. Zwar sank das Ansehen der AfD nach der Bundestagswahl kurzzeitig ab, aufgrund von Richtungskämpfen und Querelen um zum Teil extrem rechtslastige Führungskräfte. Aber das öffentliche Bekenntnis Hans-Olaf Henkels zur AfD kommt vermutlich rechtzeitig, um erneute interne Auseinandersetzungen einzudämmen und eine zugkräftige euro(pa)kritische Kampagne für die Europawahlen zu entwickeln. Der ehemalige BDI-Chef und Wirtschaftsmann ist medial sehr präsent und wird als einer der Spitzenkandidaten neben Parteigründer Bernd Lucke eine prominente Rolle im Wahlkampf spielen. Weil die Hürde bei der Europawahl zudem nur bei drei Prozent liegt, müssen sich die Alternativen in diesem Wahljahr – trotz verstärkten Gegenwinds von anderen Parteien, an der Spitze die CSU – über ihren ersten Wahlerfolg kaum Sorgen machen.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  15. Statistisches Bundesamt: Nicht mal jeder Zweite schafft sein Studium in der Regelzeit
    Mit 17 Abi, mit 20 den Bachelor in der Tasche, dann noch zwei Jahre Master – und mit 22 auf dem Arbeitsmarkt. So die schöne Theorie, die maßgeblich hinter der Bologna-Reform steckt. Doch in vielen Fällen verläuft die akademische Ausbildung nicht so, wie auf dem Papier idealtypisch skizziert, das zeigt eine jüngst veröffentlichte Erhebung des Statistischen Bundesamtes. Demnach machten 2012 nur 39,3 Prozent der Studierenden ihren Abschluss in der Regelstudienzeit. Insgesamt erreichten im vorvergangenen Jahr 365.800 Studierende einen Titel wie Bachelor, Master, Diplom oder Magister. Sehr viel länger als die Regelstudienzeit brauchten die meisten Studierenden dabei allerdings nicht: Wenn ein Puffer von zwei sogenannten Folgesemestern addiert wird, liegt der Anteil der erfolgreich abgelegten Abschlussprüfungen immerhin bei 77 Prozent.
    Auch wenn die Zahlen einen anderen Eindruck erwecken: Das Klischee vom Bummelstudenten trifft wohl in den seltensten Fällen zu. Zwar macht das Statistische Bundesamt keine Angaben zu den Gründen für die ausgedehnten Studienzeiten. Doch neben Verlängerungen wegen nichtbestandener Prüfungen dürfte auch die Bologna-Reform mitverantwortlich sein. Sie beschränkt die Uni-Zeit auf drei beziehungsweise fünf Jahre – das ist vielen jungen Leuten zu wenig. Die Stimmung an den Hochschulen geht eher wieder dahin, sich bewusst Zeit fürs Studium zu nehmen. Mancher Studierende geht für ein Semester ins Ausland, ein anderer schnuppert noch mal in ein anderes Fach rein.
    Quelle: SZ

    Knapp 40 % der Hochschulabschlüsse 2012 in der Regelstudienzeit
    Quelle: destatis.de

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht vergessen werden sollte, dass viele Studenten jobben oder und daher ein geringeres Pensum bewältigen können.

  16. Hurra, eine Einladung in die ARD – und doch eine Absage
    […] Der SWR hat in seiner Berichterstattung wie fast alle Medien erst vor-, nach dem Urteil nachverurteilend die Zeit während und nach Mannheim begleitet. Sie (der Sender) haben von Anfang an klar für die Lügnerin und Falschbeschuldigerin Dinkel Partei ergriffen. Vor diesem Hintergrund ist es zynisch, wenn dieser Sender mich zu einer Sendung einlädt, die sich fragt, “wo Grenzen überschritten und Menschen verletzt” werden. Sie bezeichnen Klatsch als Gesellschaftsspiel. Es ist kein Spiel. […]
    Nach 18 Jahren des Arbeitens für die ARD hat es der Sender nicht einmal hinbekommen, sich in irgendeiner Form für den Menschen zu interessieren, der Opfer einer Falschbeschuldigung wurde. […]
    Vielleicht war das auch für Ihre Chefs ein bisschen lange und unverständlich. Um sicherzugehen, dass ich verstanden werde, möchte ich noch kurz zusammenfassen. Ich nehme Sie, Frau Dierks, ausdrücklich aus, die Sie mir eine freundliche Email geschrieben haben. Für Ihre Chefs möchte ich leicht abgewandelt eine amerikanische Diplomatin zitieren: Fuck the ARD.
    Quelle: Jörg Kachelmann


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