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Titel: Anmerkungen zur Strategie der Meinungsmache: „Die Wirtschaft boomt“ und „Null Bock auf Job“.

Datum: 31. Januar 2007 um 10:52 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Wichtige Wirtschaftsdaten, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Seit längerem fällt schon auf, dass die ein bisschen besser verlaufende Konjunktur zu einem Boom hochstilisiert und in der Regel auch den Reformen zugeschrieben wird. Jetzt bringt der WDR in einer Ankündigung für „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg – der Fernsehtipp auf der WDR-Startseite vom 30.1. – eine Erklärung dafür ins Spiel, dass trotz des angeblichen Booms noch zu viele Menschen arbeitslos sind: „Null Bock“ – also selbst schuld. Beide Behauptungen sind höchst fragwürdig. Sie sind vermutlich Teil der fortwährenden Gehirnwäsche.

Hier zunächst der Text der Ankündigung zur Sendung:

„Mittwoch, 31. Januar 2007, 20:15 – 21:45 Uhr
Moderation: Frank Plasberg

Das Reizthema:
Null Bock auf Job – wer ist jetzt noch arbeitslos?

Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit sinkt. In manchen Branchen fehlen schon Arbeitskräfte. Aber trotzdem bleiben über vier Millionen außen vor. Wollen die nicht oder können die nicht, fragen die, die Arbeit haben. Wer verliert trotz Aufschwung – und wer verweigert sich? Zahlen die Firmen zu schlecht oder ist die Stütze zu hoch? Und was bringen Mindestlöhne?
Quelle: WDR

„Die Wirtschaft boomt“?
Die folgende Tabelle stammt aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 11.1.2007 zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in 2006. Hier eine Zeitreihe:

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt, verkettet.
Veränderung gegenüber dem Vorjahr:

1996 1997 1998 1999 2000 2001
+1,0% +1,8% +2,0% +2,0% +3,2% +1,2%
2002 2003 2004 2005 2006  
+0,0% -0,2% +1,2% +0,9% +2,5%  

Eine Wirtschaft, die nach einer so langen Durststrecke gerade einmal um 2,5% wächst, boomt nicht. Das zeigen im übrigen auch andere Zahlen und Erhebungen wie etwa die von der GfK erhobene Stagnation des Konsums und insbesondere die Tatsache, dass die tariflichen Monatsgehälter im Jahr 2006 mit einem Zuwachs von 1,2% sogar unterhalb der Preissteigerungen lagen, die Arbeitnehmer insgesamt real wieder eine Einbuße hinnehmen mussten. Von einem Boom kann man allenfalls bei Teilen der exportorientierten Wirtschaft sprechen. Für den größeren Teil der am Binnenmarkt orientierten Industrie und für den Einzelhandel gilt diese Behauptung nicht. Dennoch wird sie ständig gestreut. Das ist Teil einer Strategie zur Rechtfertigung der Reformen.

Auch die Behauptung, „die Arbeitslosigkeit sinkt“ stimmt ja im wahren Sinne des Wortes nicht. Hinzugekommen sind vor allem Minijobs. Dass die Arbeitslosigkeit deutlich sinkt, ist auch nicht zu erwarten. Bei nur 2,5% Wachstum und einem gleichzeitigen Zuwachs der Arbeitsproduktivität auf Stundenbasis von 1,9%, und dies gerade mal für ein Jahr, kann keine große Wirkung zur Verminderung der Arbeitslosigkeit eintreten. Dazu bedarf es kräftigerer Impulse und dies für eine längere Zeit.

Siehe dazu auch:
Auszug aus „Machtwahn“ Seite 23-24 zum Versagen in der makroökonomischen Politik

Nicht ins Bockshorn jagen lassen. Ein Aufschwung sieht anders aus.

Der reformgetriebene Aufschwung? Ein kollektiver Wahn und/oder eine dreiste Strategie.

Obwohl die Faktenlage so ist, wird die Erfolglosigkeit beim Abbau der Arbeitslosigkeit vorsorglich den Arbeitslosen selbst zugeschrieben: „Null Bock“.

Noch eine Anmerkung zur medienpolitischen Seite dieses Vorgangs:
Moderator Plasberg von „Hart aber fair“ ist im Gespräch für die Nachfolge von Sabine Christiansen. Das würde gut passen. Plasberg lässt sich offenbar – entgegen dem öffentlichen Image seiner Sendung – gerne in Strategien der Meinungsmache einbinden. Ich habe das im September 2004 selbst erlebt, als „Hart aber fair“ eine richtige Propagandasendung für die damals von der Bundesregierung und anderen Befürwortern von Hartz IV vertretene Begründung für die Beschränkung des Arbeitslosengeldes auf ein Jahr machte. Da wurde behauptet, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge seien nach einem Jahr „verfrühstückt“ und deshalb würden die arbeitslos Gewordenen zurecht nach einem Jahr auf ALG 2 abgestuft. Das war damals eines der Lernziele der Befürworter von Hartz IV im Kampf gegen die beginnenden Montagsdemonstrationen. „Hart aber fair“ hat sich beflissen eingereiht.
Siehe auch: Zur Interesseneinbindung von Frank Plasberg.


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