Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Mieses Weihnachtsgeschäft – Einzelhandel erlebt böse Bescherung
Herber Rückschlag für die deutschen Einzelhändler: Ausgerechnet im wichtigen Monat Dezember fallen die Umsätze kräftig. Einen stärkeren Rückgang gab es zuletzt vor knapp vier Jahren. “Das ist eine negative Überraschung”, sagt ein Ökonom.
Der deutsche Einzelhandel hat zum Jahresende 2013 einen Dämpfer hinnehmen müssen. Im Dezember hatte er 2,3 Prozent weniger in den Kassen als im Vormonat. “Einen stärkeren Rückgang gab es zuletzt im Januar 2009”, teilte das Statistische Bundesamt mit. Ökonomen hatten einen auf Monatssicht unveränderten Umsatz erwartet.
Quelle: n-tv
Anmerkung JB: Und dabei hatte uns die GfK doch ein „Rekord-Weihnachten“ versprochen. Ein weiteres Beispiel der endlos langen Liste von Fehlprognosen der GfK. Wenn ein Schimpanse jeden Monat zwischen zwei Bananen, die eine mit „Kaufrausch“, die andere mit „Flaute“ beschrieben, wählen müsste, hätte er mit Sicherheit eine höhere Trefferquote als die „hoch angesehenen“ Konsumklimaspökenkieker der GfK, die mit ihren Prognosen gefühlt zu 100% danebenliegen.
dazu: Krasser daneben liegen geht nicht
Angesichts der heute vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen zu den Einzelhandelsumsätzen im Dezember verdienen jene Aussagen Ulf Poschardts noch einmal gesondert hervorgehoben zu werden:
“Im Augenblick geht es den Deutschen gut. Sie fühlen sich wohl, sind optimistisch wie selten zuvor, konsumieren geradezu rauschhaft und scheinen mit sich im Reinen.”
Vielleicht sollte man, wenn man wie Ulf Poschardt über “DJ Culture” promoviert hat, doch besser die Finger von Konjunktureinschätzungen lassen, und seien es auch nur die lebensnahen Einzelhandelsumsätze, bei denen nun wirklich schon ein bisschen gesunder Menschenverstand und Realitätssinn als solides Handwerkszeug dienen könnten.
Die Deutschen haben so “rauschhaft” konsumiert, dass die Einzelhandelsumsätze im Dezember sogar nominal um 1,4 Prozent gegenüber Vorjahr, real um 2,4 Prozent gesunken sind! Nichts kann den Irrsinn, den deutsche Medien in der Wirtschafts- und Konjunkturberichterstattung bieten, besser dokumentieren, als diese Kennziffern.
Klasse schließlich auch selbst das Statistische Bundesamt: “Im gesamten Jahr 2013 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 1,4 % und real 0,1 % mehr um als im Jahr 2012. Damit konnten die deutschen Einzelhändler im vierten Jahr in Folge nominale und reale Umsatzsteigerungen gegenüber dem jeweiligen Vorjahr erzielen.” 0,1 Prozent klingt da doch auch bereits wie eine Erfolgsmeldung. Peinlich, peinlich.
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
- Zahl der Niedriglöhner seit Jahren überschätzt
Die Korrektur einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit liefert ein überraschendes Ergebnis: In Deutschland sind weitaus weniger Vollzeitarbeiter auf Hartz IV angewiesen als bisher vermutet.
In Deutschland sind weitaus weniger vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen als bisher in der politischen Auseinandersetzung über Mindestlöhne unterstellt wurde. Dies ist das überraschende Ergebnis einer aktuellen Revision der entsprechenden Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Wie eine dieser Zeitung vorliegende statistische „Hintergrundinformation“ der Behörde zeigt, ist die Gesamtzahl der Vollzeitbeschäftigten, die wegen eines niedrigen Arbeitslohns die staatliche Einkommensaufstockung beziehen, um fast ein Drittel geringer als bisher vermutet. Die Zahl der allein lebenden Vollzeitbeschäftigten, die eine Aufstockung benötigen, ist sogar um 41 Prozent geringer.
Quelle: FAZ
Anmerkung JB: Ohne die Details zu der seltsam anmutenden Korrektur der Statistik genau zu kennen, könnte ein Grund der angeblich fehlerhaften Daten die Wohngeldreform sein. Im Wohngeld- und Mietenbericht 2010 heißt es:
„Im Jahr 2009 führte die Wohngeldreform 2009 zusammen mit dem Kinderzuschlag, der bereits zum 1. Oktober 2008 weiterentwickelt worden war, zu einem deutlichen Anstieg der Wohngeldempfängerhaushalte. 2008 bezogen 640.000 Haushalte Wohngeld, 2009 stieg ihre Zahl auf 1 Millionen Haushalte. Dies entspricht einer wichtigen Zielsetzung der Reform, das Wohngeld als vorrangiges Leistungssystem zu stärken. Insgesamt sind etwa 120.000 Haushalte aus der Grundsicherung nach dem SGB II in das Wohngeld gewechselt. Hierbei handelte es sich insbesondere um Haushalte, die zuvor nur wegen ihrer Wohnkosten SGB-II-Leistungen erhielten.“
Damit wäre die Argumentation der FAZ zusammengefallen. Es ist schließlich egal, welche staatliche Leistung ein Niedriglöhnerhaushalt bezieht, um Leben und Wohnen zu können. Das Problem ist, dass der Lohn so niedrig ist, dass er mit Steuergeldern subventioniert werden muss. Und die Kernaussage, dass die Zahl der „Niedriglöhner seit Jahren überschätzt“ sei, stimmt dann auch nicht mehr.
- Die Stunde der Sicherheitsesoteriker
Quer durch die Parteien zieht sich in der Politik der Wunsch nach mehr Überwachung, der verhindert, dass aus dem weltweiten Spähskandal in Deutschland die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Nicht immer wird dieser Wunsch so explizit vorgetragen wie beim Standardruf nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Bei der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung (VDS) tarnt sich das Spähverlangen als Klage, dass effektive Ermittlungsinstrumente fehlen würden.
Sieht man von taktischen und lobbygeborenen Argumenten ab, speist sich der politische Wunsch nach mehr Überwachung aus zwei Quellen:
- aus der Hoffnung, mehr Überwachung ergäbe mehr Sicherheit;
- aus der Gewissheit, dass mehr Überwachung mehr Bürgerkontrolle bedeutet.
Der zweite Punkt – die Kontrolle, die durch Überwachung fast automatisch entsteht – ist der Grund, weshalb zum Beispiel “Angry Birds”-Spieler durch die NSA überwacht werden. Das Terrorpotential dieses Spiels liegt bei null, außer man ist ein grünes Schwein. Dieser Punkt eignet sich allerdings nicht besonders gut, um die Öffentlichkeit zu überzeugen.
Quelle: SPIEGEL Online
- Vermögensabgabe? – Ja bitte!
Die deutsche Bundesbank bringt im Kampf gegen die Eurokrise endlich eine Vermögensabgabe für Krisenstaaten ins Spiel. Um drohende Staatspleiten abzuwenden, sollen hochverschuldete Länder ihre Vermögenden zur Kasse bitten. Eine solche Abgabe könnte die öffentlichen Schulden schnell senken. Die schädliche Kürzungspolitik würde überflüssig und die Krise könnte schneller überwunden werden.
Da die Abgabe rückwirkend erhoben werden kann, droht auch nach Meinung der Bundesbank keine Kapitalflucht. Zudem hätte die Abgabe eine positive verteilungspolitische Wirkung, wenn nur die Reichen zahlen müssten. Soweit so gut.
Quelle: ver.di wipo aktuell [PDF – 85 KB]
dazu: Bundesbank begibt sich mit Forderung nach Vermögensabgabe in ideologische Zwickmühle und will sich nur aus der Verantwortung stehlen
Die Bundesbank erwägt in ihrem aktuellen Monatsbericht eine “einmalige Vermögensabgabe Einmalige Vermögensabgabe als Instrument zur Lösung nationaler Solvenzkrisen im bestehenden EWU-Rahmen?” Schon mit dem ersten Satz zeigt die Bundesbank jedoch ihren beschränkten Ansatz. […]
Damit die Diskussion einer Vermögensabgabe bzw. einer Vermögenssteuer erst gar nicht auf Deutschland überschwappt, warnt die Bundesbank zudem: “Grundsätzlich ist eine Vermögensabgabe und erst recht eine fortlaufend erhobene Vermögensteuer aus gesamtwirtschaftlicher Sicht mit erheblichen Problemen verbunden, und der damit einhergehende Aufwand sowie die Risiken für den Wachstumspfad einer Volkswirtschaft wiegen schwer. In der Ausnahmesituation einer drohenden staatlichen Insolvenz könnte eine einmalige Vermögensabgabe aber güns tiger abschneiden als die dann noch relevanten Optionen.”
Dass die USA beispielsweise ungeachtet einer vergleichsweise hohen Vermögenssteuer deutlich bessere Wachstumsergebnisse erzielen als Deutschland, verheimlicht die Bundesbank lieber und beweist ein weiteres Mal: Auch in diesem Hause regiert zuallererst die Idologie und das Interesse des großen Geldes, nicht aber das gesamtwirtschaftliche und das des Allgemeinwohls.
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
- Bankenrettung “leicht gemacht”
Im Augenblick verhandelt das Europaparlament mit dem Rat, wie eine Bank im Falle einer Pleite schnell, effektiv und mit möglichst wenig Ansteckungseffekten abgewickelt werden kann. Dabei sollen besonders die SteuerzahlerInnen geschützt werden. So eine Abwicklung muss idealerweise innerhalb eines Wochenendes über die Bühne gehen. Auf deutschen Druck hin wurde der Vorschlag der EU-Kommission zum Gemeinsamen Bankenabwicklungsmechanismus (SRM) stark im Interesse intergouvernementaler Strukturen verändert.
Wir haben die Vorstellungen der europäischen Regierungen für so eine Abwicklung in einem Schaubild aufgearbeitet. Das Ergebnis macht sogar mich sprachlos, aber seht selbst:
Quelle: Sven Giegold
Anmerkung JB: Den Hinweis hatten wir schon heute morgen. Nun hat Sven Giegold aber die Grafik ins Deutsche übersetzt (übersetzen lassen).
- Davos: Arbeitslosigkeit und Ungleichheit wachsen weltweit
Die Teilnehmenden des diesjährigen Weltwirtschaftsforums in Davos erwarten eine leichte Erholung der Weltwirtschaft. Die Talsohle scheint erreicht. Die Weltkonjunktur nimmt 2014 laut Internationalem Währungsfonds (IWF) mit 3,7 % gegenüber 3 % (2012) Fahrt auf. Getragen wird das globale Wachstum vor allem von guten Konjunkturaussichten in den USA. Die US-Wirtschaft soll 2014 um 2,9 % wachsen. Obama setzte in seiner Rede zur Lage der Nation auf die Verstetigung der Wachstumskräfte. In einem „year of action“ will er den Mindestlohn von 7,25 auf 10,10 US-Dollar erhöhen, mehr öffentliche Investitionen tätigen und den Klimawandel bekämpfen. Gut für die USA, gut für die Weltwirtschaft.
Die meisten Schwellenländer gewinnen allmählich an wirtschaftlicher Stabilität, auch wenn die Türkei und Argentinien mit der Stabilisierung des Außenwertes ihrer Währungen zu kämpfen haben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) läge in China mit 7,5 %, Brasilien mit 2,3 % und Japan mit 1,7 % knapp auf Vorjahresniveau. Im Euroraum klingt die Rezession allmählich ab, da Krisenländer wirtschaftlich nicht mehr schrumpfen. Verbesserte weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen und die anziehende Investitionsneigung, auch in Deutschland, begünstigen die Wachstumskräfte. Das BIP wird laut IWF 2014 im Euroraum um 1 % und in Deutschland sogar um 1,6 % zunehmen.
Quelle: DGB klartext [PDF – 170 KB]
- Der (Sozial-)Staat als Beute und Waffe: Gesellschaftspolitik der Großen Koalition
Mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages dieser neuen Bundesregierung ist eine andere Republik eröffnet worden, als der vormalige demokratische, soziale und föderale Rechtsstaat Deutschland es war.
Was wir jetzt erleben, ist die endgültige Etablierung der Politik schon der Großen Koalition von 2005 bis 2009 und davor. Wir erleben jetzt die endgültige Etablierung einer Politik der Umwandlung des Sozialstaates in ein Instrument gegen die Gesellschaft, gegen die Arbeitnehmer, gegen die Ruheständler, gegen die Erwerbslosen, gegen die Alleinerziehenden, gegen die in Ausbildung etc.
Wenn wir uns ansehen, was mit dem Süden Europas angerichtet wird, wie dort überfallartig mit Rentenverschlechterungen und mit Mehrwertsteuererhöhungen die „Wettbewerbsfähigkeit“ erhöht wird, d.h. die Reallöhne gesenkt und die Profitraten erhöht werden, dann begreifen wir eigentlich erst, was bei uns über Jahre schleichend und schrittweise vonstatten gegangen ist.
Quelle: SoVD via Labournet [PDF – 185 KB]
- Troika attackiert Tarifsysteme
Reallöhne und Tarifbindung gehen drastisch zurück, Flächentarife werden zerstört. Das ist das Resultat der Politik von Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds in Europas Krisenländern.
Bis zu einem Drittel ihres 2009 zunächst eingefrorenen Gehalts haben manche Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Griechenland inzwischen eingebüßt. Auf die Nullrunde vor fünf Jahren folgten 2010 Einschnitte von 12 bis 20 Prozent; von 2011 bis 2013 kosteten die Sparprogramme griechische
Staatsbedienstete erneut bis zu 17 Prozent ihres Verdienstes. Das geht aus einer Aufstellung des WSI-Tarifexperten Thorsten Schulten hervor.* Für das Europäische Parlament hat der Forscher zusammengefasst, welche Folgen die Auflagen von EZB, EU und IWF für Lohnniveau und Lohnverhandlungen in Griechenland, Spanien, Portugal, Irland oder Zypern haben. Es zeigt sich: Die reale Kaufkraft der Bevölkerung ist erheblich zurückgegangen, Tarife und Mindestlöhne spielen eine immer geringere Rolle. Das Ziel der sogenannten Troika aus Zentralbank, Kommission und Währungsfonds besteht darin, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer durch Senkung der Arbeitskosten zu verbessern – nach Schultens Analyse ein Unterfangen mit hohen sozialen Kosten. Zudem sei es wenig dazu geeignet, das Wirtschaftswachstum anzuregen.
Quelle: Hans-Boeckler-Stiftung [PDF – 260 KB]
- Langzeitarbeitslose in Deutschland – Auf der Ersatzbank
Christoph Ruhland hat seit 1990 keine Stelle mehr gefunden. Seit 24 Jahren ist er arbeitslos. Eine Geschichte, die in keiner Statistik auftaucht.
Er ist der ewige neunte Mann. Die Kugelstoßer haben Christoph Ruhland diesen Spitznamen gegeben. Weil sie acht sind, wenn sie bei den Spartakiaden antreten: den Leichtathletikturnieren für jugendliche DDR-Bürger. Ruhland fährt mit, jedes Mal, im Teambus bis nach Calau oder nach Leipzig. Er wärmt sich auf, zieht sich um – und sitzt dann meist auf der Ersatzbank.
Christoph Ruhland, 51 Jahre alt, ist bereit zum Einwechseln. Er ist es immer gewesen. In den Achtzigern, im Leistungssport, genauso wie heute, in seiner Heimatstadt Senftenberg in Südbrandenburg. Hier ist er ein etablierter Mann geworden: Jugendberatung und Sportclub, Vereine, Gewerkschaft und ein Sitz im Rathaus für die Linksfraktion. Er hat viele Termine. Doch auf den Tag, an dem ihm jemand Geld für seinen Einsatz bezahlt, wartet er noch. Ruhland ist seit seinem 28. Lebensjahr arbeitslos.
Quelle: taz
- Kein linkes Land
Merkwürdig, wie kurz das politische Gedächtnis manchmal ist. Dabei hatte die Öffnung der SPD im Herbst vorigen Jahres zu so vielen Diskussionen geführt. Schließlich ging es um die Linkspartei, diese so lange verschmähte Halbschwester, die zu großen Teilen Fleisch vom Fleische ist.
„Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus“, stand im Leitantrag der SPD-Spitze für den Parteitag in Leipzig im November.
Die Passage wurde als Coup von Sigmar Gabriel gefeiert. Endlich schien eine Regierung mit der Linken ab 2017 möglich zu sein. Mit dieser Perspektive hat der Parteichef seine Sozialdemokraten in die ungeliebte Große Koalition gelockt. Und offenbar ging es nur um das: Die Öffnung war ein Köder für den linken Flügel, mehr nicht.
Denn die SPD-Parteispitze hatte damals drei Bedingungen für künftige Bündnisse definiert: eine stabile parlamentarische Mehrheit, einen finanzierbaren Koalitionsvertrag und eine verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik.
Eine stabile Mehrheit und ein finanzierbarer Koalitionsvertrag – was auch immer das angesichts der Ausgabenlust der Großen Koalition bedeuten mag – trifft auf jede Konstellation zu. Der dritte Punkt zielte explizit auf die Linke ab. Man konnte das damals schon als eingebaute Hintertür ansehen.
Doch wer hätte gedacht, dass sie so schnell geöffnet wird. Es ist jedenfalls kein Zufall, wenn Gabriel nun wenige Wochen später die Linke zu den populistischen Parteien zählt und sie zur Gefahr für Europa erklärt. „Da verbünden sich die rechten und die linken Feinde Europas“, rief Gabriel auf dem Europaparteitag vergangene Woche seiner Partei und den Medien zu. „Ob es nun neunmalkluge Professoren, ehemalige Verbandslobbyisten oder Linksradikale sind: Wir verteidigen Europa gegen sie.“
Quelle: The European
- Fusion von Fiat und Chrysler: Marchionne vor grossen Herausforderungen
Fiat hat die nächsten Schritte für die volle Integration der Tochter Chrysler angekündigt. Die vollständige Integration soll nach dem Willen des Fiat-Verwaltungsrates durch die neue Holding Fiat Chrysler Automobiles mit rechtlichem Sitz in den Niederlanden und mit Steuerdomizil in Grossbritannien erfolgen. Die Gesellschaft werde primär an der NYSE kotiert sein. Daneben ist ein Listing in Mailand geplant. Zudem wurde versichert, dass eine multipolare, auf die Hauptmärkte fokussierte Managementstruktur bestehen bleibe und die Reorganisation keine Folgen für die Werke in Italien und anderswo haben werde. Dass Fiat Chrysler, die nun siebtgrösste Autogruppe, noch vor grossen industriellen Herausforderungen steht, unterstrichen am Mittwoch die enttäuschenden Ergebnisse des Konzerns, die zu einem erneuten Ausfall der Dividende führten. Ein von Bloomberg zitierter amerikanischer Branchenexperte, Erik Gordon von der Business School der University of Michigan, argwöhnte, dass die Merger-Pläne kinderleicht gewesen seien und das neue Gebilde erst noch mit schlagendem Erfolg weltweit Autos verkaufen müsse, was mehr als Anwälte brauche. Tatsächlich ist Fiat Chrysler vom einstigen Ziel Marchionnes, 5,5 Mio. Fahrzeuge zu veräussern, um die kritische Masse zu erreichen, noch weit entfernt. 2013 erreichte der Absatz bloss 4,3 Mio. Stück. Und Fiat blutet auf dem alten Kontinent weiter, wobei Marchionne noch kaum eine überzeugende Gegenstrategie konzipiert hat. Die Pläne, mit den Marken Alfa Romeo und Maserati deutschen Herstellern wie BMW oder Audi das Wasser abzugraben, wirken noch sehr vage und kühn.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Es war wohl in den 80ern, als linke Theoretiker das Bild von den “fußlosen” (footless) transnationalen Konzernen entwarfen, obwohl davon zu damaligen Zeitpunkt nicht die Rede sein konnte. Heute zeigt Fiat Chrysler Automobiles diesen Weg für global agierende Konzerne auf: Hauptsitz der Konzernmutter in den Niederlanden, der steuerrechtliche Sitz in Großbritannien und an der Börse in New York. Fiat hat heute etwa 197 000 Beschäftigte und ist mit etwa 80 000 immer noch Hauptarbeitgeber in Italien. Dennoch muss Italien wohl sagen: Ciao Fiat!
- In Ukraine, fascists, oligarchs and western expansion are at the heart of the crisis
The story we’re told about the protests gripping Kiev bears only the sketchiest relationship with reality
We’ve been here before. For the past couple of months street protests in Ukraine have been played out through the western media according to a well-rehearsed script. Pro-democracy campaigners are battling an authoritarian government. The demonstrators are demanding the right to be part of the European Union. But Russia’s president Vladimir Putin has vetoed their chance of freedom and prosperity.
It’s a story we’ve heard in one form or another again and again – not least in Ukraine’s western-backed Orange revolution a decade ago. But it bears only the sketchiest relationship to reality. EU membership has never been – and very likely never will be – on offer to Ukraine. As in Egypt last year, the president that the protesters want to force out was elected in a poll judged fair by international observers. And many of those on the streets aren’t very keen on democracy at all.
You’d never know from most of the reporting that far-right nationalists and fascists have been at the heart of the protests and attacks on government buildings. One of the three main opposition parties heading the campaign is the hard-right antisemitic Svoboda, whose leader Oleh Tyahnybok claims that a “Moscow-Jewish mafia” controls Ukraine. But US senator John McCain was happy to share a platform with him in Kiev last month. The party, now running the city of Lviv, led a 15,000-strong torchlit march earlier this month in memory of the Ukrainian fascist leader Stepan Bandera, whose forces fought with the Nazis in the second world war and took part in massacres of Jews.
Quelle: The Guardian
- Weniger Geld für Unis: Sparen geht über Studieren
Wären die Fächer Jura, Maschinenbau und Zahnmedizin Patienten und das Saarland ein Krankenhaus, dann fiele dem Wissenschaftsrat die Rolle von Ärzten zu. “Stellt die Maschinen ab”, würden sie den verzweifelten Angehörigen raten. Hintergrund wäre eine neue Vorgabe, wonach sich Krankenhäuser nur noch um bestimmte Patienten kümmern sollen. Um solche, die möglichst wenig kosten und möglichst viel Prestige bringen.
“Da aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen im Saarland zukünftig keine umfassende ‘akademische Grundversorgung’ mehr vorgehalten werden kann, sind auch Studiengänge einzustellen bzw. grundlegend neu zu organisieren”, heißt es in dem Papier vom 24. Januar, in dem der Wissenschaftsrat “Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Hochschulsystems des Saarlandes” formuliert.
Das bedeutet für die Universität des Saarlandes unter anderem: Jura auf Staatsexamen soll entweder in Kooperation mit einer anderen Uni in der “Großregion” angeboten oder “gänzlich” gestrichen werden – dann gäbe es im Saarland das Fach Jura gar nicht mehr. Mit “Großregion” meint der Wissenschaftsrat das angrenzende Bundesland Rheinland-Pfalz, mit dem auch bei der Lehrerausbildung mehr kooperiert werden soll. Komplett geschlossen werden sollen die Studiengänge Zahnmedizin sowie der gerade erst eingeführte Masterstudiengang Maschinenbau. Wirtschaftswissenschaften sollen ausgegliedert und nur noch gemeinsam mit einer Fachhochschule angeboten werden.
Quelle: SPON
Anmerkung J.K.: Welchen Sinn soll es haben die deutsche Hochschullandschaft zu zerstören, indem man deren Institutionen einen gnadenlosen Sparzwang unterwirft? Dies obwohl doch angeblich Wissen eine der wichtigsten Ressourcen in der sonst so rohstoffarmen Bundesrepublik sein soll? Die völlige Irrationalität zeigt sich schon darin, dass einerseits die Austeritätspolitik das neue heilige Dogma aller marktkonformen Politiker ist, andrerseits überall ein angeblicher Fachkräftemangel beklagt wird. Wie soll dieser dann durch ausgeblutete Hochschulen behoben werden?
Hochschulen sind aber nun einmal keine kapitalistischen Betriebe, bei denen man, wenn die Rendite nicht stimmt, einfach ein paar tausend Menschen auf die Straße wirft oder Geschäftsbereiche einfach platt macht oder verkauft. Auch wenn das Wahnbild der “unternehmerischen” Hochschule in den Köpfen der Neoliberalen umherspukt.
- Die Weiterbildungsindustrie – Geschäfte mit dubiosen Maßnahmen
Weiterbildung gilt als Waffe gegen Arbeitslosigkeit. Jahr für Jahr verschlingen diverse Bildungs- und Umschulungsprogramme Milliarden an Steuergeldern. Doch nur etwa jeder fünfte Erwerbslose findet anschließend tatsächlich einen neuen Job. Nicht selten reiht sich Lehrgang an Lehrgang wie bei Heinz G. Der gelernte Maschinenbautechniker wurde vom Jobcenter zu Dutzenden Maßnahmen verdonnert und ist trotzdem seit 20 Jahren ohne Arbeit.
Qualifizierungen, Eingliederungen, Fortbildungen und Umschulungen sind ein lohnendes Geschäft. Etwa 17.000 Bildungsträger gibt es in Deutschland. Die Zahl der angebotenen Kurse ist unüberschaubar und insbesondere Qualität und Nutzen wenig kontrollierbar. Das gilt nicht nur für Arbeitslose, sondern auch für Erwerbstätige, die zielgerichtet mit dem Versprechen umworben werden, dass sich ihre Aufstiegschancen durch eine Weiterbildung wesentlich verbessern würden.
“Exakt – Die Story” schaut hinter die Kulissen der Weiterbildungsindustrie, spricht mit Betroffenen, Experten und Insidern über Sinnlosmaßnahmen und Mogelpackungen. Es wird den Spuren von Bildungsträgern gefolgt, die Kursteilnehmer vor allem als billige Arbeitskräfte nutzen und Anbietern, die Millionen kassierten für Schulungen, die nie stattfanden. Wann ist Weiterbildung wirklich sinnvoll? Woran krankt das System? Was ist die Alternative?
Quelle: MDR Exakt – die Story
- GEW : Privatisierungs-Report
Wie Unternehmen mit kostenlosen Unterrichts-Materialien Einfluss auf die Schulen nehmen.
Quelle: GEW [PDF – 690 KB]
- 20. BAföG-Bericht 2014 und Reaktionen
“Eine gute Ausbildung ist heute wichtiger als je zuvor. Das gilt für den Einzelnen wie für unsere Gesellschaft insgesamt. Wissen und die Anwendung von Wissen sind das größte Potenzial, das wir in Deutschland haben. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ist ein Garant dafür, dass Jugendliche und junge Erwachsene eine ihrer Eignung und Neigung entsprechende Ausbildung absolvieren können – auch unabhängig davon, ob die finanzielle Situation ihrer Familie diese Ausbildung zulässt oder nicht…” So weit das Versprechen auf der Homepage des Bundesministerium für Bildung und Forschung. Siehe zur aktuellen Situation den 20. BAföG-Bericht 2014 und Reaktionen:
Quelle: LabourNet Germany
- Wem gehört die Zeit? – Der Mensch im Takt des Kapitalismus
Das Gefühl, dass Zeit knapper wird oder – anders gesagt – schneller eilt, so dass die Menschen immer mehr in immer weniger Zeit erledigen müssen, ist ein Gefühl, das man heute bei vielen Gesprächspartnern abrufen kann. Dieses Gefühl paart sich nicht selten mit einer Form von Erschöpfung, die darauf zurückgeführt wird, dass die Einzelnen mit der rasenden Zeit nicht mehr mitkommen. Die Konjunktur von Burnout-Diagnosen ist dafür nur ein Beleg.
Wenn aber ein Gefühl so weit verbreitet ist, dann liegt es nah, nicht einfach dem Einzelnen ein besseres Zeitmanagement zu empfehlen, sondern nach überindividuellen Ursachen für solch eine Situation zu suchen. Das umso mehr, als man feststellen kann, dass die knappe Zeit und Klagen über die darob erschöpften Menschen keine Phänomene allein unserer Gegenwart sind, sondern weit in die Geschichte der europäischen Moderne zurückreichen.
Meines Erachtens verrät der Ursprung des modernen Zeitgefühls etwas über dessen Wesen.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Armes Amerika
Die USA sind nach wie vor das reichste Land mit der grössten Volkswirtschaft. Rund ein Viertel aller Güter und Dienstleistungen weltweit werden von amerikanischen Konsumenten in Anspruch genommen. Gleichzeitig tragen die USA aber zunehmend Züge eines Drittweltlands. 15 Prozent der Bevölkerung – rund 50 Millionen Menschen, 13 Millionen von ihnen Kinder – leben an der Armutsgrenze und sind auf die karge Sozialhilfe angewiesen. Diese kommt meist in Form von Food Stamps daher: Lebensmittelmarken. Die Arbeitslosenunterstützung wird laufend gekürzt. Rund 1,3 Millionen Arbeitslose sind Ende 2013 ausgesteuert worden, etwa 1 Million wird es Mitte 2014 treffen. Obwohl die Wirtschaft wieder wächst, verharrt die Arbeitslosigkeit bei 7 Prozent. Ein Grossteil des amerikanischen Mittelstands verdient heute weniger als vor der grossen Krise 2008. Wer seinen Lebensunterhalt in einem Fast-Food-Restaurant oder hinter einer Warenhauskasse verdient, hat grösste Mühe, sich finanziell über Wasser zu halten. Inflationsbereinigt sind die Löhne dieser Angestellten seit den 70er-Jahren um rund ein Drittel gefallen. Auch immer mehr von ihnen greifen – trotz einer festen Arbeit – auf Food Stamps und Medicaid zurück, um ihren Familien einen minimalen Standard zu sichern. Selbst ein kräftiger Wirtschaftsaufschwung dürfte an diesen Zuständen wenig ändern. «Auch wenn die Rezession vorbei ist, werden die guten Mittelstandsjobs nicht zurückkehren», konstatiert der Ökonom Tyler Cowen in seinem aktuellen Kultbuch «Average Is Over» (Mittelmass ist vorbei). Cowen ist alles andere als ein linker Aktivist, er bezeichnet sich selbst als Konservativer und Marktliberaler. Trotzdem beschreibt er die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt schonungslos.
Quelle: Tagesanzeiger
Anmerkung Orlando Pascheit: Cowen dürfte wohl recht behalten. Die USA eignen sich nicht für eine Revolution. Vielleicht fehlt den USA die europäische Urerfahrung, das Abtrennen eines Kopfes von Gottes Gnaden vom Rumpfe. Dabei lebt die US-Plutokratie gerade von der Vorstellung, dass Reichtum den begnadeten Menschen auszeichnet. Und jeder, der sich nur genügend bemüht, kann diesen Gnadenstand erfahren. Wer bettelarm bleibt, hat sich nicht um die Gnadengewissheit bemüht. Aber Spaß und Weber beiseite, es könnte den USA nicht schaden, sich der europäischen Tugenden von 1793 zu besinnen.