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Titel: Die Deutsche Rentenversicherung nimmt zu den angeblichen Todsünden in der BILD-Zeitung Stellung

Datum: 24. Januar 2007 um 16:23 Uhr
Rubrik: Medienkritik, Rente, Strategien der Meinungsmache
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Die Berichterstattung der Bild-Zeitung zur Rente scheint nur noch ein Ziel zu haben: Die gesetzliche Rentenversicherung zu diskreditieren und mit Halbwahrheiten Angst in der Bevölkerung zu schüren.
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Presseportal

Immerhin mal eine Reaktion auf die Kampagne von BILD. Aber wie will man mit so blassen Argumenten wie in der Presseerklärung der Deutschen Rentenversicherung gegen eine Kampagne angehen, die täglich mehrere Millionen Menschen mit ihren Lügen erreicht.

Wo bleibt eine Stellungnahme oder ein massiver Protest der Bundeskanzlerin oder des Sozialministers gegen diese Demagogie und Angstmache?

In Wahrheit unterstützt die Regierung doch sogar die Propaganda der Versicherungswirtschaft, in dem sie seit Schröder die „Renten-Reformen“ ständig mit der demografischen Entwicklung begründet und regelmäßig warnt, dass die Rente künftig allenfalls noch eine Grundversorgung biete und es deshalb unerlässlich sei, zumindest die subventionierte Riester-Rente abzuschließen?

Wer heute so tut, als könne die Rente mit 67 (voll eingeführt) im Jahre 2029 die gesetzliche (Grund-)Rente stabilisieren, ist den Hellsehern, wie Miegel, Raffelhüschen oder Sinn schon längst auf ihren ideologischen Leim gekrochen.

Denn nicht einmal das Wachstum des Bruttosozialprodukts lässt sich – wie wir alljährlich mehrfach erfahren – auch nur über ein Jahr hinaus sicher prognostizieren. Aber die Versicherungslobby und ihre „Mietmäuler“ wollen schon für die nächsten hundert Jahre wissen, wie hoch die Zahl der (tatsächlich) Erwerbstätigen, die Zahl der Beitragszahler oder wie hoch die Beitragssätze sein werden. (Und sie wollen schon gar nicht, dass alle Einkommen (also auch aus Vermögen und Kapital) ihre Beiträge an eine wirkliche „Volks-Rente“ leisten.)
In der heutigen BILD rechnet uns der ehemalige Pressesprecher der Allianz, Oliver Santen, unter der Überschrift „Private Altersvorsorge. Was muss ich tun mit…“ vor, was 20, 30, 40 oder 60-Jährige „jetzt zusätzlich tun müssen“. Ein heute 20-Jähriger, der 67 Euro pro Monat spart, könne sich in 45 Jahren „bei 4% Rendite“ auf 100.000 Euro „freuen“.
Wie kann man über ein halbes Jahrhundert eine Rendite von 4% voraussagen? Und wenn man schon diesen (hohen) Prozentsatz unterstellt, dann muss doch das als private Altersvorsorge angelegte Kapital doch (krisenfest) gewinnbringend angelegt werden können. Das setzt aber doch in jedem Fall eine wachsende Volkswirtschaft voraus.
Warum gilt diese Annahme einer wachsenden Volkswirtschaft nur für die private Vorsorge? Warum kann in einem Umlagesystem, wie das der gesetzlichen Rente, nicht wenigstens die steigende Produktivität zu einem größeren „Kuchen“ führen, an dem sich Jung und Alt ordentlich satt essen könnten. Vorausgesetzt allerdings, dass die höhere Wertschöpfung fair zwischen Kapital und Arbeit, also paritätisch, und nicht einseitig zu Lasten der Nichtkapitalbesitzer verteilt würde.

„Eine Gesellschaft, die keine Kinder hat und nicht spart, muss im Alter hungern!“ argumentiert BILDs „bester Ökonom“ Professor Sinn. Wer soll aber, wenn man schon seiner krausen Un-Sinns-Logik folgen wollte, dann die Kapitalerträge für die Altersvorsorge erwirtschaften?
„Woher soll (bei Sinn) das Geld kommen“. Muss die Rendite nicht auch durch die jeweils Erwerbstätigen erwirtschaftet werden? Spielt dabei die Geburtenrate plötzlich keine Rolle mehr? Sinns Motto ist wohl: Vermehren sich schon nicht die Menschen, so vermehrt sich doch auf wundersame Weise das Geld.

Oder kommt dann die Rendite aus China oder Indien, wo das angesparte Kapital dann vielleicht angelegt ist? Dann müssten allerdings die Privatvorsorger schon vor ihrem Renteneintritt verhungern, weil sie dann schon längst vor ihrer Rente keine Arbeitsplätze mehr zu Hause hätten. Ihre Sparraten könnten sie dann schon gar nicht mehr bedienen.

Dazu passend schreibt uns heute eine Leserin:

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem die Werbekampagne von ZDF, BILD und den meisten anderen Zeitungen ihren vorläufigen Höhepunkt überschritten hat, musste ich mich erst einmal sammeln, um einen Kommentar zu schreiben.

Mein Mann und ich wollten Kinder und das erste Kind war bereits geplant. Vor fast einem Jahr sind wir kurz nacheinander arbeitslos geworden, einmal Versicherung und einmal Verwaltung. Trotz Qualifikation und vieler Bewerbungen finden wir keine neuen Stellen. Demnächst werden nach und nach Auflösung des Vermögens, Umzug und Hartz4 folgen.
Obwohl wir uns immer noch Kinder wünschen, haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, doch kein Kind zu bekommen und sind mittlerweile froh, kein Kind bekommen zu haben, das wahrscheinlich in Arbeitslosigkeit und Chancenlosigkeit aufwachsen würde und kaum unsere Rente finanzieren würde.
Vielleicht kann uns einer der “unabhängigen” Experten ein paar wirklich nützliche Finanztipps geben.

Wenn die Zunahme privater und betrieblicher Altersvorsorge Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen würden, hätte das alles ja noch etwas Positives. Aber die vielen Riester-Policen haben uns den einen Arbeitsplatz nicht gerettet. Und bei den Versicherungskonzernen werden sie sich die Hände reiben, wenn jetzt von allen Seiten und sogar noch aus den “Sozialverbänden” gefordert wird:
“Kinderlose sollten dann weniger Rente bekommen …”

Die Praktiken von Versicherungsvertretern, die in Ihrem heutigen Bericht stehen, können wir bestätigen. Es ist absolut üblich, Renditerisiken und sinkende Überschussbeteiligungen sorgfältig auszublenden.
Gruß
S. B.


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