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Titel: Evangelikale und christliche Fundamentalisten machen Stimmung für den Endkampf und drängen Bush zum Krieg gegen den Iran
Datum: 24. Januar 2007 um 11:14 Uhr
Rubrik: Anti-Islamismus, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Militäreinsätze/Kriege, USA
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
„Achse des Bösen“, der „Krieg gegen den Terrorismus“ oder der Kampf gegen den Islamismus als „entscheidender ideologischer Kampf unserer Zeit“, das sind Denk- und Deutungsmuster extremistischer christlicher Fundamentalisten und ihrer Think-Tanks. Sie prägen Weltbild und Sprache des amerikanischen Präsidenten. Selbst die Demokraten in den USA scheinen sich, um ihre Wahlchancen zu wahren, evangelikalen Strömungen anpassen zu müssen. Sarah Posner hat sich seit langem mit diesen Strömungen beschäftigt, mit einem Beitrag in AlterNet beschreibt sie, wie christliche Fundamentalisten die Stimmung für einen Krieg der Amerikaner gegen den Iran schüren.
Roger Strassburg und Brigitta Huhnke haben den Beitrag übersetzt und zum besseren Verständnis mit Fußnoten versehen. In Fußnote 4 hat Brigitta Huhnke noch einige Erläuterungen zur Wirkung der Evangelikalen auch auf die deutsche Politik hinzugefügt.
Während Bush seine Kriegsstrategie in Richtung Iran verlagert, bereiten sich christliche Zionisten auf den Weltuntergang vor.
Von Sarah Posner, AlterNet
18. Januar 2007
Christliche Zionisten tanzen die Hora [1] in San Antonio. Armageddon [2] scheint in greifbarer Nähe zu sein.
Während George W. Bush den Iran ins Visier nimmt, fragen sich sogar Republikaner, wie sie den schießwütigen König verfassungsgemäß zügeln können. Doch für eine einflussreiche Gruppe christlicher Fundamentalisten – Verbündete des Weißen Hauses, die nicht nur gemütliche Begegnungen zwischen Sprechern des Präsidenten und der („faith-based“) glaubensbasierten Gemeinschaften arrangieren, sondern auch ernsthafte Diskussionen mit Bushs nationalem Sicherheitsstab – ist ein Angriff auf den Iran genau das, was Gott befohlen hat.
Die Bibeltreuen, die sich mit Hilfe der „Christians United for Israel“ (CUFI) versammelt haben, die der Mega-Pastor (Massenprediger) John Hagee [3] in San Antonio gegründet hat, sehen nun die Früchte ihrer jahrelangen Kampagne: die Regierung Bush zu überzeugen, den Iran anzugreifen.
Hagee, sich auf dem Kriegspfad [4] befindend, kam letzten Sommer nach Washington und viele Republikaner – und sogar ein paar Demokraten – begrüßten ihn als einen vermeintlichen Unterstützer Israels. Mehr als 3.500 CUFI-Mitglieder verteilten sich im Capitol, um sich mit ihren Kongress-Abgeordneten zu treffen.
Machtvolle Makler der Fernsehevangelisten, wie der aufsteigende Star Rod Parsley aus Ohio, die im Vorstand des CUFI dienen, zeigen jetzt stolz Fotos ihrer Begegnungen mit Senatoren, die sie Stirn runzelnd zeigen, angesichts der ernsten Lage, die bevorstehenden Aufgaben betreffend. Aber das für Hagee wichtigste Treffen war wahrscheinlich kleiner und nicht öffentlich. Es fand im Weißen Haus statt, mit Elliott Abrams, dem stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater und Mitbeteiligter der Iran-Contra- Affäre.
Haben sich die die beiden Männer über Dispensationalismus [5] (dispensationalism) oder über Diplomatie unterhalten?
Die Tatsache, dass sich der oberste, für die Nahost-Politik zuständige Sicherheitsberater des Präsidenten mit dem populären Autor trifft, der in seinem erfolgreichen Buch [6] behauptet, Gott verlange einen Krieg mit dem Iran, zeigt einfach wie sehr politischer Opportunismus über politisches Handeln (und menschliches Leben) in dieser aus den Angeln geratenen Regierung triumphiert.
So ermutigt, kehrt Hagee nach San Antonio zurück, sich dann darüber grämend, dass „die meisten AmerikaneriInnen einfach nicht wissen, dass das Gefecht um die westliche Zivilisation im Gange ist“, und „wollen nicht glauben, dass der Iran Nuklearwaffen gegen das mächtige Amerika verwenden würde. Sie werden es!“ Als im vergangenen August die blutigen Kämpfe zwischen Israel und Hisbollah tobten, organisierte Hagee eine Art Lobby Kampagne von unten, um die Telefonzentrale im Weiße Haus mit Anrufen gegen einen Waffenstillstand zu bombardieren. Mitglieder waren eindringlich gebeten worden, das Weiße Haus anzurufen und Bush zu gratulieren”, für seinen Gebrauch des Begriffs „Islamofaschist“ und für dessen „moralische Klarheit“.
Bewaffnet mit bluttriefender Rhetorik und der Hybris eines politischen Insiders, füllte Hagee im Oktober seine 5000 Sitzplätze fassende Kirche für einen “event”, der das ganze Wochenende andauerte und in seiner (Hagee’s) “Nacht zu Ehren Israels” gipfelte. Auf ein sich ereiferndes, auf die Endzeit sich vorbereitendes Publikum, prasselten Hitler-Vergleiche und die Verurteilung einer „Appeasment“-Politik. Anti-Muslimische Rhetorik erreichte fiebrige Ausmaße. Das alles war aufgetakelt als Liebe und Wohlwollen für das auserwählte Volk Gottes. Doch was sich als biblisch angeordnete Großzügigkeit gegenüber Juden ausgab, war nichts anderes als eine Kundgebung für einen Krieg nicht nur gegen den Iran, sondern gegen den Islam, und für die Vorherrschaft des Christentums ( – eines der Marke Hagee natürlich).
Am Jahresende hatte Hagee angefangen, seine Anhänger zu warnen: der Iran sei dabei, „für den nächsten Krieg nachzuladen“. Er behauptete, er habe „Grund zur Annahme, der Iran werde einen militärischen präventiven Angriff seitens Israel erleben, um den Iran daran zu hindern, Nuklearwaffen zu erhalten“. Und die Irak-Beratungskommission (die Baker-Kommission d.Übers.) verurteilte er als „anti-Israel“ ausgerichtet. Obwohl er fast ein Jahr lang behauptet hat, der Iran beabsichtige, Israel zu vernichten, lehnte Hagee die Empfehlung der ISG [Iraq Study Group] ab, nach einer diplomatischen Lösung mit dem Iran zu suchen und giftete: „Amerikas Probleme mit dem Iran haben mit Israel nichts zu tun. Der Präsident des Iran hat gesagt, dass er beabsichtigt, Nuklearwaffen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika einzusetzen. Die Generation meines Vaters hätte diese Äußerung als Kriegserklärung gedeutet und den Iran schon zu dem Zeitpunkt (der Äußerung) bombardiert.“
Bush weiß, dass die Günstlinge von Hagee auf einen Krieg eingestimmt und dementsprechend aufgeladen sind, auf einen Krieg, der nicht nur alle Kriege beenden soll, sondern die Welt. Möglicherweise hat er schon einen geheimen Befehl unterschrieben, der militärische Schritte gegen den Iran autorisiert. Doch letzte Woche machte Bush einen lahmen Versuch, das Land hinter sich zu bringen, in dem er seine altbewährte (aber nicht der Wahrheit entsprechende) Methode verwendete, in dem er die Wörter „Iran“, „Nuklearwaffen“ und „9/11“ in einem Atemzug von sich gab.
Sein Säbelrasseln wird mit der Mehrheit der Amerikaner, die über seine Führung des Irak-Krieges empört sind, und dessen weitere Eskalierung ablehnen, nicht funktionieren. Aber für seine auf die Endzeit gerichteten Zuhörer – ein Segment der amerikanischen Evangelikalen, die sich zu diesem Thema einig sind, entzündete Bush die grandiose Rhetorik eines endgültigen Showdowns: “Die Herausforderung, die sich auf den gesamten Nahen Osten bezieht, ist mehr als ein Militärkonflikt. Es ist der entscheidende ideologische Kampf unserer Zeit.”
Sarah Posner schreibt für den American Prospect, den Gadflyer und AlterNet über die religiösen Rechten. Zurzeit arbeitet sie an einem Buch über Fernsehprediger in der Politik.
© 2007 Independent Media Institute. All rights reserved. View this story online at: http://www.alternet.org/story/46753/
[«1] Anmerkungen von Brigitta Huhnke: Alter, religiös motivierter Rundtanz.
[«2] Vgl. dazu als Erst-Info bei wikipedia die Bedeutung von „Armageddon“ in der christlich-fundamentalistischen Lehre
[«3] Auch zu John Hagee vgl. Eintrag bei wikipedia, er gehört zu den extremistischsten christlichen US-Fundamentalisten, dessen Fan-Gemeinde in den USA jedoch viele Millionen stark ist, seine Hassreden werden wöchentlich über 160 Fernseh- und 50 Radiostationen und 8 Fernsehnetzwerke verbreitet, denen allein 99 Millionen US-Amerikaner lauschen. Global werden die Programme ebenfalls ausgestrahlt, in Australien, Kanada, Neuseeland, in mehreren Ländern Europas und Afrikas, vorzugsweise auch in sogenannten „unterentwickelten“ Ländern der Armutszonen. Hagee ist zudem Präsident der „Global Evangelism Television“.
[«4] Evangelikale, wie John Hagee oder auch George W. Bush, wähnen sich schon seit langem im Krieg der Endzeit gegen den Antichristen und für Jesus Christus. Geistiger Vater besonders der Tele-Evangelikalen ist Billy Graham, der wegen seiner martialischen „Kreuzzüge für Jesus“ und seinen Antisemitismus nicht nur in den USA bekannt geworden ist. In den Nachkriegsjahrzehnten wurde Graham auch in der Bundesrepublik mit seinen Massenbekehrungen unter Evangelikalen bekannt, die damals besonders auch Sammelbecken für sogenannte Vertriebene, wie Sudeten- und Volksdeutsche, besonders aber auch Heimat für ehemalige SS Leute waren, die sich nun zwar nicht mehr im Kampf für den Endsieg dafür aber im Krieg der Endzeit gegen den Antichristen (also gegen den Kommunismus aber auch Juden und später Muslime) und für Jesus Christus vereinten. Noch heute (wie z.B. im Sommer 2005, ausgerechnet in New York) erteilt Graham, seit Jahrzehnten enger Freund der Familie Bush, am Ende seiner Kreuzzugsreden und das immer vor den Massenbekehrungen zynisch (wie seit Jahrzehnten) einem Juden das Wort, der dann seine Abkehr vom Judentum und seine Bekehrung zu Jesus in evangelikaler Verzückung preist. Zur Zeit der Reagan-Regierung verkörperte dieser Krieg der Endzeit den Kampf gegen den realexistierenden Sozialismus, gegen das „Reich des Bösen“ und wurde auch zur Quelle der Geschichtsentsorgung der Kohl-Regierung (Stichwort Bitburg 1985). Seit dem Fall der Mauer in Berlin etabliert sich ab Herbst 1990 in der westlichen Welt ein neues Konzept des Diabolischen, der Kampf gegen „den Islam“. Erinnert sei an die primitiven Vergleiche von „Hitler=Saddam“ in der Bundesrepublik, die prominent Hans Magnus Enzensberger (vgl. Der Spiegel vom 4.2.1991) direkt aus dem US-Diskurs rechter Think Tanks, besonders auch christlicher Fundamentalisten damals in den deutschen Diskurs importiert hat. In dem sich auch bei uns dann schnell aufheizenden Klima Anfang der 90er Jahre kommt es zu den Morden in Mölln und Solingen, an Angehörigen von Minderheiten muslimischen Glaubens. Die Missachtung und Verletzung der Menschenrechte wie im Fall Murat Kurnaz seitens der rot-grünen aber auch der schwarz-roten Regierung zeigen sehr deutlich, wie sehr Hass gegen “den Islam“ mittlerweile ethische Leitlinien der Regierungspolitik auch in der Bundesrepublik bestimmt.
[«5] Juden sind nach der Auffassung das auserwählte Volk, die zwar uneingeschränktes Anrecht auf Palästina haben, die jedoch nach der Wieder-Ankunft von Jesus Christus diesen als ihren Messias annehmen müssen. Vgl. ausführlicher wikipedia
[«6] Vgl. dazu Sarah Posners Buchbesprechung des Bestsellers von John Hagee: “Jerusalem Countdown”
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