Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Snowden
- „Sie können sich aufregen wie Sie wollen“
… die US-Überwachung aller deutschen Bürger und Firmen werde trotzdem weitergehen. Der Satz des Ex-US-Botschafters John Kornblum fasste die Gesprächsrunde bei Günther Jauch trefflich zusammen. In der Sendung überwog freilich die Aufregung…
In unserer Welt gibt es nicht nur die NSA-Überwachung, die der IT-Experte Edward Snowden enthüllt hat. Sondern auch die Vorstellung, dass dem Fernsehzuschauer und Gebührenzahler Informationen vor 23 Uhr nur in Form von Infotainment serviert werden kann.
Am Sonntagabend bedeutete das konkret, dass die ARD ihr weltexklusives und durchaus informatives Interview mit NSA-Enthüller Edward Snowden erst nach der Talkrunde von Günther Jauch ausstrahlte, der sich mit der schon tausendfach beantworteten Frage befasste…
Eine gute halbe Stunde nach Jauchs Abschlussrunde folgte das Snowden-Interview in ganzer Länge – und erwies sich trotz allem als informativ. Bei vielen Details hätte man sich eine Vertiefung gewünscht…
Bei Jauch waren die meisten dieser Aspekte nicht einmal angesprochen worden, geschweige denn vertieft. Aber Hauptsache, es wurde mal wieder ergebnislos gestritten in einer deutschen Talkshow.
Quelle: FR
- Großbritannien: Wie der “Guardian” den Geheimdiensten trotzt – Das ganze Interview (engl.) mit Herausgeber Alan Rusbridger
Alan Rusbridger ist Chefredakteur und Herausgeber der linksliberalen britischen Tageszeitung “The Guardian” und ein sehr introvertierter Mann. Dem Weltspiegel gab er jetzt eines seiner sehr seltenen TV-Interviews.
Quelle: ARD Mediathek
Siehe den Bericht im Weltspiegel mit Auszügen aus dem Interview übersetzt
Es ist ein mächtiger Gegner, gegen den der „Guardian“ angetreten ist. Die Abhörstationen der britischen Geheimdienste können jeden Schritt im Netz verfolgen und auswerten. Das weiß die Welt, seit im Londoner Hauptquartier des „Guardian“ eine kleine Gruppe von Journalisten Monat für Monat das Material von Edward Snowden zu neuen Titelstorys verarbeitet.
Was bislang im Verborgenen geschah – der “Guardian” bringt es an den Tag: Die totale Überwachung ist längst Realität im Netz und entlarvt dabei vor allem den britischen Abhördienst GCHQ als Handlanger der NSA.
Wir treffen den Mann, der seiner Redaktion dabei den Rücken freihält, Alan Rusbridger. Ein leiser, aber zäher Krieger im Kampf um die Freiheit im Netz. Der, als er das Snowden-Material das erste Mal in ganzem Umfang vor sich sah, selbst völlig perplex war.
Kurze Zeit später wird er selber zur Zielscheibe. Im Parlament droht ihm der britische Premier höchstpersönlich mit juristischen Schritten: “Natürlich ist es besser, an die gesellschaftliche Verantwortung des ‘Guardian’ zu appellieren, aber wenn das alles nichts nützt, wird es sehr schwer für mich sein, hier nicht zu handeln.”
Aber er lässt weiterschreiben, veröffentlicht immer neue Teile des Snowden-Materials – bis ein Anruf aus der Downing Street ihm ein Ultimatum setzt. Jetzt wird die Herausgabe des Snowden-Materials verlangt. Rusbridger lässt die Daten nach Amerika schaffen und lädt den britischen Geheimdienst zu sich in den Keller ein. Hier zerstören sie dann gemeinsam die Festplatten mit dem Snowden-Material.
Quelle: das erste
Anmerkung J.K: Ein Beispiel dafür wie kritischer Journalismus aussieht.
- Freihandelsabkommen
- Transatlantische Freihandelszone – Die EU verspielt eine große Chance
Die EU-Kommission hat die Verhandlungen über ein Abkommen mit großem wirtschaftlichem Potenzial zum closed shop gemacht. Sie hat es zudem völlig versäumt, bei der US-Regierung auf Gleichberechtigung in den Handelsgesprächen zu pochen. Um die jeweiligen US-Positionen zu erfahren, sollen sich akkreditierte europäische Beamte künftig gar in einen eigens eingerichteten Brüsseler “Leseraum” begeben, fordert die US-Regierung. Dass dies eine gründliche Evaluierung der Dokumente erschwert und Misstrauen weckt, liegt auf der Hand.
Dabei bietet TTIP durchaus gute Chancen, neue Arbeitsplätze beiderseits des Atlantiks zu schaffen, Handelsanreize zu setzen, bürokratische Hürden für Unternehmen zu eliminieren und industrielle Normen zu harmonisieren.
TTIP bietet auch die Möglichkeit, über nachhaltige Aspekte der transatlantischen Kooperation zu verhandeln – von einem Auslaufen der Subventionen für fossile Energien, einem Abbau von Handelshemmnissen für die Zukunftsbranchen der Energiewende und hin zu einer grüneren Wirtschaft. Es ist Aufgabe der Kommission, eine solch progressive Agenda für die TTIP-Verhandlungen zu gestalten und einzufordern, allein um der eigenen EU Klimastrategie gerecht zu werden.
Quelle: ZEIT
Anmerkung J.K: Da muss man erst einmal schlucken, die Autorin ist Mitglied der Grünen (!) und Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung in Rheinland-Pfalz und redet einem Abkommen das Wort, das die Interessen der transnationalen Konzerne über jede nationale und internationale Rechtsnorm stellen will. Als ob die Problematik nur in der Intransparenz der Verhandlungen liegen würde. Wie naiv ist diese Frau eigentlich?
- Widerstand gegen das Pazifische Freihandelsabkommen
Während in der EU noch überlegt wird, wie es mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen weitergehen soll, will der US-Präsident die TPP-Verträge ohne den US-Kongress im Alleingang aushandeln.
Vor zwanzig Jahren trat in Kraft, was Ökonomen und Politiker als Heilsbringer für alle Beteiligten priesen: Mit dem Wirtschaftsverband NAFTA zwischen den USA, Mexiko und Kanada am 1. Januar 1994 war eine Freihandelszone geschaffen worden, die Wohlstand und Wachstum bringen würde. Durch den Abbau von Zöllen auf Waren und Dienstleistungen, so das damalige Versprechen, würde Armut reduziert und Arbeitsplätze geschaffen.
Das Gegenteil trat ein (Studie der Verbraucherorganisation Public Citizen’s Global Trade Watch). Der zunächst sprunghafte Anstieg von Auslandsinvestitionen in Mexiko ist längst erschöpft und blieb ohne nachhaltigen Einfluss auf die mexikanische Wirtschaft. Der Einkommensunterschied ist auf einem Höchststand, nach wie vor gibt es jedes Jahr hunderttausende Armutsflüchtlinge, die das Land verlassen.
In den USA verlor im Gegenzug ein Großteil der Mittelschicht ihre Produktionsjobs an den südlichen Nachbar. Und mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) verlor schließlich auch Mexiko seinen Status als amerikanisches Fertigungszentrum.
Gewinner der neoliberalen Freihandelskalkulation, wonach es auf der Welt immer Arbeitnehmer gibt, die, um überleben zu können, für weniger Geld als andere arbeiten müssen, sind bisher vor allem die beteiligten Unternehmen. Entgegen wachsender Kritik tüftelt die US-Administration unter Hochdruck an einer Ausweitung des Erfolgsrezepts.
Quelle: heise.de
- Freihandelsabkommen – Schiedsgerichte sind gerechter
Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und Amerika stocken. Der Grund ist heuchlerisch: Sogenannte Nichtregierungsorganisationen, die sich selbst gerne als lobbykritisch bezeichnen, machen exzellente Lobbyarbeit.
Es gibt aus europäischer Sicht gute Gründe, internationale Schiedsgerichte mit der Streitschlichtung zwischen Investoren und Gaststaaten zu beauftragen – auch wenn die Argumente dafür nicht so eingängig sind wie die Schlagworte „undemokratisch, intransparent und rechtsstaatsfeindlich“. Regelungen über die Behandlung von Investoren laufen leer, wenn es keine Möglichkeit zur Durchsetzung gibt. Vor amerikanischen Gerichten kann sich ein Investor aus Europa generell nicht auf die Vorschriften des Freihandelsabkommens berufen. Und es ist in Deutschland in der Praxis schwerlich vorstellbar, dass ein Richter sich zuständig fühlt, wenn ein amerikanischer Investor seine Klage auf ein völkerrechtliches Abkommen stützt.
Zudem müsste ein Investor seine Klage gegen den Gaststaat vor den Gerichten ebendieses Staats erheben. Selbst wenn der Verdacht der Parteilichkeit zu Lasten des Ausländers häufig nicht begründet ist, wird ihn jeder verstehen, der schon einmal in einer fremden Rechtsordnung um sein Recht gekämpft hat. Für internationale Streitigkeiten sind internationale Gerichte das einzige neutrale Forum. Schiedsregeln im Freihandelsabkommen harmonisieren zudem die Rechtslage in Europa.
Quelle: FAZ.Net
Anmerkung unseres Lesers H.H. aus München: Dieser FAZ-Beitrag ist weder erhellend noch verwendet er korrekte Begriffe. Eine Institution, bei der drei private Wirtschaftsanwälte über Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe gegen Staaten – ohne jegliche Öffentlichkeit und ohne Berufungsmöglichkeit – entscheiden, ist nun mal kein Gericht, deshalb ist es irreführend, hier von einem Schiedsgericht zu sprechen. Hier urteilen nicht unabhängige Richter über Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe, sondern private Wirtschaftsanwälte – mit einer Gerichtsentscheidung hat das nichts zu tun. Eine solche Institution mit dem hessischen Verwaltungsgerichtshof in einem Atemzug zu nennen, offenbart einen eklatanten Mangel an Verständnis. Die mit der Weltbank verbundene Institution ist eine private Schiedsstelle, der sich die EU, wenn es nach Handelskommissar de Gucht und der Großen Koalition geht, unterwerfen will. Deren Festlegung enorm hoher Schadensersatzzahlungen kann die Souveränität ganzer Staaten beeinträchtigen – das verletzt nicht weniger als das Königsrecht eines jeden demokratischen Parlaments. Wer davon profitiert sind die Konzerne.
Dass die CDU diesen traditionell engstens verbunden ist, ist kein Geheimnis, daher überrascht es nicht, dass sie das TTIP-Abkommen mit den Sonderklagerechten für Konzerne in den Koalitionsvertrag geschrieben haben wollte. Und die SPD fügt sich. Als sie noch in der Opposition war, hätte sie das EU-Verhandlungsmandat für das TTIP-Abkommen mit ihrer Mehrheit im Bundesrat verhindern können. Sie tat es nicht. Offenbar lag Steinbrück und Steinmeier daran, ebenso wirtschaftsfreundlich wie CDU/CSU zu erscheinen. Wenn de Gucht jetzt so tut, als solle noch einmal drei Monate über die Schiedsstellen nachgedacht werden, ist das der Versuch, dieses Thema möglichst aus dem Europawahlkampf auszuklammern. Denn sonst könnte das den TTIP-freundlichen Parteien empfindliche Stimmeneinbußen bescheren.
- TAFTA: Das Kapital gegen den Rest der Welt
Wer erinnert sich noch an das MAI? Das Multilaterale Abkommen über Investionen, gestartet von OECD und Europäischer Union im Jahre 1995, scheiterte drei Jahre später – weil die Verhandlungen zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurden, aber nicht geheim blieben. Was durchsickerte, reichte aus, um einen Proteststurm zu entfachen. Am Ende weigerten sich einige europäische Länder, Frankreich voran, über das Abkommen zu verhandeln.[1] Ein Fiasko, das den beteiligten Akteuren leider keine Lehre war. Sie machen weiter, immer nach dem Motto: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Beim nächsten Mal schaffen wir es, die Utopie der flachen Weltscheibe zustande zu bringen – den endlich eingeebneten Raum der globalen Konkurrenz.“
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Demografische Desinformation
Statistik, als eine der Staatswissenschaften, ist mit Zahlen, Säulen, Tannenbaum- und Pyramidenformen permanent präsent und erhebt Anspruch auf Präzision und Glaubwürdigkeit. Insbesondere der demografische Wandel als bedrohliche Voraussage unserer Zukunft hat inzwischen das Image einer unumstößlichen Tatsache. Politiker, Medien, Bürger, selbst unsere Intellektuellen glauben daran. Alle sind sich einig darüber, dass gravierende Einschnitte ins Sozialsystem unvermeidlich und ein Akt weiser Voraussicht sind. Der Experte Herr Bosbach jedoch kam nach gründlicher Analyse zu einem anderen Ergebnis.
Herr Bosbach nimmt es genau. Er hat kein Auto, geht viel zu Fuß, nimmt die öffentlichen Verkehrsmittel, er ist ein ausdauernder Läufer und gibt seine sämtlichen Nebeneinnahmen als Spende weiter. Wir treffen uns im Kölner Hauptbahnhof, Erkennungszeichen: eine taz. Er hatte vorgeschlagen, einen Rundgang zu machen, spricht über das rigide Vorgehen gegen Personen ohne Geld, Reise- oder Konsumziel am Bahnhof und lädt mich zur Demonstration des Kontrasts in die DB-Lounge ein. Zutritt ist, vorbei an kontrollierendem Personal, nur für Kunden der 1. Klasse gestattet und für solche, die jährlich 2.000 Euro bei der Deutschen Bahn umsetzen.
Letzteres trifft auf Herrn Bosbach zu. Ich hingegen, mit normalem Ticket, bin als DB-Kunde plötzlich einsortiert in die 3. Klasse und darf nur als Gast hinein, um in den roten Kunstledersesseln der 2. Klasse kostenlos einen Automatenkaffee zu trinken, während es nebenan in der 1. Klasse Bedienung und Snacks gibt. Grotesk ist, wie hier bühnenmäßig mit uniformiertem Personal, Ambiente und Miniservice die Klassenschranken zur Darstellung gebracht werden.
Quelle: taz
Anmerkung WL: Diesen Beitrag sollten Sie im Original lesen: Dort wird die ansonsten so trockene Statistik im lockeren Gespräch mit Gerd Bosbach erläutert und verständlich gemacht.
- Deutschland: phänomenaler Boom?
Deutschlands heimlicher Boom titelt SPON und in Bezug auf die BIP-Prognose des Manager Magazins von +2,8% für 2014 werden Zweifel an der offiziellen Statistik geschürt, diese soll das Wirtschaftswachstum unterzeichnen, die Bundesregierung deshalb im Blindflug navigieren und Deutschland in Wirklichkeit einen heimlichen Boom erleben? Dabei wuchs das reale BIP laut Destatis 2013 nur mit +0,4%, was Stagnation viel näher liegt als den kolportierten “Überhitzungserscheinungen” bei SPON. Hier nun der Blick auf viele Detaildaten aus Deutschland, zum größten Teil abseits der BIP-Daten um nicht in den Geruch von Unterzeichnung zu kommen.
Die Entwicklung der saisonbereinigten realen Einzelhandelsumsätze seit Januar 1955 bis November 2013 (Index 2010=100) im Chart. Bis Dezember 1990 für die alten Bundesländer, ab Januar 1991 für ganz Deutschland. Seit über zwei Jahrzehnten geht es nicht mehr aufwärts, während in der alten Bundesrepublik die realen Einzelhandelsumsätze über Jahrzehnte dynamisch anstiegen, ist im wiedervereinigten Deutschland und als Mitglied der Eurozone bestenfalls pure Stagnation angesagt.
Quelle: Querschüsse
Anmerkung WL: Sie sollten die Querschüsse wirklich anklicken, Sie finden dort eine Vielzahl erhellender Grafiken, mit denen man sehr gut gegen die ständigen Beschöniger argumentieren kann.
- NRW-Finanzminister Walter-Borjans hält Steuererhöhungen für unvermeidlich
„Schon unter den günstigen Bedingungen einer Normalkonjunktur halte ich das für schwierig“, sagt NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans im Interview mit der am Montag erscheinenden WirtschaftsWoche. „Wenn es zu einem wirtschaftlichen Abschwung käme, wird es noch schwieriger.“
Entgegen dem im Koalitionsvertrag formulierten Verzicht auf Steuererhöhungen erklärt der SPD-Politiker: „Wenn wir als Wirtschaftsnation in der Champions League weiter vorne mitspielen und mehr für die Bürger hierzulande tun wollen, dann ist die Finanzdecke für Bund, Länder und Gemeinden dafür nach meiner Überzeugung zu klein. Da bringt es auch nichts, wenn wir Länder die Decke mehr zu uns rüberziehen. Die fehlt dann anderswo.“ Erneut bringt der SPD-Politiker die Reichensteuer ins Gespräch. „Auch unter dem Aspekt einer gerechten Lastenverteilung hielte ich es nach wie vor für richtig, die Spitzenverdiener stärker heranzuziehen“, so Walter-Borjans.
Quelle: WirtschaftsWoche
- Divergenz statt Konvergenz Ost-West
– Eine Polemik aus aktuellem Anlass –
Ausgangspunkt: Die offizielle deutsche Politik hat längst die wirtschaftliche Konvergenz von Ost- zu Westdeutschland als eine naheliegende, realistische Zielstellung für die Zukunft abgeschrieben, ohne dies ausdrücklich zu erklären. Zuvor im letzten “Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit” (2013) heißt es bereits bzw. resignierend:
“Die Konvergenzlücke ist zu einem großen Teil durch wirtschafts- und siedlungsstrukturelle Faktoren bedingt. Dazu zählt die dünnere Siedlungsstruktur mit nur wenigen ausstrahlenden Wachstumszentren. Hinzu kommt eine Wirtschaft, die durch eine kleinteilige Betriebsgrößenstruktur, das weitgehende Fehlen von Firmenzentralen größerer Unternehmen und Unternehmen mit eigenen FuE-Einheiten gekennzeichnet ist.”
Quelle: Karl Mai [PDF – 70 KB]
- Leck in der Steueroase
Steueroasen in der Karibik sind wahre Schatzinseln. Die EU schätzt, dass ihr jedes Jahr etwa eine Billion Euro durch die Lappen geht. Der Verlustanteil für Deutschland soll bei 160 Milliarden Euro liegen. Das ist mehr als die Hälfte des aktuellen Bundeshaushaltes. Die Steuervermeidungsindustrie arbeitet komplex und undurchsichtig, die Grenzen zwischen legal und illegal sind fließend. Jetzt gewährt das internationale Rechercheprojekt Offshore-Leaks Einblicke in ein ungeheuerliches System, das das Gemeinwohl untergräbt. “Auch wenn der Volkswille da ist”, sagt ein ehemaliger Bankmanager in der Karibik, “wird sich die Politik kaum durchsetzen können.”
Quelle: ARD
Anmerkung J.K: Das sind natürlich Petitessen. Formen schwerster Kriminalität hat dagegen wieder einmal die Lifestyle-Journaille des SZ-Magazins aufgedeckt: Das Schwarzfahren in den öffentlichen Verkehrsmitteln! http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41465/Der-Schein-und-das-Bewusstsein Und diese frönt dabei gleich ihrem sozialen Rassismus wie an der Bebilderung der Story zu sehen ist. Bei den symbolhaft abgebildeten Personen handelt es sich ganz offensichtlich nicht um angehörige des Bürgertums. So weiß der Leser sofort Bescheid, wo er die „Schwarzfahrer“ sozial zu verorten hat.
- Cameron will Jobs aus Asien zurückholen
Zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Großbritannien und zur Beschleunigung der Rückführung von verloren gegangenen Jobs hält der Premier fünf Dinge für essenziell. Erstens müsse man fundamentale Dinge wie die Maximierung der Wettbewerbsfähigkeit und die Minimierung der Schulden richtig anpacken. Zweitens müssten die Steuern sinken. Drittens solle der Wohlfahrtsstaat eingeschränkt und die Immigration reduziert werden. Viertens müsse man in die Schulen und die Ausbildung von Menschen investieren und fünftens die Wirtschaft durch eine bessere Infrastruktur unterstützen.
Cameron verteidigte in der anschließenden Fragerunde seine bereits mehrfach kund getane Forderung einer Reduktion der Immigration. Er sei sehr für Freizügigkeit, doch Basis dafür müsse die Aussicht auf einen vorhandenen Arbeitsplatz sein. Einwanderung in die Sozialsysteme lehne er ab. Immigration, meinte der Brite, müsse mit Wohlfahrt und Ausbildung kombiniert werden.
Europa müsse ein wachstumsfreundlicher Kontinent werden. Als Beispiel nannte er die großen Vorteile niedriger Energiepreise und erinnerte an die Chancen, welche die Schiefergas-Revolution biete. Großbritannien habe daher den Abbau durch das sogenannte Fracking zugelassen, während sich viele andere Länder damit schwer täten. Europa solle sich nicht selber seiner Chancen durch übermäßige soziale Wohlfahrt und Überregulierung berauben, forderte Cameron darüber hinaus. Arbeiter könne man nicht dadurch beschützen, dass man die Wirtschaft übermäßig stark mit Regeln einenge, sondern indem man Firmen ein attraktives Umfeld biete. Dies fordere Flexibilität auch von den Gewerkschaften.
Quelle: NZZ
Anmerkung J.K: Es ist immer wieder interessant was Politiker so auf dem WWF in Davos von sich geben. Prahlte einst der SPD-Kanzler Schröder mit der gezielten Verarmung und Demütigung von Millionen Menschen durch das Hartz-IV System, und träumte Merkel von einer Agenda 2010 für ganz Europa (Merkels Agenda des Schreckens), möchte der Upper-Class Zögling und Millionär Cameron, im Nebenberuf britischer Premierminister, Jobs aus Asien zurückholen und Großbritannien zur «Reshore»-Nation in Europa machen. Dies nachdem das Land unter der neoliberalen Herrschaft Thatchers bewusst deindustrialisert wurde um die Macht der britischen Gewerkschaften zu brechen. Natürlich ist das wieder einmal nur das Deckmäntelchen zur weiteren Durchsetzung und Fortführung der neoliberalen Agenda, da diese „Reindustrialisierung“ selbstverständlich nur möglich ist, wenn die Steuern, wohl für Cameron und seinesgleichen, sinken, der Wohlfahrtsstaat eingeschränkt und der Arbeitsmarkt weiter flexibilisiert wird. Cameron will also mit den Jobs auch gleich asiatische Arbeitsverhältnisse nach Europa holen.
Dazu passt: David Cameron to rip up green regulations
“We have trawled through thousands of pieces of regulation, from the serious to the ridiculous, and we will be scrapping or amending over 3,000 regulations – saving business well over £850m every single year. That’s half a million pounds which will be saved for businesses every single day of the year,” Cameron will claim…
The government also plans to scrap many building standards relating to things such as the size of windows and demands for renewable energy sources, saving builders about £500 for each new home.
Quelle: theguardian
Anmerkung unseres Lesers J.G.: Dieses intellektuelle Fliegengewicht treibt auch jede Woche eine neue Sau durchs Dorf. Vor einigen Monaten war es der Anspruch, zum Wiederauferstehen der britischen Wirtschaft einen Mittelstand nach deutschem Muster aus der Taufe zu heben (so etwas geht natürlich nur in GB über Nacht und quasi ohne jede Anstrengung…), dann ist es der bislang noch in Fetzen vorhandene europäische Sozialstaat, der unbedingt abgeschafft werden muss, jetzt ist es also die Umweltgesetzgebung. Dass der Mann nicht alle Tassen im Schrank hat, ergibt sich allein schon aus dem Postulat, dass durch weitere Aufweichung der ohnehin schon lachhaften Bauvorschriften und die Abschaffung all des “green crap” (O-Ton Cameron) Bauunternehmer pro Haus etwas über €400 “einsparen” könnten.
- Ausnahmen vom Mindestlohn: Zwei Millionen Niedriglohnbeschäftigte würden leer ausgehen
Gut 5 Millionen Beschäftigte in Deutschland verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Würde die Bundesregierung Forderungen nach Ausnahmen vom Mindestlohn nachgeben, erhielten 2 Millionen dieser Niedriglohnbeschäftigten keinen Mindestlohn – und es könnte zu problematischen Verdrängungseffekten auf dem Arbeitsmarkt kommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung…
Aktuell mehren sich allerdings Forderungen von Politikern und Arbeitgeberverbänden nach Ausnahmeregelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen. Sollten sich diese Forderungen durchsetzen, würde der Mindestlohn zum “Schweizer Käse”, zeigt eine Analyse des WSI. Die Forscher berechneten auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels, wie viele Menschen mit einem Arbeitsverhältnis (also ohne Praktikanten oder Auszubildende) von solchen Ausnahmen betroffen wären. Ergebnis: Im Jahr 2012 lag der Stundenlohn von rund 5,25 Millionen Beschäftigten unterhalb von 8,50 Euro. Gälte der Mindestlohn nicht für Minijobber, Rentner, Schüler, Studenten und hinzuverdienende Arbeitslose, gingen 2 Millionen oder 37 Prozent der Geringverdiener leer aus. Ohne Ausnahmen für geringfügig Beschäftigte wäre es immer noch fast ein Viertel.
Damit würde der allgemeine Mindestlohn systematisch unterlaufen und ein neuer, eigener Niedriglohnsektor geschaffen, warnt Dr. Reinhard Bispinck, der Leiter des WSI. Die Ausgrenzung ganzer Arbeitnehmergruppen würde den eigentlichen Zweck der Regelung unterlaufen, nämlich den Schutz aller abhängig Beschäftigten.
Quelle 1: WSI Pressemitteilung
Quelle 2: WSI-Report 12/ Januar 2014 [PDF – 121 KB]
- Wirtschaftsweiser Schmidt: Mindestlohn kostet mehrere 100.000 Jobs
Die Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes wird nach Einschätzung des Chefs der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, mehrere 100.000 Arbeitsplätze kosten.
„Es dürften auf lange Sicht einige 100.000 Stellen im Niedriglohnbereich wegfallen oder in die Schattenwirtschaft abwandern, wenn es rasch und ohne Differenzierung zu Mindestlöhnen von 8,50 Euro pro Stunde kommt.“ Der Ökonom ist auch Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen.
Besonders in strukturschwachen Regionen erwartet Schmidt negative Folgen. „Gerade in strukturschwachen Regionen können Dienstleistungsbetriebe mit geringer Gewinnmarge die höheren Löhne nicht auf die Preise überwälzen. Dann bleibt nur der Personalabbau“, erklärt Schmidt. Höhere Preise ließen sich vielfach nicht durchsetzen, weil es zu Ausweichreaktionen der Kunden komme. „Dann heißt es beim Haareschneiden der Kinder wieder ‘Do it yourself’, und die Blumen für die Oma holt man nicht mehr beim Floristen, sondern am Wegesrand.“
Quelle: WirtschaftWoche
Anmerkung WL: Das ist mal wieder das typische politische Stammtischgerede sog. Wissenschaftler. Der „Wirtschaftsweise“ hat keinerlei neue Belege oder keine neuen Erkenntnisse und er kann auf keine neue Studie verweisen, das ist ausschließlich vorurteilsbeladene aus-dem-Bauch-Ökonomie.
Siehe „Zur Diskussion über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen“ dass die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen aufgrund der sehr komplexen Zusammenhänge (Einkommensrückwirkungen, Veränderungen der Preis- und Mengenstruktur in der Ökonomie etc.) nicht exakt zu bestimmen sind. Falsch ist aber in jedem Fall die Behauptung, dass von Mindestlöhnen bzw. Mindestlohnerhöhungen zwangsläufig signifikante Beschäftigungsverluste ausgingen. Diese These ist weder theoretisch noch empirisch haltbar und kann daher auch nicht zur Begründung einer ablehnenden Haltung gegenüber Mindestlöhnen herangezogen werden.
Neoliberales Zitierkartell – mit fragwürdigen Zahlen gegen Mindestlöhne.
Siehe auch Minderheitenvotum Peter Bofinger zum Gutachten des Sachverständigenrats.
Gerhard Bosch schreibt im Handelsblatt vom 21.11.2013 [PDF – 27.8 KB]: Neuere Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Beschäftigten mehr Geld in der Tasche hätten und die Auswirkungen auf die Beschäftigung nicht signifikant seien. Mit verbesserten Methoden seien alte Studien mit einem negativen Ergebnis widerlegt. Die meisten britischen und amerikanischen Ökonomen hätten angesichts dieser Faktenlage ihre Meinung über einen Mindestlohn geändert. Im neuen Jahresgutachten des Sachverständigenrates behaupte die Mehrheit, dass die meisten internationalen Studien auf negative Effekte von Mindestlöhnen hinwiesen. Belegt würde diese Fehldiagnose nur durch eine Literaturstudie, die den aktuellen Forschungsstand völlig ausblende.
Die Schwierigkeiten vieler Ökonomen, Forschungsergebnisse zu akzeptieren, die nicht in ihr Weltbild passten, würden noch offenkundiger in einer Zusammenfassung der Evaluation von sechs Branchenmindestlöhnen in Deutschland vom Institut der deutschen Wirtschaft. Alle Studien zeigten, dass die Mindestlöhne der Beschäftigung nicht geschadet hätten. Beim IW lese man jedoch, dass 47 Prozent der Messungen negative Wirkungen signalisierten.
In beiden genannten Fällen sei gegen den Ethikkodex verstoßen worden, den der Verein für Sozialpolitik 2012 aufgestellt habe, nämlich den „Stand der Forschung angemessen und nach herrschenden Normen zu würdigen“. Es dränge sich die Frage auf, warum kluge Wissenschaftler ihre Reputation aufs Spiel setzten.
- 450 Millionen Euro Eingliederungsmittel in geheim gehaltene Jobcenter-Verwaltungsbudgets?
Nach 327 Millionen Euro im vergangenen Haushaltsjahr könnten im Verlauf des Haushaltsjahres 2014 von den 303 Jobcentern gE insgesamt bis zu 450 Millionen Euro der Bundesmittel für „Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II“ (kurz: „SGB II- Eingliederungsleistungen“/EGL) gesperrt und in deren Verwaltungskostenbudgets umgeschichtet werden – bis zu 450 Millionen Euro der knapp 2,6 Milliarden Euro für SGB II-Eingliederungsleistungen dieser 303 (von insgesamt 408) Jobcenter.
Diesen 303 Jobcentern gE werden nach gegenwärtigem Stand rechnerisch voraussichtlich etwa 3,6 Milliarden Euro für „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ zugewiesen, davon etwa 3,0 Milliarden Euro vom Bund, der lediglich 84,8 Prozent der Gesamtverwaltungskosten der Jobcenter zu tragen hat…
Die Verwaltungskostenbudgets bleiben weitgehend geheim, oder es werden sogar die tatsächlichen Ausgaben verzerrt dargestellt indem man den kommunalen Finanzierungsanteil (15,2 Prozent) an den Gesamtverwaltungskosten “vergisst”…
Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 166 KB]
- Teure Finanzwette der BVG – Keine Ahnung, keine Schuld
Die Berliner Verkehrsbetriebe ließen sich unter der Aufsicht von Thilo Sarrazin auf eine riskante Finanzwette mit JP Morgan ein. Nun sollen sie Millionen zahlen. Im Prozess wählt die BVG eine ungewöhnliche Verteidigungsstrategie: Sie sagt, sie habe den Deal nie kapiert…
Die Großbank JP Morgan hat den Betreiber der Berliner Busse und Bahnen verklagt, sie will Geld, dass ihr die BVG wegen eines komplizierten Finanzdeals schuldet, den beide 2007 abschlossen. Die BVG argumentiert, sie habe den Deal nie richtig verstanden und müsse deshalb auch nicht zahlen.
Das Verfahren zeigt, auf welch wilde Wetten öffentliche Institutionen sich vor der Finanzkrise einließen und wie wenig Ahnung sie hatten, was sie da taten.
Quelle: SZ
Dazu: Der Kontrollverlust der BVG
Mit einer Finanzwette haben die Berliner Verkehrsbetriebe 150 Millionen verloren.
Der taz liegen die Schriftsätze der Verkehrsbetriebe und von JPMorgan an das Gericht vor. Die Verkehrsbetriebe argumentieren: Das Geschäft sei von Anfang an nichtig gewesen, weil es „vollkommen unangemessen für eine staatliche Transportgesellschaft“ sei. Weiter heißt es: „Die Berliner Verkehrsbetriebe waren als Anstalt des öffentlichen Rechts durch Gesetz und Satzung begrenzt auf Geschäfte innerhalb dieser vorgegebenen Funktion, wozu – nicht überraschend – nicht der Verkauf von Kreditsicherheiten gehörte.“
In ungewöhnlicher Offenheit gibt das landeseigene Unternehmen zu: „Die BVG hat wesentliche Aspekte der Transaktion nicht verstanden.“
Quelle 1: taz
Quelle 2: Der gesamte Schriftsatz [PDF – 1.3 MB]
Quelle 3: Kommentar: Der Betrug an dummen Deutschen, in der taz
Dazu: Die unwissenden Spekulanten
Wie die Berliner Verkehrsbetriebe sich einmal von der US-Bank JPMorgan reinlegen ließen – und jetzt Millionen zahlen müssen. Bei einer riskanten Finanzwette haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) 150 Millionen Euro verloren. Interne Dokumente zeigen das Versagen der Verantwortlichen. In ungewöhnlicher Offenheit gibt das landeseigene Unternehmen zu: “Die BVG hat wesentliche Aspekte der Transaktion nicht verstanden.” Das gilt insbesondere für den Mitarbeiter, der bei der BVG für das Geschäft zuständig war und sich in seiner E-Mail-Signatur “Experte für Finanzprodukte” nannte. Die Verkehrsbetriebe schreiben: “Der Ansprechpartner auf Seite der BVG hatte das Verlustprofil der Transaktion grundlegend missverstanden, nämlich unter welchen Umständen die BVG wie viel zahlen muss.” Was die BVG immerhin richtig verstanden hatte: dass es bei dem Geschäft eigentlich um nicht mehr als eine profane Wette geht, auch wenn sie den umständlichen Namen “Synthetic Collateralized Debt Obligation” (CDO) trägt. Eine Wette mit einer Londoner Tochterfirma der Investmentbank JPMorgan. Gewettet wurde darum, ob 150 Unternehmen in den nächsten Jahren in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Wenn es eine Pleitewelle gibt, würde JPMorgan gewinnen. Sonst die BVG. Was der BVG-Finanzexperte falsch verstanden hatte: wie viele der 150 Unternehmen pleitegehen müssen, damit sie den vollen Betrag zahlen müssen. Er dachte: alle 150. Tatsächlich reichten schon weniger als zehn Unternehmen. Laut einem Audio-Mitschnitt der Aufsichtsratssitzung der Berliner Verkehrsbetriebe vom 25. April 2007 wurde die CDO-Transaktion dort vier Minuten lang besprochen. Wie JPMorgan in dem Schriftsatz an das Gericht ausführt, gab der Aufsichtsratsvorsitzende zu erkennen, dass er die Transaktion nicht versteht. Es handelte sich dabei übrigens um Thilo Sarrazin, damals Berliner Finanzsenator, später Bundesbankvorstand, heute Buchautor und niemals verlegen um Spartipps für Hartz-IV-Empfänger. Der Aufsichtsrat stimmte trotzdem zu. – Die BVG wirft JPMorgan in dem Gerichtsverfahren vor, die Pflicht zur umfassenden Beratung verletzt zu haben. Die Bank dagegen “weist es zurück, dass JPMorgan gegenüber der BVG irgendeine relevante Fürsorgepflicht hatte”. Der Prozess, der am vergangenen Montag begann, ist auf 40 Verhandlungstage angesetzt. Wenn die BVG verliert, haftet das Land Berlin für die Verluste. Dann müsste wohl der Landeshaushalt einspringen. Oder die Fahrpreise steigen. Ein Urteil wird im Sommer oder Frühherbst dieses Jahres erwartet.
Quelle: taz
Anmerkung Orlando Pascheit: Also noch einmal zum Mitschreiben. Thilo Sarrazin, der Mann, der später unter Beifall eines großen Publikums (wissenschaftlich) nachweisen wollte, dass sich Deutschland über eine wachsende Unterschicht und die Zuwanderung von Muslimen selbst abschaffe, hat laut JPMorgan als Aufsichtsrat nicht verstanden, dass es sich bei der Transaktion um eine hochriskante Wette handelte. Was für sonderbare Befähigungen ein Bundesbanker doch für sein Amt benötigt oder auch nicht?!
Dazu: Ulrike Herrmann: JPMorgan und der Betrug an dummen Deutschen
- Mali – Eine Topografie von Schuld und Zorn – ein Jahr nach dem Beginn der französischen Intervention
Fast ein Jahr nach Beginn der französischen Intervention in Mali ist noch wenig geschehen, um grundlegende Fragen zu beantworten: Wer waren die Haupttäter? Wer gilt als Opfer? Wo ist Versöhnung nötig und wo eine formelle Anklage? Und wie können die Malier über diese Fragen selbst so entscheiden, dass sie mit sich und ihrer jüngsten Geschichte ins Reine kommen?…
Gao, 1 200 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt, schien mir der richtige Ort, diesen Fragen nachzugehen. Gao ist mit etwa 90 000 Einwohnern die größte Stadt im dünn besiedelten Norden. Hier, und nicht im viel kleineren Timbuktu, war die eigentliche Bühne des Dramas. In Gao riefen die bewaffneten Tuareg der MNLA (Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad) am 6. April 2012 ihren Staat Azawad aus; zuvor hatten sie die Stadt systematisch geplündert und öffentliche Gebäude, Banken und Schulen zerstört. Nach knapp drei Monaten Herrschaft wurde die MNLA in offener Schlacht aus der Stadt getrieben: durch ihre vorherigen dschihadistischen Waffenbrüder. Es folgten sieben Monate unter deren Herrschaft, ausgeübt vor allem von der Gruppe Mujao (Bewegung für Monotheismus und Dschihad in Westafrika)…
Am 26. Januar 2013 nahmen die französischen Streitkräfte, unterstützt von der malischen Armee, Gao ein. Doch um die Stadt liegt bis heute ein Gürtel der Unsicherheit. Bewaffnete verschiedener Provenienz greifen immer wieder an…
Nichts erklärt sich in Gao von selbst, durch bloßen Augenschein. Wenn man ein zerstörtes Haus sieht, eine eingeschlagene Tür, ein zerschossenes Vorhängeschloss, muss man fragen: Wer, wann, warum? Die möglichen Antworten sind: Das war die MNLA. Das waren die Dschihadisten. Das waren die französischen Streitkräfte, als sie die Djschhadisten bekämpften. Das war die Bevölkerung, beim Plündern.
Quelle: Le Monde diplomatique
Anmerkung WL: Gestern haben wir auf einen Beitrag über Mali hingewiesen, in dem als materielles Motiv für die militärische Intervention auf die Gold-Bodenschätze verwiesen wurde. Wenn allerdings auf materielle Interessen hingewiesen wird, so lägen diese eher in den Uran-Vorräten in Niger und in Mali. Von dort her stammen nahezu das gesamte Uran für die französische Atomindustrie.
- Italien – Ein Land in Trümmern
Eines hatte die zwanzigjährige Hegemonie Berlusconis allerdings schon von Beginn an gezeigt: Er ist ein ernstes, ein in grauenhafter Weise ernstzunehmendes, ein tragisches Phänomen. In Europa hat man Berlusconi viel zu lange als komische Figur, als Clown und jedenfalls als eine vorrübergehende Erscheinung gesehen. Es war die Partei Angela Merkels, die es dann entscheidend übernahm, ihm und seiner Partei Forza Italia die notwendige internationale Legitimation zu verschaffen (,seiner’ Partei durchaus im Sinne von Privatbesitz), indem die CDU die Aufnahme in die Europäische Volkspartei unterstützte.
Tragisch an der Sache ist, dass Berlusconi die Transformation der Demokratie markiert, von einer schon länger etablierten Parteienherrschaft hin zu einer legalisierten Oligarchie. Dabei bilden der Strauß von Gesetzen ad personam, mit denen Berlusconi mehr als einem Dutzend anstehender Verurteilungen entgehen konnte, nur die schmutzige Spitze des Eisbergs. Berlusconis Herrschaft war immer janusköpfig. Es ging um die Abschaffung bürgerlicher Freiheiten und gleichzeitig um die Feier des ökonomischen Liberalismus und eines allen Regeln ledigen Unternehmertums.
Der Berlusconismus will die italienische Verfassung zerstören, die, was die sozialen und die Freiheitsrechte der Bürger angeht, außerordentlich fortschrittlich ist. Der Berlusconismus möchte Justiz und mediale Berichterstattung seiner Herrschaft unterwerfen. Gegen all jene Richter und Staatsanwälte, die in den vergangenen 20 Jahren ihre Pflicht getan haben, im Kampf gegen die Mafia, gegen die politische Korruption und die illegalen Praktiken der Manager und Banker, lässt Berlusconi seine TV-Sender hetzen – und zwar insbesondere dann und besonders heftig, wenn die Ermittlungen die immer deutlicher zu Tage tretenden Querverbindungen zwischen diesen Formen der Kriminalität aufzudecken drohen.
Quelle: taz
Anmerkung J.K: Berlusconi als Vorkämpfer der „marktkonformen“ Demokratie: „ Es war die Partei Angela Merkels, die es dann entscheidend übernahm, ihm und seiner Partei Forza Italia die notwendige internationale Legitimation zu verschaffen, indem die CDU die Aufnahme in die Europäische Volkspartei unterstützte.“
- Hochschulzukunftsgesetz NRW – Stellungnahme des Hochschullehrerbundes
Die vom aktuellen Hochschulgesetz ermöglichte Autonomie der Hochschulen des Landes ist zu begrüßen, weil sie auf Hochschulebene neue Freiheiten gewährt…
Diese Freiheiten liegen allerdings in erster Linie auf der Leitungsebene. Die Umfragen des hlbNRW unter Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen in NRW von 2008 und 2011/12 machen sehr deutlich, dass die Freiheiten und die Motivation auf individueller Ebene eingeschränkt wurden. Die daraus resultierenden Defizite der Leistungsfähigkeit von Hochschulen dürften allerdings nicht unerheblich sein, da die allgemeine Berufszufriedenheit der Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen in den letzten Jahren signifikant abgenommen hat…
Der Hochschulrat erhält durch das neue Gesetz eine starke Position bei wesentlichen hochschulinternen Entscheidungen im Vergleich zum Senat. Das gilt für die Zustimmung zu wesentlichen und richtungweisenden Beschlüssen wie dem Hochschulentwicklungsplan.
Die Zustimmung des Hochschulrats zum Hochschulentwicklungsplan und zum Wirtschaftsplan sieht der hlbNRW nicht als zielführend an. Im Sinne der Stärkung der Eigenverantwortung der Hochschule sollten eine Stellungnahme seitens des Hochschulrats sowie seine Aufsichtsfunktion ausreichend sein. Die Genehmigung des Hochschulentwicklungsplans sollte durch den Senat erfolgen, dem im Entwurf des Gesetzes lediglich die Möglichkeiten der Empfehlung und der Stellungnahme zugestanden werden (§ 22, Absatz 1). Die Umsetzung dieser Idee hält der hlbNRW für wesentlich, weil sie im Gesamtsystem Konsistenz in der Weise herstellt, dass die Betroffenen konsequent zu Beteiligten gemacht werden.
Quelle: Hochschullehrerbund hlb NRW [PDF – 66 KB]
Anmerkung WL: Es gibt offenbar bei den Hochschulangehörigen andere Positionen als die, die lautstark gegen den NRW-Referentenentwurf für eine Novelle des Hochschulgesetzes von Seiten der Hochschulpräsidien und der Hochschulratsvorsitzenden vertreten werden. Leider werden die Stimmen von der Basis der Hochschulen von den Medien kaum aufgegriffen. Siehe auch „Für eine demokratische und soziale Hochschule, für eine freie Forschung und Lehre in Verantwortung vor der Gesellschaft“.
- Lanz
- Stefan Niggemeier: Eine Kritik der Kritik an der Lanz-Petition
Norbert Himmler, der Programmdirektor des ZDF, hat einen einfachen Trick gefunden, mit der Aufregung um seinen Star-Moderator Markus Lanz umzugehen. Dem »Spiegel«-Redakteur Alexander Kühn sagte er:
„(…) Markus Lanz hat in mehr als 500 Sendungen einen hervorragenden Job gemacht. Dann geht es einmal nicht gut, und das sorgt dann für eine Riesenwelle. Das ist unverhältnismäßig.“
Ja, das wäre, wenn es so wäre, wirklich unverhältnismäßig.
Wenn es also nicht so wäre, dass die Sendung mit Sahra Wagenknecht zwar extrem war, aber eigentlich typisch für die Art, wie Markus Lanz über Politik und mit Politikern redet. Und wenn es nicht so wäre, dass man Markus Lanz auch als Symptom und Symbol sehen kann für das, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein schiefläuft.
Der Programmdirektor des ZDF verleugnet, dass die Kritik an Lanz sich an der Wagenknecht-Show nur entzündet hat, aber grundsätzlicher Natur ist. Das kann man aus seiner Sicht nachvollziehen, so ignoriert sie sich viel leichter…
In der Art, wie die professionellen Medien über die Kritik an Lanz im Netz berichten, werden wieder die Ressentiments der richtigen Journalisten gegen die unqualifizierten Normalbürger sichtbar, die im Netz plötzlich einfach die Absetzung von Moderatoren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fordern dürfen und dafür sogar Aufmerksamkeit bekommen. Beides war früher Journalisten vorbehalten…
Natürlich kann man die Petition kritisieren, Form und Inhalt von Lanz-Beschimpfungen und überhaupt die Empörungskultur im Netz und anderswo. Doch die Art, wie eine ganze Reihe professioneller Medien über die Petition berichten, zeigt, dass sie ein grundsätzliches und nachhaltiges Problem damit haben, dass ihnen das Kritik– und das Aufmerksamkeits-Monopol abhanden gekommen sind.
Quelle: Stefan Niggemeier
- Proteste gegen Lanz: Dieter Nuhr startet Online-Petition gegen Online-Petitionen
Nuhr will damit nach eigenen Angaben gegen eine Petitionsflut im Internet aufmerksam machen. Bereits am Freitag hatte der Journalist und Autor Hajo Schumacher unter dem Schlagwort “Digitales Mobbing” eine solche Gegen-Petition gefordert. Der darauf folgende Nuhr-Aufruf unter dem Motto “Gegen digitales Mobbing, binäre Erregung und Onlinepetitionswahn”, die er am Sonntag startete, wurde allerdings wenige Stunden später von der Plattform “openPetition” gelöscht. Nuhr habe die Nutzungsbedingungen missachtet, erklärte das Portal.
Quelle: SPON
Anmerkung J.K: Die Thematisierung der Parteilichkeit der Mainstreammedien hat offenbar eine empfindliche Stelle der neoliberalen Journaille getroffen. Wie aber schon mehrfach betont ist das Aufhängen der Problematik allein an der Figur Lanz eben zu kurz gegriffen und macht es, wie man nun sehr gut sieht, relativ einfach das ganze als Mobbing und Hetzjagd gegen eine einzelne Person abzuqualifizieren.
- Nach Lanz-Kritik: Portal verbietet Petitionen gegen Personen
Als “politisches Werkzeug” und nicht als “Meinungsportal” soll “openpetition.de” von Nutzern verwendet werden. Das sagt der Gründer des Portals Jörg Mitzlaff und will deshalb nun Petitionen beenden und löschen lassen, die über das Verhalten einzelner Personen urteilen. “Erziehung per Unterschriftensammlung ist nicht die Idee”, erklärt Mitzlaff in einem Gespräch mit “meedia.de”. Es sei nicht der Sinn, dass nun alle möglichen Menschen auf dem Portal angeprangert würden.
Vielmehr sei “openpetition” ein politisches Werkzeug, “um mit demokratischen Mitteln Einfluss auf die Regeln unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Entscheidungsfindung zu nehmen.” Aus diesem Grund seien jetzt nur noch Petitionen in Bezug auf Sach-Entscheidungen oder Regelungen erlaubt.
Trotzdem soll die Petition gegen Markus Lanz auf der Seite bleiben. Mitzlaff begründet die Entscheidung damit, dass diese “in erster Linie eine Forderung an das ZDF nach journalistischen Qualitätsstandards” sei.
Quelle: gmx
- Volksbegehren für G 9 schafft Hürde
Seit seiner Einführung ist das achtjährige Gymnasium umstritten. Wenn es nach den Freien Wählern geht, sollen die Bayern darüber abstimmen. Nach SZ-Informationen haben sie jetzt die erforderlichen 25.000 Unterschriften dafür beisammen. Damit gerät Ministerpräsident Seehofer bei einem brisanten Thema unter Druck.
Quelle: SZ
- Leipziger Theaterwissenschaftler kämpfen um ihr Institut
Die Theaterwissenschaftler der Universität Leipzig wehren sich gegen die Schließung ihres Instituts. Sie fordern von der Universitätsleitung die Rücknahme der Entscheidung. Dem Rektorat werfen sie Intransparenz vor. Der geschäftsführende Direktor des Instituts, Prof. Günther Heeg, sagte, die Theaterwissenschaftler seien von der Nachricht überfallen worden. Man habe weder Grund noch Kriterien für die Schließung erfahren. Rektorin Beate Schücking hatte am Dienstag angekündigt, die Institute für Archäologie und Theaterwissenschaften schließen zu wollen. Grund dafür ist ein mit dem sächsischen Wissenschaftsministerium vereinbarter Stellenabbau.
Am Institut für Theaterwissenschaften der Uni Leipzig sollen fünf Stellen gestrichen werden. Wenn 2020 die Verträge dreier Professoren und zweier Mitarbeiter auslaufen, endet nach jetzigem Stand der Dinge die 20-jährige Geschichte des Instituts. Laut Prof. Gerald Siegmund, dem Präsidenten der Gesellschaft für Theaterwissenschaft, hat die Stellenstreichung auch bundesweit Auswirkungen, denn damit fielen mehr als zehn Prozent aller Professorenstellen der Theaterwissenschaften in Deutschland weg.
Das Leipziger Institut ist das einzige für Theaterwissenschaft in Sachsen und den neuen Bundesländern. Derzeit sind hier 277 Studenten eingeschrieben. Noch einmal so viele studieren Theaterwissenschaften im Nebenfach. Nach Angaben des Instituts zählen die Studiengänge zu den am meisten nachgefragten der Universität.
Quelle: MDR
Anmerkung J.K: Eine Meldung welche die Auswirkungen der neoliberalen Ideologie der “unternehmerischen” Hochschule in der “marktkonformen” Demokratie illustriert. Alle Fachbereiche, die keine Inhalte liefern, die sich unmittelbar ökonomisch Verwerten lassen oder keine verwertbaren “Human Resources” ausstoßen hängen an einem seidenen Faden. Die fadenscheinige Begründung liefern dazu wie immer Schuldenbremse und Austeritätspolitik. Der angenehme Nebeneffekt für die herrschenden Eliten, bei der Austrocknung der Geisteswissenschaften werden zugleich die wenigen Orte an denen noch kritisches Denken gelehrt wird eliminiert.