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Titel: Griechenland III: Aus Verachtung der politischen Klasse wird Abscheu – Ein Neubeginn ist noch nicht in Sicht.

Datum: 17. Januar 2014 um 9:53 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Griechenland, Lobbyismus und politische Korruption, Wahlen
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Die Mehrheit der Regierungsfraktion im Parlament schmilzt, von einer stabilen Regierung kann keine Rede sein. Die regierenden Parteien Nea Dimokratia (ND) und Pasok haben keine Rettungsstrategie mehr. Die neonazistische Partei Chrysi Avgi (ChA) gräbt dem konservativen Lager das Wasser ab und kann schon bei der Europawahl für eine böse Überraschung sorgen. Die Linkspartei Syriza ist im Aufwind, Neuwahlspekulationen machen die Runde. Die Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verläuft allerdings noch im Zeitlupentempo. Die Jungen und vor allem die technische Intelligenz wenden sich von ihrem Land ab. Eine Welle von aktuellen Korruptionsskandalen macht deutlich wie und warum der griechische Staat zur Operationsbasis skrupelloser Parteipolitiker werden konnte. Wenn die großen Sünder nicht zur Rechenschaft gezogen werden, kann man von den kleinen Sündern keinen Mentalitätswandel erwarten. In Griechenland ist deshalb das Misstrauen gegen den Staat und die soziale Umgebung allgegenwärtig.
Ein Neubeginn mit dem alten Personal ist ohne eine schonungslose und konkrete Aufarbeitung der alten Sünden nicht möglich. Die wachsende Akeptanz der Syriza als ernsthafte Alternative zur Regierung Samaras/Venizelos ist ein stabiler Trend. Aber trotz eines Bekenntnisses des Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras zum Euro hat die Zustimmungsrate für seine Partei die 30-Prozent-Grenze noch nicht durchbrochen. Ein Bündnispartner für eine neue Regierung ist aber noch nicht in Sicht. Hier der dritte Teil der aktuellen Berichterstattung über Griechenland von Niels Kadritzke

Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse
Ein innenpolitischer Wendepunkt?

Im zweiten Teil meiner aktuellen Berichterstattung über Griechenland habe ich dargestellt, wie Parlamentsabgeordnete der Nea Dimokratia (ND) und der Pasok in der Immobilienfrage einen kleinen „Aufstand“ gegen das Troika-Rezept gewagt haben, und dass die Regierung in einem wichtigen Punkte (der Zwangsversteigerung von Erstwohnungen) nachgegeben hat. Das zeigt eine Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse an, die sich auf zwei Ebenen orten lässt.

Im Parlament (Vouli) ist die Mehrheit der Koalitionsfraktionen weiter abgeschmolzen, so dass sich die Regierung keine Abweichler mehr leisten kann. Das hat die Verhandlungsmacht der Abgeordneten von ND und Pasok gegenüber ihrer eigenen Regierung verstärkt. Viel wichtiger ist die andere Ebene: Seit Dezember 2013 liegt die oppositionelle Syriza in der Wählergunst eindeutig in Führung. Das ist für die Regierung schlimm genug, noch schlimmer ist, dass sie kein Rezept hat, wie sie diesen Trend stoppen könnte; aber am allerschlimmsten ist, dass es ein solches Rezept nicht gibt.

Kräfteverschiebung auf der Ebene des Parlaments – eine stabile Mehrheit ist abhandengekommen

Betrachten wir zunächst die Kräfteverschiebung auf der Ebene des Parlaments. Schon bei der Abstimmung über die neue Immobiliensteuer (am 21. Dezember) hat die Koalition einen weiteren Abgeordneten verloren. Der ND-Veteran Vyronas Polydoras verweigerte seine Zustimmung und wurde daraufhin aus Fraktion und Partei ausgeschlossen. Der Absprung des eitlen Exzentrikers war der ND-Führung nicht unwillkommen: Polydoras hat der Partei mehr Wähler abspenstig gemacht als gewonnen. In meinen Griechenland-Berichten auf diesen Seiten kam der Mann bislang zweimal vor: als jener Parlamentspräsident, der nach den Wahlen im Mai 2012 nur einen Tag lang amtierte, diesen aber dazu nutzte, seiner Tochter einen Posten in der Parlamentsbürokratie zuzuschanzen (NachDenkSeiten vom 26. September 2012); und als der einzige ND-Politiker, der seiner Partei öffentlich empfohlen hat, eine Koalition mit den Neonazis der Chrysi Avgi anzustreben (NachDenkSeiten vom 4. November 2013).

Als Person ist Polydoras für die ND-Fraktion kein Verlust, wohl aber als Nummer. Mit seinem Ausscheiden ist die Mehrheit der Regierungsparteien auf 153 Sitze geschrumpft (126 der ND und 27 der Pasok). Und bei der Pasok gibt es einen weiteren Abgeordneten (Ex- Parlamentspräsident Apostolos Kaklamanis), der mehreren wichtigen Abstimmungen ohne überzeugende Begründung ferngeblieben ist. Die absolute Mehrheit in der Vouli beträgt 151 Stimmen. Es gibt zwar noch die 17 Dimar-Abgeordneten und 13 Unabhängige (die ihre ursprüngliche Partei verlassen haben), die gelegentlich mit der Regierung stimmen oder Enthaltung üben könnten. Doch von einer stabilen Regierung, wie sie im Juni 2012 zunächst zustande gekommen war, kann im Januar 2014 keine Rede mehr sein.

Die Gefahr einer weiteren Erosion der Regierungsfraktionen ist unübersehbar. Zwar wirkt die Angst vor vorzeitigen Neuwahlen immer noch disziplinierend. Aber es gibt jetzt Dutzende Abgeordnete, vor allem bei der Pasok, die jede Aussicht auf ein weiteres Parlamentsmandat verloren haben und sich wenigstens einen „ehrenvollen“ Abgang verschaffen wollen. Diese Volksvertreter halten sich nicht mehr an eine Parteiraison, die für sie nutzlos geworden ist, und folgen zunehmend ihrem Restgewissen. Oder sie orientieren sich am „Wählerwillen“ ihrer Herkunftsregion, in der sie ihre politische Karriere auf kommunaler Ebene fortzusetzen hoffen.

Neuwahlszenarien – Syriza im Aufwind

Die Risse in der Pasok-Fraktion haben die Syriza dazu verleitet, verunsicherte Abgeordnete mehr oder weniger offen zur Fahnenflucht aufzufordern. Aber das ist keine gute Idee, denn der Übertritt zu einer anderen Partei, für die man nicht ins Parlament gewählt wurde, hat in Griechenland immer noch den Ruch des Verrats: Mit Hilfe von Überläufern hatte die Rechte in den frühen 1960er-Jahren die Regierung der Zentrumsunion unter dem damaligen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou (Vater von Andreas und Großvater von Giorgakis) gestürzt und damit die Staatskrise herbeigeführt, die im Mai 1967 in die Militärdiktatur mündete. Die Linke hat damals den „Stimmenkauf“ verurteilt. Deshalb kann sie heute nicht auf Überläufer setzen, argumentieren viele Syriza-Anhänger.

Offiziell setzen Alexis Tsipras und seine Linkspartei auf vorgezogene Neuwahlen, wobei völlig ungewiss ist, ob und wann sie diese herbeiführen kann. Die Syriza will alle Kraft in die Wahlen zum Europäischen Parlament vom 25.Mai und in die gleichzeitigen Kommunalwahlen investieren. Sollte sie deutlich stärker abschneiden als die ND, will sie offensiv auf Neuwahlen drängen. Aber sie kann diese nicht erzwingen, wenn die Regierung es schafft, ihre Parlamentsmehrheit zusammenzuhalten. Eine reguläre Chance auf vorzeitige Neuwahlen bietet – laut der griechischen Verfassung – die Wahl eines neuen Staatspräsidenten im nächsten Jahr. Das Parlament muss im Frühjahr 2015 ein neues Staatsoberhaupt wählen. Dazu bedarf es prinzipiell einer zwei-Drittel-Mehrheit, doch wenn die nicht zustande kommt, reichen im dritten Wahlgang 180 von 300 Stimmen. Kommt diese Mehrheit (von 60 Prozent der Abgeordneten) nicht zustande, schreibt die Verfassung die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen vor. Dies kann die Regierung vermeiden, indem sie einen Kandidaten nominiert, der im dritten Wahlgang die nötigen Stimmen von Dimar-Abgeordneten und einigen Unabhängigen bekommt.

Wenn die Regierung diese beiden Neuwahl-Szenarien der Syriza durchkreuzen kann, wird das nächste Parlament erst zum regulären Termin im Frühsommer 2016 gewählt. Dies entspricht auch nach wie vor dem Wunsch einer Mehrheit der griechischen Wähler, von denen (laut Umfragen) nur 35 bis 40 Prozent sofortige Neuwahlen fordern. Sollte es jedoch noch innerhalb des Jahres 2014 zu Neuwahlen kommen, würde der Sieger mit hoher Wahrscheinlichkeit Syriza heißen. Oder umgekehrt und präziser formuliert: Die Regierungsparteien ND und Pasok würden krachend verlieren. Nach den demoskopischen Umfragen vom Dezember 2013 kämen sie zusammen gerade noch auf ein Drittel der Wählerstimmen.

Ist den Umfragen zu trauen?

Wie zuverlässig sind diese Umfragen? In Griechenland herrscht seit langem ein verbreitetes Misstrauen, dass die demoskopischen Unternehmen die Erwartungen ihrer Auftraggeber – in der Regel Medienunternehmen – bedienen und ihre Ergebnisse entsprechend einfärben. Diese Annahme ist – gerade in einer politischen Umbruchsituation – nicht von der Hand zu weisen, aber auch schwer zu belegen. Allerdings kann man davon auszugehen, dass zumindest die etablierten demoskopischen Institute einen Ruf zu verlieren haben, weil sie zugleich kommerzielle Marktforschung betreiben. Ein krass manipuliertes Ergebnis würde angesichts konkurrierender Umfragen auffallen und daher geschäftsschädigend wirken.

Auch bei den Umfragen der seriöseren Firmen gibt es jedoch methodische Probleme, die besonders die Prognosen für einen hypothetischen Wahlausgang (also die „Sonntagsfrage“) beeinträchtigen. Diese Voraussagen beruhen auf der komplizierten „Hochrechnung“ der (in telefonischen Interviews gewonnenen) Präferenzaussage in das mutmaßliche Wahlverhalten. In diese Operationen, die auch die noch unentschiedenen Wähler verrechnet, gehen viele Variablen ein, darunter Erfahrungswerte und Informationen aus früheren Wählerumfragen. Diese Spezialistenarbeit ist aufwendig und daher teuer. Zu teuer, wie mir ein Experte erläutert hat: Die Zeitungen und TV-Stationen, die regelmäßig Umfragen in Auftrag geben, können sich inzwischen nur noch „billige“ Umfragen leisten, deren Wahlprognosen lediglich auf groben Hochrechnungen beruhen und nicht besonders zuverlässig sind. Dabei ergibt sich ein Opportunitäts-Spielraum, zum Beispiel bei der Einschätzung der noch unentschlossenen Wähler.

Ein zweites methodisches Problem hat mir ein Kollege geschildert, der Wählerinterviewer bei ihrer Arbeit beobachtet hat. Ungefähr jedes zweite Telefongespräch endete abrupt, sobald der oder die Angerufene merkte, dass es um „Politik“ ging. Gescheiterte Interviews gab es natürlich schon immer, aber in Griechenland hat sich der Prozentsatz seit Krisenbeginn dramatisch erhöht, klagen die Demoskopen. Wenn zum Beispiel jeder zweite Interviewpartner bei der Frage nach der Parteipräferenz den Hörer auflegt, ist die empirische Basis der Umfrage ernsthaft lädiert.

Ein klarer Vorsprung der Syriza gegenüber der ND

Angesichts dieser methodischen Vorbehalte können wir nicht völlig sicher sein, ob das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nea Dimokratia und Syriza, das die Umfragen von Sommer 2012 bis Herbst 2013 dokumentiert haben, die Wählerstimmung realistisch wiedergaben. Unstrittig ist aber, dass die Syriza zum Jahresende 2013 endgültig an der ND vorbeigezogen ist. Nimmt man die Mittelwerte der Umfragen, die sieben Institute im Dezember 2013 – für sieben verschiedene Auftraggeber – durchgeführt haben, ergeben sich für die im Parlament vertretenen Parteien folgende hypothetischen „Wahlergebnisse“:

Die Syriza führt mit 28,8 Prozent vor der ND mit 27, 8 Prozent. Drittstärkste Partei ist die neonazistische Chrysi Avgi mit 10,7 Prozent; es folgen etwa gleichauf die orthodoxen Kommunisten (KKE) mit 6,9, die Pasok mit 6,8 Prozent und die rechtspopulistischen Unabhängigen Hellenen (Anel) mit 6,1 Prozent. Schlusslicht ist die linkssozialdemokratische Dimar (die im Juni 2013 aus der Regierung Samaras ausgeschieden ist) mit 4,2 Prozent (die Ergebnisse aller Umfragen hier).

Unter Politikern und Journalisten in Athen herrscht kein Zweifel, dass der Vorsprung der Syriza inzwischen deutlich größer ist als nur ein Prozent. Das wird auch im Regierungslager nicht geleugnet. In der ND- Zentrale ging man schon im Dezember davon aus, dass die Partei um zwei bis drei Prozent hinter der Syriza zurück liegt. Eine Athener Zeitung übermittelte aus der Umgebung von Samaras ein düsteres Stimmungsbild: Aus heutiger Sicht seien die Parteistrategen schon froh, wenn man bei den Europawahlen nicht mehr als drei Prozentpunkte hinter der linken Oppositionspartei zurück liegen würde.

Einen zusätzlichen sicheren Hinweis auf das Kräfteverhältnis zwischen Syriza und ND liefern die jüngsten der erwähnten Dezember-Umfragen (Kapa Research und Pulse). Bei der Frage nach dem erwarteten Wahlsieger geht eine Mehrheit inzwischen von einem Vorsprung der Syriza aus (45 bzw. 47 Prozent sehen die Syriza vorn, 38 bzw. 33 Prozent die ND). Bei dieser Frage hatte noch im November eine deutliche Mehrheit der Wähler die ND in Führung gesehen. Dass sich dieser Trend gedreht hat, drückt einen Stimmungswandel aus, der im neuen Jahr noch an Dynamik gewonnen haben dürfte.

Eine Regierung an Krücken

Verstärkt hat sich auch ein weiterer Trend, der die Konservativen besonders deprimieren muss: Die ND wird zunehmend zur Partei der Rentner. In Führung liegt sie nur noch bei der Altersgruppe von über 60 bzw. 65 Jahren (je nach Umfrage), hier allerdings deutlich. Bei den Wählern unterhalb des Rentenalters dagegen hat die Syriza einen klaren Vorsprung. Das jüngste Beispiel: In einer Pulse-Umfrage vom Dezember 2013 für die linke Tageszeitung Efimerida ton Syntakton (EtS) führt die Syriza bei den Altersgruppen unter 60 mit rund zehn Prozentpunkten Vorsprung (25 zu 15 Prozent); dagegen liegt die ND bei den Wählern über 60 um 15 Punkte (33 zu 18 Prozent) vor der Syriza.

Das heißt: Die Regierung geht buchstäblich am Stock. Die Rentnerstimmen sind zur letzten Krücke der Regierung geworden. Denn von den Alten hängt nicht nur das Schicksal der ND, sondern auch das ihres Koalitionspartners ab. Die Pasok hat nach den Umfragen nur noch unter den Wählern im Rentenalter ein zweistelliges Wählerpotential; bei den anderen Altersgruppen dümpelt sie zwischen drei und fünf Prozent (die entsprechenden Grafiken unter: http://www.efsyn.gr/?p=161255). Der EtS-Kommentator Tassos Pappas weiß immerhin einen Trost, den die Regierungsparteien aus diesen Zahlen saugen können: Die Rentner sind eine stabile Wählergruppe mit stabilen Überzeugungen. Und vor allem werden die meisten von ihnen bis zu ihrem Tod im Lande bleiben, während von den jüngeren Griechinnen und Griechen inzwischen weit mehr als die Hälfte an Auswanderung denken.

Mehr als die Hälfte der Jungen denkt daran auszuwandern – vor allem die technisch Intelligenz

An dieser Stelle sei eine Information über die Motive der migrationswilligen Generation eingefügt, die mehr als eine Paranthese ist. Die vorläufigen Resultate einer Studie über die Migration aus den EU-Krisenstaaten, die von einer Forschergruppe des European University Institute (EUI) in Florenz erarbeitet wurde, liefern für den griechischen Fall interessante und zum Teil auch überraschende Erkenntnisse (basierend auf Interviews mit 919 Emigrierten).

  • Fast 90 Prozent der neuen griechischen Auswanderer haben einen Universitätsabschluss;
  • von diesen sind 24,5 Prozent Ingenieure, 18 Prozent Informatiker und 12 Prozent Mathematiker: die technische Intelligenz auf dem Abmarsch;
  • 48 Prozent sind unter 30 Jahre alt, aber noch stärker ist mit 49 Prozent die Altersgruppe von 31-45 Jahren vertreten;
  • 51 Prozent der Befragten waren keineswegs arbeitslos; sie hatten in Griechenland noch einen Job, dabei aber das Gefühl, in einer beruflichen Sackgasse zu stecken; als wichtigstes Migrationsmotiv nennen sie den Wunsch, „eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien“ aufzubauen. (statistische Angaben und Zitate nach: Kathimerini, englische Ausgabe vom 13. Januar 2014)

Natürlich kann eine Regierung, die ihr Überleben der konservativen Mentalität der Alten verdankt, während sie das Vertrauen der jungen – potentiell produktivsten – Generation restlos verspielt hat, nicht die Zukunft des Landes repräsentieren. Deshalb ist die zum Jahreswechsel sichtbar gewordene Trendwende „eigentlich“ überfällig. Ich sage „eigentlich“, weil das Erstaunliche an dieser Trendwende darin liegt, dass sie sich so langsam – sozusagen in Zeitlupe – vollzieht. Angesichts des beschleunigten Tempos, mit dem sich die ökonomischen Krise in die gesamte Gesellschaft hinein frisst, hatten die meisten Beobachter weit radikalere Verwerfungen und Machtverschiebungen in der politischen Landschaft erwartet: Man denke nur an die tausendfachen Voraussagen einer unmittelbar bevorstehenden „Explosion“ des politischen Systems. Stattdessen vollzog sich in Griechenland eine soziale „Implosion“, die bislang alle zentralen Machtstrukturen unangetastet gelassen hat. Und das, obwohl sich die sozialen Verwerfungen bereits in den Wahlergebnissen von 2012 deutlich ausgedrückt haben.

In der Tat sind im sechsten Jahr der Krise immer noch dieselben Kräfte und Personen an der Macht, die nicht nur die Staatskarre, sondern auch das von ihnen ausgepresste sozioökonomische Reproduktionsmodell gegen die Wand gefahren haben. Die eingeschliffenen politischen Praktiken und Mechanismen haben sich mitnichten verändert, konstatiert der Chef des Meinungsforschungsinstituts Metron Analysis, Stratos Fanaras. Aber sie bringen nichts mehr zustande: „Das Räderwerk der Krise schafft nur noch ein Recycling von Personen und Parteien – der einzige Input in ein moribundes System, das sich unfähig zeigt, ein tragfähiges und Hoffnung stiftendes Konzept für den Ausweg aus der Krise hervorzubringen, und das nur noch wie ein Fleischwolf funktioniert, der die Ideen, Werte und gesellschaftlichen Potentiale zermalmt.“

Dass die gesellschaftliche Erosion die politischen Strukturen nur langsam und verzögert erfasst, gilt selbst für das auffälligste Symptom der schleichende Systemkrise: den Aufstieg der neonazistischen Chrysi Avgi (ChA). Um 40 Prozent geschrumpfte Masseneinkommen und eine Arbeitslosigkeit von 28 Prozent hätten vermutlich in fast jedem europäischen Land ein rechtsextremistisches Potenzial hervor gebracht, das weit größer wäre als die aktuellen Umfragewerte der griechischen Neonazis.

Die Sackgasse der Nea Dimokratia und die Neonazis

Gleichwohl ist der Aufstieg der Chrysi Avgi (ChA) der entscheidende Faktor, der die politische Hegemonie des konservativen Lagers untergräbt und zum Einsturz bringen wird. Alle Umfragen zeigen, dass die ND die 30-Prozent-Schranke nicht mehr durchbrechen kann, weil ihr die stramm nationalistischen Wähler, die sie in den letzten 30 Jahren noch einbinden konnte, von der Chrysi Avgi weggefangen werden. Die Neonazis haben sich von ihrem demoskopischen Rückschlag nach der Ermordung eines linken Rappers und der Verhaftung führender Parteimitglieder (siehe NachDenkSeiten vom 4. und 12. November 2013) erholt und liegen schon wieder 50 Prozent über ihrem Wahlerfolg vom Juni 2012 (6,9 Prozent). Die demoskopischen Experten gehen allerdings davon aus, dass die Umfragen das Potential der Neonazis nicht voll erfassen, weil potentielle ChA-Wähler überproportional dazu neigen, ihre Präferenz zu verheimlichen – etwa indem sie das Telefon auflegen. Viele Beobachter trauen den Neonazis schon heute mindestens 15 Prozent der Wählerstimmen zu, zumal sie sich daran erinnern, dass die Umfragen vor den Wahlen von 2012 das Potential der ChA massiv (um 50 bis 60 Prozent) unterschätzt haben.

Die letzten Monate haben gezeigt, dass das konservative Lager von der Empörung über den Fissas-Mord und dem angestrebten Verbot der ChA in keiner Weise profitieren konnte. Die 2012 an die ChA verlorenen ND-Stimmen kommen nicht nur nicht zurück; die Abwanderung konservativer Wähler zu den Rechtsextremisten geht vielmehr ungebrochen weiter. Und das, obwohl seit dem 13. Januar insgesamt sechs Parlamentsabgeordnete der Neonazis in Untersuchungshaft sitzen. „Ein Drittel der ChA-Fraktion im Knast, aber die Partei wird von immer mehr Griechen gewählt“, wundert sich ein Kommentator der website Parapolitiki und stöhnt über die „unergründliche Seele des empörten Neugriechen.“

Die ChA wird nicht schwächer, sondern stärker

Tatsächlich kann man über die Gründe für die Resistenz des ChA-Wählerpotenzials derzeit nur spekulieren. Ein Teil der Erklärung liegt sicher darin, dass sich die Rechtsradikalen mit Erfolg als Justizopfer stilisieren und bereits verkündet haben, dass sie gegen die „illegale und verfassungswidrige“ Kriminalisierung ihrer Parteiführer den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anrufen wollen (EtS, 10. Januar 2014). Auch die Anwälte, die das Führungspersonal der „kriminellen Vereinigung“ verteidigen, strahlen Zuversicht aus. Die stützt sich unter anderem auf die Tatsache, dass viele belastende Aussagen gegen ihre Mandanten von anonymen, weil „geschützten“ Zeugen stammen, deren Glaubwürdigkeit sie vor Gericht anzweifeln wollen (nach EtS vom 10. Januar und To Vima vom 12. Januar 2014; zu den Schwierigkeiten, die ChA-Führung als „kriminelle Vereinigung“ zu verurteilen, siehe auch: NachDenkSeiten vom 12. November). Andererseits haben die Ermittler inzwischen bei Hausdurchsuchungen sehr viel Material gefunden, das den Verdacht paramilitärischer Aktivitäten und der Gewaltandrohung gegen Verfassungsorgane stützt und eine Anklage wegen „Hochverrats“ (nach Art. 134 des griechischen Strafgesetzbuches) stützen würde (Kathimerini vom 10. und 11. Dezember 2012).

Unsicherheit bei der Europawahl

Wie immer sich das juristische Verfahren gegen die Führer und die Abgeordneten der Chrysi Avgi entwickelt, vor den Europawahlen im Mai wird es zu keiner Anklage kommen. Auch deshalb müssen sich die Griechen – und ihre europäischen Partner – bei diesen Wahlen auf sehr unliebsame Überraschungen gefasst machen. Die allgemein negative Stimmung gegenüber der EU hat in Griechenland stetig zugenommen. Nach dem Euro-Barometer vom Herbst 2013 sind 86 Prozent der Griechen der Meinung, dass „ihre Stimme in Europa nicht zählt“. Das lässt eine sehr niedrige Wahlbeteiligung erwarten, die den Prozentsatz der dezidiert „antieuropäischen“ Stimmen automatisch erhöht. Angesichts dessen wäre ein Wahlerfolg der Neonazis im Bereich zwischen 15 und 20 Prozent der Stimmen keine Überraschung. Ob die ChA ähnliche Resultate auch bei den gleichzeitigen Kommunalwahlen erzielen kann, wird von der Wahlbeteiligung und von der Bündnispolitik der übrigen Parteien und vor allem der Syriza abhängen (dazu am Ende mehr).

Das zu erwartende Erstarken des ChA wird auch auf kommunaler Ebene zu Lasten der Nea Dimokratia gehen, die keine Chancen hat, in den größeren Städten auch nur eines der Rathäuser zu erobern. Dies wird ebenfalls zur Schwächung der Samaras/Venizelos-Koaliton beitragen – und womöglich zur weiteren Erosion der beiden Parlamentsfraktionen.

Warum die Regierung keine Rettungsstrategie hat

Damit sind wir zurück bei der Frage, warum der Autoritätsverlust der Samaras-Regierung, jedenfalls aus heutiger Sicht, als unaufhaltsam und irreversibel erscheint. Der wichtigste Grund ist die im ersten Teil dieser Analyse (vom 6. Januar) dargestellte Diskrepanz zwischen der Realität und Gefühlswelt der griechischen Bevölkerung und der märchenhaften Darstellung einer „success story“ seitens der Regierung. Diese Diskrepanz hat sich durch die Zwänge einer optimistischen Selbstdarstellung, die eine EU-Präsidentschaft auferlegt, noch ausgeweitet. Auf der einen Seite haben wir eine Regierung, die den Überschuss im Primärhaushalt, der die Realwirtschaft eher belastet als beflügelt, als epochale Errungenschaft verkaufen will; auf der anderen Seite eine Gesellschaft, deren Mitglieder zu 70 Prozent überzeugt sind, dass ihnen das Schlimmste noch bevorsteht, während nur ein Viertel an eine bessere Zukunft glaubt (Zahlen nach der Dezember-Umfrage von Kapa Research). Ein Ausweg aus diesem Widerspruch ist für die Regierung derzeit nicht sichtbar. Die optimistischen Sprüche werden den Pessimismus eher noch weiter verstärken, bis die Realökonomie einer zutiefst zweifelnden und verzweifelnden Gesellschaft eine spürbare Erholung beschert. Und die wird auch im Jahr 2014 ausbleiben.

Ein zweiter Faktor, der die Stimmung der Bevölkerung gegen die Regierung aufbringt, ist die Welle von Skandalen, die seit Ende letzten Jahres ans Licht kommen. Nun ist es nicht so, dass die Griechen durch Enthüllungen über die Korruptionsanfälligkeit ihrer politischen Klasse noch großartig zu überraschen wären. Aber sowohl die Dimensionen als auch die Details der Selbstbereicherung, die in den neuen Fällen sichtbar werden, führen den Wählern tagtäglich vor Augen, von wem sie sich haben regieren lassen. Die Verachtung für die politische Klasse, die über 80 Prozent der Bevölkerung über Jahrzehnte an die Macht gewählt haben, verdichtet sich zu Abscheu. Und die richtet sich voll gegen die Koalition der alten Systemparteien, denn die Hauptdarsteller der Skandale waren entweder Führungskräfte der ND und der Pasok, oder sie verdanken die Positionen, die sie zu illegaler Bereicherung nutzen konnten, ihrer parteipolitischen Vernetzung.

Um die Verachtung und zunehmende Distanz zu diesem System zu illustrieren, sei hier auf eine weitere Erkenntnis der schon vorgestellten Migrantenstudie des EUI verwiesen: Bei früheren Migrationswellen (und das gilt auch für die „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik der 1960er- und 1970er-Jahre) wanderten die Griechen bevorzugt dorthin, wo schon Verwandte oder Landsleute aus derselben Gegend Fuß gefasst hatten. Heute dagegen spielen „soziale Netzwerke keine Rolle, vielmehr finden junge Griechen ihre Arbeitsplätze ganz alleine, ohne Hilfe von Bekannten“. Der Schritt in eine neue Umgebung und in eine neue Karriere bedeutet also auch die Befreiung aus dem Netzwerk klientelistischer Beziehungen und Abhängigkeiten. Bezeichnend ist die Auskunft eines Neu-Auswanderers, der das „fehlende Leistungsprinzip“ als eines seiner zentralen Motive nennt. Noch klarer formuliert es ein anderer Interviewter: „Das heutige Griechenland ist ein Land geworden, zu dem ich nicht mehr gehören will.“

Eine Welle von Korruptionsskandalen

Die Struktur eines politischen Systems, dem sich viele junge Griechen nicht mehr zugehörig fühlen, enthüllt sich in den aktuellen Skandalen, die ich nun kurz skizzieren will. Wobei jeder einzelne Fall auf seine Weise illustriert, wie und warum der Staat zur Operationsbasis skrupelloser Parteipolitiker werden konnte.

  1. Der Fall Tsochatzopoulos
    Der engste Gefolgsmann des früheren Pasok-Präsidenten Andreas Papandreou, Generalsektetär der Partei, Vize-Regierungschef unter Papandreou und Minister in mehreren Pasok-Regierungen (zwischen 1981 und 2004), ist bereits zwei Mal verurteilt: Im März 2013 zu acht Jahren Gefängnis wegen Geldwäsche; im Oktober zu weiteren 20 Jahren wegen passiver Bestechung und Geldwäsche. Das Urteil wegen Bestechlichkeit bezieht sich auf die Annahme „illegaler Zuwendungen“ von Rüstungsunternehmen, vor allem aus Deutschland und Russland, denen er in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister (1996 bis 2001) Großaufträge zugeschanzt hat. Der Fall des Akis Tsochatzopouls ist aber noch keinesfalls abgeschlossen, weil im Dezember 2013 neue Fakten auf den Tisch kamen, die auf dem Geständnis eines ehemaligen hohen Bürokraten im Verteidigungsministerium beruhen (siehe unten: der Fall Kantas). Aufgrund der neuen Aussagen hört sich die Gesamtsumme der „Zuwendungen“, die Tsochatsopoulos eingesackt haben soll (laut Anklageschrift 160 Millionen Euro) nicht mehr völlig „märchenhaft“ an. Die kriminelle Karriere von Tsochatzopoulos ist für die Pasok besonders peinlich und belastend, weil dieser lange Zeit als designierter Nachfolger des Parteigründers Andreas Papandreou galt und nach dessen schwerer Erkrankung ab 1995 amtierender Regierungschef war. Nach dem Rückzug Papandreous unterlag er bei der Wahl des neuen Pasok-Vorsitzenden im Januar 1996 nur ganz knapp seinem Hauptrivalen, dem „Reformer“ Kostas Simitis. Wäre Tsochatzopoulos damals gewählt worden, wäre Griechenland jahrelang von einem Politiker mit hoher krimineller Energie regiert worden.
  2. Der Fall Panantoniou
    Gegen Giannos Papantoniou, von 1996 bis 2001 Finanzminister in der Regierung Simitis, wird seit November 2013 wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Die Finanzpolizei entdeckte einen nicht deklarierten Betrag von rund 1,3 Millionen Euro auf einem Schweizer Konto der Ehefrau Papantonious, das auf der berühmten Lagarde-Liste stand (siehe NachDenkSeiten vom 17. Januar 2013). Der Ex-Minister hätte die Schweizer Gelder in seiner Vermögenserklärung für 2009 und 2010 ausweisen müssen. Papantoniou behauptet, von dem Konto seiner Gattin nichts gewusst zu haben, bis das Geld 2010 nach Griechenland zurück transferiert wurde. Das Bemerkenswerte an diesem Fall ist, dass ein ehemaliger Finanzminister erstens seine persönlichen Finanzverhältnisse nicht ordnungsgemäß deklariert und zweitens über die Finanzen seiner Frau nicht informiert gewesen sein will. Dem Ehepaar droht eine Steuerstrafe und – nachzahlung in Millionenhöhe. Weiteres Ungemach droht Papantoniou von neuen Erkenntnissen über die Rüstungsskandale. Als Verteidigungsminister im Zeitraum 2001 bis 2004 soll er in die Schmiergeldäffären verwickelt sein, die jetzt schrittweise ans Licht kommen (siehe unten: der Fall Kantas).
  3. Der Fall Liapis
    Die Groteske eines Ex-Finanzministers, der seine persönlichen Finanzen nicht durchschaut haben will, sollte eigentlich nicht zu toppen sein. Weit gefehlt. Eine Woche vor Weihnachten wurde bei einer Verkehrskontrolle in Athen ein Mann erwischt, der zwar keinen Führerschein besaß, aber dafür ein falsches Nummernschild an seinen 8-Zylinder-Stadtjeep montiert hatte. Das Fahrzeug war unversichert, der Mann war Michalis Liapis, von 2004 bis 2007 Verkehrsminister in der Regierung Kostas Karamanlis (und danach noch zwei Jahre Kulturminister). Um die teure Versicherung für sein Gefährt zu sparen, hatte der Ex-Verkehrsminister die Nummernschild abgegeben und anschließend durch Nummernschilder seines Yacht-Anhängers ersetzt. Ein klarer Fall von Betrug.
    Der Betrüger wurde wegen„unethischen Verhaltens“ aus den Reihen der Nea Dimokratia verstoßen. Dabei ist Liapis nicht irgendwer. Sein Onkel war der heute noch hoch verehrte konservative „Ethnarch“ (nationale Führer) Konstantinos Karamanlis. Dem hatte der Neffe Michalis als Büroleiter zunächst im Amt des Ministerpräsidenten und später in der Residenz des Staatspräsidenten gedient. Das war der Einstieg in eine sichere Karriere. Zum Verkehrsminister wurde er befördert, als sein Cousin Kostas Karamanlis 2004 Regierungschef wurde – ein Fall von Vetternwirtschaft im wörtlichen Sinne. Liapis ließ sich noch als Minister bei Reden in der Provinz als „der Neffe des Ethnarchen“ einführen. Am Ende seiner Ministerkarriere geriet er in den Dunstkreis des Siemens-Skandals, weil er zu viele Gratisreisen auf Kosten des Athener Siemens-Repräsentanten Christoforakos gemacht hatte (der im März 2010 von einem Münchener Gericht wegen „Beihilfe zur Untreue“ zu einer lächerlich geringen Bewährungsstrafe verurteilt und in die Freiheit entlassen wurde).
    Kein anderer Skandalfall hat den Griechen die selbstzerstörerische Mechanik ihres politischen Systems aufgrund fehlender „Leistungskriterien“ so deutlich gemacht wie der des „Neffen des Ethnarchen“. Der Ex-Verkehrsminister mit den gefälschten Nummernschildern, schrieb der Journalist Sokratis Tsichlias, „hat den hämischen Verdacht fast aller Griechen bestätigt: Auch er war nicht echt, der Mann war selber gefälscht.“ Was der Kathimerini-Kommentator nicht auspricht: Karriere machen kann eine gefälschte Nummer nur in einem falschen System.
  4. Der Fall Tomboulouglou
    Am 24. Dezember wurde in Athen der Präsident des staatlichen Kinderkrankenhauses „Aglaia Kyriakou“ verhaftet. Die Polizei nahm Charis Tomboulouglou fest, als er sich eine Geldsumme von 25.000 Euro aushändigen ließ, die er von einer Werbefirma erpresst hatte. Die Firma war mit der Ausführung eines Werbeauftrags für die Stiftung des Krankenhauses im Verzug, und Tomboulouglou hatte ihr eine vertraglich vorgesehene Konventionalstrafe angedroht. Auf diese wollte er aber gegen eine „Prämie“ von 25 000 Euro verzichten – und den Werbevertrag verlängern. Der Ertappte erklärte, bei dem Geld handle es sich um eine „Spende“ an das Krankenhaus, die er persönlich in Empfang genommen habe (in bar und im Briefumschlag und in einer lauschigen Cafeteria).
    Interessant sind in diesem relativ banalen Erpressungsfall zwei Aspekte: Der Werbeauftrag bezog sich auf eine gesundheitspolitische Aufklärungskampagne im Wert von 190.000 Euros, finanziert aus dem nationalen Rahmenprogramm (ESPA), das die an Griechenland fließenden EU-Gelder verteilt und verwaltet. Offensichtlich war die Kalkulation des Projektauftrags so großzügig und die Kontrolle der Ausgaben so lax, dass Tomboulouglou annehmen konnte, die Firma habe Luft für eine Bestechungssumme von 25 000 Euro.
    Der zweite Aspekt ist die exemplarisch enge Verknüpfung von beruflicher und parteipolitischer Karriere. Tomboulouglous Aufstieg in der ND-Jugendorganisation begann 1977, ein Jahr später bekam er seinen ersten Posten in der staatlich kontrollierten National Bank of Greece (Ethniki). In der Partei schaffte er es 1994 in das höchste nationale Parteigremium, dann aber kandidierte er vergeblich für das Bürgermeisteramt in einem Athener Stadtteil und für einen Sitz im Parlament. Es war die typische Karriere eines Parteisoldaten, der es nur zum Major und nicht zum General gebracht hat. Doch das reichte, um mit Posten in staatlichen und halbstaatlichen Institutionen versorgt zu werden. Bei der Bank stieg er zum Bereichsleiter in der PR-Abteilung auf, zehn Jahre lang verdiente er ein zusätzliches Gehalt als Chef der „Versicherungskasse der Angestellten der Versicherungsfirmen“. 1993 wurde er erstmals in den Verwaltungsrat des Krankenhauses berufen, in dem er 2012 den Präsidentenposten übernahm (Details über die Karriere auf der Website Stilida News vom 24. Dezember 2013).
    Nach seiner Verhaftung hat Tomboulouglou nicht nur seinen Krankenhaus-Posten verloren, sondern auch seinen weiter praktizierten Hauptjob bei der Ethniki. Und natürlich wurde er aus der ND ausgeschlossen: Noch ein Musterfall „unethischen Verhaltens“, an dem sich zeigt, dass unethisch nur das ist, was herauskommt. Denn bevor sich Tomboulouglou erwischen ließ, hatte er als ethisch vorbildlicher Diener des Gemeinwesens posiert. Als er sich vor einem Jahr zum Kandidaten für den Bürgermeisterposten in einem großen Athener Stadtteil ernannte, rief er seinen ganz persönlichen „Krieg gegen die Korruption“ aus – bekräftigt durch das Versprechen, er werde sein Bürgermeistergehalt an die Kindergärten und andere kommunale Einrichtungen spenden (nach: Website News 247, vom 26. Dezember 2013).
  5. Der Fall Kántas
    Kurz nach Weihnachten hat die Staatsanwaltschaft bei der Vernehmung von einem der wichtigsten Beschuldigten in Sachen Schmiergelder für Rüstungsprogramme einen großen Durchbruch erzielt. Antonis Kantas, stellvertretender Leiter und dann Direkor der Beschaffungsabteilung im Verteidigungsministerium, machte umfassende Angaben über fast alle Bestechnungsfälle, mit denen er während seiner Amtszeit zu tun hatte. Seine Schlüsselposition für Rüstungskäufe im griechischen „Pentagon“ (wie das Ministerium im Volksmund genannt wird) bekleidete Kantas von 1996 bis 2002, also nicht nur unter dem bereits verurteilten Akis Tsochatzopoulos (Fall 1), sondern auch unter dessen Nachfolger Giannos Papantoniou, dem Verteidigungsminister der Simitis-Regierung. Seine Aussagen werden deshalb zu Ermittlungen auch gegen den bislang in Rüstungsgeschäften unbescholtenen Papantoniou führen.
    Kantas war schon im September 2013 vorübergehend festgenommen worden, als man auf seinem Konto Schmiergelder von Siemens Hellas entdeckt hatte. Die neue Verhaftung erfolgte, als 13, 7 Millionen Dollar auf einer Bank in Singapur aufgespürt wurden, die von Offshore-Konten des Rüstungsbürokraten stammten. Das Geständnis von Kantas erstreckt sich auf Bestechungsgelder für mehr als ein Dutzend Rüstungsprogramme (eine Liste, die keineswegs erschöpfend sein muss). Auf der Liste der „geschmierten“ Projekte stehen (nach einer Aufstellung in Ta Nea vom 28./29. Dezember 2013) vier deutsche Rüstungssysteme (U-Boote, Leopard 2-Panzer, Luftabwehrsystem ASRAD-Stinger, Geschütze PZH-2000), zwei russische (Kornet Antipanzerraketen, OSA-AKM Flugabwehraketen), zwei französische (Mirage 2000-S, Raketensystem Exorcet) und auch ein schwedisches (Aufklärungsradarsystem ARTHUR). Für detaillierte Informationen (auf deutsch) über die von Kantas offenbarten Fälle verweise ich auf zwei Quellen: ein Bericht (mit Schwerpunkt deutsche Beteiligung) auf dem blog German Foreign Policy, und (zum Teil spekulative) Details auf dem Griechenland-blog vom 6. Januar 2014.
    Auch dieser Fall birgt mehrere aufschlussreiche Facetten. Zum ersten belastet er nicht nur die Systempartei Pasok, sondern die angeblich „bessere“ Pasok der Regierungszeit des Reformers Simitis, der unter den Griechen bis heute als korruptionsresistenter Politiker gilt (was er persönlich zweifellos war). Aber auch während dessen Regierungszeit versank der gesamte Rüstungsbereich in der Korruption, und Versuche, diesen ausgedehnten Sumpf trocken zu legen, sind aus der Ära Simitis nicht erinnerlich. Deshalb wäre es keine Überraschung, wenn die weiteren Ermittlungen sich nicht nur auf den schon erwähnten Papantoniou (Fall 2) beziehen würden, sondern auch auf dessen nur wenige Monate (bis September 1996) amtierenden Vorgänger Arsenis (dessen Bruder ganz offen als Lobbyist für russische Rüstungsgüter tätig war).
    Zum zweiten lassen die Einkünfte von Kantas auf die Höhe der Schmiergelder für andere Beteiligte schließen. Wenn schon für einen Spitzenbürokraten ein Erfolgshonorar in zweistelliger Millionenhöhe herausspringt, dürften höherrangige Figuren (derzeit wird angeblich gegen siebzehn ermittelt) mehr kassiert haben als bislang angenommen, ganz zu schweigen von den professionellen Lobbyisten der internationalen Rüstungsindustrie.
    Zum dritten dürfte sich zeigen, dass auch hohe Militärs an der „Schmiergeldparty“ beteiligt waren, wie sie in der Kathimerini (vom 4. Januar 2014) genannt wird. Nach dem Bericht von Ioanna Mandrou sollen Kantas und ein ebenfalls belasteter Rüstungslobbyisten namens Evstathiou zum ersten Mal „Korruption und illegale Zahlungen bis in die höchsten Rängen der militärischen Hierarchie“ aufgedeckt haben. Dabei soll Evstathiou (ein pensionierter Offizier) Beweise für die passive Bestechung von zwei ehemaligen Generalstabschefs (des Heeres und der Marine) geliefert haben. Nach Mandrou würde die Schmiergeldaffäre damit ganz „neue Dimensionen“ annehmen. Diese Dimension lässt die Begehrlichkeiten der Militärs, von denen Kantas dem Ermittlungsrichter berichtet hat, in einem anderen Licht erscheinen. Nach seinen Aussagen hat er 2002 seinem Minister Papantoniou vorgetragen, dass er die Anschaffung des deutschen Leopord-2 für nicht begründbar und für eine Geldverschwendung hält. Darauf habe ihm Papantoniou geantwortet, das werde die Heeresführung nicht akzeptieren: „Für die Luftwaffe und die Marine haben wir was angeschafft, da können wir dem Heer nicht nein sagen.“ (zitiert nach Ta Nea 28./29 September).

    Deutsche Rüstungsexportoffensive trotz Merkels Sparkurs

    Ein vierter wichtiger Aspekt ist die internationale Dimension der Schmiergeldaffäre, und natürlich insbesondere die Rolle deutschen Waffenlieferanten. Dass die Rüstungsbranche zu den korruptesten und schmutzigsten Bereichen der Exportwirtschaft gehört, ist sattsam bekannt. Im Fall Griechenland kommt hinzu, dass man mittels Schmiergeldern Waffensysteme an ein Land verkauft hat, von dem alle wussten, dass es auf diesem Sektor über seine finanziellen Verhältnisse lebt. Und die Verkaufsoffensive mit kriminellen Methoden ging weiter, als Griechenland schon bankrott war und von der Troika – auf Betreiben Deutschlands – auf einen unnachsichtigen Sparkurs gezwungen wurde. An dieser Stelle kann ich dieses Thema nicht vertiefen und verweise deshalb auf den oben erwähnten Report in „German Foreign Policy“ und auf einen immer noch lesenswerten Bericht von Helena Smith im Guardian vom 19. April 2012. Ich weise nur darauf hin, dass der Verkauf von Waffensystemen an das hoch überschuldete Griechenland nicht nur ein zynisches Geschäftsgebahren der deutschen Konzerne war. Der flankierende Druck der deutschen Politik, ja selbst die Erlaubnis für diese Geschäfte, war zugleich ein klarer Verstoß gegen die Richtlinien der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern. Da heißt es nämlich, bei der Genehmigung solcher Exporte sei zu berücksichtigen, „ob die nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes durch unverhältnismäßige Rüstungsausgaben ernsthaft beeinträchtigt wird“. Wenn es ein EU-Land gibt, in denen eine solche „ernsthafte Beeinträchtigung“ vorliegt, so ist es Griechenland – und das nicht erst seit Beginn der Krisenjahre (diesen Hinweis verdanke ich Andreas Zumach, der darüber im Greenpeace-Magazin vom April 2012 geschrieben hat).

  6. Der Fall der Postsparkasse
    Auf diesen jüngsten Fall sei hier nur kurz verwiesen, weil er sich noch im ersten Ermittlungsstadium befindet. Am 8. Januar, kurz nach der feierlichen Eröffnung der griechischen EU-Präsidentschaft, nahm die Finanzpolizei den prominenten Unternehmer Dimitris Kontominas (Besitzer des Fernsehsenders Alpha und der Versicherungsgesellschaft Interamerican) und zwei ehemalige Vizedirektoren der ehemals staatlichen Postsparkasse (Tachidromiko Tameio oder TT) fest. Ich beschränke mich auf die zentralen Verdachtsmomente, wie sie die die Süddeutsche Zeitung vom 9. Januar dargestellt hat: „Nach Angaben der Justiz geht es um Kredite aus den Jahren 2007 bis 2009 in Höhe von 300 Millionen Euro, für die es keine ausreichenden Sicherheiten gab. Mit einer Firma von Kontominas, der Demco, hatte die Postbank ein gemeinsames Unternehmen zur Herausgabe einer Kreditkarte, der Postcard, gegründet, an der beide Partner 50 Prozent hielten. Der Schaden allein aus diesem Engagement soll sich für die Postbank auf 110 Millionen Euro belaufen… Weitere 100 Millionen Euro musste die Bank aus Krediten an den Unternehmer Lavrentis Lavrentiadis abschreiben. …Der Mann befindet sich bereits seit Ende 2012 in Untersuchungshaft, er ist schon wegen Betrugs, Unterschlagung und Geldwäsche angeklagt.“

Was zeigen uns diese Fälle?

Die gesellschaftliche Bedeutung all dieser Fälle von Korruption, Machtmissbrauch und illegaler Selbstbereicherung auf Kosten der Allgemeinheit macht ein Kommentar von Tasoula Karaiskaki klar: „Wenn wir diese Kasten nicht beseitigen, wenn der Staat nicht auf Rechtsprinzipien beruht, dann werden „die kleinen Sünder“ – die eine Gefälligkeit als ihr Recht ansehen und ihr persönliche Wohl mit dem Allgemeinwohl gleichsetzen – ihre kleine Betrügereien weiterhin als selbstverständliches Merkmal des öffentlichen Lebens akzeptieren.“ (Kathimerini 21. Dezember 2013)
Was hier beschrieben wird, ist der schon wiederholt benannte Teufelskreis: Wenn die großen Sünder nicht ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden, kann man von den kleinen Sündern keinen Mentalitätswandel erwarten. Denselben Zusammenhang sieht auch ihr Kollege Elias Maglinis: „Das Allerschwerste beim Kampf gegen die Korruption in Griechenland ist, dass sie sich tief in das System hineingefressen hat und zum Teil der herrschenden Mentalitä geworden ist, und zwar von den niedrigsten bis zu den höchsten Ebenen von Gesellschaft und Staat.“ (Kathimerini 10. Januar 2014).

Maglinis gibt damit zugleich eine Antwort auf einen Einwand, der auf der Hand liegt: Korruption gibt es auch woanders, und sie greift immer weiter um sich, auch da, wo man über Europas sündigen Süden die Nase rümpft. Sind es nicht Unternehmen wie Siemens und Rheinmetall, die in Griechenland aktive Bestechung praktizieren, während die deutsche Öffentlichkeit sich über „die korrupten Griechen“ ereifert? Der Hinweis sollte unsere un-selbstkritische Kritik in der Tat heftig relativieren, aber Maglinis besteht auf einem Unterschied: In anderen Ländern gibt es „funktionierende Institutionen und Gesetze, vor allem aber wird der durchschnittliche Bürger in Westeuropa oder den USA nicht von dem ewigen Misstrauen gemartert wie wir Griechen.“

Diese Beobachtung ist, bei allen Zweifeln am Funktionieren unseres „westlichen“ Rechtsstaats, richtig; und in Griechenland ist dieses Misstrauen gegen den Staat und die soziale Umgebung tatsächlich allgegenwärtig. Beobachter wie Maglinis, der wie einige kluge Journalisten und Intellektuelle nicht in Griechenland aufgewachsen ist, sehen in den aktuellen Skandalen und Enthüllungen aber zugleich ein Hoffnungszeichen. Wenn etwa im Fall der Postsparkasse die Missetäter zur Verantwortung gezogen werden, sieht er die Chance, dass der Staat einen Teil seiner Reputation zurück gewinnen kann: „In gewisser Weise könnten wir sogar sagen, dass das Establishment endlich das Establishment auf die Knie zwingt. Sogar in Griechenland.“

Illusion eines Neubeginns mit dem alten Personal

Das ist eine sympathische, aber doch sehr kühne Vision, ich fürchte sogar: eine Utopie. Denn sie abstrahiert von dem konkreten Topos des heutigen Griechenland, vor allem aber von seiner immer noch herrschenden politischen Klasse. Dass diese Klasse lernfähig sein könnte, daran hat die große Mehrheit der griechischen Bevölkerung die allergrößten Zweifel. Denn wie glaubwürdig sind Politiker, die ihnen heute einreden wollen, dass sie „das Schlimmste hinter sich und vor allem das Allerschlimmste abgewendet haben“? (Zitat Premierminister Antonis Samaras)

Betrachten wir die Bemühungen der Regierungspolitiker, die jüngsten Skandale – im Sinne von Maglinis – als Chance und Auftakt zu einem fundamentalen Wandel zu darzustellen. Zum Beispiel lobt der Vize-Finanzminister Staikouras den geständigen Schmiergeldsünder Antonis Kantas dafür, dass der dem griechischen Staat 9,5 Millionen seiner Bestechungsgelder „freiwillig“ zurück erstattet hat. „Derartiges geschieht in Griechenland zum ersten Mal“, frohlockt der Verwalter der Steuereinnahmen.

Im schlimmsten Fall – wie diesem – machen sich die Politiker lächerlich, im besten Fall erinnern sie nur an ihre langen Sündenregister, wie etwa Gesundheitsminister Georgiades: „Die Zeiten sind vorbei, in denen wir unsere Leuten so was durchgehen lassen“, erklärte der Minister zum Fall des Krankenhausdirektors Tombougouglou. Was den meisten Griechen bei solchen Kommentaren fehlt, ist eine präzise und konkrete Benennung der allbekannten Verdächtigen und die Aufarbeitung ihrer Sünden, und zwar bevor ein geheimes Konto auffliegt oder ein kleiner Sünder zu singen beginnt. Selbstkritik ist überaus billig, wenn sie im Allgemeinen bleibt. Wie glaubwürdig ist etwa die Kriegserklärung an den Nepotismus aus dem Munde von Antonis Samaras, von dem alle wissen, dass er als Kulturminister der Karamanlis-Regierung das Personal des Akropolis-Museums mit seinen Landsleuten aus Messenien aufgefüllt hat (siehe NachDenkSeiten vom 26. September 2012)?

Ein Neuanfang mit der Syriza?

Sind nicht diejenigen Griechen realistischer – und sind diejenigen heute eine klare Mehrheit -, die davon ausgehen, dass die Bekenntnis der politischen Klasse zu einem Neuanfang vor allem daher rührt, dass es aus der Staatskasse nichts mehr zu holen gibt? Und die sich deshalb fragen, warum diese Leute unbedingt an der Macht bleiben wollen: Etwa weil sie ihre katastrophalen Fehler bereuen und wieder gut machen wollen (die sie aber nicht lückenlos aufdecken)? Oder weil sie hoffen, dass es wieder aufwärts geht und sie die nächste Party nicht verpassen wollen?
In solchen Zweifeln liegt der dritte Grund, warum die aktuelle Regierung bei Wahlen keine Chance hätte und warum sie auf unabsehbare Zeit keine gesellschaftliche Mehrheit mehr organisieren kann. Immer mehr Leute sagen sich: Warum nicht eine neue politische Kraft unterstützen, die vielleicht noch ein paar wirklichkeitsfremde Ideen hat, aber zumindest nicht korrupt ist? Und die wegen der leeren Staatskassen auch nicht so leicht in Versuchung zu bringen ist.

Die wachsende Akeptanz der Syriza als ernsthafte Alternative zur Regierung Samaras/Venizelos ist ein stabiler Trend, der die Regierung und das Establishment zu Recht beunruhigt. Zumal die Opposition in einem Punkt dazu gelernt und die Realität angenommen hat: Mit seinem klaren Bekenntnis zum Euro und mit der Benennung der Gefahren, die Griechenland von einem Grexit drohten, hat der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras die Chancen auf eine neue Regierung deutlich erhöht (Tsipras entsprechender Vortrag in Austin/Texas ist in der Le Monde diplomatique vom Dezember 2012, sowie auf den NachdenkSeiten vom 13. Dezember 2013 nachzulesen.) Wie die Umfragen zeigen, ist diese klare Aussage bei den Wählern angekommen: Im November ermittelte Kapa Research, dass 69 Prozent der Befragten das Euro-Bekenntnis von Tsipras begrüßen; bei den Syriza-Wählern betrug die Zustimmung sogar 76 Prozent. Das entspricht fast exakt dem Prozentsatz derer, die heute den Verbleib Griechenlands in der Eurozone wünschen.

Dass dieses Bekenntnis zum Euro innerparteilich nach wie vor umstritten ist, steht auf einem anderen Blatt. Der Vorsprung, den die Syriza in der Wählerzustimmung errungen hat, ist denn auch keineswegs gesichert, zumal diese Zustimmungrate die 30-Prozent-Grenze noch nicht durchbrochen hat. Der demoskopische Vorprung von heute würde also auf keinen Fall ausreichen, um eine selbständige Regierung zu bilden. Damit stellt sich die schwierige Frage nach den politischen Bündnispartnern. Dieses und andere Dilemmata der Syriza werde ich zu einem späteren Zeitpunkt darstellen und zu analysieren versuchen.


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