- SPD will Niedriglohnsektor fördern
In der Konsequenz sollen nach Ansicht der SPD die Freibeträge für Hartz-IV-Empfänger gesenkt werden, damit Niedriglohnbezieher wirklich besser gestellt sind als Arbeitslose und auch Langzeitarbeitslose mehr Anreiz hätten, sich um eine reguläre Stelle zu bemühen.
Quelle: FR
Anmerkung: Statt die Konjunktur weiter anzukurbeln und weitere Nachfrage nach Arbeit zu schaffen, kuriert die SPD wie bisher an den Symptomen und will mit noch mehr Druck aus Arbeitslosen Working Poor machen. Wo Harald Schmidt mal Recht hat, da hat er Recht: „Viele Deutsche sagen: ‘Wir arbeiten gerne länger. Aber wo?’“
- Es geht nicht um weniger Staat
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erläutert im FR-Interview Reformbremsen, Nutztiere auf dem Finanzmarkt und das neue Grundsatzprogramm seiner Partei.
Quelle: FR
Kommentar von Orlando Pascheit: Es ist fast wieder faszinierend, wie bereits unsere Jungpolitiker in der Lage sind, konkrete Aussagen zu vermeiden und auch nach der mehrfachen Aufforderung, ihre Aussagen zu präzisieren, weiterhin wolkige Luftblasen produzieren. So wird auf die Frage nach dem Konzept des vorsorgenden Sozialstaats mit den klassischen Sozialversicherungen als “tragende Säule des Sozialstaates” beantwortet. Das ist nun wirklich klassischer Sozialstaat.
- Warum haben Kurt Becks Bemerkungen, in denen er sich traute, die Folgen bisheriger und geplanter arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Einschnitte abzuschätzen, die Vertreter der politischen Klasse derart erregt?
Kurt Beck hat in vier Punkten Recht: Er weist auf die marktnaive Schieflage der EU-Bürokratie hin, die der sozialen Dimension das gebührende Gewicht entzieht. Er räumt ein, dass die Koalition den Bogen in der sozialen Frage arg gespannt hat. Er bekräftigt, dass Arbeit und Gesundheit keine Waren wie viele andere sind, sondern als wirtschaftlich-soziales Grundrecht gelten. Und er sieht, dass die bisherigen und geplanten Veränderungen für Familien, die ein Durchschnittseinkommen beziehen, an die Grenze zumutbarer Belastungen stoßen. Der SPD-Vorsitzende reagiert nüchtern auf die wachsende Distanz zwischen den politischen Repräsentanten, die angebliche Reformen beschließen, und den davon Betroffenen.
Quelle: FR
Anmerkung: Doch wann werden aus Kurt Becks „Bemerkungen“ politische Handlungen?
- Bayern kämpft für die Reichen
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft interessiert sich natürlich überhaupt nicht für einzelne Bundesländer oder deren Bewohner. Sie nutzt nur die lang gewohnte und eingeübte Rhetorik des Föderalismus, um jene Reformbestandteile zu kippen, die die Reichen belasten – egal, wo sie wohnen. Diese Strategie wird künftig auch bei anderen Themen zu besichtigen sein. Insofern war der jüngste Studienstreit zum Gesundheitsfonds dann doch eine Nachricht.
Quelle: TAZ
Anmerkung WL: Man mag ja den gesamten Gesundheitsfonds für Unsinn halten, aber wo Ulrike Herrmann Recht hat, da hat sie Recht.
- Das Dienstleistungsproletariat kommt
Der Anteil der geringqualifizierten Beschäftigten in Handel und Reinigung steigt.
Quelle: TAZ
- IAB-Studie: Lücken im Lebenslauf nehmen zu
Immer weniger Erwerbstätige können einen kontinuierlichen Erwerbsverlauf vorweisen, zeigt eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Um das Jahr 1960 Geborene wurden häufiger und in jüngeren Jahren arbeitslos als 1950 oder 1940 Geborene. Rund 60 Prozent der Männer, die 1940 oder 1950 geboren wurden, waren zwischen ihrem 30. und 40. Lebensjahr durchgehend erwerbstätig. Die Erwerbsverläufe der 1960 geborenen Männer sind dagegen weniger stabil: Nur noch die Hälfte von ihnen kann eine durchgängige Beschäftigung zwischen 30 und 40 vorweisen.
Frauen seltener durchgehend beschäftigt.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
- “Schluss mit prekärer Beschäftigung”
Detlef Wetzel, Chef des wichtigsten IG-Metall-Bezirks Nordrhein-Westfalen, lehnt die Rente mit 67 Jahren ab. Denn kaum ein Arbeitnehmer werde in der Lage sein, sie zu genießen. Die Mehrwertsteuererhöhung belastet die Bevölkerung mit 30 Milliarden Euro. Zugleich sollen Unternehmen um schätzungsweise fünf Milliarden entlastet werden – der Gipfel der Ungerechtigkeit.
Außerdem verspricht er eine harte Tarifrunde:
Quelle. TAZ
Anmerkung: Wetzel findet klare Worte: „Unsere sozialen Sicherungssysteme leiden unter einem von der Politik geschürten Einnahmeproblem: Über drei Millionen nichtsozialversicherungspflichtige Jobs werden subventioniert – reguläre Arbeit wird immer teurer.“ „Wir leben in einer Ausgrenzungsgesellschaft, die durch konkrete politische Entscheidungen geschaffen wird – etwa durch die Rente mit 67.“
- Wissenschaftler unterstützen Forderung nach deutlichen Lohnzuwächsen.
Mindestens seit Mitte der 1990er Jahre habe man »in einer Art gesellschaftlichem Großversuch« bewiesen, dass eine schwache Entwicklung der Masseneinkommen ökonomisch kontraproduktiv sei. Zwar habe der private Konsum im vergangenen Jahr etwas angezogen, dennoch habe man es nach wie vor mit einer »gespaltenen konjunkturellen Lage« zu tun – einem boomenden Export stehe weiterhin eine schwache Binnennachfrage gegenüber. »Nachhaltig kann die Massenkaufkraft nur gestärkt werden, wenn die Beschäftigten angemessen an der ökonomischen Entwicklung beteiligt werden.
Quelle: junge Welt
- Frankreichs Präsident Chirac will auf das europäische Unternehmensteuerdumping reagieren – aber mit sozialer Komponente.
Präsident Jacques Chirac: »Die große Herausforderung der kommenden Jahre ist der Steuerwettbewerb zwischen den Nationen. Um unsere Unternehmen zu erhalten und andere anzuziehen, müssen wir bei der Unternehmensteuer handeln«, begründete er Frankreis Beteiligung am europäischen Steuerdumping.
Im Gegensatz zu anderen Staaten setzt der französische Präsident allerdings verbal auf die soziale Komponente: Nach Chiracs Plänen sollen Unternehmen sogar in den Genuss eines noch geringeren Satzes kommen können, wenn sie in Form von Beteiligungen oder Lohnerhöhungen ebensoviel Geld an die Beschäftigten wie an ihre Aktionäre ausschütten.
Quelle: junge Welt
- Unternehmen nutzen die schwachen Gesetze
Über die Schwierigkeiten von Beschäftigten, der Gewerkschaft beizutreten oder Betriebsräte zu gründen. John G. Ruggie, Harvard-Professor für Internationale Politik, untersucht die Frage, wie internationales Recht wirksamer durchgesetzt werden kann.
Quelle: TAZ
- Keiner soll die Industrie zwingen
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber wehrt sich gegen eine neue weltweite Norm, die Unternehmen sozialer und ökologischer machen soll.
Quelle: TAZ
- Jeder 14. Schüler besucht eine Privatschule
Im Schuljahr 2005/06 gab es 4637 allgemeinbildende oder berufliche Privatschulen, das sind 43,5 Prozent mehr als im Jahr 1992, Bundesweit besucht mittlerweile jeder 14. Schüler eine Privatschule, insgesamt sind es 873 000 Kinder und Jugendliche. Dies bedeutet einen Zuwachs um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und um 52 Prozent im Vergleich zu 1992. Besonders hohe Anteile von Privatschülern haben Sachsen, Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anmerkung: 40% der Privatschüler besuchen ein (privates) Gymnasium. Ein immer größerer Teil der sich zur Elite Zählenden versucht sich schon in der Schulbildung von der Masse abzusetzen. Wenn sich der Trend fortsetzt, und alles spricht dafür, werden auch in Deutschland, wie in England, die Bildungs- und Aufstiegschancen der Kinder und Jugendlichen noch mehr als jetzt schon von der Herkunft und dem Geldbeutel abhängen. Der „vorsorgende“ Sozialstaat, der ja angeblich gerechtere Bildungschancen bringen soll, wird vorsorglich von den Wohlhabenden schon mal unterlaufen. Die Spaltung der Gesellschaft schreitet voran.
- RWI-Studie: Bildungsausgaben, Bildungsabschlüsse im Ländervergleich.
Während die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen überdurchschnittlich viel Geld in ihre Bildungseinrichtungen investieren, hinkt Nordrhein-Westfalen hinterher. Dies geht aus einem Bericht des RWI Essen hervor, der verschiedenste Aspekte der Bildungs- und Ausbildungssysteme deutscher Bundesländer vergleicht. Dabei zeigt sich beispielsweise, dass der Bevölkerungsanteil der Hochschulabsolventen selbst in den führenden deutschen Bundesländern unter dem OECD-Durchschnitt liegt.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
- Familienpolitik: Die bürgerliche Utopie
Ein bürgerliches Familienbild rückt nach und nach in den Vordergrund der Überlegungen und tritt an die Stelle der sozialpolitisch motivierten Familienpolitik des letzten Jahrhunderts. Zuwendungen werden zu Belohnungen für ein konkretes, ein erwünschtes Familienbild. Beim Elterngeld ist es offensichtlich. Gesellschaftlich erwünscht ist heute das Doppelverdiener-Elternpaar mit hohem Einkommen.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung: Eine Leserin des Tagesspiegels brachte es auf den Punkt:
„Das Elterngeld ist ungerecht, weil für die gleiche Leistung, nämlich die Kindererziehung, unterschiedliche Beträge gezahlt werden. Eine gutverdienende Ärztin z.B. bekommt wesentlich mehr als eine Medizinstudentin, der nur der Mindestsatz von 300,- bleibt.
Sie wird wie andere Gruppen, die vor der Geburt des Kindes kein Einkommen hatten, z.B. Sozialhilfe-Empfänger, Hartz-IV-Empfäger usw…besonders benachteiligt: Statt zwei Jahre lang Erziehungsgeld bekommen sie nun nur noch ein Jahr lang Elterngeld in Höhe von € 300,–.“
- Weniger Obdachlose, mehr Straßenkids
In Deutschland haben 9.000 Kinder ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße. “Terre des hommes” befürchtet, dass die Zahl steigt – gerade in großen Städten.
Quelle: TAZ
- Otto Köhler: Demoskopie nach Allensbacher Art – Elisabeth Noelle zum 90. Geburtstag
Vertrauliches Angebot aus Allensbach an die Industrie: “Jetzt, ein Jahr vor der Bundestagswahl 1987, besteht die Aussicht, dass Arbeitslosigkeit zu einem Schwerpunktthema des Wahlkampfes wird.” Dem sei entgegenzutreten: “Es geht dabei zunächst darum, das demagogische Potential der Arbeitslosigkeit zu entschärfen …”
Und zwar mit demoskopischen Mitteln: “Die geplante Untersuchung soll den Block der Arbeitslosen segmentieren.” Der große Block der Arbeitslosen sollte so lange zerteilt werden, bis nur noch leicht fassbare Einheiten übrig blieben, gegen die Allensbach zugleich ein umfassendes, aber differenziertes Diffamierungsangebot vorlegen konnte.
Quelle: Freitag
- Der so oft als “Motor der Wirtschaft” gepriesene Straßenverkehr ist in Wahrheit ein Verlustgeschäft – zumindest in der Schweiz hat man das jetzt ausgerechnet.
Autobahnbau, Klimaschäden, Arbeitsplätze – in einer bisher einzigartigen Studie hat die Schweiz Kosten und Nutzen des Pkw- und Lkw-Verkehrs gegenübergestellt. Heraus kam: ein erhebliches Defizit. Einer jährlichen gesamtvolkswirtschaftliche Wertschöpfung von 46 Milliarden Schweizer Franken (28,5 Milliarden Euro) (knapp 11 Prozent des Bruttoinlandprodukts) steht einem Kostenblock von 65 Milliarden (40,3 Milliarden Euro) gegenüber. In Deutschland scheuen Politiker die Auseinandersetzung mit dem Thema.
Quelle: Spiegel Online