Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 2. Januar 2014 um 9:25 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Neuen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zufolge haben sich die meisten Rumänen, die nach Deutschland gezogen sind, in Bayern niedergelassen (siehe Grafik). Die meisten Bulgaren leben in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern. Offenbar gehen die EU-Zuwanderer vor allem dahin, wo es Arbeit gibt.
Quelle: SZ
Quelle: Harm Bengen
Anmerkung JB: Nehmen Sie sich ruhig die nötige Zeit, dieses hoch interessante Interview in drei Teilen zu lesen. Sie werden es sicher nicht bereuen.
Anmerkung WL: Vergleicht man allerdings eine lange Zeitreihe so zeigt sich, dass das Arbeitsvolumen der beschäftigten Arbeitnehmer (also der nicht selbstständigen Erwerbstätigen) seit 1991 von 51.768 Millionen Stunden auf 48.779 Millionen Stunden im Jahre im Jahre 2012 verringert hat und das Volumen dürfte auch 2013 nicht wesentlich höher liegen.
Das Arbeitsvolumen der Vollzeitbeschäftigten hat sich im gleichen Zeitraum von 47.635 Millionen Stunden auf 39.974 Millionen Stunden verringert, während sich das Arbeitsvolumen der Beschäftigten in Teilzeit von 3.818 auf 8.093 Millionen Stunden erhöht hat. Das heißt in der Tendenz, dass sich das Arbeitsvolumen auf mehr Köpfe verteilt hat und vor allem die Teilzeitarbeit erheblich angestiegen ist.
Quelle: IAB – Excel Tabelle zum Download am Schluss der Mitteilung
dazu: Empörung über neue NSA-Enthüllung
Der US-Geheimdienst kann Computer gezielt mit Ausspäh-Software infizieren; über präparierte Netzwerk-Technik wird zusätzlicher Programmiercode beigemischt. Dies sei jedoch nur eine von vielen Methoden, die die NSA unter dem Namen “Quantum” anwenden kann. Die Spezialisten-Abteilung “Tailored Access Operations” habe eine große Auswahl an Optionen um Rechner anzuzapfen. Der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz spricht von staatlicher Sabotage an der IT-Sicherheit, für den SPD-Abgeordneter Lars Klingbeil ist klar, dass es nicht mehr um Terrorabwehr geht, sondern um Machtstrukturen im Netz. Er fordert den neuen Innenminister Thomas de Maiziere und Kanzleramtschef Peter Altmaier dazu auf, mehr für die Aufklärung zu tun als ihre Vorgänger. Der Grünen-Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht spricht von krimineller Energie bei der NSA und kritisiert, dass die Europäische Union die Einhaltung des Rechts nicht verfolge.
Quelle: Political Post
Anmerkung JB: Wie so oft, ist die Satire inhaltlich präziser als die „echten“ Nachrichten.
(I.) Grundfragen des Verhältnisses von Recht, Politik und Ökonomie in der Krise
– Zunächst ist zu klären, ob in der europäischen Krise das europäische Recht überhaupt zur Anwendung kommt. So wird einerseits behauptet, in der Krise sei ein „Primat der Politik“ anzunehmen, in dessen Folge die Rechtsordnung suspendiert sei. Andererseits wird geltend gemacht, dass die soziale Frage vorrangig als zwischenstaatliche Frage zu beantworten sei. Das europäische Recht müsse hier zurücktreten.
(II.) Schutzbereich der Grund- und Menschenrechte – Sodann soll die Frage beantwortet werden, ob die Unionsorgane beim Abschluss der MoU (Memorandum of Understanding) an Grundrechte gebunden sind und welche Grund- und Menschenrechte ggf. durch die MoU betroffen sind. Die für die Untersuchung wichtigsten Menschenrechtskodifikationen sind die nach Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) verbindliche Europäische Grundrechtecharta (GRCh), die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und ihr Erstes Zusatzprotokoll (ZP IEMRK) in der Fassung der Protokolle 11 und 14, die Europäische Sozialcharta von 1961 (ESC), die revidierte Europäische Sozialcharta von 1996 (RESC), der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt), der Internationale Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) sowie die Internationale Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenkonvention).
Schließlich sind für den Untersuchungskontext die Kernarbeitsnormen der International Labour Organisation (ILO) heranzuziehen, so wie sie in den acht Übereinkommen über Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes (1948), Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen (1949), Zwangsarbeit (1930), Abschaffung der Zwangsarbeit (1957), Gleichheit des Entgelts (1951), Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (1958), Mindestalter (1973) und Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999) sowie der den Regelungsgehalt dieser Übereinkommen zusammenfassenden “Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit” der ILO zum Ausdruck kommen.
(III.) Beeinträchtigung – Ferner ist zu untersuchen, ob die Ausübung dieser Grundrechte durch die MoU beeinträchtigt wird, ob also den Maßnahmen der Unionsorgane Eingriffsqualität zukommt.
(IV.) Rechtfertigung – Danach ist zu fragen, ob die Grundrechtsbeeinträchtigungen gerechtfertigt sind. Das setzt voraus, dass beim Abschluss der MoU die Verbands- und Organkompetenzen im Unionsrecht beachtet wurden. Ferner müssten die Eingriffe materiell gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig sein.
(IV.) Rechtsschutz – Schließlich ist zu prüfen, welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes bestehen, vor welchen Gerichten und Beschwerdeeinrichtungen Klage bzw. Beschwerde erhoben werden könnte und welche Klägerinnen und Kläger dazu aktiv legitimiert sind.
Quelle: Arbeiterkammer Wien [PDF – 350 KB]
Siehe dazu Interview mit Andreas Fischer-Lescano: „Zurück auf den Boden des Rechts“
Die Sparpolitik der Troika ist juristisch angreifbar und verstößt teils gegen Menschenrechte, sagt der Jurist Andreas Fischer-Lescano. Er fordert eine Prüfung der Verträge und bereitet damit den Boden für Klagen gegen den EU-Kurs…
Die Sparmaßnahmen, die die Troika festsetzt, verpflichten in vielen Bereichen zu konkreten Grundrechtseingriffen. Die Tarifautonomien werden ausgehöhlt, Mindestlöhne gesenkt, Gesundheitskosten auf Patienten abgewälzt. Ähnliches gilt für den Bereich Bildung. Die Folgen dieser Politik sind von der Internationalen Arbeitsorganisation bis zum Europäischen Sozialausschuss, der die Einhaltung der Europäischen Sozialcharta überwacht, als menschenrechtswidrig kritisiert worden, weil sie gerade die besonders verletzbaren Gruppen – Kinder, Frauen, Migrantinnen und Migranten, Behinderte – benachteiligt; aber auch weil sie zu einer Verarmung geführt haben, die ganze Generationen in die Hoffnungslosigkeit treibt…
Ich denke, es ist an der Zeit, die Sparpolitik auch juristisch zu diskutieren. Die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank, beide neben dem Internationalen Währungsfonds Mitglieder der Troika, müssen wieder auf den Boden des Rechts zurückgeführt werden. Die europäischen Institutionen sind an die Grundrechtecharta gebunden. Sie verhandeln mit den betroffenen Staaten und setzen die Auflagen fest. Das geschieht bislang im rechtsfreien Raum. Die Sozialpartner werden nicht einbezogen, das Europäische Parlament nicht beteiligt. Die Kommission agiert in Bereichen, in denen sie keinerlei Kompetenzen hat, wie bei der Lohnfestlegung. Das darf so nicht sein. Hiergegen gilt es, sich auch juristisch zu wehren…
Auf der Ebene der europäischen Sparpolitik haben wir es im Grunde mit Verträgen zu Lasten Dritter zu tun. Die Sparauflagen belasten die Rentnerinnen und Rentner, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Kranke, Kinder, Migrantinnen und Migranten. Es ist aber ein Irrglaube, dass finanzielle Stabilität in Europa ohne soziale Stabilität erreicht werden könnte. Die Verlogenheit auch der deutschen Politik in dieser Frage ist schwer zu ertragen. Es fehlt leider der Mut, den Menschen klar zu machen, dass es zu einem solidarischen und sozialen Europa keine Alternative gibt. Wenn es nicht gelingt, dies im Europawahlkampf herauszuarbeiten, werden die sozial-nationalen Zentrifugalkräfte das europäische Projekt massiv gefährden.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Die Nachricht vom Freihandelsabkommen, auf das sich die EU und Kanada einigten, ist zwar schon eine Weile her. Dennoch sollten wir schleunigst zur Kenntnis nehmen, dass die Einigung nicht nur Vorbildcharakter für die Verhandlungen zwischen der EU und den USA hat. Mit dem Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada können US-Tochterunternehmen in Kanada mit der EU genau das veranstalten, was eine US-Firma im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA mit Kanada veranstaltete. Als Kanada aus Umweltschutzgründen ein Fracking-Moratorium für Schiefergasvorkommen verhängte, verklagte die US-Firma das Land auf 250 Millionen Dollar Schadenersatz wegen der zu erwartenden Gewinnausfälle. Michael Krätke hat die Folgen für die EU in der Januarausgabe der “Blätter” in wünschenswerter Klarheit herausgearbeitet:
“Die erste Schlacht um TAFTA/TTIP ist längst verloren. Denn die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada um ein ganz ähnliches Abkommen namens CETA sind bereits abgeschlossen. Zwar sind die Vereinbarungen noch geheim, an einem Vertragstext wird noch gebastelt, aber große Änderungen dürfen wir nicht mehr erwarten. Nach allem, was wir wissen, haben sich weder die EU-Kommission noch die kanadische Regierung um die Bedingungen der EU-Parlamentarier geschert: Vorrang für den gewöhnlichen Rechtsweg und für die nationale Gerichtsbarkeit vor dubiosen Schiedsgerichten. Deshalb bleibt dem EU-Parlament gar nichts anderes übrig, als den Vertrag schon wegen der vorgesehenen Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt abzulehnen. Sollte CETA dagegen in Kraft treten, während die Verhandlungen zu TAFTA/TTIP noch laufen, hätten die Amerikaner einen entscheidenden Vorteil errungen. Über ihre kanadischen Standorte und Töchter können die US-Konzerne dann jederzeit zu gleichen Bedingungen auf den europäischen Markt vordringen wie kanadische Unternehmen – umgekehrt wäre das schon erheblich schwieriger. Eigentlich bräuchten die Amerikaner TAFTA dann gar nicht mehr.”
Quelle: WissenTransfer
Anmerkung WL: Die Angaben über die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen sind schlicht irreführend. Sie sagt nichts darüber, um welche Art der Erwerbstätigkeit es sich handelt, also etwa Mini-Jobs oder (schein-)selbständige Arbeit.
Maßstab für die Beschäftigungsentwicklung kann allein die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sein. Hier zeigen die Daten der Bundesagentur für Arbeit, dass im rentennahen Alter die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach wie vor nur sehr gering ausgeprägt ist. Noch kleiner ist der Teil der Älteren, die vollzeitig arbeiten.
Vollzeitbeschäftigt waren im Jahr 2000 von den 63jährigen 4,3 Prozent und von den 64jährigen 2,7 Prozent. Elf Jahre später, im Jahr 2011, waren es trotz der Heraufsetzung der vorgezogenen Altersgrenzen gerade einmal 12,5 Prozent und 9,9 Prozent.
Im Ergebnis zeigt sich ein äußerst langsamer Prozess der Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen im Alter. Wenn im Jahr 2011, in einer Zeit einer insgesamt positiven Arbeitsmarktentwicklung, über 90 Prozent der Bevölkerung im Alter von 64 Jahren keine Vollzeittätigkeit ausüben, also die bisherige Regelaltersgrenze von 65 Jahren nicht in Beschäftigung erreichen, sind die Voraussetzungen für eine problemfreie Umsetzung der Rente mit 67 nicht gegeben.
Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Neujahrsgruß aus New York, Sehnsuchtsort für viele, reichste Stadt der Erde. 400 000 Millionäre und 70 Milliardäre. Ein Penthouse in Midtown kostet bis zu 95 Millionen Dollar. Und 45,8 Prozent der Bevölkerung leben unter oder nahe der Armutsgrenze. Mit 50 000 Obdachlosen ist ihre Zahl höher als während der Großen Depression. 22 000 davon sind Kinder. Andrea Elliott berichtet von einem.
New York ist ja nicht irgendeine Stadt. Sie gilt als einzigartig. Sie definiert das, was wir unter Weltstadt verstehen. Und welcher Europäer, ob jung oder alt, möchte nicht einmal in seinem Leben da gewesen sein. Umso trauriger, dass New York heute in ganz besonders krasser Weise die Zweiteilung einer Gesellschaft in Arm und Reich repräsentiert, wie sie überall auf dem Globus voranschreitet. Dabei ist schon erstaunlich, dass die Kriminalitätsrate wie auch die Zahl der Gefängnisinsassen in New York im Verhältnis zum Landesdurchschnitt in den letzten 10 Jahren deutlich absank. Man sollte allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass die Gefangenenrate in den USA (Gefangene pro 100.000) mit 716 (New York: 417) vor Russland mit 475 weltweit am höchsten ist (China:161 und Iran: 284), siehe derstandard.at [PDF – 200 KB].
Anmerkung Orlando Pascheit: Das Erschreckende ist die Aussage: “das ist nicht neu”. In der Tat verweisen die Medienberichte, welche die NachDenkSeiten auch aufgreifen, immer wieder auf Sklavenarbeit in den Golfstaaten und anderswo, auf Kinderarbeit in Indien und anderswo, auf die substanzielle Missachtung von Frauenrechten in muslimischen Ländern, usw. Und welche Folgen zeitigen diese Berichte? Nicht einmal unser Bundespräsident erklärt, dass er Abu Dhabi oder die Weltmeisterschaft in Katar nicht besuchen werde.
Sonja Zekri meint, dass gegen die Preisgabe westlicher Hochkultur nichts zu sagen sei, “solange sich das Ganze im Rahmen des Marketings bewegt. Nur sollte man den zivilisatorischen Annäherungsfaktor realistisch bewerten – oder mal einen der Arbeiter auf der Insel des Glücks danach fragen.” Warum hat sie nicht den Mut, zu sagen: Europa mag mit diesen Staaten Handel treiben, da es existenziell vom Erdöl abhängig ist. Gut ist das nicht, aber nachvollziehbar. Aber warum sollen wir den Tourismus in Sklavenhaltergesellschaften mit einer Fußballweltmeisterschaft oder mit einer noch nie öffentlich gezeigten Collage von Picasso unterstützen?
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=19791