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Titel: Neue Unterrubrik Kapitalmarkt – Informationen zu „Heuschrecken“ etc.

Datum: 5. Dezember 2006 um 16:03 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit
Verantwortlich:

In der Rubrik Sachfragen finden Sie ab heute eine Unterrubrik Kapitalmarkt. Dort werden wir Artikel, Hinweise und Kommentare zur Tätigkeit von Investoren, zum Ausverkauf der so genannten Deutschland AG, zum Shareholder-Value-Denken etc. dokumentieren. Zum Hintergrund: In der öffentlichen Debatte um das Wirken der Investoren wird gelegentlich daraufhingewiesen, die schlimmen Fälle, bei denen Investoren gesunde Unternehmen mit Schulden belasten und in Schwierigkeiten bringen, seien die Ausnahmen. Wir können das nicht beurteilen, aber wir können zu Ihrer Urteilsbildung Berichte über möglichst viele Fälle sammeln. Albrecht Müller.

Dabei sind wir selbstverständlich auch offen für die Dokumentation positiv zu bewertender Übernahmen von deutschen Unternehmen durch Investoren.
Die fortlaufende Dokumentation wird nicht alle unsere Leser interessieren. Aber wir hoffen auch bei diesen auf Verständnis für diesen neuen Schwerpunkt.

Ich beginne heute mit der Dokumentation einiger E-Mails und einzelner Vorgänge. Die E-Mails erhielt ich aufgrund meines Tagebucheintrags zum Verramschen des DSD (“Wie kommt man schnell zu viel Geld?”).

Die E-Mails sind informativ genauso wie die darin enthaltenen Links. Hier die Texte des Nutzers der NachDenkSeiten:

Hallo Herr Müller,

die Vorgänge bei dem Dualen System Deutschland sind sicher anrüchig, weil sich hier offenbar Insider mit Hilfe von Gefälligkeitsgutachten und überforderten Aufsichtsgremien bereichert haben. Doch der eigentlich politische Skandal der Beteiligungsbranche liegt in anderen Sachverhalten.

Zur Verdeutlichung wie einige private equity Investoren (es gibt durchaus seriöse Vertreter!) arbeiten, hänge ich eine Darstellung aus der FTD vom 9. August 2006 [PDF – 168 KB] an. Unter Einsatz einer vergleichsweise geringen Summe
Eigenkapital wird überwiegend mit Fremdkapital (deshalb leveraged buy out) finanziert ein Unternehmen erworben. Die aufgenommenen Kredite muß das Unternehmen verzinsen und zurückzahlen. Da aber die private equity Investoren Risiken scheuen, beschließen sie als Gesellschafter innerhalb kurzer Zeit nach Übernahme Sonderausschüttungen, welche teilweise bereits höher sind als der eingesetzte Eigenkapitalanteil. Damit ist ein Gewinn auf das eingesetzte Kapital in jedem Fall gesichert. Da die Unternehmen kein Geld für diese Sonderausschüttung in der Kasse haben, müssen hierfür weitere Kredite aufgenommen werden. In Summe resultiert eine exorbitant hohe Verschuldung, für deren Zins- und Kapitaldienst massive Rationalisierungsmaßnahmen (Umschreibung für Abbau von Arbeitsplätzen) durchgeführt werden (müssen).

Wenn das Unternehmen nach erfolgreicher Rationalisierung weiterverkauft wird (Börsengang oder Veräußerung an andere Fonds) fließt der Veräußerungsgewinn den Investoren steuerfrei zu.

Zur Verdeutlichung dieses Vorgehens ein Beispiel [PDF – 96 KB]:
Der Fonds Cognetas LLP erwirbt im Februar 2005 den Automobilzulieferer KSM Castings für 155 Mio mit einem Einsatz von 49 Mio Eigenkapital, welches teilweise als Gesellschafterdarlehen gewährt wird. Im August 2005 werden 20 Mio als Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens ausgeschüttet. Im September 2006 wird eine weitere “Rekapitalisierung” vorgenommen im Rahmen derer weitere 82 Mio an den Fonds ausgeschüttet werden, für die das Unternehmen sich neu verschulden muß, Nettoverschuldung steigt von 1,3X EBITDA auf 3X EBITDA.

In kapp 18 Monaten haben die Investoren also auf das eingesetzte Kapital von 49 Mio bereits 102 Mio zurückerhalten und besitzen nach wie vor das gesamte Unternehmen, dessen Kaufpreis 155 Mio betragen hatte. Dagegen ist die in Ihrem Beispiel DSD angeführte Rendite “peanuts”.

Was haben nun die übernommenen Unternehmen von solchen Übernahmen?

Auch hierzu ein aktuelles Beispiel (jeden Tag finden Sie im Wirtschaftsteil der Zeitungen neue Beispiele):

Gemäß diesem Bericht des Handelsblattes vom 1. Dezember 2006 werden bei dem Börsengang der Symrise für 1,4 Mrd Euro Aktien verkauft. 700 Mio aus dem Verkauf neuer Aktien, dieses Geld fließt dem Unternehmen zu und wird zur Tilgung von Krediten gleich an die Kreditgeber weitergereicht, welche den Kauf der Symrise durch den Finanzinvestor EQT von der Bayer AG mitfinanziert hatten, im Rahmen dessen dem Unternehmen 1,4 Mrd Schulden aufgebürdet worden
waren – bei einem Jahresumsatz von kanpp 1,2 Mrd. Gleichzeitig verkauft der Finanzinvestor EQT einen Teil seiner Anteile an Symrise für weitere 700 Mio.

In Summe fließen dem Unternehmen Symrise durch den größten Börsengang des Jahres 2006 also keinerlei Mittel für das operative Geschäft zu! Symrise wird weitere Rationalisierungsprogramme auflegen müssen, um den “Wersteigerungserwartungen” der Börse zu genügen.

Der Finanzinvestor EQT zahlt auf die jetzt erlösten 7oo Mio keine Steuern, ebensowenig wie die Bayer AG in Leverkusen bei Verkauf seines Tochterunternehmens Harrman&Reimer, welches heute Symrise heißt, keine Steuern auf den Erlös aus dem Verkauf zu zahlen hatte. Veräußerungsgewinne hatte die rot-grüne Bundesregierung zuvor steuerfrei gestellt. Dabei ist es sicher nur ein Zufall, dass der beim Finanzminister Eichel für diese Steuerreform zuständige Staatssekretär Zitzelsberger bis zum Wechsel in die Regierung Schröder Leiter der Steuerabteilung der Bayer AG war.

Vor wenigen Wochen hat die Bayer AG ein weiteres Tochterunternehmen an Finanzinvestoren verkauft, HCStark für steuerfreie 1,3 Mrd Euro. Derweil verzweifelt die Stadt Leverkusen an ihrem desolaten Haushalt, immer mehr Einrichtungen müssen geschlossen werden. Ironie am Rande: der
Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen Ernst Küchler hat als damaliger SPD Bundestagsabgeordneter die segensreiche rot-grüne Steuerreform mit beschlossen.

Dazu hatte ich geschrieben:

Sehr interessante Hinweise. Nur eine bescheidene Frage:
Muss man den Vorgang DSD harmlos sehen, um das andere schlimm zu finden?
Immerhin hatte da doch auch der Gesetzgeber massiv mit zugearbeitet.

Darauf die Antwort:

Die Vorgänge bei der DSD werden durch die von mir angeführten Beispiele sicher nicht relativiert, worauf es mir ankommt ist, dass die private equity Branche mit politisch gewollten Privilegien ausgestattet worden ist und damit deren Tätigkeiten ganz legal sind. Der Fall DSD ist mehr ein Fall für das Strafrecht, ähnlich wie der Fall TMD Friction, über den Sie in den Nachdenkseiten bereits berichtet haben in welchem ebenfalls Price Waterhouse Cooper mit einem nicht stichhaltigen Gefälligkeitsgutachten einen Steuererlass in Höhe von 200 Mio Euro zu begründen sucht und damit die Kreditausfallrisiken von den Mezzanine Kreditgebern auf die Öffentliche Hand überträgt.
Die private equity Fonds hingegen stehen unter dem Schutz des Gesetzgebers.

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis zu den hier wichtigen Krediten:
Die Bedingungen an eine Kreditvergabe durch Banken sind gesetzlich stark reglementiert worden, Banken dürfen Kredite an Unternehmen nur noch bei Einhaltung strenger Kriterien vergeben, Stichwort Basel II, worunter vor allem mittelständische Familienunternehmen sehr leiden. Deshalb werden die von den private equity Fonds eingesetzten Fremdkapitalmittel auch nicht
durch Banken vergeben sondern durch spezielle Fonds. Das ganze läuft unter “Mezzanine Darlehen”, also einer Kreditart, welcher man bilanziell Eigenkapitalcharakter zuschreiben kann, nur so sind die exorbitant hohen Verschuldungsgrade der übernommenen Firmen zu verstehen. Keine Bank dürfte ein Unternehmen mit Darlehen derart voll pumpen. Banken und Sparkassen sind allerdings als Vertriebspartner für derartige Fonds tätig. Investoren in Mezzanine Fonds sind Versicherungen, Pensionskassen (vor allem angelsächsische) hedge Fonds und in erheblichem Umfange auch Privatinvestoren, also der gleiche Kreis, welcher in private equity fonds investiert.

Eine detailliertere Beschreibung dieser Kreditgeschäfte hat vor einigen Monaten die FAZ publiziert.

Ebenfalls in der FAZ beschrieben sind die verheerenden Konsequenzen der private equity Aktivitäten für das einst florierende Chemie-Unternehmen Cognis.

Und hier ein Link zu einem Bericht der FAZ über den Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank: Bundesbank besorgt über Praktiken von Private Equity.

Und ein Kasten aus dem Finanzstabilitätsbericht [PDF – 124 KB].

Und der Bericht der FAZ zu einem weiteren Fall:

Übernahmen
Blackstone kauft amerikanischen Bürokonzern Equity Office.


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