Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (OP/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Orwell 2.0
- N.S.A. Head Says European Data Was Collected by Allies
The head of the National Security Agency on Tuesday vigorously challenged recent reports that the United States had been gathering the phone records of millions of Europeans, saying that the records had in fact been turned over by allied spy services.
General Alexander said that phone data was generally collected outside Europe.
The Wall Street Journal reported on its website on Tuesday that intelligence services in France and Spain had collected phone records of their citizens and turned them over to the N.S.A. as part of an arrangement to mitigate threats against American and allied troops and civilians.
But General Alexander and James R. Clapper Jr., director of national intelligence, broadly defended the N.S.A.’s practice of spying on foreign leaders. Such espionage, they said, was a basic pillar of American intelligence operations that had gone on for decades.
Both men said the intelligence was invaluable because it provided American leaders with an idea of how other countries planned to act toward the United States.
Such spying was essential, the officials said, because other countries, including allies, spy on the United States.
Quelle: The New York Times
Anmerkung WL: Die Tonmitschnitte von Millionen von Europäern sollen also von alliieren Geheimdiensten an die NSA geliefert worden sein. Hat also nicht die amerikanische Botschaft Merkels Handy abgehört sondern die Geheimdienste von Frankreich und Spanien?
Haben womöglich deutsche Dienste die Kanzlerin abgehört und diese Tonmitschnitte an die NSA geschickt?
Und natürlich wird wieder einmal der Bruch von Grundrechten mit der Bedrohung Amerikas, der alliierten Truppen und Zivilisten gerechtfertigt.
Immerhin wird offen zugegeben, dass „solche Spionage“ seit Jahrzehnten betrieben wird und zum Grundpfeiler des amerikanischen Geheimdienstes gehört.
Solche Ausspähung sei von unschätzbarem Wert, weil sie amerikanische Führer darüber informierten, wie andere Länder gegenüber den USA vorzugehen gedenken.
Motto: Das machen alle.
Was das mit Terrorismusbekämpfung zu tun haben soll, weiß der Himmel.
Die Aussagen der Verantwortlichen der NSA zeigen nur, dass sich der amerikanische und vermutlich auch andere alliierte Geheimdienste über Recht und Gesetz hinwegsetzen und sie nicht die geringsten Skrupel haben nicht nur Regierungen sondern alles was für die USA relevant ist, also auch wirtschaftliche Themen auszuspüren.
Bei dieser Mentalität ist es kein Wunder, dass es aus den USA keine Entschuldigung geben wird.
- NSA spying has nothing to do with terrorism, Greenwald tells Amanpour
Spying by America’s National Security Agency does not have “anything to do with terrorism,” Glenn Greenwald, the activist journalist who broke the story, told CNN’s Christiane Amanpour on Monday. “Is Angela Merkel a terrorist? Are sixty or seventy million Spanish or French citizens terrorists? Are there terrorists at Petrobras?” he asked rhetorically. “This is clearly about political power and economic espionage, and the claim that this is all about terrorism is seen around the world as what it is, which is pure deceit.”- Greenwald also rebuffed the criticism that he is recklessly putting people’s lives in danger by revealing America’s spying tactics. He said that Snowden had asked him to be “very scrutinizing and judicious,” and that he had only made public about 200 or 250 documents out of a total of “many, many, many thousands. “Ever since 9/11, British and American officials have screamed terrorism over and over and over every time they get caught doing bad things they shouldn’t do,” Greenwald said. “Every terrorist who’s capable of tying their own shoes has long known that the U.S. government and the U.K. government are trying to monitor their communications in every way that they can.”
Quelle: CNN
Anmerkung unseres Lesers FK: Vom eher fraglichen Aspekt politischer Machtgewinnung durch eine Art Wettervorhersage des politischen Klimas bleibt zuletzt die Wirtschaftsspionage als einzig harter zählbarer Gewinn und als das zentrale Motiv der Aktivitäten der NSA (und anderer Dienste) übrig. Aber: patriotisch sind weder die großen IT-Konzerne an der Westküste noch das große Geld an der Wall Street. Die haben nur ein Ziel, den Profit, und sie sind international aufgestellt. Eine Gleichung zwischen deren Produktion oder Profit und dem Wohlstand in den USA wie auch anderswo gibt es nicht. Ein solcher Zusammenhang ist ein Märchen, an das die Amerikaner immer noch glauben, so wie die Deutschen an eine Art romantischer Freundschaft oder neuzeitlicher Nibelungentreue mit den USA; oder so, wie man in England gerne glaubt, dass die „City of London“ das ganze Land ernährt, während ein paar Kilometer außerhalb dieser City zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg wieder Lebensmittelkarten ausgegeben werden müssen. – Man darf bezweifeln, dass die NSA die großen IT-Konzerne zur Mitarbeit erpresst. Es ist durchaus denkbar, dass hier längst ein ganz anderes „Joint venture“ oligarchischer Machart stattfindet, dass mit den Geheimdienst-Stereotypen aus der Zeit des kalten Krieges rein gar nichts mehr zu tun hat.
Dazu passt: Globaler Terror? Fehlanzeige!
Um nicht missverstanden zu werden: Es gab in der Vergangenheit immer wieder verheerende Terroranschläge auf Metropolen der westlichen Welt. Nach dem 11. September 2001 detonierten Bomben in London, Madrid und Boston, viele Menschenleben waren zu beklagen. Und vermutlich werden einzelne Anschläge auch in Zukunft Opfer fordern. Aber sind hier wirklich international vernetzte Terrorzellen am Werk? Wohl kaum. Von einer gut organisierten, globalen terroristischen Bedrohung kann keine Rede sein. Warum? Weil die meisten strategischen Punkte der Bundesrepublik auch zwölf Jahre nach 9/11 noch vollkommen ungeschützt sind. Die Rede ist von den vielen strategischen und taktischen Zielen, die Deutschland zu bieten hat – und deren Ausschaltung das gesamte Wirtschaftsleben der größten europäischen Ökonomie lahmlegen würde. So ist die deutsche Gasversorgung praktisch ungeschützt. Weil Ämter und Ministerien detaillierte Karten ins Internet stellen, lassen sich Anschläge sogar sauber am Reißbrett planen. Wer will, kann beispielsweise die genauen Karten des bayerischen Gas- und Stromversorgungsnetzes bekommen. Daraus lassen sich sowohl die miteinander über Pipelines verbundenen Städte als auch die dazugehörigen Kraftwerke ablesen. Selbst Angaben über die Durchmesser der Rohrleitungen sind akribisch aufgelistet – ebenso wie Atomkraftwerke, die in unmittelbarer Nähe der Netze stehen. Beispiele wie diese gibt es viele. Ob IT-Infrastruktur, Kommunikation oder riesige offene Trinkwasser-Seen, sicher ist lediglich eines: dass auch in Deutschland nichts sicher ist.
Global operierende Terrornetzwerke würden derartige Schwachstellen gnadenlos ausnutzen. Doch sie tun es nicht. Und sie werden auch nicht reihenweise von cleveren Geheimdiensten gestoppt und verhaftet. Solche Fahndungserfolge würden voller Stolz präsentiert – wie vor nunmehr sechs Jahren bei der Verhaftung der so genannten Sauerlandgruppe. Doch auch diese angeblich international gesteuerte Terrorzelle hat sich längst als Häuflein isolierter Stümper entpuppt. Globaler Terror? Fehlanzeige. Das Ausbleiben von logistisch ausgefeilten Anschlägen kann nur eines bedeuten: Jene international organisierte Bedrohung, die uns ein George W. Bush oder Gerhard Schröder als Tatsache zu verkaufen suchten, gab es nie. Und heute, zu Zeiten Barack Obamas und Angela Merkels, kann der ausbleibende, an sich unausweichliche Terror-GAU ebenfalls nur auf eine Weise interpretiert werden: Die massive Terrorbedrohung gibt es überhaupt nicht.
Quelle: Deutschlandradio
- Ströbele: “Die Amerikaner sagen keinen Mucks”
Ein NSA-Untersuchungsausschuss wird immer wahrscheinlicher. Der Geheimdienst-Experte der Grünen, Hans-Christian Ströbele sagt, was dieser leisten könnte und was nicht.
In einem solchen Ausschuss können wir die deutsche Verwicklung und Beteiligung am Abhörskandal aufklären. Wir könnten von der Spitze des deutschen Nachrichtendienstes BND und auch von der Ebene darunter erfahren, welche Informationen sie aus den USA erhalten haben. Und es müsste der Verdacht geprüft werden, ob das Innenministerium oder das Kanzleramt nicht durchaus mehr wussten, als sie jetzt sagen. Vielleicht wusste da niemand, dass Frau Merkel abgehört wird. Aber komplett verborgen kann die Abhöraffäre dem deutschen Nachrichtendienst auch nicht geblieben sein, da dieser ja dieselben Systeme der Ausforschung und Analyse benutzt wie die Amerikaner.
Quelle: Zeit.de
- Eurozone – what do they propose as an encore?
I agree with Wolfgang Münchau’s assessment of the state of play in this regard. He says:
Optimists are saying that this process of regaining competitiveness is now taking place. Look at the success of the Spanish export sector or the fall in Greek wages. And, in any case, the eurozone economy is rebounding, which helps further.
This judgment is profoundly wrong. It is true that the crisis countries have brought down their current account deficits. Italy and Spain are now running surpluses. Since Germany and the Netherlands have not brought down their current account surpluses, the eurozone as a whole has moved from an almost balanced current account in 2009 to a surplus this year of 2.3 per cent of gross domestic product … In other words, the eurozone is adjusting at the expense of the rest of the world.
But while the eurozone is a fixed-currency regime internally, it is nothing of the sort externally. The currency does exactly what textbooks say it should: it keeps on rising, thus offsetting the improvements in the current account. Last week the euro rose to more than $1.38 against the dollar.
Quelle: economicoutlook
Anmerkung E.J: Die Besprechung eines Artikels von Wolfgang Münchau enthält die empirische Bestätigung dessen, was die Nachdenkseiten seit Beginn des Wettbewerbsfähigkeitswettbewerbs in der Eurozone vorausgesagt hatten: Wenn alle Länder der Eurozone sich nach deutschem Vorbild in Nettoexporteure nach außerhalb der Eurozone verwandeln, wird der Euro steigen und Exporterfolge wieder zu Nichte machen, ein Vorgang, den wir mit dem derzeitigen Anstieg des Eurokurses gegenüber dem Dollar beobachten können. Wenn dann noch Übereinstimmung mit der Einschätzung des IWF besteht, dass die jüngsten Exportsteigerungen in den Krisenstaaten trotz historisch hoher Arbeitslosigkeit noch kaum etwas mit einer tatsächlich verbesserten Wettbewerbsfähigkeit („interne Abwertung“) zu tun haben und jede mögliche wirtschaftliche Erholung sofort wieder zu einem Anstieg der Importe führen wird (woraus dann Deutschland seinen Überschuss abermals vergrößern wird), ist vollends klar, wie tief Europa in der Sackgasse steckt. Bis vollends der Arzt kommt, hilft an deren Ende nur noch der Kopf gegen die Wand: Angela Merkel empfiehlt Hartz IV für Europa.
- Banken
- Deutsche-Bank-Gewinn bricht um 94 Prozent ein
Eine Reihe von Skandalen und juristischen Auseinandersetzungen hat den Gewinn der Deutschen Bank pulverisiert. Unter dem Strich blieben 51 Millionen Euro übrig – nach 754 Millionen Euro im Vorjahr. Für Rechtsstreitigkeiten legte die Deutsche Bank abermals 1,2 Milliarden Euro zur Seite, den Großteil davon für Altlasten im US-Hypothekengeschäft. Damit summiert sich die gesamte Vorsorge inzwischen auf über vier Milliarden Euro. Die Vorwürfe reichen von fragwürdigen US-Hypothekengeschäften über Zinsmanipulationen bis hin zu angeblichen Bilanztricksereien. Zuletzt hatte ein milliardenschwerer Hypothekenvergleich der US-Großbank JPMorgan für Aufsehen gesorgt. Außerdem zeichnen sich in der Branche weitere teure Vergleiche im Libor-Zinsskandal ab. Offenbar mit Blick auf all diese Entwicklungen schraubte die Deutsche Bank ihre Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten nun abermals hoch. Zum Thema Libor erklärte der Vorstand im Zwischenbericht: “Die laufenden Untersuchungen könnten die Verhängung hoher Geldstrafen und andere Auswirkungen für die Bank nach sich ziehen.” Im Investmentbanking sank der Vorsteuergewinn auf 345 Millionen Euro von 1,1 Milliarden vor einem Jahr. Allein im Handel mit Anleihen und anderen festverzinslichen Produkten, der wichtigsten Domäne der Deutschen Bank, brachen die Erträge im Vergleich zum Vorjahr um 48 Prozent ein.Dieser Trend hatte sich schon bei den Wall-Street-Banken und der Schweizer Credit Suisse abgezeichnet. Hintergrund ist die Unsicherheit über den weiteren Kurs der US-Notenbank Fed: Solange nicht klar ist, wie lange sie sich noch als großer Bondkäufer auf dem Markt betätigt, bleiben auch andere Investoren lieber in Deckung.
Quelle: Die Welt
Anmerkung: Strafe muss sein, aber ob das genügt?
- Ex-BayernLB-Chef Kemmer: Lobbyist der Banken unter Druck
Michael Kemmer wird sich wegen Untreue vor Gericht verantworten müssen. Zwar steht der Bundesverband deutscher Banken hinter seinem Hauptgeschäftsführer, doch auf den 56-Jährigen kommt ein Krisenjahr zu. Banker warnen schon vor der negativen Sogwirkung, die der Prozess haben könnte. Als Kemmer bei der BayernLB seinen Vorstandsposten räumen musste und wenig später als Lobbyist in Berlin anheuerte, war zwar schon klar, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn und die anderen Vorstände der Landesbank ermittelt. Es ging dabei um Verdacht auf Untreue in Zusammenhang mit dem Kauf der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria. Völlig unklar war jedoch, ob es jemals zu einer Anklage kommen würde. Seit vergangener Woche ist klar, dass die Staatsanwaltschaft so viel Material sammeln konnte, dass sie Ernst macht: Es kommt zum Prozess. “Für uns ist wichtig, dass mit Michael Kemmer ein integerer, erfahrener Banker und anerkannter Fachmann den Bankenverband führt. An seiner persönlichen Integrität gibt es keinen Zweifel”, verteidigte Thomas Lange, Vorstandsmitglied im Bankenverband, Kemmer am Montag.
Quelle: SZ
Anmerkung Orlando Pascheit: War es nicht einmal vor langer Zeit so, dass führende Persönlichkeiten der Politik und der Wirtschaft zurücktraten, wenn ein Anfangsverdacht aufkam. – Lang ist’s her.
- Rabobank-Chef geht – Deutsche-Bank-Chef Jain bleibt
Piet Moerland findet eindeutige Worte: Er wolle ein Zeichen setzen, lässt der Rabobank-Chef die Öffentlichkeit wissen. Zwar habe die Führung inklusive ihm selbst nichts von den Machenschaften rund um die Manipulation des Zinssatzes Libor gewusst. Trotzdem übernehme er die Verantwortung und räume seinen Posten: „Im Namen der Bank und des Vorstandes will ich ein glasklares Signal abgeben: das aufrechte Bedauern und die scharfe Missbilligung des unangebrachten Verhaltens.“..
Bei Anshu Jain klingt das anders. Gemeinsam mit Jürgen Fitschen leitet er die Deutsche Bank. Die beiden Nachfolger von Josef Ackermann reden gerne vom Kulturwandel, von Werten wie Integrität. Doch im Alltag müssen sie sich mit früheren Machenschaften plagen, die wenig integer waren….
Quelle: Handelsblatt
- Prof. Lorenz Jarass: Wie schlimm ist die Staatsverschuldung?
Die Länder der Eurozone driften bei der Neuverschuldung weiter auseinander, meldet die europäische Statistikbehörde Eurostat. Mit welchen Folgen?
Quelle: Bayern2
Dazu: Öffentlicher Schuldenstand des Euroraums und der EU28 stieg auf 93,4% bzw. 86,8% des BIP
Die höchsten Verschuldungsquoten verzeichneten am Ende des zweiten Quartals 2013 Griechenland (169,1%), Italien (133,3%), Portugal (131,3%) und Irland (125,7%). Deutschland hat eine Verschuldungsquote von 79.8%.
Quelle: Eurostat [PDF – 256 KB]
- Eine Billion an faulen Krediten belasten Europas Banken
So viele faule Kredite wie noch nie: Die Banken der Euro-Zone haben der Studie einer Unternehmensberatung zufolge wacklige Forderungen im Wert von fast einer Billion Euro verbucht. Doch es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. […]
Am meisten faule Kredite haben Banken in Spanien (12,0 Prozent) und Italien (11,5 Prozent) in den Büchern. Deutschland sei mit 3,2 Prozent dagegen ein Musterknabe. Die Deutsche Bank wies für die ersten neun Monate eine Ausfallrate von 2,5 Prozent aus. Wegen der starken Inlandskonjunktur und dem boomenden Immobilienmarkt rechnet EY für 2014 in Deutschland mit einem Rückgang auf 2,8 Prozent.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung JB: Da ist er wieder – der „Musterknabe Deutschland“. Würde die Politik auch unser Land einer gnadenlosen Austeritätspolitik unterwerfen, würde so mancher Haushalt und so manches Unternehmen auch in Schwierigkeiten geraden, seine Kredite pünktlich und in voller Höhe zu tilgen. Dann hätten auch die deutschen „Musterknaben-Banken“ mehr „faule Kredite“ in ihren Büchern. Man sollte sich lieber auch gar nicht erst vorstellen, was hierzulande passieren würde, wenn der Immobilienmarkt durch politische Maßnahmen unter Druck gesetzt würde. Denn wenn die Immobilienpreise kollabieren, wird auch so manche Sicherheit für vergebene Immobilienkredite neu bewertet werden müssen, was dazu führt, dass Kredite, die heute als „gesund“ gelten, dann als „faul“ gelten würden. Deutschland ist wahrlich kein Musterknabe. Wir haben nur unverschämtes Glück, dass die Krise bei uns „noch“ nicht so richtig angekommen ist.
- Geldpolitik heizt die Vermögensinflation an
Die Ökonomen Michael Bordo und John Landon-Lane von der Rutgers University haben in einer Studie nun systematisch untersucht, wie eine lockere Geldpolitik auf Aktienkurse, Hauspreise und Rohstoffpreise wirkt. Dafür wurden Boom-Phasen auf diesen Anlageklassen in 18 OECD-Ländern von 1920 bis 2011 genauer unter die Lupe genommen. Auch wenn man alternative Erklärungen wie eine geringe Inflation und einfach zugängliche Kredite (Easy Credit) in Betracht zog, hat die Geldpolitik neben diesen Faktoren einen signifikanten Einfluss auf die Vermögenspreise. Wachsen die Preise dadurch besonders schnell, ist auch eine folgende «Korrektur» festzustellen: Die Blase platzt. Lockere Geldpolitik definieren die zwei Ökonomen als einen zu niedrigen Leitzins oder einen übermäßigen Anstieg der Geldmenge. Für den optimalen Zins wird die Taylor-Regel angewendet, für die Geldmenge ist es die Regel nach Milton Friedman, wonach die Geldmenge nicht mehr als 3% jährlich wachsen soll. Gemäß den Autoren der Studie sind ihre Ergebnisse sehr robust. Es kommt also nicht darauf an, in welchem Land und in welcher Anlageklasse sich die Preisblase aufblähte.
Doch sollen die Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik wirklich etwas gegen Vermögensblasen unternehmen? Immerhin ist deren Mandat meist nur, die Inflation unter Kontrolle zu halten und – etwa beim Fed – die Arbeitslosigkeit nicht steigen zu lassen. Manche Ökonomen glauben, eine Preisblase im Immobilien- oder Aktienmarkt sollte durch die Finanzregulierung beschränkt werden und nicht durch eine restriktivere Geldpolitik, die der gesamten Wirtschaft schaden würde. Die Autoren der Studie glauben, dass die Kosten des Platzens einer Blase ein Eingreifen der Notenbank rechtfertigen könnte. Dazu müssten die Zentralbanken einschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eine kommende Finanzkrise einschränken könnten. Das ist keine einfache Aufgabe.
Quelle: FuW
- Scheitern auf Raten
Im Rahmen der internationalen Ausweitung von Finanzmärkten hatten Mikrokredite die Hoffnung geweckt, die Armut im „globalen Süden“ einzudämmen und Frauen zu emanzipieren. Doch leider ist keine positive Wirkung der Mikrofinanz nachzuweisen, im Gegenteil: Die Disziplinierung der Armen und die Abschöpfung von Mehrwert haben zugenommen. Zudem hat der Mikrofinanzsektor eine Reihe verheerender Krisen ausgelöst. Unser Autor erklärt, warum wir nicht mit mehr Schulden mehr soziale Gerechtigkeit schaffen werden.
Quelle: MaxPlanckForschung 3/13 [PDF – 981 KB]
- Von kranken Versicherungen: Die Koalitionsverhandlungen und die Gesundheitspolitik
Ist die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zukunftsfähig? Wie kriegt man Ärzte dazu, auf dem Land zu arbeiten? Was tun gegen Personalmangel an Kliniken? Die Gesundheitspolitik dürfte in den anstehenden Koalitionsverhandlungen eine große Reibungsfläche bieten.- Es sei ein Irrtum, dass jemand im Alter wohlhabend sei, nur weil er früher als Selbstständiger gearbeitet hat, sagt Horst Flier. Er rechnet vor, dass er 935 Euro im Monat an Altersbezügen hat. Weit über die Hälfte davon zehre seine private Krankenversicherung auf. “Das geht also ganz schnell, dass ich insolvent werde und dann keine Miete mehr bezahlen kann, und dann muss ich hier ausziehen und unter die Brücken als Obdachloser.” Horst Flier leidet seit Jahren an einer Augenkrankheit, er ist inzwischen schwer sehbehindert. Er informiert sich deswegen vor allem übers Radio. Wenn er dort hört, es gebe derzeit keine akuten Probleme in der Gesundheitspolitik, dann schüttelt er nur den Kopf. Beim Verband der Privaten Krankenversicherer kennt man Geschichten wie die des ehemaligen Architekten. Doch es gehe um einen Einzelfall, betont der Direktor des PKV-Verbands, Volker Leienbach. Der Verbandsdirektor weiß auch, dass SPD, Grüne oder Linkspartei Fälle wie den von Horst Flier im Wahlkampf gerne als Argument verwendet haben, um eine Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu fordern. Doch Fälle wie dieser seien kein Grund, die Krankenversicherung komplett umzugestalten, mahnt er. Der Direktor des PKV-Verbands hält das Projekt einer Bürgerversicherung ohnehin erst einmal für erledigt. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union werde sie kein Thema sein, glaubt Leienbach. Denn CDU und CSU wollen die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufrechterhalten. Und auch in der SPD seien die Kräfte, die sich für eine Bürgerversicherung einsetzen, nicht wirklich stark, beobachtet Leienbach.
Quelle: Deutschlandradio [Audio – mp3]
Anmerkung Orlando Pascheit: Der Verbandsdirektor der Privaten Krankenversicherer wird wohl Recht behalten. Und bei der Bewältigung der Klinikkosten oder der ärztlichen Versorgung in der Fläche ist von den Akteuren in Gesundheitsbereich auch in diesem Beitrag kein Masterplan in Sicht. Es wird wohl auch hier auf Sicht gefahren. Neoliberale Sicht, d.h. Privatisierung allerorten.
- Mythos Armutseinwanderung
Die offizielle Statistik ist zumindest eindeutig: Bislang kann von einer massenhaften Ausnutzung des Sozialsystems durch Zuwanderer aus den beiden EU-Ländern keine Rede sein. 9,3 Prozent aller in Deutschland lebenden Rumänen und Bulgaren bezogen Ende des vergangenen Jahres Sozialleistungen. Damit lagen sie deutlich unter dem Durchschnitt der ausländischen Bevölkerung (15,9 Prozent) und etwas über der Quote der gesamten Bevölkerung (7,4 Prozent). Belege für die Behauptung, dass Rumänen und Bulgaren in großem Stil als Scheinselbstständige unberechtigterweise aufstockende Leistungen kassieren, gibt die Statistik nicht her. Zwar ist in der rumänischen und bulgarischen Bevölkerung der Anteil an Selbstständigen unter den Hartz-IV-Beziehern mit 5,1 Prozent deutlich höher als im Durchschnitt der Bevölkerung insgesamt (2,1 Prozent). In absoluten Zahlen sind es laut IAB bundesweit aber gerade einmal 1500 Selbstständige, die aufstocken. Ein weiterer häufig geäußerter Vorwurf lautet, dass kinderreiche Familien herkommen, um Kindergeld zu beziehen, das jedem EU-Bürger mit Wohnsitz in Deutschland zusteht. Auch dafür lässt sich kein Beleg finden. 7,9 Prozent der Rumänen und Bulgaren bekamen Ende 2012 die staatliche Leistung für ihren Nachwuchs. Zum Vergleich: Doppelt so viele, nämlich 15,3 Prozent der ausländischen und 10,7 Prozent der gesamten Bevölkerung hatten zum gleichen Zeitpunkt Anspruch auf Kindergeld. ..
Sind die Klagen über eine Armutsmigration also alle aufgebauscht? Nicht grundsätzlich, räumt der IAB-Experte ein. Aber das Problem konzentriere sich auf einige wenige Städte wie Duisburg, Dortmund oder Berlin. Dort ist nicht nur die Arbeitslosigkeit besonders hoch, in Berlin etwa bezieht fast ein Fünftel der bulgarischen und rumänischen Bevölkerung Sozialleistungen. Hinzu kommen aber Belastungen der öffentlichen Haushalte durch Leistungen für Obdachlose, Krankenversicherung oder die Integration von Schulkindern. Diese Kosten müssen die Kommunen zahlen, obwohl sie kaum etwas von den zusätzlichen Einnahmen über Steuern und Abgaben haben. Wenn die neuen Migranten fleißig in die Sozialkassen zahlen, profitieren davon Sozialversicherungssysteme wie die Rentenversicherungen. Rein ökonomisch betrachtet sind Erträge und Kosten der Zuwanderung in Deutschland sehr ungleich verteilt, kritisiert Brücker. „Das ist ein Verteilungsproblem, aber das muss in Deutschland gelöst werden.“ Die EU-Kommission hat damit nichts zu tun.
Quelle: FR
- Der EU droht die feindliche Übernahme
Eurokritiker und Rechtspopulisten hoffen bei den Europawahlen im kommenden Mai auf starken Zulauf. Sie alle eint das Motto: „Wo Europa ist, da ist das Problem.“ Auf bis zu zwanzig Prozent schätzt der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber den Stimmenanteil der europakritischen Kräfte. Der EU droht die feindliche Übernahme. Eine bunte Truppe macht gegen Europa mobil. Schräge Vögel wie Nigel Farage, die die EU als Ganzes ablehnen und auf nationaler Souveränität beharren. Bloße Euro-Kritiker wie die Alternative für Deutschland (AfD). Neue Anti-Establishment-Bewegungen, die auf Politikverdrossenheit setzen, wie der Milliardär Andreij Babis in Tschechien. Offen ausländerfeindliche Parteien wie der Front National in Frankreich oder rechtspopulistische Kräften wie der Niederländer Geert Wilders. Dazu kommen linke Europa-Kritiker wie der Italiener Beppe Grillo, der seine Kritik an der Euro-Rettungspolitik zuletzt mit Sprüchen gegen Flüchtlinge würzte.
Quelle: FR
- Irakkrieg: Wir wollten jemandem in den Hintern treten
Ein neues Buch deckt Hintergründe des US-Einmarschs im Irak auf und beleuchtet, wie das seinen Lauf nehmende Desaster George W. Bush zusetzte. Nahezu täglich explodieren Bomben, mindestens 5000 Tote sind allein 2013 zu beklagen: Zehn Jahre nach dem US-Einmarsch im Irak kommt das Zweistromland nicht zur Ruhe, von einer blühenden Demokratie kann keine Rede sein. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Blutvergießens im Irak berichtet nun Peter Baker, der Washingtoner Bürochef der «New York Times», in einem soeben erschienenen und sorgsam recherchierten Buch («Days of Fire: Bush and Cheney in the White House») über Interna der Bush-Administration sowie die Hintergründe der Intervention im Irak. Was längst vermutet wurde, wird in Bakers Buch bestätigt: Weil der US-Angriff auf Afghanistan nur Monate nach 9/11 nicht genug Schlachtenlärm auslöste, musste ein richtiger Krieg mit Panzern und Divisionen her. «Der einzige Grund, warum wir in den Irak einmarschiert sind, war der Umstand, dass wir jemandem wirklich in den Hintern treten wollten – Afghanistan war zu leicht», sagte ein Berater Bushs gegenüber Baker. Nachdem sich der Krieg längst als Debakel erwiesen hatte, Millionen Iraker geflüchtet und Hunderttausende gestorben waren, reflektierte Bush im Beisein von Verteidigungsminister Robert Gates und Generalstabschef Mike Mullen im Sommer 2008 über seine 2002 getroffene Entscheidung zum Einmarsch: «Ich habe alle am Tisch Anwesenden angesprochen, alle Verantwortlichen: Sind Sie dabei? Haben Sie Zweifel?» Niemand habe daraufhin Einspruch erhoben, so Bush. Bedenken angemeldet hatte lediglich Bushs enge Vertraute Karen Hughes, eine PR-Spezialistin.
Quelle: Tages-Anzeiger
Anmerkung Orlando Pascheit: Gegen Ende des Artikels heißt es: “Trotz des 2008 unterzeichneten «Strategischen Rahmenabkommens» zwischen Bagdad und Washington ist der amerikanische Einfluss im Irak begrenzt.” Vor diesem Hintergrund ist völlig unverständlich, dass es tatsächlich noch Journalisten gibt die Beiträge verfassen wie “Deutschland wird am Hindukusch verteidigt – auch nach 2014” und darin heißt es z.B.: “Ohne den Eingriff des Westens aber wären Millionen Leben sehr viel schlechter verlaufen. Die Afghanen haben jetzt die Chance, die sie ohne UNO, USA und NATO nie bekommen hätten: ein selbstbestimmtes politisches Gemeinwesen zu entwickeln. … wir müssen unserem Anspruch gerecht werden, in ihrem Land dauerhafte Spuren der Sicherheit, der Verbesserung der Lebensverhältnisse, des wirtschaftlichen Aufschwungs, kurz: der Hoffnung zu hinterlassen. In unserem ureigenen Interesse.” Schon die Ausgangseinschätzung ist grundfalsch: “2001 erklärten militante Islamisten aus Afghanistan heraus der Welt den Krieg. Ein Krieg, der sich in den Anschlägen vom 11. September manifestierte, in den Attentaten von Madrid, London, Istanbul, Bali. Und diese Kriegserklärung galt auch der Bundesrepublik Deutschland als Teil der internationalen Gemeinschaft.”
Was soll das? Kein Paschtune ist je bei irgendeinem Attentat außerhalb Afghanistans gesichtet worden. Al-Qaida in Afghanistan ist längst besiegt. Das Traurige ist, dass die Taliban seinerzeit zu Gesprächen bereit waren, wie man Al-Qaida loswerden könne.
passend dazu: Afghanistan: Clan-Milizen wittern Morgenluft
Nach zwölf Jahren internationalen Engagements sind die Taliban wieder erstarkt. Und statt, wie versprochen, reguläre Sicherheitskräfte gemäß rechtsstaatlichen Grundsätzen auszubilden, hat die reguläre Macht lediglich Krieger rekrutiert. Und die beschützen die Bevölkerung nicht, sondern wenden sich sogar gegen sie…
Mehr als zehn Jahre lang haben Politiker der deutschen Öffentlichkeit erklärt, Deutschland lege bei seiner Mission, in Afghanistan Sicherheitskräfte aufzubauen, besonderen Wert auf Rechtsstaatlichkeit, künftige Polizisten sollten sich wie Beamte verhalten, die dem Bürger gegenüber korrekt auftreten. Im ISAF-Hauptquartier jedenfalls löst das Kürzel “ALP”, “Afghanische Lokal-Polizei”, durchaus freundliches Nicken aus…
Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft jedenfalls halten diesen Hilfspolizei-Einsatz, jene neueste Wendung in der ISAF-Strategie, für eine Katastrophe. Das zugrunde liegende Motiv dafür liege auf der Hand: Rasch abziehen können, dabei die Verluste unter den ISAF-Militärs reduzieren und in den nationalen Verteidigungshaushalten der ISAF-Staaten die Kosten senken…
Bereits 2011 veröffentlichte die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen umfangreichen Report über die Afghanische Lokalpolizei ALP unter dem Titel: “Just don’t call it a militia” – “Sag einfach nicht Miliz dazu”. Darin wurden zahlreiche Fälle von willkürlichen Morden, Schutzgelderpressung und sexuellen Übergriffen durch die neue Afghanische Lokalpolizei aufgelistet.
Besonders schlimme Übergriffe ereigneten sich in der Provinz Kundus, also unter der direkten Aufsicht des deutsch geführten Regionalkommandos Nord…
Quelle: DLF
- Das Elend der Lehrer
Der Erfolg eines Schulsystems hängt von denen ab, die es tragen. Die hyperaktive Bildungspolitik überlastet Lehrer mit unsinnigen Aufgaben und nimmt ihnen die Zeit für die wichtigen. In all den aufgeregten Bildungsdebatten, dem so genannten PISA-Schock, sind solche Stimmen aus der Praxis kaum vernehmbar. Lehrer werden als neutral für den Erfolg des pädagogischen Systems angesehen. So als ob weder ihre Ausbildung, noch ihre Motivation und erst recht nicht ihre Arbeitsbelastung für den Bildungserfolg der Schüler eine Rolle spielte. Ohne dass es in der Öffentlichkeit zu irgendwelchen Diskussionen gekommen wäre, hat die Arbeitsbelastung für Lehrer in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Immer noch ist vielen Menschen nicht klar, dass Lehrer nach Unterrichtsschluss nicht ein Nachmittag voller Müßiggang erwartet, sondern noch einige Stunden Arbeit. Manch einer, der über faule Lehrer schimpft, arbeitet selbst sicher weniger: Im Durchschnitt rund 56 Stunden pro Woche sind es für Lehrer zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wie eine Studie der Projektgruppe “Qualität, Arbeit und Gesundheit in Schulen” 2007 festgestellt hat. Die meisten Bundesländer haben die Ausbildungszeiten der Referendare verkürzt und setzen sie schon früh wie vollwertige Lehrer ein. Wenn die neuen Referendare jetzt im November ihren Dienst an nordrhein-westfälischen Schulen beginnen, müssen sie schon nach 30 Schultagen zum ersten Mal alleine vor einer Klasse stehen. Von da an werden sie fast wie vollwertige Lehrer “bedarfsdeckend” eingesetzt – aber wie Lehrlinge bezahlt. Die Schulpolitik spart an der Ausbildung der zukünftigen Lehrer, natürlich auch auf Kosten des Lernerfolgs der Schüler, die von weitgehend unerfahrenen Referendaren unterrichtet werden. Doch auch diese Maßnahme führte zu keinem öffentlichen Aufschrei, noch nicht einmal zu vernehmbarer Kritik der Opposition.
Quelle: WiWo
Anmerkung Orlando Pascheit: Des Weiteren geht der Autor des Artikels auf die Überforderung der Lehrer durch viele bildungspolitische Neuerungen der letzten Zeit ein. So zeigt er am Beispiel der “individuellen Förderung” und der sogenannten “Inklusion”, d.h. der Eingliederung aller bislang in Förderschulen unterrichteten Schüler auf, dass diese Neuerungen in der gegenwärtigen Situation auf dem Rücken der Lehrer und letztlich zu Lasten des Bildungsniveaus der Schüler erfolgen. “Die von der UNO protegierte Idee der Anerkennung von Vielfalt und der Nicht-Diskriminierung Behinderter stellt Lehrer im Schulalltag oft vor gewaltige Anforderungen: Da als behindert auch Kinder mit extrem auffälligem Sozialverhalten gelten, haben Lehrer in Inklusionsklassen nun manchmal nicht nur die üblichen ein bis zwei Störenfriede, sondern unter Umständen eine Handvoll. Noch kommen in Inklusionsklassen in den meisten Bundesländern zusätzlich zum eigentlichen Lehrer besonders ausgebildete Pädagogen zum Einsatz. Doch diese werden nach und nach abgezogen. In Hamburg zum Beispiel werden die meisten Inklusionsklassen bereits von einem einzigen Lehrer unterrichtet.” (Man mag gar nicht daran denken mit welchem Aufwand Schüler mit Lernschwierigkeiten, Teilleistungsstörungen (z.B. Dysphasien, LRS etc.) Verhaltensauffälligkeiten in Finnland betreut werden) – Ganz unabhängig vom Sinn diverser Methoden wie dem “selbst entdeckenden Lernen”, dem “forschend-entwickelnden” oder dem “fragend-entwickelnden Unterricht” sind unsere Schulen personell überfordert, denn all diese Neuerungen bedeuten einen beträchtlichen Mehraufwand für jeden Lehrer, der eigentlich nur durch eine Aufstockung des Lehrpersonals aufgefangen werden könnte. Jeder dritte Lehrer leidet mittlerweile laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter Schlafstörungen, 80 Prozent empfinden einen enormen Leistungsdruck. Trotz aller Sonntagsreden unserer Politiker über Investitionen in Bildung und Ausbildung, geschieht in dieser Richtung nichts – im Gegenteil Sparhans regiert. – Zum Ende des Artikels meint ein Lehrer: “Lasst uns Lehrer einfach unseren Job machen. Vertraut uns und fahrt uns nicht andauernd in die Parade!” Das ist dann doch zu einfach. Da wäre z.B. die Frage, ob in Deutschland tatsächlich die bestgeeigneten Studenten Lehrer werden. Ist es nicht eher so, dass das Ansehen der Lehrer in Deutschland so heruntergewirtschaftet wurde, dass nur zu oft diejenigen Lehrer werden, denen nichts anderes übrig bleibt.
Im Artikel “Bessere LehrerInnen braucht das Land” wird vom Versuch eines Eignungstestes für angehende LehrerInnen in Passau berichtet. In Finnland verfährt man allerdings weitaus rigoroser. Vor Studienbeginn wird streng selektiert, allerdings melden sich auch weitaus mehr Studenten zu diesem in Finnland äußert angesehenen Beruf.
Jens Wernicke bringt unter dem Titel “Rechenschwäche gibt es nicht” ein äußerst interessantes Interview mit dem Mathematikdidaktiker Wolfram Meyerhöfer. Deutlich wird, wie viel menschliche Ressourcen unser Schulsystem ungenutzt lässt.
- Das Versagen der Meinungsmacher: Was ist mit dem politischen Journalismus los?
Im Unterschied zu den Parteien, bei denen nach Wahlniederlagen das Führungspersonal ausgewechselt wird, machen wir Journalisten einfach weiter. Statt die Führung der Grünen danach zu fragen, ob sie ihre Mitglieder von Schwarz-Grün überzeugen könnten, müssten wir Journalisten uns auch einmal selbst fragen, ob wir die Alternativen zum Lagerwahlkampf rot-grün gegen schwarz-gelb tatsächlich ausgeleuchtet haben. Ist es nicht vielmehr so, dass Lagerwahlkampf und Große Koalition schon deshalb am wahrscheinlichsten sind, weil sie am bequemsten sind, weil sie weder von den Politikern noch von uns Journalisten neues, ungewohntes Selber-Denken fordern? Mehr analytischen als repräsentativen Journalismus?
Quelle: Deutschlandradio
Anmerkung Orlando Pascheit: Geht es wirklich nur um Bequemlichkeit? Zum Teil sicherlich, aber gravierender ist doch, dass der Journalismus Teil des Lagerkampfes war und ist. Erbärmlich, wie die Linkspartei mit unterirdischen Wertungen in das öffentlich Aus verwiesen wurde und erst als es galt, der SPD noch eins draufzusetzen, wieder aus der Versenkung geholt wurde. Erbärmlich, wie Steinbrück wegen seiner Nebeneinnahmen durch unzählige Artikel und Talkrunden gehetzt wurde. Dabei wissen Journalisten und Politiker doch ganz genau, dass diese Nebentätigkeiten mehrheitlich Usus sind und sich in der Höhe des Honorars und in den Auftrittsmöglichkeiten nach der Prominenz des Politikers richten. Politiker wie Lafontaine, der alle seine Honorare spendet, sind rar. Schauen wir uns demgegenüber z.B. die Parteispenden der Familie Quandt an und wie kurz diese in der Tagespresse aufschlugen. Natürlich kassiert die Kanzlerin nicht das Geld und selbstverständlich ist auch sie Autokanzlerin wie Schröder, aber diese Spenden können und sollen helfen, der Kanzlerin und der Union, übertragen, dem plutokratischen Geist der Republik die Herrschaft zu sichern. Was den Profiten schadet, wie z.B. “equal pay” in der Leiharbeit, ist des Teufels. Und wer die Profite sichert, dem kann geholfen werden.
- Für Tagesspiegel sind auch unqualifizierteste Zwischenrufe Journalismus
Diejenigen, die Weidenfelds “Journalismus” kennen, wird es kaum überraschen, dass sie den Mindestlohn “falsch” findet. Ihre zynische “Begründung”:
“Wer sagt, dass würdige Arbeit erst da anfängt, wo sie ihren Mann oder ihre Frau ernährt, verkennt ein paar Dinge. Erstens übersieht er den Wert von Arbeit. Arbeit ist an sich würdig. Wer arbeitet, füllt sein Leben mit Sinn. Er arbeitet in gesellschaftlichen Bezügen, steht für die Arbeit regelmäßig auf, trifft Kollegen und Vorgesetzte. Arbeit ist für die meisten Erwachsenen im Land ein zentraler Ort des Austauschs, des Miteinanders, der Teilhabe.”
Wozu da Arbeit auch noch bezahlen (hallo Tagesspiegel, Einsparpotenzial, wir empfehlen eiligst ein Mitarbeitergespräch mit Ursula Weidenfeld!), wird sich der Weidenfeld-Kenner da sogleich fragen. Und tatsächlich trumpft Weidenfeld unmittelbar daran anknüpfend hiermit auf:
“Wenn Arbeit an sich würdig ist, dann ist sie auch dann würdig, wenn sie schlecht bezahlt wird.”
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
- Die nützliche Armut
Konferenz zur Armut heute: Begriffliche Bestimmung, Tiefenschau und Alternativen gegen die Fortführung eines nützlichen Zustands.
„Uns geht es doch gut“ – beruhigt die Kanzlerin mit Blick auf die grassierende Verelendung in anderen EU-Staaten. „Uns“ – das sind diejenigen in gut bezahlten und sicheren Beschäftigungsverhältnissen und die ohnehin reichen Gewinner der großen Umverteilung. Und die von allen etablierten Parteien getragene Agenda 2010 habe doch wirtschaftliche Erfolge gebracht, von denen letztlich alle profitieren würden: die Deregulierung der Arbeitswelt, die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme. Doch tatsächlich hat sich die Armut
verschärft, bei Arbeitslosen, Rentner/innen und Grundsicherungsbeziehenden genauso wie bei Arbeitnehmer/innen. Nicht nur ungelernte Arbeitnehmer/innen sind betroffen, sondern auch Facharbeiter/innen in der Leiharbeit, Dienstleister/innen und Akademiker/innen. Von der Armut bzw. Mittelkürzungen betroffen sind auch die „Armutsverwalter“ in staatlichen Behörden und Sozialleistungsträger, die ihrerseits bei ihren Aufträgen zu wenig zahlen…” Aufruf und Programm bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW zur Tagung/Konferenz am 23.11.2013 (ganztägig) an der Universität Wuppertal, Campus Freudenberg, Hörsaalzentrum, Wuppertal. Mit Prof. Dr. Heinz Sünker, Prof. Dr. Helga Spindler, Dr. Rudolf Martens, Prof. Dr. Michael Vester, Prof. Dr. Klaus Dörre, Prof. Dr. Stefan Selke, Gabriele Zimmer (MdEP), Michaela Hofmann, Martin Behrsing, Guido Grüner, Michael Bättig, Frank Jäger, Kathrin Hartmann, Wolfgang Storz.
Quelle: Rosa Luxemburg Stiftung NRW
- Sibille Merz: “Das politische wie soziale Klima in Großbritannien ist derzeitig eisig”
Ein Interview mit Sibille Merz über Austeritätspolitik, Ausgrenzung und die Krise in Großbritannien. Merz ist Promovendin am Goldsmiths College der University of London. Sie hat in dem Sammelband “Nation – Ausgrenzung – Krise. Kritische Perspektiven auf Europa”, der im Juni 2013 erschienen ist, einen Artikel zu dem Thema dieses Interviews verfasst.
Quelle: annotazioni