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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 25. Oktober 2013 um 9:09 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Merkels Handy
  2. Robert Misik: Euer Zynismus kotzt mich an! Und meiner auch!
  3. Symbolthemen
  4. Ein Hedge-Fund-Manager erklärt die Wirtschaft
  5. Wirbel um EU-Phantomstudie
  6. Weimar 2013?
  7. Irre Konjunkturberichterstattung auch im Handelsblatt
  8. Axel Troost: Die Europäische Union bläst zur Jagd auf Steuersünder
  9. Die Erfolge der Sparpolitik
  10. Why the 1% should pay tax at 80%
  11. Drei von vier Deutschen reicht das Einkommen nicht
  12. UNICEF: Benachteiligte Kinder stärken
  13. Schwarz-Rot-Gold-Karte soll Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver machen
  14. BILD-Zeitung hetzt gegen Lehrer-Streik in Berlin
  15. Spinelligruppe und Bertelsmann legen ein „Grundgesetz für die EU“ vor
  16. Ein zynisches Spiel
  17. Drohnen-Dokumente: CIA entlarvt Heuchelei Pakistans
  18. Frankreichs Klubs streiken wegen Reichensteuer
  19. Robert J. Shiller: Die Besten, Hellsten und am wenigsten Produktiven
  20. Bildungsmonitor mit blinden Flecken: Gerade das, was Sachsen draus lernen könnte, ist im neuen INSM-Ranking bestens versteckt
  21. Zu guter Letzt: Checks an Balances im neuen Bundestag

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Merkels Handy
    1. Willkommen im Cyber-War, Frau Merkel
      Wenn Millionen Bundesbürger mutmaßlich von den USA ausspioniert werden, dann verweigert Kanzlerin Merkel eine rigorose Aufklärung. Wenn ihr eigenes Handy angezapft wird, dann ist die Empörung groß. Kein Wunder, wir stecken mitten in einem weltweiten Kampf um Daten.
      Die EU-Botschaften wurden ausgespäht. Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan. Der ehemalige Staatspräsident Mexikos. Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff. Darüber hat sich die deutsche Politik fast gar nicht aufgeregt. Aber sie hätte sich fragen können: Wenn doch die alle, warum nicht auch wir? Und warum überhaupt?
      Ganz einfach: Es geht nicht in erster Linie um Terrorabwehr. Wir stecken mitten drin in einem Kampf um den Erhalt und die Vorherrschaft unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Systeme. In diesem Konflikt gilt mehr als je zuvor: Wissen ist Macht. Es ist eine wilde und meist geheime Jagd auf Billionen politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und militärischer Informationen, aus denen mithilfe perfektionierter Analysesoftware zukünftige Entwicklungen erkannt aber auch konkrete Handlungsoptionen für politisches und strategisches Handeln entwickelt werden.
      Im Zentrum steht dabei vor allem die Politik- und Wirtschaftsspionage. Und da ist so eine Bundeskanzlerin, die mehr oder weniger Europa leitet und in manchen Fragen auch mal gegen amerikanische Interessen argumentiert – von Konjunkturpaketen über Bankenkontrolle bis zur Ablehnung amerikanischer Militäreinsätze – für die NSA ein legitimes Ziel.
      Quelle: heute.de
    2. NSA soll 35 Staats- und Regierungschefs überwacht haben
      Die Kontaktdaten habe der Geheimdienst von einem Beamten einer anderen US-Behörde erhalten, wie Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden bewiesen.
      Aus dem vertraulichen Memo aus dem Jahr 2006 geht demnach hervor, dass die NSA die Beamten anderer Behörden dazu ermunterte, die Informationen ihrer Rollkarteien zu teilen. Zu diesen als “Kunden” bezeichneten Behörden zählten das Weiße Haus, das Pentagon und das Außenministerium. Ein Beamter übergab der NSA 200 Telefonnummern, darunter die von 35 internationalen Spitzenpolitikern, von denen aber keiner namentlich in den Dokumenten erwähnt wird. Für alle 35 wurde dem Bericht zufolge ein Monitoring-Programm aufgesetzt.
      Das Memo ist demnach Mitte der zweiten Amtsperiode des damaligen Präsidenten George W. Bush entstanden. Condoleezza Rice war damals Außenministerin, Donald Rumsfeld bekleidete das Amt des Verteidigungsministers.
      Quelle: SZ

      Siehe dazu auch den Bericht im Guardian: NSA monitored calls of 35 world leaders after US official handed over contacts
      At the daily briefing on Thursday, Carney again refused to answer repeated questions about whether the US had spied on Merkel’s calls in the past.
      Quelle: the guardian

    3. Spionageverdacht gegen US-Botschaft
      Der mutmaßliche Lauschangriff von US-Geheimdiensten gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist möglicherweise von der amerikanischen Botschaft in Berlin gesteuert worden. Dieser Verdacht soll sich, wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, aus Unterlagen des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden ergeben. Die Abhöraktion soll von einem US-Lauschposten namens Special Collection Service (SCS) betrieben worden sein. In einer einschlägigen Liste des zum US-Militär gehörenden Geheimdienstes National Security Agency (NSA) soll die Handynummer der deutschen Regierungschefin stehen. Aus der Unterlage, mit der Der Spiegel Ende vergangener Woche die Bundesregierung konfrontierte, ergibt sich nicht, über welchen Zeitraum Merkel abgehört worden sein soll.
      Die Bundesregierung leitete eine “umfangreiche Überprüfungen” aller bisherigen Aussagen der US-Regierung zu den Aktivitäten der NSA in Deutschland ein, wie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla in Berlin nach einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums sagte, das für Geheimdienstfragen zuständig ist. Der Vorsitzende des Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), forderte, die Vorgänge bis zurück in die Regierungszeit von Kanzler Gerhard Schröder zu prüfen. Pofalla sagte, Washington schließe zwar aus, dass Merkel jetzt und in der Zukunft abgehört wird, habe aber eine solche Versicherung für die Vergangenheit nicht abgegeben.
      Quelle: SZ

      Anmerkung WL: Jetzt kann Pofalla ja unbeschadet zugeben, dass er im August nur die halbe Wahrheit gesagt und damit eine Lüge verbreitet hat. Das interessiert aber offenbar nach der Wahl niemand mehr, schließlich hat er den Spähskandal aus dem Wahlkampf herausgehalten. Wie zum Dank darf Pofalla jetzt in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD als Koordinator der verschiedenen Arbeitsgruppen auftreten.

    4. Merkel zur Handy-Affäre: “Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht”
      Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den mutmaßlichen Spähangriff der US-Geheimdienste auf ihr Handy scharf verurteilt. “Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht”, sagte sie unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel. Das habe sie auch US-Präsident Barack Obama in einem Telefongespräch am Mittwoch deutlich gemacht. In der Beziehung befreundeter Staaten sei Vertrauen notwendig. “Nun muss Vertrauen wieder hergestellt werden”, sagte die Kanzlerin.
      Das Ausspähen unter Freunden sei gegenüber niemanden legitim. “Das gilt für jeden Bürger und jede Bürgerin in Deutschland. Dafür bin ich als Bundeskanzlerin auch verantwortlich, das durchzusetzen”, sagte Merkel.
      Auch im Bundespräsidialamt nimmt man die Angelegenheit äußert ernst. Die Sprecherin von Staatsoberhaupt Joachim Gauck sagte SPIEGEL ONLINE: “Der Bundespräsident ist sehr besorgt über die Berichte zu möglichen Abhöraktionen”. Gauck lasse sich über die Angelegenheit informieren, teilte sie mit, sein Staatssekretär David Gill habe am Nachmittag mit Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Roland Pofalla (CDU) telefoniert.
      Gaucks Sprecherin sagte weiter: “Auch wenn der Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist: Der Bundespräsident vertritt den Standpunkt, dass sich Abhöraktionen gegen hohe Repräsentanten eng befreundeter Nationen nicht rechtfertigen lassen.”
      Quelle: SPON

      Anmerkung JK: Albrecht Müller hat Recht, in welchem Irrenhaus leben wir eigentlich? Jetzt heißt es plötzlich: “Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht”. Wieso geht das jetzt plötzlich nicht, und vorher schon? Weil die Rechte der einzelnen Bürger, Merkel völlig Wurst sind? Und das aller Lächerlichste: “Auch im Bundespräsidialamt nimmt man die Angelegenheit äußert ernst.” Nochmals die Frage warum erst jetzt? Noch besser: “Der Bundespräsident vertritt den Standpunkt, dass sich Abhöraktionen gegen hohe Repräsentanten eng befreundeter Nationen nicht rechtfertigen lassen.” Der einzelnen Bürger darf aber ohne Probleme abgehört werden? Auch für den Freiheitskämpfer Gauck scheinen die Rechte und die Freiheit des einzelnen Bürger nicht viel wert zu sein. Auch wenn er gerne über diesen Begriff schwadroniert. Und hat er vor kurzem Edward Snowden nicht noch einen Verräter genannt hat? Das zeigt, dass der Begriff Freiheit für Gauck nur eine hohle Phrase für Sonntagsreden ist.

  2. Robert Misik: Euer Zynismus kotzt mich an! Und meiner auch!
    … Vorher hatten wir politische Parteien, die aus realen gesellschaftlichen Kämpfen hervorgegangen sind, und diese realen Kämpfe steckten ihnen noch in den Knochen. Berufspolitiker waren Leute, die vorher leidenschaftlich für etwas gekämpft haben, die für etwas gebrannt haben, und dann erst – man könnte sagen: zufällig – Berufspolitiker geworden sind. Parteien waren Parteien, die gegründet worden sind, um etwas zu erreichen, um ein Ziel zu erreichen, und dann kamen sie möglicherweise in eine Regierung, dann wurden sie Teil eines politischen Establishments, aber man nahm ihnen diese Ziele noch ab…
    Nicht erst in den siebziger und achtziger Jahren, natürlich schon vorher, aber vieles hat dann begonnen, sich zu einer neuen Qualität zu summieren. Das politische Feld begann sich selbst abzukapseln. Lebenswelten und politische Parteiungen verloren ihre Leidenschaft, und damit erlahmte auch die Gemeinsamkeit von Anhängerschaft und Parteiführung. Parteiführungen, Mandatare, wurden zu Spezialisten.
    Es etablierte sich ein politisches Feld mit seinen eigenen Spielregeln, mit seinen “Experten” und “Professionellen”. Nicht nur die Mitgliedschaft in den Parteien verlor an Bedeutung, Bürger und Bürgerinnen sind zu passiven Wählern reduziert, die gelegentlich ihre Stimme abgeben, und dazwischen sind die Spezialisten und Experten für das Politische am Zug.
    Je mehr sich das politische Feld professionalisiert und abkapselt, umso mehr haben die Professionellen die Tendenz, auf die Laien herabzusehen. Und das stimmt sogar, wenn die “Professionellen”, wie bei uns bisweilen, sich als unprofessionell erweisen…
    Bei aller Rivalität bilden die Berufspolitiker der unterschiedlichen Parteien aber doch die Gemeinschaft der Berufspolitiker, was bei den Laien – den Bürgern – wiederum den Argwohn nährt, dass eine Art grundsätzliche Komplizenschaft die Leute, die bei dem Spiel mitspielen, das man Politik nennt, miteinander verbindet, vor jeder Meinungsverschiedenheit…
    Auch die großen politischen Alternativen zwischen den Lagern werden zunehmend, nein, nicht bedeutungslos, aber sie verlieren doch ihren antagonistischen, gegensätzlichen Charakter. Das heißt, während sich also immer sichtbarer eine Kaste politischer Eliten herausbildet, die von den Bürgern irgendwie – “irgendwie” – als Gemeinsames gesehen wird, werden auch die Differenzen zwischen den Politikern geringer.
    Zugleich besteht eine neoliberale Hegemonie, die behauptet, die Politik könne ohnehin nichts tun, das Primat liege bei den Märkten, die Politik solle sich am besten raushalten. Das Beste, was die Politiker tun können, ist keinen Schaden anzurichten….
    Die Schwäche progressiver Parteien und Regierungen sowie die Unfähigkeit von Bewegungen und Aktivisten, gemeinsam mit Realismus, Elan und langem Atem Ziele zu verfolgen, sind korrespondierende Aspekte eines Problemzusammenhangs. Wer ernsthaft glaubt, das bunte Gewurle von Bewegungen, die heute entstehen und morgen verpuffen, wäre auch nur annähernd die Kraft, die eine völlig andere Konfiguration herbeiführt, muss sich der nicht auch fragen lassen: Wie, bitte schön, heißt der Planet, auf dem ihr lebt?
    Quelle: Gegenblende
  3. Symbolthemen
    Die große Koalition scheint ein reiner Hoffnungslauf zu werden. Die Hoffnung darauf, dass der Konjunkturmotor weiter auf Hochtouren läuft und sprudelnde Steuereinnahmen alle Milliardenvorhaben finanzieren. Solide ist das nicht.
    Was ist, wenn die Konjunktur einbricht oder neue Milliardenbelastungen für die Euro-Rettung auf den Staatshaushalt zukommen? Dann wird auch die große Koalition schnell nach Steuererhöhungen greifen, wahrscheinlich als erstes – wie 2005 – nach der unsozialsten Steuer, der Mehrwertsteuer.
    Die Symbolthemen verbauen eine solide und ausgewogene Finanzierung der zusätzlichen Staatsausgaben. Weil die SPD den gesetzlichen Mindestlohn für die Zustimmung ihrer Mitglieder zu brauchen glaubt, verzichtete sie vorschnell auf Steuererhöhungen. Natürlich sind sie keine Selbstzweck. Dies zu erklären war eine Binsenformel, um den Rückzug zu kaschieren.
    Eine moderate Erhöhung des Spitzensteuersatzes wäre nicht nur im Sinne des Gerechtigkeitsversprechens gewesen, sondern hätte auch eine Abflachung der kalten Progression finanzieren können, die gerade mittleren Einkommen Lohnerhöhungen immer mehr vergällt.
    Und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer auf nichtbetriebliche Geldanlagen ist schon lange überfällig. Und was wird ist aus der überfälligen Reform der Mehrwertsteuer? Von der Rückführung der Staatsschulden ist schon gar keine Rede mehr.
    Quelle: Sprengsatz
  4. Ein Hedge-Fund-Manager erklärt die Wirtschaft
    In einem halbstündigen Video erklärt der Gründer des weltweit grössten Hedge Funds die Mechanik der Wirtschaft auf eine Weise, dass es jeder versteht und auf eine Weise, wie es noch niemand getan hat.
    Ray Dalio, von dem das obige Video stammt, ist 64 Jahre alt und Gründer Bridgewater Associates. Dieser Hedge Fund verwaltet laut einem Artikel der «New York Times» rund 150 Milliarden Dollar. Das Vermögen von Dalio soll sich auf rund 13 Milliarden belaufen.
    Sein Motiv für das Video macht er gleich zu Beginn klar: Dalio glaubt, dass mit einem besseren und stärker verbreiteten Verständnis zur Funktionsweise der Wirtschaft viel Elend zu vermeiden wäre. Was er im Video erklärt, ist im Kern sein eigenes Verständnis der Abläufe, das ihm wärend mehr als 30 Jahren dienlich war und ihm auch geholfen hat, die Finanzkrise vorauszusehen und ihr aus dem Weg zu gehen. Nun fühlt er sich aus Verantwortungsbewusstsein verpflichtet, seinen unkonventionellen Zugang zu den Wirtschaftsabläufen öffentlich zu machen. Im Original:
    Quelle 1: Tagesanzeiger
    Quelle 2: How The Economic Machine Works by Ray Dalio, Ray Dalio via YouTube
  5. Wirbel um EU-Phantomstudie
    Die Ökonomen der EU-Kommission arbeiten im Regelfall abseits des Scheinwerferlichts, doch einer der Brüsseler Experten, Jan in ‘t Veld, ist über Nacht zur Berühmtheit geworden.
    Veld ist Autor einer Studie über die Sparmaßnahmen in der Eurozone. Am Montag sind seine Forschungsergebnisse auf der Website der EU-Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen veröffentlicht worden. Nach wenigen Stunden verschwand die Arbeit wieder von der Seite, ein Tweet mit dem entsprechenden Link wurde gelöscht. Nach Rückfragen tauchte das Papier wieder auf, aber im Raum steht nun der Verdacht, dass die Kommission unliebe Studien zu verbergen versucht. Veld übt nämlich ungewöhnlich scharfe Kritik an Deutschland und hinterfragt die Strategie der Kommission.
    Der Ökonom argumentiert in seinem Papier, dass die Rezession die Eurozone deshalb so hart erwischt hat, weil nicht nur Spanien, Griechenland und Portugal ihre Staatsausgaben kürzten, sondern auch die Staaten im Norden sparten. Besonders die Kürzungen in Deutschland hätten die Krise im Süden verschärft.
    Zudem will Veld zeigen, dass die Sparpolitik stärker aufs Wachstum drückt als angenommen: Die EU-Kommission geht in ihren Prognosen davon aus, dass jeder Euro, um den das Staatsdefizit gesenkt wird, die Wirtschaftskraft eines Landes um etwa 0,5 Euro schwächt. Bereits der IWF hat angemerkt, dass dieser Wert zu niedrig sein dürfte. Laut Velds Berechnungen ist der Wert weit höher, ein gesparter Euro senkt das Bruttoinlandsprodukt Italiens beispielsweiße um 90 Cent. Schließlich argumentiert der Ökonom, dass Deutschland auf die falsche Strategie gesetzt hat: Da die Bundesrepublik wegen der Kapitalflucht aus Südeuropa günstig an Kredite kam, hätte die Regierung in Berlin nicht sparen, sondern in Infrastrukturprojekte investieren müssen. Dasselbe gelte auch für Österreich, die Niederlande und Finnland.
    Nachdem die Studie am Montag online ging, schrieb die griechische Zeitung Kathimerini online einen Bericht. Noch vor dessen Erscheinen verschwand die Studie wieder.
    Quelle: der Standard

    Hier ist die Studie: Fiscal consolidations and spillovers in the Euro area periphery and core
    This paper uses a structural multi-country model to assess the impact of fiscal consolidation
    measures undertaken in 2011-13 in the EA periphery and core. The simulations assume ‘crisis’ conditions prevailing (high share of constrained households, ZLB). The GDP effects depend crucially on the composition of the consolidation and on how quickly expectations are affected.
    Expenditure-based consolidations have larger impact multipliers than revenue-based
    consolidations. Average multipliers for domestic fiscal shocks range from 0.5 and 1, depending on the degree of openness. But spillovers of fiscal consolidations are large, with both the demand channel and the competitiveness channel adding to the negative GDP effects. Higher risk premia add further to the negative GDP effects. Spillovers from consolidations in Germany and core EA have worsened the overall economic situation. A temporary fiscal stimulus in surplus countries can boost output and help reduce their current account surpluses. The improvement in current account deficits in the periphery is however small.
    Quelle: EU Kommission

  6. Weimar 2013?
    Die schlimmste Krise des Kapitalismus seit der Großen Depression der 1930er Jahre hat bittere Erinnerungen auf beiden Seiten des Atlantiks geweckt. Der Geist Franklin D. Roosevelts geht um in Barack Obamas USA. Historische Debatten darüber, ob FDRs „New Deal“ funktionierte, bilden nun einen wichtigen Teil der amerikanischen Diskussion über die aktuelle Geld- und Fiskalpolitik im Allgemeinen und die von der US-Notenbank verfolgte Politik der quantitativen Lockerung im Besonderen. In Europa, wo volkswirtschaftliches Scheitern einst zum Zusammenbruch der Demokratie selbst führte, fragen sich inzwischen viele Menschen, ob dies wieder passieren könnte. Einige erkennen einen weiteren Weimarer Moment, der an die Sparpolitik und steil ansteigende Arbeitslosigkeit erinnert, die Heinrich Brünings Deutschland charakterisierte und dazu beitrug, die Nazis an die Macht zu bringen. Auf den ersten Blick scheinen die Gründe, dieses Szenario zu verwerfen, überwältigend. Falls die Europäische Union Eines erreicht hat, so ist es, einen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland undenkbar zu machen. Der gesamte geopolitische Kontext ist daher heute sehr viel weniger bedrohlich als in den 1930er Jahren. Die heutigen Aufmärsche und Demonstrationen sind nur eine klägliche Erinnerung an jene Zeit, und den Parteien laufen überall die Mitglieder davon. Doch wäre es voreilig, daraus zu schließen, dass die Krise der Zwischenkriegszeit keine Lehren für uns bereithält – im Gegenteil. Die Stärke der Demokratie beruht nicht allein auf ihrem Wesen, sondern auch auf ihren Leistungen. Ihre Popularität kann schnell schwinden, wenn sie mit lähmendem, systemischem Versagen in Verbindung gebracht wird, sei es auf dem Schlachtfeld wie 1940 in Frankreich oder in den Chefetagen und Fabriken.
    Quelle: Project Syndicate
  7. Irre Konjunkturberichterstattung auch im Handelsblatt
    Heute ist im Handelsblatt das Folgende zu lesen: “Die Konjunkturerholung in der Euro-Zone hat im Oktober überraschend an Fahrt verloren.”…
    Erstens: Kann man ernsthaft von einer “Konjunkturerholung” sprechen, auch noch eine, die “Fahrt” hat, wenn die Eurozone nach sechs Quartalen sinkender Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 0,3 Prozent gewachsen ist (gegenüber dem Vorjahresquartal lag das Wachstum auch im zweiten Quartal mit 0,6% im Minus)? Natürlich nicht. Wenn das so ist, kann die Konjunktur aber auch nicht “an Fahrt verloren” haben.
    Zweitens: Gibt es irgendein Indiz dafür, dass die Fortsetzung der Stagnation/Rezession “überraschend” ist? Natürlich nicht. Alle Länder setzen auf staatliche Ausgabenkürzungen und Kürzungen bei Löhnen und Sozialleistungen bzw. ist, wie in Deutschland, keine Abkehr von den vorangegangen Kürzungen absehbar.

    EWU, Deutschland, Frankreich - Reales Wirtschaftswachstum

    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

  8. Axel Troost: Die Europäische Union bläst zur Jagd auf Steuersünder
    Schon 2009 begannen die USA damit, das Schweizer Bankgeheimnis zu knacken, nachdem der ehemalige UBS-Manager Bradley Birkenfeld über die Art Auskunft erteilte, wie sein Ex-Arbeitgeber US-Bürgern bei der Steuerflucht geholfen hatte. Die UBS erklärte sich in einem Vergleich nicht nur zu einer Zahlung von 780 Millionen US-Dollar bereit, sondern gab vor allem Datensätze von mehreren Tausend amerikanischen Kunden an US-Behörden heraus, um einer offiziellen Anklage zu entgehen.
    Auch sonst wurden die Schweizer Banken unter massiven Druck gesetzt. Die Wegelin-Bank, die sich Anfang 2013 als erste ausländische Bank in den USA der Beihilfe zur Steuerhinterziehung für schuldig erklärt hatte, stellte inzwischen ihr Geschäft sogar vollständig ein. Mehrere Schweizer Banken bieten US-Kunden ihre Dienste nicht mehr an, so zum Beispiel die Basler Kantonalbank. Im Rahmen eines Amnestieprogramms stellten sich darüber hinaus an die 40.000 Steuerflüchtlinge. Zudem wird derzeit in den USA gegen ein Dutzend Schweizer Banken ermittelt. Einer Vereinbarung der Schweizer- und der US-Behörden von Ende August 2013 zufolge können Banken, gegen die bislang noch keine strafrechtlichen Ermittlungen laufen, durch Zahlungen in Höhe von 20 bis 50 Prozent der «schwarzen» Anlagevermögen von US-Bürgern einer Verurteilung entgehen. Vor allem aber stimmte die Regierung einer Weitergabe von Kundendaten zu. Das Schweizer Bankgeheimnis ist damit einigermaßen gründlich durchlöchert…
    Wer sich wundert, warum europäische Staaten nicht in ähnlicher Form wie die USA gegen die Schweiz vorgehen, bekommt zu hören, die USA hätten es ja schließlich auch viel einfacher. Sie hätten einen gewaltigen Vorteil gegenüber allen anderen Staaten, weil das Land nicht nur einen großen Markt darstellt, sondern darüber hinaus die Nervenbahnen der Finanzmärkte wie Handels- und Informationssysteme in vielen Fällen über die USA laufen. Daher könne es sich keine Bank und keine Steueroase leisten, Widerstand zu leisten.
    Doch das ist keine Ausrede für Europa, nichts zu tun, denn auch hier laufen viele Zahlungsstränge zusammen, beispielsweise über die Gesellschaft Clearstream International S.A., die der Deutschen Börse gehört, und Target, das Abwicklungssystem der Europäischen Zentralbank. Deutschland geht unverständlicherweise sogar den entgegengesetzten Weg der USA: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf schlossen im August 2013 eine Vereinbarung, die den Schweizer Banken ab 2014 einen einfacheren Zugang zum deutschen Markt zusichert. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans kommentierte: «Der einfachere Zugang von Schweizer Banken zum deutschen Markt war unser Pfund, um die Schweiz zu kooperativem Verhalten zu bewegen. Mit der Vereinbarung hat die Bundesregierung ohne Not und ohne Entgegenkommen der Schweiz ein wichtiges Druckmittel aus der Hand gegeben. Das zeigt die wahre Haltung dieser Bundesregierung gegenüber organisierter Beihilfe zur Steuerhinterziehung.»
    Quelle: Axel Troost dort zum Download
  9. Die Erfolge der Sparpolitik
    Die vermeintlich alternativlose Sparpolitik hat zu schrumpfender Wirtschaftsleistung und steigenden Schuldenquoten geführt, was die Schulddienstfähigkeit der Staaten verschlechtert hat, wodurch die Investoren wiederum das Vertrauen in diese Länder verloren haben. Die Sparpolitik muss daher in jeder Hinsicht als gescheitert betrachtet werden.
    Quelle: WirtschaftsWunder
  10. Why the 1% should pay tax at 80%
    The Reagan-Thatcher revolution changed society’s beliefs about taxes. If we want economic growth shared fairly, we must rethink
    In the United States, the share of total pre-tax income accruing to the top 1% has more than doubled, from less than 10% in the 1970s to over 20% today (pdf). A similar pattern is true of other English-speaking countries. Contrary to the widely-held view, however, globalisation and new technologies are not to blame. Other OECD countries, such as those in continental Europe, or Japan have seen far less concentration of income among the mega rich.
    At the same time, top income tax rates on upper income earners have declined significantly since the 1970s in many OECD countries – again, particularly in English-speaking ones. For example, top marginal income tax rates in the United States or the United Kingdom were above 70% in the 1970s, before the Reagan and Thatcher revolutions drastically cut them by 40 percentage points within a decade.
    At a time when most OECD countries face large deficits and debt burdens, a crucial public policy question is whether governments should tax high earners more. The potential tax revenue at stake is now very large.
    For example, doubling the average US individual income tax rate on the top 1% income earners from the current 22.5% level to 45% would increase tax revenue by 2.7% of GDP per year – as much as letting all of the Bush tax cuts expire (only a small fraction of them lapsed in January 2013). But of course, this simple calculation is static: such a large increase in taxes may well affect the economic behaviour of the rich and the income they report pre-tax, the broader economy and, ultimately, the tax revenue generated. In recent research, we analyse this issue both conceptually and empirically using international evidence on top incomes and top tax rates since the 1970s.
    Quelle: The Guardian
  11. Drei von vier Deutschen reicht das Einkommen nicht
    Umfrage von Comdirect: Weil das Monatsgehalt nicht ausreicht, verzichten viele Deutsche auf Urlaub oder verkaufen Dinge, um ihre Haushaltskasse aufzufüllen. Jeder Achte versucht es mit Lottospielen.
    Drei Viertel der Deutschen sind mit ihrem Einkommen unzufrieden: Sie halten es für zu gering, um alle laufenden Ausgaben zu decken oder sich Wünsche zu erfüllen. Das ergab eine Umfrage der Onlinebank Comdirect, die mehrheitlich zur Commerzbank gehört. Befragt worden seien 2000 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger. Es handele sich nicht um Kunden der Bank.
    Demnach sagen nur 25 Prozent der Deutschen, dass ihr aktuelles Monatsgehalt ausreicht. Die anderen sorgen auf unterschiedlichen Wegen für mehr Geld im Portemonnaie. Am beliebtesten ist es, beim Einkauf zu sparen und auf Sonderangebote und Rabatte zu achten. Das tun 53 Prozent der Befragten.
    33 Prozent verzichten auf einen Urlaub, um mit ihrem Geld auszukommen. Fast genauso viele (30 Prozent) verkaufen Dinge, die sie nicht mehr brauchen, um die Haushaltskasse aufzubessern.
    Quelle: WELT
  12. UNICEF: Benachteiligte Kinder stärken
    UNICEF Deutschland ruft Bund, Länder und Gemeinden dazu auf, alle Kräfte zu bündeln, um verfestigte Armutssituationen bei Kindern zu verhindern. Benachteiligte Kinder und Jugendliche brauchen frühzeitigere und umfassendere Unterstützung. Eine Längsschnittanalyse für den UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2013 ergab, dass zwischen 2000 und 2010 rund 8,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen langjährige Armutserfahrungen gemacht haben. Die meisten von ihnen (6,9 Prozent) lebten zwischen 7 und 11 Jahre lang in einem Haushalt, der mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens auskommen musste. 1,7 Prozent aller Heranwachsenden wuchsen sogar 12 bis 17 Jahre unter diesen schwierigen Bedingungen auf. Auf die heutige Situation bezogen wären demnach insgesamt rund 1,1 Millionen Heranwachsende einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend relativer Armut ausgesetzt…
    „Wir müssen die am stärksten benachteiligten Kinder frühzeitiger und umfassender unterstützen“, erklärte Prof. Dr. Hans Bertram, Herausgeber des UNICEF-Berichts, der heute in Berlin vorgestellt wurde. „Der Ausbau von Krippen, Kitas und Ganztagsschulen allein reicht nicht aus, um das Wohlbefinden und die Teilhabe dieser Kinder zu sichern.“…
    Armutserfahrungen haben demnach stark negative Auswirkungen auf Kinder, wenn sie mindestens ein Drittel der Kindheit andauern. Je länger und je öfter Kinder Phasen von relativer Armut durchleben, desto negativer sind die Folgen nicht nur für die materielle Situation. Wer als Kind dauerhaft unterhalb der Armutsgrenze leben muss, ist als Erwachsener deutlich unzufriedener mit seinem Leben. Gelernte Hoffnungslosigkeit macht es schwer, Herausforderungen im weiteren Leben zu meistern.
    Besonders schwierig ist die Situation von Kindern alleinerziehender Eltern. Sie haben zum Beispiel bereits am Ende der vierten Klasse einen Leistungsrückstand in Mathematik und Naturwissenschaften von einem halben Lernjahr auf ihre Altersgenossen. Die Ursache liegt jedoch nicht in der Familienform, sondern in den sozialen und ökonomischen Problemen vieler alleinerziehender Eltern…
    „Schwierige“ Lebensverhältnisse sind auch Hauptursache für gewalttätiges Verhalten: schlagende Eltern, Gewaltmedienkonsum, gewaltakzeptierende Männlichkeitsnormen und das Zusammentreffen vieler Heranwachsender mit solchen Erfahrungen in bestimmten Schulen oder Stadtteilen.
    Quelle: UNICEF
  13. Schwarz-Rot-Gold-Karte soll Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver machen
    Das Qualifikationsniveau der Einwanderer nach Deutschland ist stetig gestiegen. 43 Prozent der Neuzuwanderer zwischen 15 und 65 Jahren brachten im Jahr 2009 einen Hochschul-, Meister- oder Technikerabschluss mit. Das ist nicht nur ein fast doppelt so hoher Anteil wie noch im Jahr 2000 (23 Prozent), sondern sogar mehr als in der deutschen Bevölkerung. Zeitgleich stieg der Anteil der Studenten unter den Neuzuwanderern von 14 auf 23 Prozent. “Die Struktur der Einwanderung nach Deutschland hat sich verändert”, schreibt Professor Brücker.
    Diese Entwicklung sei jedoch nur in geringem Maße beeinflusst durch deutsche Einwanderungspolitik, die die Brücker-Studie als vornehmlich reaktiv kennzeichnet: Einwanderung nach Deutschland sei in der Vergangenheit “in der Regel durch politische Großereignisse wie den Fall des Eisernen Vorhangs oder die Bürgerkriege im früheren Jugoslawien ausgelöst” worden. Nun führen die EU-Osterweiterung und die Wirtschaftskrise in Südeuropa zu massiver Arbeitsmigration nach Deutschland. “Der Anstieg der Einwanderung seit 2007 ist zu 71 Prozent auf die Verschlechterung der ökonomischen Bedingungen in anderen Ländern zurückzuführen”, sagte Brücker.
    Quelle: Bertelsmann Stiftung

    Anmerkung WL: Man könnte auch die Überschrift wählen: Bertelsmann fordert Reservearmee an hochqualifizierten Arbeitskräfte aus dem Ausland.

  14. BILD-Zeitung hetzt gegen Lehrer-Streik in Berlin
    Tenor des Propaganda-Beitrags von Bild-Schreiber H. Bruns: Lehrer machen blau und träumen von Beamtengeldern und sicheren Jobs bis ins hohe Alter. Es geht tatsächlich um einen Tarifvertrag, der Lohndrückerei bei Neueinstellungen verhindern (ca. 1.000,- EUR weniger) und altersgerechte Arbeitsbedingungen sichern soll. Dabei ein durchsichtiges Spiel mit Zahlen: Bild zählt 15 Streiks durch Lehrer in diesem Jahr – tatsächlich berichtet die GEW von drei Streiktagen im laufenden Schuljahr und 15 Maßnahmen seit Dezember 2012. Es ist aber nur ein Arbeitskampf.
    Quelle: arbeitsunrecht.de

    Dazu: Akte Problemschüler
    Mobbing, körperliche Gewalt, Sachbeschädigung: Mancher Schüler von Catrin Kurtz kommt schon mit einer zentimeterdicken Akte von der Grundschule. Wie sie mit verhaltensauffälligen Schülern umgeht – und warum sie manchmal an der Gesellschaft zweifelt.
    Quelle: Süddeutsche

  15. Spinelligruppe und Bertelsmann legen ein „Grundgesetz für die EU“ vor
    This proposal for a Fundamental Law of the European Union is a comprehensive revision of the Treaty of Lisbon (2007). Replacing the existing treaties, it takes a major step towards a federal union. It turns the European Commission into a democratic constitutional government, keeping to the method built by Jean Monnet in which the Commission drafts laws which are then enacted jointly by the Council, representing the states, and the European Parliament, representing the citizens. All the reforms proposed are aimed at strengthening the capacity of the EU to act. The Union reformed along the lines established in the Fundamental Law will be more efficient and effective, more transparent and accountable. The Spinelli Group of MEPs recommends the Fundamental Law for consideration by the Convention which will soon be called upon to amend the EU treaties.
    Quelle: Bertelsmann Stiftung [PDF – 1.4 MB]

    Anmerkung WL: Über die Spinelligruppe siehe hier und hier. Nach diesem „Fundamental Law“ soll die Kommission zu einer echten EU-Regierung aufgewertet werden, die Mitgliedstaaten sollen auf den Feldern von Steuern, Wirtschaft oder Arbeitsmarkt ihr Veto-Recht verlieren. Die Eurozone soll ein eigenes Budget und ein Recht zur Steuererhebung erhalten.
    Nichts gegen ein föderales und demokratischeres Europa, aber Europa braucht nicht nur eine Wirtschaftsregierung, die einen neoliberalen Wirtschaftskurs durchsetzt.

  16. Ein zynisches Spiel
    Ende November soll endlich die lange geplante Syrienkonferenz stattfinden. Russen und Amerikaner wollen ihre jeweiligen Klienten zu einem Kompromiss zwingen, mit dem wenigstens die Auseinandersetzungen beendet werden können, bevor man dann über die Zukunft Syriens verhandeln kann. Aber es sieht nicht gut aus für das sogenannte Genf II. Assad, der zunächst Bereitschaft signalisiert hatte, hochrangige Vertreter zu schicken, sendet seit Tagen wieder andere Signale. Er wähnt sich militärisch im Vorteil und will sich sogar 2014 nochmals zum Präsidenten wählen lassen. Die Anti-Assad-Kräfte indes sind mittlerweile völlig zersplittert. In dieser Situation wäre es für Obama wichtig, dass die türkische Regierung ihren Einfluss auf die syrische Opposition geltend macht und dafür sorgt, dass eine ernst zu nehmende Delegation nach Genf fährt. Aber die Türkei verfolgt andere Pläne. Sie will nicht mit Assad reden und unterstützt lieber den von ihr protegierten Teil der Opposition in seinem Widerstand gegen Genf. Schlimmer noch, im Gegensatz zu seinen Beteuerungen, die mit al-Qaida liierten Islamisten nicht mehr zu unterstützen, sorgt der türkische Geheimdienst nach Erkenntnissen der USA dafür, dass die Al-Nusra-Front und andere weiter mit Waffen und Nachschub versorgt werden. – Der türkische Ministerpräsident Erdogan ruiniert damit nicht nur sein Verhältnis zu den USA, er riskiert auch den Friedensprozess mit den Kurden im eigenen Land. Denn die islamischen Fundis bekämpfen in Syrien vor allem die dort vorwiegend im Norden lebenden Kurden. Erdogan hofft so, eine kurdische autonome Zone in Syrien verhindern zu können – ein zynisches Spiel mit dem Feuer.
    Quelle: taz

    Dazu: Falsches Spiel in Syrien
    Quelle: taz

  17. Drohnen-Dokumente: CIA entlarvt Heuchelei Pakistans
    Die Klagen Pakistans über amerikanische Drohnenangriffe auf Ziele in Pakistan, wie sie soeben auf höchster Ebene Premierminister Nawaz Sharif gegenüber Präsident Obama wiederholt hat, werden in Washington auf undiplomatischem Weg über die Medien beantwortet. Die «Washington Post» berichtet in ihrer neuesten Ausgabe über streng geheime CIA-Dokumente, die offenbar belegen, dass hohe pakistanische Stellen regelmässig und detailliert über die Drohnenangriffe informiert wurden.
    Der amerikanische Geheimdienst CIA lieferte demnach Karten und Fotos von getroffenen Zielen. Die Zeitung berichtet, die ihr vorliegenden Dokumente gäben Aufschluss über 65 Drohnenangriffe in den Jahren 2007 bis 2011; sie seien speziell zur Weiterleitung an pakistanische Stellen gekennzeichnet. Bei 63 dieser Angriffe würden Kaida-Leute namentlich als Ziel genannt. Mehrere Dokumente belegen zudem laut «Washington Post», dass Ziele vom pakistanischen Geheimdienst ISI selbst oder von CIA und ISI gemeinsam ausgewählt wurden.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Titel ist irreführend. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass die CIA diese Dokumente lanciert hat. Die USA würden doch nicht einen im Kampf gegen den Terror verbündeten Staat bloßstellen. Und was Pakistan betrifft, so kann sich doch jeder einigermaßen informierte Zeitungsleser denken, dass die Klagen der pakistanischen Regierungen an zunehmend antiwestliche, islamistische Bürger in Pakistan gerichtet sind. Ähnliches ist bereits den bei WikiLeaks veröffentlichten US-Botschaftsdepeschen zu entnehmen oder auch dem Buch des “New York Times”-Journalisten Mark Mazzetti (Killing Business. Der geheime Krieg der CIA). – Nach außen etwas sagen, was intern ganz anders läuft: Das ist so alt wie die Menschheit. Erinnert ein wenig an Henry Kissinger, der 1976 den Bundesgenossen Pinochet informierte, er werde die Menschenrechte bei der bevorstehenden Konferenz der amerikanischen Staaten pro forma ansprechen müssen.

  18. Frankreichs Klubs streiken wegen Reichensteuer
    Die geplante Reichensteuer der sozialistischen Regierung treibt die französischen Profifußball-Klubs in den Streik. Ein Spieltag fällt aus. Ausgerechnet der schwerreiche AS Monaco ist nicht betroffen.
    Quellt: Welt

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Wo bleibt der Aufschrei der üblichen Verdächtigen? Bei jedem Streik von normalen Arbeitnehmern, die für ihre Interessen eintreten und einen gerechten Anteil am Unternehmensergebnis haben wollen, kommt direkt ein mediales Kommentatorenfeuer. Regelmäßig wiederkehrende Schlagworte sind “nicht zeitgemäß”, “nicht verantwortungsbewusst”, “nicht in die heutige Zeit passend” etc. – hier wären viele dieser Kommentare auch zum ersten Mal passend. Haben die zum großen Teil sehr gut verdienenden Fußballspieler nicht in den letzten Jahren komplett vergessen, das ihre Lohnentwicklung komplett gegensätzlich zu der ihrer Fans und Zuschauer erfolgte, die auch noch dank Trikotkauf, Eintrittskarten und mehr Teile ihres Gehalts refinanzieren. Wo ist die finanzielle Verantwortung der Einkommensmillionäre aus der renditehungrigen Fußballwelt? Vor allem aber: Wo ist die öffentliche Meinung, wo die kritischen Medien, die sonst immer jeden (oftmals berechtigten und nachvollziehbaren) Streik von unteren und mittleren Einkommensschichten in Grund und Boden schreiben?

  19. Robert J. Shiller: Die Besten, Hellsten und am wenigsten Produktiven
    Bei einer Untersuchung von US-Eliteuniversitäten fand Catherine Rampell heraus, dass 2006, direkt vor der Finanzkrise, 25% der Abgänger der Harvard University, 24% derjenigen von Yale und sogar 46% der von Princeton ihre Karrieren im Finanzdienstleistungssektor begannen. Diese Prozentsätze sind seitdem etwas zurückgegangen, aber dabei könnte es sich um einen vorübergehenden Effekt der Krise handeln. Einer Studie von Thomas Philippon und Ariell Reshef zufolge fand ein Großteil der Steigerung der Finanzaktivitäten in den spekulativeren Bereichen statt, was auf Kosten des traditionellen Finanzwesens ging. Zwischen 1950 und 2006 ging die Kreditvermittlung (Kreditvergabe einschließlich des traditionellen Bankwesens) relativ zum „sonstigen Finanzwesen“ (darunter Handel mit Wertpapieren oder Rohstoffen, Wagniskapital, Private Equity, Hedgefonds, Trusts und andere Investitionsaktivitäten wie das Investment-Banking) zurück. Darüber hinaus stiegen die Löhne bei den „sonstigen Finanzen“ im Vergleich zur Kreditvermittlung stark an. Wie Ökonomen aber zu Recht betonen, leisten Händler und Spekulanten nützliche Dienste.
    Quelle: Project Syndicate

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht wenigen Mitbürgern klingen die letzten beiden Sätze sicherlich zu gemäßigt, aber der Nobelpreisträger, der diesen Text vor seiner Preisverleihung geschrieben hat, gibt mit dem Titel eine klare Wertung ab: Was die Besten und Hellsten da veranstalten, gehört abgestellt, weil unproduktiv und, wie im Verlauf konstatiert, für den Rest der Menschheit meist kostenverursachend. Den Link zum Aufsatz von Patrick Bolton, Tano Santos und José Scheinkman finden Sie im Artikel von Shiller, den ersten Entwurf von Boltons “The Good Banker” hier [PDF – 145 KB]. – Neben seinen Aussagen zu den Ineffizienzen der Finanzmärkte findet sich in einem früheren Interview mit der SZ auch eine Aussage zu den Ineffizienzen wirtschaftswissenschaftlicher Forschung an den Universitäten:
    Shiller: Wir haben dem Kapitalismus zu viel zugetraut. Deshalb sind Regulierungsbehörden nachlässig geworden, das hat zu Spekulationsblasen geführt. Alan Greenspan und sogar Ben Bernanke glaubten, dass Finanzmärkte effizient sind und klüger als jedes Individuum.
    SZ: Ist die Theorie der effizienten Kapitalmärkte gescheitert?
    Shiller: Ich habe diese Theorie bereits 1984 als “den größten Irrtum in der Geschichte ökonomischen Denkens” bezeichnet. Sie hat mit zu den Problemen geführt, die wir heute haben. Märkte sind nicht klüger als jeder Einzelne von uns. Die meisten Kursbewegungen sind bedeutungslos, sie haben nichts mit relevanten Informationen zu tun, sondern nur mit Moden und Verrücktheiten. Trotzdem war die Theorie irgendwann so sehr akzeptiert, dass man kaum einen Lehrstuhl bekam, wenn man nicht daran glaubte.
    Die erfahrungsgesättigte Aussage eines Insiders des Wissenschaftsbetriebes bestätigt die alte schreckliche These Thomas S. Kuhns, die dieser sogar auf die exakten Naturwissenschaften bezog: Wissenschaftliche Theorien werden nicht empirisch widerlegt. Sie werden erst durch neue Theorien verdrängt, wenn die Anhänger der alten Theorien allmählich aussterben. Nicht anders ist die gleichzeitige Nobelpreisverleihung an den Antipoden Shillers Eugene Fama zu verstehen. Dessen zum Dogma erhobene These effizienter Kapitalmärkte ist spätestens seit der globalen Finanzmarktkrise des Jahres 2007 empirisch als widerlegt anzusehen. Die Nominierung zur Preisverleihung, vor allem aber die zunehmende Relativierung, ja Gegnerschaft zur Regulierung der Finanzmärkte kann nicht durch die von Shiller genannte Vorsicht erklärt werden, sondern nur durch die im Hochschulsystem überlebenden Anhänger der Effizienzmarkthypothese, die nicht gewillt sind etwas über Bord zu werfen, dem sie eine großen Teil ihres Wissenschaftlerlebens anhingen. Und sie werden natürlich bei der Auswahl ihrer Assistenten wie auch in den Berufungsgremien zur Besetzung freiwerdender Stellen auf dieselbe Glaubensausrichtung achten …. usw.

  20. Bildungsmonitor mit blinden Flecken: Gerade das, was Sachsen draus lernen könnte, ist im neuen INSM-Ranking bestens versteckt
    Es ging wieder ganz flott. Kaum meldete die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) am Dienstag, 22. Oktober: “Bildungsmonitor 2013 Sachsen bleibt vorn, Hamburg und Bayern machen die größten Sprünge”, kam das Hosianna aus dem Sächsischen Kultusministerium. Was sind wir toll! – “Der wiederholte Erfolg ist nur durch deutliche Fortschritte gegenüber dem Vorjahr erzielt worden. Daran müssen wir beharrlich weiterarbeiten“, verkündete Kultusministerin Brunhild Kurth.
    Quelle: Leipziger Internet Zeitung
  21. Zu guter Letzt: Checks an Balances im neuen Bundestag

    Checks an Balances im neuen Bundestag

    Quelle: Stuttmann Karikaturen


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