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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 24. Oktober 2013 um 9:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Die Dementis folgen immer der gleichen Methode: Man spricht über nicht vorgenommene Überwachung in der Gegenwart und Zukunft und schweigt über die Vergangenheit. Wie sagte doch der Geheimdienstkoordinator und Chef des Kanzleramtes Pofalla vor der Wahl: Der Überwachungsskandal sei „vom Tisch“. „Pofalla rettet sich über die Zeit – Die Taktik des nichts dementierenden Dementis“. Und er erklärte weiter „Es gibt in Deutschland keine millionenfache Ausspähung“. Die Kanzlerin griff allerdings erst zum Telefonhörer, als der Verdacht aufkam, dass sie selbst ausgespäht wurde. Wenn Hinz und Kunz abgehört werden, ist das ja auch nicht so wichtig.
dazu: Paper by EU Economist Backs Austerity’s Critics
Coordinated austerity in euro-area countries has stifled economic recovery and deepened the crisis across the currency bloc, according to a new technical paper prepared by an economist at the European Commission.
Spending cuts in Germany in particular have made things worse for the weaker members of the euro area through “spillovers” – the economic impact on economies connected to Germany’s– the paper says, adding that limited stimulus programs in richer countries could help the whole of the currency bloc.
The paper, which doesn’t necessarily represent the views of the powers-that-be at the Commission, presents some inconvenient conclusions for European authorities from one of their own economists. The European Union and national governments have come under fire from outside economists for pursuing austerity across the euro zone. These critics have argued that Germany in particular should be running bigger deficits to help drag the bloc’s weaker members out of their slumps.
Quelle: Wall Street Journal
dazu: Households and NPISH gross disposadbe income and final consumption expenditure growth
Quelle: HELLENIC STATISTICAL AUTHORITY [PDF – 112 KB]
Anmerkung Orlando Pascheit: Sollte es der EU-Kommission entgangen sein, dass florierende Unternehmen keinen Zugang zu den Finanzmärkten brauchen um zu investieren, wenn die verfügbaren Einkommen und parallel dazu der Konsum seit dem 2.Quartal 2010 nur noch geschrumpft sind. Im Gegenteil, logischerweise müssen soviel Unternehmen aus dem Markt fallen, bis die verbleibende Anzahl mit der geschrumpften Güternachfrage überleben kann. Die Forderung der Kommission, “Strukturreformen” konsequent umzusetzen, wirken ein wenig so, wie dem im Sumpf Steckenden zu empfehlen, sich zuerst die Haare schneiden zu lassen, um sich dann besser am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen zu können. Es ist doch jedem Laien klar, dass z.B. eine Reform des griechischen Staatsapparates nur ein Langzeitprojekt sein kann. Für wie dumm wollen uns diese Leute verkaufen, in dem sie Forderungen in den Raum stellen, deren Realisierung über ein Jahrzehnt dauert? Weiss man hierzulande nicht, wie viel Zeit z.B. die Ausbildung und die anschliessende Einarbeitung eines Steuerfahnders dauert? Besonders zynisch ist der makabre Hinweis auf die bisherigen Opfer des griechischen Volkes, die wohl nur durch weitere Opfer zum Erfolg führten. Wie lange wird es noch dauern, bis erkannt wird, diese Austeritätsrezepte untauglich waren und sind? Bis der Patient tot ist? Eigentlich müsste doch die Beschäftigung in der neoklassischen Gedankenwelt des deutschen, europäischen Mainstreamökonomie bei einem derartigen Rückgang der Lohnkosten seit der Krise so richtig angestiegen sein. Die griechische Außenwirtschaft müsste boomen bei dieser unerhörten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit!
Quelle: HELLENIC STATISTICAL AUTHORITY
Anmerkung WL: Zur Erläuterung siehe „Austeritätspolitik in Griechenland: Ökonomische Verwüstung statt eines exportgetragenen Wachstums“.
Anmerkung WL: Die Strafe dafür, dass JP Morgan in irreführender und betrügerischer Weise enorme Mengen an Hypothekenpapieren an andere Banken, Versicherungen und Privatanlager verkauft hat – Papiere, die sich nach dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase als völlig wertlos herausstellten – ist also steuerabzugsfähig.
Quelle: FuW
Anmerkung Orlando Pascheit: Darf man fragen, warum Italien als nächster Krisenkandidat diskutiert wird, dessen Staatsanleihen nur zu 30 Prozent in ausländischer Hand sind?
Anmerkung WL: Auch in der aktuellen Ausgabe der Kontext:Wochenzeitung finden sich wieder eine Reihe interessanter Beiträgen, u.a.:
Morgen im Kiosk und am Samstag als Beilage zur taz.
Anmerkung GL: Alle Programme von Reagan über Clinton und Bush zu Obama, die angeblich die Bildung armer Kinder verbessern sollten, haben sich als teure Fehlschläge erwiesen: Bildungsgutscheine, Vertragsschulen (Charter Schools), Leistungsbezogene Lehrerentlohnung, Testwahn etc. Aber all diese Programm sind offenbar für die Superreichen in den USA immer noch billiger als Programme, die der Bevölkerungen wirklich helfen würden: eine gerechtere Entlohnung, öffentliche Investitionen (Verkehrsmittel, Gleise, Brücken und Straßen, Schulgebäude etc.) und Abbau der Spionage- und Rüstungsausgaben.
Damit sich daran nichts ändert, geben die Superreichen viel Geld aus: Viel Geld geht an willfährige Abgeordnete und Parteigruppen wie die Teaparty, sowie an Stiftungen, die dafür sorgen, dass der Unterricht in den Schulen völlig den Vorgaben der Testindustrie unterworfen wird.
Aber natürlich ist das nicht nur das Geld der Superreichen. Durch Steuersubventionen für diese Stiftungen muss auch die Mittelschicht für diese Politik bezahlen. Durch hohe Kriminalität, schlechte Ernährung, Bildung und Gesundheitsversorgung müssen alle Bürger dafür bezahlen.
Quelle: intern.ARD.de
Anmerkung WL: Der Mediendienst MEEDIA empört sich vor allem darüber dass sich die ARD ihre Klangkörper (Orchester, Chöre oder z.B. die WDR-Big-Band) 170 Millionen Euro kosten lässt. Dass diese Klangkörper einen hohen Stellenwert für die musikalische Kulturlandschaft in Deutschland und damit für die Allgemeinheit haben, bleibt dabei leider völlig unberücksichtigt. Ja, auch das gehört zum „Kulturauftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aufregung über die teuren Übertragungsrechte für Fußball wären angemessener gewesen.
Kürzlich las ich in einem Interview von tagesschau.de mit dem Bremer Politologen Lothar Probst folgende Aussagen:
“Lothar Probst: Die verpasste Chance liegt nicht in den gescheiterten Sondierungsgesprächen, die ja sehr konstruktiv waren, sondern in einem falschen Wahlkampfkonzept, mit dem die Grünen bürgerliche Wähler vergrault haben. (…)
Die Botschaft des Wahlergebnisses ist, dass man bürgerliche Wähler verliert, wenn man zu weit nach links rückt.”
Mir ist auch die Bezeichnung der letzten CDU/CSU-FDP-Regierung als “bürgerliche Koalition” oder “bürgerliches Lager” noch gut in Erinnerung.
Da ich weder Mitglied noch Wähler der CDU, CSU oder FDP bin, muss ich mich fragen, was ich denn eigentlich bin, wenn ich nicht “bürgerlich” bin und was das Adjektiv “bürgerlich” im politischen Wortschatz denn nun bedeutet.
Wenn ich denn nicht “bürgerlich” bin, darf ich dann die “Bürger”sprechstunde des “Bürger”meisters, der womöglich auch nicht “bürgerlich” ist, besuchen, einer “Bürger”initiative beitreten, an einem “Bürger”fest teilnehmen und daselbst vielleicht gut”bürgerliches” Essen genießen?
Die Franzosen kennen zwei Wörter für das Nomen “Bürger”, einmal den “bourgeois”, laut Duden “Mitglied der Bourgeoisie, Mittelständler, Patrizier”, und den “citoyen”, der nach Wirtschaftslexikon.co ein “politisch emanzipierter, aktiver Staatsbürger” ist.
Da wir in Deutschland alle ein allgemeines, gleiches und freies Wahlrecht haben, sind wir folglich auch alle Staatsbürger im Sinne des “citoyen”. Nur scheint es in der veröffentlichten Meinung und sogar in der so genannten Wissenschaft “bürgerliche” und nicht-bürgerliche Staatsbürger zu geben.
Um dies zu erklären, taugt auch der Begriff “bourgeois” nicht, denn in der CDU und in der CSU gibt es auch viele Mitglieder, die nicht Besitzbürger, Mittelständler und Patrizier sind. Bei der FDP mag das anders sein, dies ist hier allerdings nicht von Bedeutung.
Es bleibt festzuhalten: Die Bedeutung des Wortes “bürgerlich” in seiner politischen Verwendung lässt sich sprachlich und semantisch nicht sinnvoll erklären. Fragt man allerdings nach der politischen und ideologischen Absicht derer, die diesen Begriff wie der Politologe Probst und unzählige Journalistinnen und Journalisten bestenfalls ahnungslos immer wieder verwenden, so ist die Sachlage klar. Alle, die irgendwie “links” von CDU/CSU und FDP stehen oder vermeintlich zu stehen scheinen, also SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Linke wie auch ihre Wählerschaft, sind nicht “bürgerlich”, gehören also eigentlich nicht zu unserem Gemeinwesen dazu, sind also bestenfalls Staatsbürger zweiter Klasse, mit denen kein “bürgerlicher” Deutscher etwas zu tun haben möchte und sollte.
In früheren Zeiten wurden sie “vaterlandslose Gesellen” genannt, doch diese Bezeichnung scheint den Propagandisten der Bürgerlichkeit wohl aus historischen Gründen nicht mehr opportun.
Erstaunlich ist nur, dass die nicht-“bürgerlichen” Parteien und Wählerschaften diese sprachliche Abqualifizierung und Meinungsmache schicksalhaft hinnehmen, statt in Talkshows, Interviews, Leserbriefen usw. lautstark und penetrant immer wieder dagegen zu protestieren.
Womöglich hat sich die sprachliche Manipulation schon zu sehr in ihren Köpfen einge”bürgert”!
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