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Titel: „Krieg ist ein Bumerang“ – Jürgen Todenhöfer fordert erneut eine Kurskorrektur
Datum: 21. Oktober 2013 um 13:07 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Friedenspolitik
Verantwortlich: Albrecht Müller
Deutschland könnte in Syrien als „ehrlicher Makler“ eine wichtige Rolle spielen. Syrien ist nicht das einzige Land, das in der jüngeren Vergangenheit den Wunsch nach deutscher Vermittlung ausgesprochen hat. Diese Rolle würde unserer gewachsenen Bedeutung in der Welt entsprechen. Und sie wäre, anders als die häufig geforderte Beteiligung an völkerrechtswidrigen Militärinterventionen, ein konstruktiver Beitrag zum Frieden in der Welt. Dieser Frieden ist gefährdet.
Jürgen Todenhöfer
Syrien – Zeit für eine Kurskorrektur
Die USA wissen es selbst: Sie haben sich in Syrien verrannt. Sie wollten mit dem Sturz Assads Iran schwächen. Hand in Hand mit ihrem engsten Verbündeter im Mittleren Osten Saudi-Arabien. Mit diesem Ziel sind sie gescheitert. Stattdessen haben die USA ihren Hauptfeind Al Qaida gestärkt. Sie sind de facto dessen Verbündeter geworden – absurder geht es nicht.
Es wird Zeit, dass die USA ihren Syrien-Kurs korrigieren. Eine friedliche und vielleicht sogar demokratische Lösung wird es nur geben, wenn sie den Dialog mit beiden Seiten suchen. Mit Regierung und Opposition.
Die USA müssen vor allem verhindern, dass Saudi-Arabien und Katar den tragischen Bruderkrieg weiter täglich mit Geld und Waffen anheizen. Die ganz und gar nicht demokratischen Saudis und Kataris senden ihre Waffen nicht, um den Syriern Demokratie und Freiheit zu bringen. Das Schicksal der Syrer interessiert sie nicht. Auch nicht das der syrischen Rebellen. Es ist ein zynisches Spiel, das auf dem Rücken der Syrer gespielt wird.
Ich liebe Syrien, seine Menschen, seine Kultur, seine Landschaft. Ich leide mit jedem, der dort sinnlos verwundet oder ermordet wird. Egal ob syrischer Zivilist, syrischer Soldat oder syrischer Rebell. Wir sollten mithelfen, diese Tragödie zu beenden. Aber nicht mit Waffen. Es gibt keine humanitären Bomben. „Humanitäre Militärschläge“ sind eine Erfindung der Rüstungskonzerne.
Ich trete seit Beginn der schweren Unruhen für Verhandlungen der US-Führung mit beiden Seiten ein. Auch mit Diktator Baschar al-Assad. So wie Willy Brandt, J. F. Kennedy, Richard Nixon, Ronald Reagan mit verfeindeten Diktatoren verhandelt haben.
Meine Kritiker haben diese Forderung immer wieder wütend angegriffen. Sie waren für Waffenlieferungen an die Rebellen. Wer für Verhandlungen eintrat, war für sie ein „Diktatorenfreund“. Auch Willy Brandt und Ronald Reagan wurde das seinerzeit ins Gesicht geschleudert, als sie mit den Führern der Sowjetunion verhandelten.
Das Ergebnis der militärischen Lösungsversuche des syrischen Knotens ist eine menschliche Tragödie. Die Feinde von Verhandlungen – im Westen und in den Reihen der Rebellen – sind mitverantwortlich für das tägliche Sterben in Syrien. Man muss das in aller Härte aussprechen. Eine kluge und konsequente Verhandlungsstrategie hätte viel Leid verhindern können.
Durch die Gespräche über die Zerstörung der chemischen Waffen Syriens ist die vielleicht letzte Chance entstanden, den Syrienkonflikt doch noch auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Wer das Sterben der Syrer beenden will und einen eskalierenden Regional- und Weltkonflikt vermeiden will, muss diese Chance nutzen. Wenn Deutschland, wie von Assad erbeten, vermitteln kann, sollte es dies tun. Dass Westerwelle das ablehnt, ist traurig, aber glücklicherweise nicht mehr wichtig. Man sollte eine in der Not ausgestreckte Hand nicht zurückweisen.
Deutschland könnte in Syrien – und auch in manch anderem Konflikt des Mittleren Ostens – als „ehrlicher Makler“ eine wichtige Rolle spielen. Syrien ist nicht das einzige Land, das in der jüngeren Vergangenheit den Wunsch nach deutscher Vermittlung ausgesprochen hat. Diese Rolle würde unserer gewachsenen Bedeutung in der Welt entsprechen. Und sie wäre, anders als die häufig geforderte Beteiligung an völkerrechtswidrigen Militärinterventionen, ein konstruktiver Beitrag zum Frieden in der Welt. Dieser Frieden ist gefährdet.
Der Konflikt um Syrien und Iran ist inzwischen mindestens so gefährlich wie die Balkankrise kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Nicht nur, weil in Syrien inzwischen die stärkste Al-Qaida-Konzentration aller Zeiten steht und äußerst erfolgreich kämpft. Auch auf diese Gefahr, weise ich seit zwei Jahren hin – meist viel belächelt. In Syrien prallen darüber hinaus die Interessen aller Regionalmächte des Mittleren Ostens aufeinander. Die Interessen Saudi-Arabiens, Irans, der Türkei, der USA, Russlands, Chinas und Westeuropas. Die Syrienkrise ist eine Weltkrise. Ein Funke genügt, um sie in einen großen Krieg zu verwandeln.
Auch während der Balkankrise waren es Sofastrategen, die die Welt in eine Katastrophe hineintrieben. Geschichte wiederholt sich. Krieg ist ein Bumerang. Irgendwann schlägt er auf uns zurück. Schneller als manche Strategen glauben.
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