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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 24. November 2006 um 8:46 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
Kommentar: Nach den Erfahrungen mit der Dienstleistungsrichtlinie ist zu befürchten, dass vom «Flexicurity»-Konzept nur die Flexibilisierung übrigbleiben wird, also der weitere Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten.
Dazu erreichte uns die Mitteilung eines Lesers:
„Ich habe den beigefügten Leserbrief an SPIEGEL-ONLINE geschrieben. Ich finde, die NDS haben SPIEGEL-ONLINE etwas zu leicht davonkommen lassen. Denn durch solche Artikel versucht DER SPIEGEL sich noch als “Aufklärer der Nation” darzustellen. Solche Beiträge sind aber nichts anderes als ein Feigenblatt, das die Komplizenschaft des SPIEGELS an der ganzen Misere – und an den sozialen Spannungen, die in dem Artikel beschrieben werden – verschleiern soll. DER SPIEGEL will zwar noch als “Sturmgeschütz der Demokratie” bekannt werden, aber in Wirklichkeit Erziehungsorgan der Herrschenden sein.
Hier der Leserbrief:
An die Redaktion:
Christian Rickens schreibt in seinem Beitrag, “Arbeitslos? Selbst Schuld!”, wie das Bürgertum versuche, sich von der Unterschicht abzugrenzen. Die neuen Bürgerlichen würden vor allem die Langzeitarbeitslosen verachten, weil sie ja bekanntlich daran selber schuld seien.
Aus meinem durchaus bürgerlichen Umfeld höre ich solche Ansichten eher selten – man ist eher besorgt, dass einen vielleicht das gleiche Schicksal erwartet. Anderseits begegnet man dieser Denkweise überall in den Medien, bei Politikern und Wirtschaftseliten, und in Zeitungen und Zeitschriften wie BILD und SPIEGEL.
Hat Herr Rickens etwa die “Drückeberger”-Debatte von Gerhard Schröder vergessen? Oder die “Parasiten”-Phrasen aus dem Clement-Bericht 2005? Hat nicht DER SPIEGEL selbst immer wieder darüber geschrieben, wie sich ALG-II-Empfänger weigern würden, einen Arbeitsplatz anzunehmen? Oder dass die Kontrollen verschärft werden sollten?
Ach ja, was war denn mit dem Auszug aus Gabor Steingarts Buch, “Weltkrieg um Wohlstand”, “Die neuen Proleten”, die im SPIEGEL-ONLINE zu lesen war? Darin hieß es:
“Der neue Prolet schaut den halben Tag fern, weshalb die TV-Macher bereits von “Unterschichtenfernsehen” sprechen. Er isst viel und fettig, er raucht und trinkt gern. Rund acht Prozent der Deutschen konsumieren 40 Prozent allen im Land verkauften Alkohols. Er ist kinderreich und in seinen familiären Bindungen eher instabil. Er wählt am Wahltag aus Protest die Linken oder die Rechten, zuweilen wechselt er schnell hintereinander.”
Sind diese Äußerungen von Steingart, der die wirtschaftspolitische Linie des SPIEGELS im Wesentlichen prägt, nicht genau das, was Herr Rickens hier anprangert? Da Christian Rickens für das MANAGER-MAGAZIN schreibt, kann man ihm natürlich nicht anlasten, was DER SPIEGEL geschrieben hat. Dennoch: Wie der SPIEGEL-ONLINE mit diesem Beitrag scheinheilig eine Mentalität angeprangert, zu der er jahrelang selbst nicht unwesentlich beigetragen hat, ist an Heuchelei kaum zu überbieten.
Also wenn das “neue Bürgertum” wirklich so denkt, wie Herr Rickens in seinem Beitrag schreibt, dann kann es nur daran liegen, dass die Eliten des Landes es ihm eingeredet haben. Und zwar am laufenden Band.
Mit freundlichen Grüßen“
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