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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hysterische Propaganda gegen Steuererhöhungen
Datum: 27. September 2013 um 14:10 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Steuern und Abgaben
Verantwortlich: Jens Berger
Als erste Gerüchte durchdrangen, dass die CDU sich in den kommenden Koalitionsverhandlungen beim Thema Spitzensteuersatz kompromissbereit zeigen wolle, verfiel die Medienlandschaft in kollektive Hysterie. Hyperventilierende Leitartikler überschlugen sich mit immer den gleichen und stets falschen Scheinargumenten gegen Steuererhöhungen. Die konzertierte Kampagne entfaltete schnell ihre Wirkung. Seit gestern bemüht sich die CDU redlich, das Offensichtliche zu dementieren. Die Halbwertzeit dieser Dementis ist jedoch überschaubar. Fragt sich nur, warum die Medien immer wieder derart unredlich werden, wenn es um das Thema „Steuererhöhungen“ geht. Von Jens Berger
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Für Heike Göbel, ist die Sache klar: „Nichts spricht für höhere Steuern“, so ihr Kommentar im Wirtschaftsteil der FAZ. Göbel lehnt eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes kategorisch ab, da „ein großer Teil der Bürger und Unternehmen [dann] noch mehr zahlen [dürfte].“ Da fragt man sich doch, woher Frau Göbel diese Gewissheit nimmt? Selbst bei den ambitionierten Steuerplänen der Grünen, die von der FAZ kommentiert wurden, als handele sich dabei um den Plan, halb Deutschland kollektiv zu enteignen, würden letzten Endes nur 2,6 Millionen Steuerpflichtige mehr zahlen als heute. Dies sind etwas mehr als 3% der Bevölkerung. Nach Göbels Logik würde somit auch die FDP „einen Großteil der Bürger“ vertreten. Dass dem nicht so ist, wissen Göbel und die FDP nur zu genau.
Erstaunlich ist auch Göbels Bemerkung, dass bei einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes „Unternehmen“ mehr bezahlen müssten. Warum sollte dem so sein? Unternehmen bezahlen, sofern sie Kapitalgesellschaften sind, gar keine Einkommensteuern, sondern Körperschaftssteuern. Der Körperschaftssteuersatz liegt bei 15% und steht bei möglichen Koalitionsverhandlungen überhaupt nicht zur Debatte. Es wäre schon bemerkenswert, wenn Frau Göbel, die immerhin in der Vergangenheit von verschiedenen wirtschaftsnahen Lobbyorganisationen mit Preisen überhäuft wurde, den Unterschied zwischen der Einkommen- und der Körperschaftssteuer nicht kennen sollte. Gehen wir mal davon aus, dass sie den Unterschied sehr wohl kennt. Wie sollte man es dann bezeichnen, wenn eine Journalisten wider besseres Wissen die Unwahrheit schreibt?
In ihrem Kommentar greift Göbel auch ein weiteres populäres Fehlurteil auf. Erhöht der Staat den Spitzensteuersatz, „leidet die private Initiative – der Garant für den Deutschlands Wohlstand“. In verschiedenen Variationen ist dieses Versatzstück vor allem in Polittalkshows sehr beliebt. Steigt der Spitzensteuersatz, investieren die mittelständischen Unternehmen nicht mehr und stellen keine zusätzlichen Arbeitnehmer ein, was letzten Endes uns allen schadet – so das Scheinargument. Wie bereits ausgeführt, zahlen Unternehmen gar keine Einkommensteuer und sind daher auch nicht von einer Erhöhung und Absenkung des Spitzensteuersatzes betroffen. Die Einkommensteuer greift hier nur dann, wenn ein Unternehmer sich selbst ein Gehalt zahlt (z.B. als Geschäftsführer) oder Gewinne aus dem Unternehmen abzieht. Mit Investitionen hat das Ganze also nur sehr wenig zu tun. Im Gegenteil. Ein höherer Spitzensteuersatz könnte sogar dazu führen, dass es für den Unternehmer attraktiver ist, die erzielten Gewinne steuerfrei zu reinvestieren als sie steuerpflichtig aus dem Unternehmen abzuziehen – sei es als Geschäftsführergehalt oder als Gewinnausschüttung.
Ein weiteres populäres Versatzstück im publizistischen Kampf gegen Steuererhöhungen kramt SPIEGEL-Online-Autor Christian Rickens aus dem Phrasenschwein. In seinem Kommentar schreibt er: „Deshalb für alle Politiker noch einmal zum langsamen Mitlesen: D e u t s c h l a n d h a t k e i n E i n n a h m e p r o b l e m. Nie waren die Steuereinnahmen der Bundesrepublik größer“ (O-Zitat inkl. Formatierung). Natürlich waren die Steuereinahmen noch nie so groß. Alles andere wäre ja auch schrecklich. Schließlich leben wir in einem Wirtschaftssystem, in dem Inflation und Wirtschaftswachstum angestrebt werden. Ein Vergleich der absoluten Zahlen macht daher (nicht nur) bei den Steuereinnahmen gar keinen Sinn. Fragt sich, wie Herr Rickens reagieren würde, wenn sein Arbeitgeber Lohnerhöhungen ausschließt, da die Mitarbeiter von SPIEGEL Online schließlich kein Einnahmenproblem haben, da ihre Einkommen ja noch nie größer waren. Um einschätzen zu können, wie sich die Steuereinnahmen in Relation zu Inflation und Wirtschaftswachstum entwickeln, muss man sie mit dem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt vergleichen. Wie die Grafik zeigt, liegen die heutigen Steuereinnahmen eher im mittleren Bereich.
Es hat schon etwas Perfides. Bei jeder sich bieten Gelegenheit trommeln SPIEGEL Online und Co. dafür, dass der Staat endlich seine vergleichsweise hohen Schulden abbauen soll. Will der Staat sich dafür eine solide Einnahmenbasis schaffen, ist dies den Herren und Damen Leitartikler jedoch auch wieder nicht recht. Wie soll der Staat denn bitte schön ansonsten seine Schulden abbauen? Durch Ausgabenkürzungen? Wozu das führt, sehen wir ja gerade eben in Südeuropa.
Drollig ist es, wenn Rickens sich darüber aufregt, dass die „Managergattin“ über das Ehegattensplitting „durchs Nichtstun mehr zum Familieneinkommen beiträgt, als mancher Arbeitnehmer netto nach Haus bringt“ und dann allen Ernstes als Alternative vorschlägt, das Ehegattensplitting „zu einem echten Familiensplitting [umzubauen], das nur noch Familien mit Kindern begünstigt“. Wunderbar! Dann tragen künftig nicht nur die Gattin, sondern auch die Kinder mit ihrem „Nichtstun“ zur Mehrung des Haushaltseinkommens bei. Welch´ bestechende Logik, ganz im Sinne des CSU-Ideals, nach dem das „Weib“ an den Herd gehört und dem Alleinverdiener möglichst viele (blonde) Kinder schenkt.
In einem Punkt ist man sich offenbar bei SPIEGEL Online, FAZ, WELT, Süddeutscher Zeitung, BILD und Co. einig – eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes wäre so ziemlich das schlimmste, was dem Land passieren kann. Da muss an dieser Stelle die Frage gestattet sein, wie viel ein Leitartikler bei den genannten Zeitungen eigentlich verdient?
Bei der ganzen Kampagne zeigt sich, dass die CDU viel cleverer ist, als man ihr manchmal zugestehen mag. Selbstverständlich haben Schäuble und Co. bereits seit längerem die Pläne für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes in der Schublade. So lange der Wähler und die Herren und Damen Leitartikler nichts davon mitbekommen, ist zumindest sichergestellt, dass sich der „gerechte Zorn“ der publizistischen Wutbürger an den anderen Parteien abreagiert. Und wenn hinterher die Steuern erhöht werden, wird die SPD dafür die Keile bekommen.
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