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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 21. August 2013 um 8:25 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL)
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung JK: Die Problematik ist nicht neu und wurde auch auf den NachDenkSeiten schon oft thematisiert. Dennoch macht die absolute Skrupellosigkeit, mit der große, globale Konzerne Steuern vermeiden, sprachlos. An vorderster Front bei der kreativen Steuervermeidung Konzerne wie Google oder Apple. Wobei Apple es schafft faktisch keine Steuern zu zahlen. Besonders bedrückend ist aber die Tatsache, dass dies entgegen aller Lippenbekenntnisse offenbar politisch so gewollt ist. Die Steueroasen befinden sich nicht in entfernten, exotischen Gefilden sondern mitten in der EU: Luxemburg, Irland, Niederlande, Belgien, Zypern. Und so ist man bis heute meilenweit von einer gemeinsamen Steuerstrategie entfernt. Dies scheint auch Finanzminister Schäuble entgegen aller Beteuerungen ganz recht zu sein. Explizit das Wirtschaftsministerium unter Verantwortung des FDP-Politikers Philipp Rössler sprach sich in geheimen Weisungen etwa gegen eine Verschärfung bzw. Ausweitung der Transparenzverpflichtungen für Konzernbilanzen aus.
Besonders ärgerlich ist auch das Beispiel Irland, das zur Rettung seiner maroden Banken Milliarden EU-Hilfsgelder kassierte aber von seiner Steuerdumpingstrategie – Irland hat mit 12,5 % den niedrigsten Unternehmenssteuersatz in der EU – keinen Millimeter abweichen will.
Und ja, leider muss man wieder darauf hinweisen, dass für die massive Senkung der Unternehmenssteuern auch in Deutschland – der Einnahmeverlust summiert sich inzwischen auf 37 Milliarden Euro jährlich – zwei SPD-Minister verantwortlich waren Hans Eichel und der jetzige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der nun plötzlich ganz andere Töne spuckt.
Es sollte aber völlig klar sein was hinter der ganzen Steuerproblematik steckt. Die Konzerne betreiben diese exzessive Steuervermeidung um ihre Margen in die Höhe zu treiben und damit letztendlich die Gewinnausschüttungen an eine hauchdünne globale Kaste der Superreichen zu maximieren (z.B. hier oder hier)
Dazu passt: Tausende Steuerbetrüger aufgeflogen
Seit Januar hat die italienische Finanzpolizei knapp 5000 Steuersünder aufgespürt, sie hatten Einkommen in Höhe von 17,5 Milliarden Euro verheimlicht. Mehr als jeder dritte Hinterzieher wurde wegen besonderer Schwere des Betruges angezeigt.
Viele hatten überhaupt keine Steuererklärung abgegeben, erklärte ein Sprecher der Finanzpolizei, der Guardia di Finanza. Obwohl sie als Unternehmer oder als Berufstätige durchaus Geld verdienten, hätte der Fiskus keinerlei Kenntnis von ihrer Existenz gehabt.
In zahlreichen Razzien in diesem Jahr deckte die Finanzpolizei außerdem fast 20.000 Fälle von ordnungswidriger Beschäftigung auf, in nahezu der Hälfte der Fälle ging es um Schwarzarbeit, zudem hatten viele Arbeitgeber Migranten und illegale Einwanderer in menschenunwürdigen Verhältnissen arbeiten und leben lassen. …
Seit einiger Zeit gehen die italienischen Finanzbehörden verstärkt gegen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit vor. Auch auf diese Weise soll die hohe Staatsverschuldung bekämpft werden.
Quelle: tagesschau.de
Anmerkung JK: Auch wenn sich das im ersten Moment spektakulär anhört bleibt der politisch geduldete Steuerbetrug die neue Pest Europas. Wie ernst es der Politik etwa in Deutschland mit der Bekämpfung der massiven Steuerhinterziehung durch die „besseren“ Kreise ist, wird sich am Fall Hoeneß erweisen. Ich wette hiermit, dass das Verfahren gegen Zahlung einer entsprechenden Summe eingestellt oder im schlimmsten Fall – für Hoeneß – mit einer Bewährungsstrafe enden wird. Diesbezüglich fragt man sich als Normalsterblicher wie es überhaupt möglich ist, dass Hoeneß über ein angeblich dreistelliges Millionenvermögen in der Schweiz verfügt?
Anmerkung WL: Das wichtigste Mittel das den Bertelsmännern wieder einmal einfällt, ist eine Schuldenbremse, gerade so als ob überschuldete Kommunen nicht schon längst einer Finanzaufsicht durch die Bezirksregierungen unterstünden, und als ob sie damit die sozialen Lasten für ihre Haushalte besser tragen könnten. Statt Investitionsprogrammen, wie für den Osten also weitere Einsparungen zu Lasten der Ärmsten.
Anmerkung JK: So sieht die schöne neue Arbeitswelt aus. Laut Wikipedia verdiente der Boss des Mutterkonzerns Abercrombie & Fitch, Mike Jeffries, im Jahr 2011 einschließlich Aktienoptionen rund 48 Millionen US-Dollar. Und der sich seine Kundschaft so vorstellt: „Wir wollen die attraktiven, typisch amerikanischen Teenager mit einer tollen Ausstrahlung und vielen Freunden.“
Anmerkung JK: Keine Hauptmeldung, die aber dennoch einen bodenlosen Zustand illustriert. Weshalb ist es gerade wieder ein SPD-Politiker der Steuergelder, welche die öffentlichen Hochschulen sicher dringender benötigen, an eine private Elite-Universität verschleudert? Wobei der Begriff „Elite“ natürlich relativ zu sehen ist, und eher mit elitär zu übersetzen ist, da an der Jacobs-University Studenten nur nach einem persönlichen Auswahlverfahren und nur mit Empfehlungsschreiben aufgenommen werden, was sicher die sozial selektivste Form der Zulassung ist.
Aber offenbar ist diese „Elite“ trotz Studiengebühren von 10.000 € (!) pro Semester nicht einmal in der Lage ein finanziell solides Fundament für diese Hochschule sicher zu stellen. Trotz einer 200-Millionen Spende des namensgebenden Jacobs-Stiftung schreibt die Jacobs-University weiter Miese und hat seit ihrer Gründung bereits 100 Millionen Euro, die das finanziell auch nicht im besten Zustand befindliche Land Bremen dort investiert hat, verbrannt.
Anmerkung Volker Bahl: Das muss man sich “auf der Zunge zergehen” lassen: Zwei alte Agenda-Gegner in Wahlkampfzeiten (für die SPD?) – der Noch-IG-Bau-Chef Wiesehügel und der Sozialrichter Jürgen Borchert.
Ob die SPD damit wirklich die Agenda 2010 hinter sich zu lassen vermag? ( vgl. die Anmerkung zu Michael Sommer)
Die Antwort gibt einen Vorgeschmack auf die diesjährige Jahrestagung des VfS (vom 4.-7. September in Düsseldorf), wo es zum Thema “Heterodoxie in der Volkswirtschaftslehre” eine Podiumsdiskussion geben wird (Programm S. 67 [PDF – 4.5 MB]).
Neben Thomas Dürmeier, an den der Brief gerichtet war und der sich in Deutschland um die Organisation und Popularität der heterodoxen Ökonomik sehr verdient gemacht hat, werden dort
- Michael Burda (VfS-Vorsitzender)
- Andreas Freytag (Uni Jena und Autor im Ökonomenblog der INSM)
- Daniel Neuhoff (Schriftführer des VfS) sowie
- Carl Christian von Weizsäcker (Max-Planck-Institut, war im Kronberger Kreis und Beirat der Stiftung Marktwirtschaft …)
auf dem Podium sitzen. Inwiefern diese Zusammenstellung als “ausgewogen” zu bezeichnen ist, lass’ ich mal dahin gestellt sein. Heterodoxe Professorinnen aufzutreiben dürfte in Deutschland ohnehin ein schwieriges Unterfangen werden. Es ist also zu erwarten, dass sich die Expertise zur Heterodoxie – bezogen auf das Thema selbst (!) – im überschaubaren Rahmen bewegt (bzw. nur durch eine Person vertreten wird).
Hinsichtlich Ihrer Einordnung, dass der Brief eine Antwort/ Reaktion auf die Veranstaltung des Netzwerkes Plurale Ökonomik im letzten Jahr war, liegen Sie richtig. Allerdings schrieben sie von einer “Gegenveranstaltung”, ein Begriff, der im letzten Jahr bewusst vermieden wurde: Es handelte sich um eine Ergänzungsveranstaltung (!) zur Jahrestagung des VfS. Den Veranstaltern ging es nicht darum, eine Gegenfront aufzumachen, sondern ergänzende Themen anzubieten, die auf den Jahrestagungen des VfS normalerweise ausgeklammert werden. (Was nicht ausschließt, dass die Themen selbst durchaus eine Gegenfront bildeten.) Letztlich waren auf der Ergänzungsveranstaltung auch Besucher_innen der Jahrestagung des VfS zu sehen.
Ihre und Rudolph Hickels Einschätzung teile ich aber: Der Brief ist eine unglaubliche Provokation.
Aus fachlicher Sicht ist sie sogar fast zynisch, wenn sich Burda u. a. durch Marx und Sraffa darin bestätigt sieht, dass die Ökonomik nicht die Vorzüge der Marktwirtschaft predige. Weder Marx, noch Sraffa gehören zum üblichen Lehrinhalt der Ökonomik. Und gerade Sraffa ist keine leichte Kost, sondern erfordert in der sogenannten Neo-Ricardianischen Beschäftigung eigentlich sogar andere Mathe-Lehrbücher für Ökonomen (weil dort verstärkt Matrizen-Algebra verwendet wird, die im “Mainstream” eigentlich nicht vorkommt).
Aber die Provokation zeigt auch, in welch’ gesicherter Position sich etablierte Ökonomen (vorwiegend männlich) wähnen. Wer glaubte, dass sich in der Ökonomik etwas ändern wird, darf den Glauben getrost über Bord werfen. Hoffentlich kommt diese Erkenntnis bald bei den Gewerkschaften, Parteien usw. an – denn sehr lange wird es kritische Ökonomen nicht mehr geben, sie sterben sprichwörtlich aus.
Zweitens war der Ethik-Kodex, den sich der Verein für Socialpolitik im letzten Jahr gab, mindestens eine ebenso unglaubliche Provokation.
Der Ethik-Kodex wurde ja im letzten Jahr auch in den Medien diskutiert.
Hier und hier.Die vollmundig angekündigte Kommentierung der Ethik-Regeln ist der VfS bis heute schuldig geblieben.
Was für einen ambitionslosen Papiertieger der VfS produziert hat, das lässt sich daran ablesen, dass sich das DIW in Berlin im selben Jahr einen Ethik-Kodex [PDF – 126 KB] verpasste, der wesentlich mehr Inhalt und Substanz bot.
Besonders pikant: Gert G. Wagner, im Vorstand des DIW Berlin, war auch in der (Ethik-) Kommission des VfS, die den VfS-Ethik-Kodex ausarbeitete. Wenn ihm wohlwollend unterstellt wird, dort eine ähnliche forschungsethische Linie gefahren zu haben wie sie das DIW Berlin vertritt, wird er sich im VfS nicht durchgesetzt haben.
Das ist m. E. mindestens eine ebenso unglaubliche Provokation wie der Antwort-Brief von Burda, weil sich der Ethik-Kodex, der im letzten Jahr beschlossen wurde, in ähnlicher Weise den Problemen im Fach verweigert.
Im Grunde passt dort jenes Attribut, mit dem die vorherrschende Ökonomik um 2000 von ihren Kritiker_innen beschrieben wurde: autistisch.
Anmerkung Leser J.A.: Erstaunlich, dass das Ammenmärchen immer noch geglaubt wird, dass ausgerechnet Sozialkürzungen einen Haushalt sanieren – wenn die Empirie das exakte Gegenteil belegt.
Anmerkung JK: Offenbar war das Lob für Abes Gegenkurs zum neoliberalen Austeritätsdogma verfrüht.
Quelle: Rainer Ostendorf
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
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