Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 15. August 2013 um 8:39 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)
Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Quelle: Eurostat [PDF – 58.7 KB]
Anmerkung WL: „Eurozone kommt aus der Rezession“, „Euroraum beendet längste Rezession ihrer Geschichte“, „Europa berappelt sich“, so oder so ähnlich überschlugen sich gestern die Schlagzeilen. Es war die Top-Meldung in allen Nachrichtensendungen.
Nun kann man gut verstehen, wenn Politik und Wirtschaft versuchen jeden Hoffnungsschimmer gleich als Erfolg vermelden, denn schließlich hat Wirtschaft viel mit Psychologie zu tun. Dass die im Wahlkampf stehende Bundesregierung in den heutigen Meldungen von Eurostat die Bestätigung ihrer Politik sieht versteht sich von selbst.
Was heute nicht so oft gemeldet wurde, das sind die Zahlen, dass im Vergleich zum entsprechenden Quartal im Vorjahr das saisonbereinigte BIP im Euroraum um 0,7 Prozent und in der EU27 um 0,2 Prozent gefallen ist.
0,3 Prozent BIP-Wachstum in Europa, das ist eine Durchschnittszahl, die wie so häufig nichts über die konkrete Lage der einzelnen europäischen Länder aussagt. Was hat Griechenland davon, das in Deutschland das BIP im zweiten Quartal um 0,7 Prozent gewachsen ist, die Hellenen aber im selben Quartal gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 4,6 Prozent verzeichnen, Zypern ein Minus von 5,2 Prozent, Italien ein Minus von 2,0 Prozent, Spanien ein Minus von 1,7 Prozent. Erfolgsmeldungen mit Durchschnittszahlen gleichen dem Spruch: Der See war durchschnittlich nur einen Meter tief und dennoch ist die Kuh ersoffen.
Überall wird verkündet, dass Deutschland und (überraschenderweise) Frankreich die „Wachstumslokomotiven“ Europas sind, doch was hilft ein Wachstum von 0,7 Prozent (Frankreich 0,5 Prozent) den Ländern die nach wie vor in der Rezession verharren. Klammert man diese beiden Länder aus, so wären die o.g. Schlagzeilen glatte Lügen.
Da wird Portugals BIP-Wachstum im zweiten Quartal von 1,1 Prozent als Riesenerfolg gefeiert. Nun, wir haben Sommer und es ist Urlaubssaison und wer weiß ob diese Zahlen für Portugal vor dem Hintergrund der dortigen Finanzskandale nicht geschönt sind. Dass Portugal gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres ein Minus von 2,0 Prozent hinnehmen muss, wird vor lauter Begeisterung übersehen.
Spanien Italien, Griechenland, Zypern schreiben auch im zweiten Quartal ein Minus. Wer darin eine Bestätigung der Austeritätspolitik der von der Bundesregierung bestimmten Troika sehen will, der betreibt Wahlkampf zugunsten von Angela Merkel.
Mit wie kleinen Erfolgen man sich inzwischen zufrieden gibt, kann man daran sehen, wenn man die Werte vor der Finanzkrise mit den heutigen vergleicht:
Und was hilft ein spärliches Wachstum, wenn die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum mit 12,1 Prozent weiter steigt?
Im Übrigen: Ist ein BIP-Wachstum von 0,7 Prozent in Deutschland im zweiten Quartal, nach 0,0 Prozent im ersten Quartal und einem Minus von 0,5 im letzten Quartal des vorigen Jahres wirklich die heutigen Jubelmeldungen wert? In früheren Zeiten hätte man gesagt, Deutschland ist gerade mal an der Rezession vorbeigeschrammt.
Dazu: Rückkehr des Wachstums im Euro-Raum
Die deutsche Wirtschaft hat ihre jüngste Schwächephase überwunden. Im zweiten Quartal 2013 wuchs das Bruttoinlandprodukt (BIP) laut einer ersten Schätzung um 0,7% gegenüber dem Vorquartal…
Da mit Deutschland und Frankreich die beiden größten Volkswirtschaften des Währungsgebiets überraschend stark gewachsen sind, ist wieder mehr Schwung in die Euro-Zone insgesamt gekommen. Ihre Wirtschaftsleistung expandierte laut Eurostat im zweiten Quartal um 0,3%…
Mit Blick auf die Währungsunion stellt sich die Entwicklung weiterhin sehr ungleich dar. So verharrten die Volkswirtschaften Spaniens und Italiens im Schrumpfungsprozess, und andere Kernländer wie die Niederlanden oder Österreich stagnierten weitgehend…
Auch mit Blick auf Deutschland ist festzustellen, dass das starke Quartalswachstum die tatsächliche Lage etwas überzeichnet. Ein wichtiger Grund für die deutliche Zunahme waren Nachholeffekte. Wegen des außergewöhnlich schlechten Wetters im Winter und im Frühling waren viele Investitionsprojekte vor allem im Bausektor liegengeblieben und wurden zuletzt beschleunigt nachgeholt…
Allerdings gingen in Deutschland die Bewertungen auseinander, wie die neuesten Konjunkturdaten zu interpretieren sind. Beim Forschungsinstitut IW Köln hiess es optimistisch, nun sei im Gesamtjahr ein BIP-Wachstum von mindestens 1% möglich. Der grösste deutsche Industrieverband BDI hingegen korrigierte seine Wachstumsprognose nach unten. Für 2013 rechnet er nun mit einer BIP-Zunahme von 0,5% und entspricht damit weiter gängigen Schätzungen.
Quelle: NZZ
Anmerkung JB: Offenbar wird immer nur dann an demokratische Werte appelliert, wenn es darum geht, die Interessen westlich orientierter liberaler Menschen zu fördern. Die Situation in Ägypten ist – vor allem für westliche Beobachter – jedoch hoch komplex. Die religiös-orientierten (bei uns würde man sagen „wertkonservativen“) Muslimbrüder haben in einer demokratischen Wahl die Mehrheit gewonnen und wurden durch einen Putsch des Militärs in Zusammenarbeit mit den westlich orientierten liberalen Eliten des Landes abgesetzt. Dass nun das Militär die Anhänger einer politischen Partei mit einer Gewalt, die nur noch als Massaker zu bezeichnen ist, zusammenschießt, ist durch nichts zu rechtfertigen. Demokratie ist auch dann Demokratie, wenn – aus unseren Augen – die falschen gewinnen. Und Bürgerrechte, wie die Versammlungsfreiheit, gelten auch für bärtige Muslimbrüder. Wer gestern auf Al Jazeera die Rede des Interim-Ministerpräsidenten Hazem El-Beblawi gehört hat, kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Er sagte – in der englischen Übersetzung von Al Jazeera – wortwörtlich, dass man auch deshalb „Ruhe herstellen“ müsse, um „die Interessen der internationalen Investoren“ zu schützen. Das ist dann wohl marktkonforme Politik auf die Spitze getrieben.
Der taz-Artikel glänzt durch Holzschnittartigkeit. Die Autorin rechtfertigt den Militärputsch damit, dass die Muslimbrüder es nicht geschafft hätten, die Schlüsselpositionen mit kompetenten Leuten zu besetzen. Dies in einem Land zu veröffentlichen, in dem ein Bundeswehrarzt in einer Schlüsselposition das Wirtschaftsministerium führt, ist – gelinde gesagt – eine Frechheit.
Dazu: Beschwerden nehmen zu: Auch bei uns gibt es “Racial Profiling”
Auch in Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit höher, von der Polizei angehalten und kontrolliert zu werden, wenn man eine dunkle Hautfarbe oder einen erkennbaren Migrationshintergrund besitzt. In Zügen, auf Bahnhöfen und Flughäfen ist die Bundespolizei befugt, Ausweiskontrollen vorzunehmen, um die unerlaubte Einreise von Ausländern zu verhindern. Für die Betroffenen kommen solche Kontrollen oft einer Pauschalverdächtigung gleich. Erst im Juni hat das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM) gefordert, den entsprechenden Absatz im Bundespolizeigesetz zu streichen, der solche “verdachtsunabhängige Kontrollen” erlaubt, weil er im Ergebnis gegen das grundgesetzlich verbriefte Diskriminierungsverbot verstoße. Auch vergleichbare Polizeigesetze der Länder müssten geändert werden. Der Jurist und DIM-Mitarbeiter Hendrik Cremers sieht Parallelen zwischen den USA und Deutschland. “Das Gericht hat dort eine diskriminierende Praxis festgestellt, die gegen die Menschenrechte der Betroffenen verstößt”, so Cremer. “Solche Praktiken gibt es auch in Deutschland.”
Quelle: TAZ
Hinweis: In der Kontext:Wochenzeitung finden Sie auch diese Woche eine Reihe weiterer interessanter Beiträge. Sie liegt am Samstag der taz bei.
Unter anderem:
Anmerkung unseres Lesers O.S.: Da bleibt einem echt die Spucke weg. Billigste und gleichermaßen nicht ungefährliche Propaganda übelster Sorte. Putzig die Einschätzung der professionellen Unfähigkeit und ideologischen Unterlassung vieler Journalisten in Hinblick auf die Einschätzung der Situation bzw. eben deren Nichtwahrnehmung. Da haben wir, auch dank der NachDenkSeiten allerdings die Erfahrung eher in die andere Richtung gemacht.
Erstaunlich auch ein Leserkommentar, der einen Shit-Storm ungeahnten Ausmaßes über die SPD herbeiziehen sieht, sollte sie eine Koalition mit der LINKEN anpeilen und das ungeachtet der Tatsache, dass es eine linke Mehrheit in Deutschland theoretisch schon lange gibt. Einige auch brauchbare FOCUS-Leser-Kommentare, wie z.B. “Welche Freiheit ? Wir leben in einer Wirtschafts- und Bankendiktatur!”. Ein weiterer sieht die berechtigte Problematik der im Artikel verwendeten Formulierung der Frage:”Droht dann der totale Staat?”, die auch noch mit allerletztem Nachdruck eine Angst vor Rot-Rot-Grün schüren soll. Auch hier wird völlig ausgeblendet, dass wir in der jetzigen fatalen Krisensituation sind, weil eben der Staat zu wenig bzw. die falsche Aktivität an den Tag gelegt hat. Überspitzt formuliert kann es hingegen überwachungsmäßig für unsere Verhältnisse wohl kaum noch totalitärer werden, sollten sich alle z.Z. im Raum stehenden Befürchtungen und Anschuldigungen in der Ausspähaffäre auch nur annähernd bewahrheiten.
Anmerkung Volker Bahl: Frage: Ist diese Art nur deshalb so möglich, weil das ganze Finanzkrisen- und Euro-Krisengeschehen auch die Bürger in Deutschland so überfordert, dass sie richtig dankbar sind, für diese Inszenierung der “Unterforderung” sind ? Während die Bürger an etlichen Stellen doch merken, dass diese Kanzlerin auf dem Klavier der Euro- und Finanzkrise (z.B. im NRW-Landtagswahlkampf 2011- der Aufgabe des Kampfes gegen die Zinspolitik der EZB (nebst dem Aufkauf von Staatsanleihen) trotz des Protestes der Bundesbank-Hardliner usw.) noch so gut “mit”spielt, dass es den Deutschen noch zum – wenn vielleicht auch nur relativen – Vorteil in dieser Krise gereicht. (“Uns geht es ja noch gold”)
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Zum Vergleich eine Übersicht über die Inflationsraten in Deutschland seit 1992:
Fast in allen Jahren seit 1995 liegen die Inflationsraten unter der EZB-Zielrate von 2%, mit zwei Ausnahmen: 2007 waren es 2,3%, 2008 gar 2,6% (Hyperinflation droht!).
Anmerkung RS: Also wer als Deutscher im Ausland wohnt, kann möglicherweise trotzdem an der Budestagswahl teilnehmen.
Quelle: Der Postillon
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=18306