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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 6. August 2013 um 8:40 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Georg Diez – Scheinriesin im Reich der Zwerge
  2. Jakob Augstein – Bündnis der Angst: Wir Unverantwortlichen
  3. Orwell 2.0
  4. Jens Berger – Guter Bulle, böser Bulle
  5. Aktien werden noch 22 Sekunden gehalten
  6. Nach dem Libor-Skandal soll ein weiterer Referenzzins manipuliert worden sein
  7. Verzicht auf Garantiezins – Was die neuen Lebensversicherungen bringen
  8. 80.000 Euro für polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe im Ausland
  9. Leiharbeit sorgt für Skandal in Pflegeheim
  10. Jens Weinreich – Doping in Deutschland: die Berichte zum Forschungsprojekt
  11. Syrien – Der Westen ist schuldig
  12. Die Zukunftsverweigerung
  13. Studie entfacht Streit um Ganztagsschulen
  14. kritisch-lesen.de – Gesellschaft im Neoliberalismus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Georg Diez – Scheinriesin im Reich der Zwerge
    Der Historiker Timothy Garton Ash hat das Zitat von Angela Merkel gerade mal wieder ins Gespräch gebracht: Sie sei schon froh, dass das Klima in Deutschland so ist, wie es ist, hat Merkel mal gesagt, denn das muss man keine Siesta halten – wie die unglücklichen Spanier.
    Timothy Garton Ash hatte auch noch ein paar lakonische grausame Sätze über unsere Politiker parat, die besonders weh tun, weil er sich in seinem Essay über die “neue deutsche Frage” vorher so viel Mühe gegeben hatte, fair und freundlich zu sein.
    “Die gesamte politische Klasse in Deutschland spricht diese sterile Lego-Sprache”, schreibt er in der “New York Review of Books”, “sie zimmern vorgefertigte Phrasen zusammen aus hohlem Plastik. Die meisten deutschen Politiker fliegen eher allein zum Mond, als dass sie einen bleibenden Satz formulieren.” […]
    Bleibt also sie, die Scheinriesin im Reich der Zwerge. In ein paar Jahren, wette ich, werden sich viele wundern, wie wir auf diese Nullpolitikerin hereinfallen konnten. In der Zwischenzeit allerdings regiert sie uns nach dem Gesetz der reinen Evidenz: Es gibt keine Prinzipien, Vorstellungen, Ideale, es gibt nicht mal Gründe – es gibt nur das, was es gibt.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JK: Diez liefert einige treffende Bonmots „Scheinriesin im Reich der Zwerge, Nullpolitiker … Merkels EasyJet-Pragmatismus verweist nur noch auf sich selbst: Ich will Kanzlerin sein, weil ich Kanzlerin sein will.“ Alles richtig, aber offenbar trifft die bräsige verschlafene, inhaltslose Art Merkels wieder einmal genau die mentale Verfasstheit der deutschen Wähler. Sonst würden die Umfrageergebnisse anders aussehen. Allerdings muss man um der Fairness willen zugeben, dass es einer gewissen Mühe bedarf sich für die beginnende heiße Phase des Bundestagswahlkampfes zu interessieren. Von der SPD und Steinbrück ist nichts zu erwarten und Merkel propagiert das „weiter so“.

  2. Jakob Augstein – Bündnis der Angst: Wir Unverantwortlichen
    Im Jahr acht der Regierung Merkel ist Deutschland ein träges Land der Selbsttäuschung. Wir wissen, dass Politik auf den kurzfristigen Erfolg zielt. Politik redet von Verantwortung, will sie aber zumeist nicht tragen. Aber eine Politikerin, die Verantwortung derart auf die leichte Schulter nimmt wie Angela Merkel, ist selten. Geradezu einzigartig dagegen ist ihr Erfolg. Laut der ARD-Umfrage Deutschlandtrend waren die Deutschen seit 1997 noch nie so zufrieden mit einer Regierung wie mit dieser. Es ist paradox: Immer mehr Journalisten und Wissenschaftler entsetzen sich über eine Regierung, die ihr Amt nur zu dem Zweck ausübt, Herausforderungen abzuwenden. Aber was die Journalisten schreiben, ist den Leuten ganz gleichgültig. Mögen die sogenannten Meinungseliten der Kanzlerin Untätigkeit vorwerfen – gerade dafür lieben die Leute sie. Denn in Wahrheit teilen die Deutschen mit Angela Merkel die Angst vor der Zukunft.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JK: Man kann Augstein wie Diez nicht widersprechen. Nur an wen wendet sich Augstein? Am Schlussteil seiner Kolumne kann man ablesen, dass sich Augstein nicht aus seiner bildungsbürgerlichen Perspektive befreien kann. Und die Frage ist, ob es den Privilegierten und Besserverdienern unter Merkle eigentlich so schlecht geht? Eigentlich nicht, die herrschenden Eliten können mit Merkels neoliberaler Politik doch zufrieden sein – die Banken werden gerettet, die spanischen, portugiesischen uns griechischen Staatsanleihen werden weiter bedient. Von dort wird keine Opposition zu erwarten sein. Und diejenigen, die davon unmittelbar betroffen sind haben vermutlich mehr damit zu tun mit den alltäglichen Zumutungen und Beschwernissen eben dieser neoliberalen Politik zurecht zu kommen, als dass sie Interesse an hochtrabenden polit-philosophischen Erörterungen hätten. Leider, hier muss man Augstein wieder zustimmen, gibt es keine Partei, außer der Linken, welche die Interessen dieser Menschen politisch vertritt. Da die SPD hier ja nichts Besseres zu tun hat als jede Möglichkeit einer Änderung durch das selbstauferlegte Koalitionsverbot mit der Linken auszuschließen.

  3. Orwell 2.0
    1. NSA-Affäre: Brüssel vertuscht Studie
      Der EU-Kommission ist seit mehr als zehn Jahren bekannt, dass US-Geheimdienste Zugriff auf personenbezogene Daten von EU-Bürgern haben – wegen des sogenannten Safe-Harbor-Abkommens. Brüssel hätte seine Bürger vor dem Späh-Programm Prism schützen können…
      Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission zeigte schon 2004, dass es weitreichende Missstände beim sogenannten Safe-Harbor-Abkommen der EU mit den Vereinigten Staaten gibt. Ein Abkommen, das die Standards für den transatlantischen Datenaustausch von Unternehmen wie Google, Microsoft und Facebook regelt. Das Fazit der Studie: Die US-Behörden kontrollieren die Einhaltung der Standards nicht ausreichend.
      Die Unternehmen gelobten damals Besserung. Eine zweite Studie allerdings, die nur vier Jahre später erscheinen sollte, machte dem “Spiegel” zufolge deutlich: In Sachen Datenschutz hat sich die Lage in der Zwischenzeit sogar noch verschlechtert. Die Ergebnisse waren angeblich so verheerend, dass die EU das Abkommen hätte kündigen müssen. Die Studie wurde nie veröffentlich.
      Quelle: n-tv
    2. BND leitet massenhaft Metadaten an die NSA weiter
      Der Bundesnachrichtendienst (BND) übermittelt in großem Umfang Metadaten aus der eigenen Fernmeldeaufklärung an die NSA. Der deutsche Auslandsgeheimdienst geht inzwischen davon aus, dass sich sein Standort in Bad Aibling hinter einer der beiden Datensammelstellen (Sigads) verbergen könnte, über die der US-Geheimdienst laut Unterlagen aus dem Archiv des Whistleblowers Edward Snowden allein im Dezember vergangenen Jahres unter der Überschrift “Germany – Last 30 days” rund 500 Millionen Metadaten erfasste.
      Man gehe davon aus, “dass die Sigad US-987LA und -LB” den Stellen “Bad Aibling und der Fernmeldeaufklärung in Afghanistan zugeordnet sind”, erklärte der BND gegenüber dem SPIEGEL. Unter Metadaten versteht man bei Telefonaten, E-Mails oder SMS die Verbindungsdaten, also unter anderem die Informationen, wann welche Anschlüsse miteinander verbunden waren.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung JK: So richtig gelingt es immer noch nicht die gesellschaftliche Dimension der Überwachung sämtlicher Kommunikationsdaten zu erfassen. Zu unvorstellbar und zu monströs ist der gesamte Vorgang. Vor allem, dass dies von einem Land ausgeht, das bisher immer für die weltweite Durchsetzung der Demokratie eintrat bzw. dies zumindest propagiert hat.

      Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen, dass mit der Enthüllung von Prism, Tempora und XKeyscore die gesamte demokratische Verfasstheit der westlichen Welt in Frage gestellt ist. Mit dem Zeitpunkt der Sichtbarmachung dieses ungeheuerlichen Spionagenetzwerkes durch Richard Snowden sind wir unbemerkt in einen neuen historischen Zeitabschnitt eingetreten.

      Bisher war der Begriff der Post-Demokratie ein Begriff für intellektuelle Plauderstündchen. Nun ist es unwiderlegbare Tatsache, dass alle bürgerlichen Selbstbestimmungsrechte nichts mehr wert sind. Das perfide daran, dies geschieht nicht mit offen erkennbarer Repression einhergeht sondern quasi schmerzfrei. Der einzelne Bürger merkt davon erst einmal nichts und hätte ohne die Enthüllungen Edward Snowdens auch nichts bemerkt.

      Erstaunlich dabei ist nur, dass die herrschenden Eliten offenbar das Internet und den dadurch möglichen uneingeschränkten globalen Informationsaustausch als so gefährlich empfunden haben, dass dieser einen bisher noch nie gekannten umfassenden Überwachung unterworfen wurde.

      Nicht minder erschreckend ist, dass es unter den ganzen vermutlich zehntausenden Menschen, die in diesem aberwitzigen Überwachungsapparat tätig sind, bisher nur eine einzige Person – Edward Snowden – gab, die über so viel moralische Aufrichtigkeit verfügte, den gesamten Komplex öffentlich zu machen. Es ist zu befürchten, dass dies nicht ohne Folgen für Leib und Leben von Edward Snowden bleiben wird. Hier sei etwa an die sogenannten Atomspione Julius und Ethel Rosenberg erinnert, die nach einem zweifelhaften Prozess in den USA zum Tode verurteilt und trotz heftiger nationaler und internationaler Proteste 1953 hingerichtet wurden.

    3. Im Steinbruch des Rechtsstaats
      Die US-Geheimdienste haben sich in der NSA-Affäre an der Substanz des Rechtsstaats vergriffen. Wenn der BND an den Ausspähungen beteiligt war, müsste die deutsche Bundesanwaltschaft wegen illegaler Agententätigkeit ermitteln. Denn Paragraf 99 des Strafgesetzbuches schützt nicht nur Staatsgeheimnisse, sondern auch die Alltagskommunikation der Bürger.
      Papst Urban VIII. hat einst das römische Colosseum zum öffentlichen Steinbruch erklärt. Heute, vierhundert Jahre später, behandeln die Geheimdienste den Rechtsstaat so, wie einst der Papst das Colosseum behandelt hat. Der Papst baute aus dessen Trümmern Paläste und Kirchen; die Geheimdienste bauen aus den Bruchstücken des Rechtsstaats die Zitadellen der Sicherheit. Die US-Geheimdienste sind bei diesen Abbruch-und Aufbauaktionen zugleich Architekt, Bauherr und Generalunternehmer; die anderen westlichen Geheimdienste sind offenbar Subunternehmer.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    4. Das Smartphone, die freiwillige Fußfessel
      Motorola Mobility, jene Handysparte von Motorola, die seit dem vergangenen Jahr zu Google gehört, hat in der Nacht auf den gestrigen Freitag einen selbstbewussten Schritt in die Zukunft unternommen. Das Unternehmen stellte in New York mit bunten Cocktails und illuminiertem Glanz sein erstes Smartphone vor, das „Moto X“. Es soll nicht nur leichter, schneller und sparsamer im Stromverbrauch sein als die Produkte der Konkurrenz, sondern vor allem vernetzter. Was das bedeutet, hatten amerikanische Blogger schon vorher herausgefunden: Es potenziert die Möglichkeiten staatlicher oder sonstiger Überwachung. […]
      Noch weiter reicht die Entdeckung von IT-Experten aus dem Blog „Android Police“. Sie betrifft nicht allein das Moto X, sondern alle Smartphones, die mit der neuesten Version des von Google entwickelten Betriebssystems Android ausgestattet sind: Auf ihnen lässt sich der Wlan-Empfang nicht mehr abschalten. Denn selbst wenn er scheinbar ausgeschaltet ist, können Positionsdaten an Google übermittelt werden, sobald der Telefonbesitzer in die Nähe eines Netzes gelangt. Das bietet dem Internetgiganten die Möglichkeit, ohne den lästigen Stromverbrauch eines GPS-Systems zu agieren, vor allem aber ohne lästige Einwilligungserklärungen seiner Nutzer alle ihre Bewegungen zu kartographieren. Mit zusätzlichem Aufwand lässt sich das Wlan zwar auch ganz abschalten, dennoch gilt: Unter Android 4.3. bedeutet „aus“ nicht notwendig „aus“. Google lügt seine Nutzer an.
      Quelle: FAZ
    5. USA verlängern Schließung ihrer Botschaften
      Weiter Angst vor Terroranschlägen: Die USA setzen den Betrieb ihrer Botschaften die gesamte Woche über aus. Angeblich sollen Terroristen in einem abgehörten Gespräch mit einer großen Attacke gedroht haben…
      Quelle: SZ

      Anmerkung WL: Nicht nur wir stellen uns diese Frage, sondern auch der gewiss konservative und amerikafreundliche Gabor Steingart vom Handelsblatt in seinem Morning Briefing: „Die Frage, ob das eine berechtigte Sicherheitsmaßnahme oder ein billiges Ablenkungsmanöver im Angesicht der Abhöraffäre ist, kann heute Morgen nicht beantwortet, wohl aber gestellt werden.“

  4. Jens Berger – Guter Bulle, böser Bulle
    Der IWF wirkt wie ein Chirurg, der einem Patienten mit Knöchelprellung das Bein amputiert hat. Seine Selbstgeißelung ist unglaubwürdig.
    So viel Lob hat der IWF schon lange nicht mehr bekommen. Der Internationale Währungsfonds habe endlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, sagen selbst linke Kritiker. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Was ist dran, wenn die UNO-Organisation aus Washington die „Rettungsagenda“ der Troika attackiert? Wenig – schließlich ist der IWF Teil der Troika.
    Tatsächlich ist die Strategie des Fonds an Doppelzüngigkeit kaum zu überbieten. Wenn es ernst wird, ziehen nämlich alle Mitglieder der Dreiertruppe an einem Strang. Ansonsten spielt der IWF „guter Bulle, böser Bulle“ – und beruhigt sowohl die geschundenen Seelen der Opfer der IWF-Politik als auch die zunehmend kritischen Mitglieder des Fonds.
    Quelle: taz
  5. Aktien werden noch 22 Sekunden gehalten
    Der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney kritisiert die Banken scharf. Er findet es zudem falsch, dass sich die Uni von der UBS sponsern lässt, und macht einen Vergleich zwischen Banken und Restaurants.
    Sie sind Finanzprofessor – und Sie fürchten sich vor einer neuen Finanzaristokratie. Weshalb?
    Chesney: Ich fürchte um das Wohl der Demokratie. Die grossen Einkommensunterschiede, die vor allem im Finanzsektor anzutreffen sind, lassen sich durch nichts mehr rechtfertigen. Der Hedgefonds-Manager John Paulson verdiente beispielsweise im Jahr 2007 rund 3,7 Milliarden Dollar, etwa 80’000-mal mehr als das Durchschnittseinkommen in den USA. Der ehemalige CEO von Lehman Brothers, Richard Fuld, soll zwischen 2000 und 2007 rund 500 Millionen Dollar verdient haben – und hat dabei die Bank in die Pleite getrieben. Das ist ökonomisch unsinnig und moralisch verwerflich.
    Ökonomisch unsinnig ja, aber warum ist es gefährlich für die Demokratie?
    Chesney: Der neue Geldadel ist so reich geworden, dass er Medien kaufen kann wie unsereiner ein Stück Brot. Politiker stehen unter dem Einfluss von starken Lobbys. Die Konzentration von Reichtum und Macht in der Finanzindustrie ist gefährlich geworden.
    Quelle: Tagesanzeiger
  6. Nach dem Libor-Skandal soll ein weiterer Referenzzins manipuliert worden sein
    Es geht wieder einmal um Manipulation eines Referenzzinses, den Isdafix. Die Vermutung, dass da etwas nicht stimmen könnte, die haben die amerikanischen Behörden schon länger. Seit dem Frühjahr interessieren sie sich für Isdafix, der als Referenzzinssatz für Zinsswap-Derivate dient. Das klingt zunächst exotisch, dieser Referenzzins spielt aber im Handel zwischen den Banken eine große Rolle. Denn nach diesem Referenzzins richten sich die Geschäfte, mit denen sich etwa Unternehmen gegen Zinsänderungsrisiken absichern.
    Nun hat die amerikanische Derivateaufsicht CFTC Belege gefunden, dass auch hier manipuliert worden ist… Sie haben, so berichtet es die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg, Telefongespräche aufgezeichnet und E-Mails ausgewertet. Aus denen soll hervorgehen, dass Händler an der Wall Street Mitarbeiter des Broker-Hauses ICAP angewiesen haben, Zins-Swaps, also Zinstauschprodukte, zu kaufen oder zu verkaufen, bis der Referenzzinssatz die gewünschte Höhe erreicht hatte…
    Quelle: DLF
  7. Verzicht auf Garantiezins – Was die neuen Lebensversicherungen bringen
    Lebensversicherer wie Allianz oder Ergo bieten seit kurzem neue Policen, die komplett auf den Garantiezins verzichten. Die Assekuranzen sind so ihr Zinsversprechen los, aber was hat der Sparer von den neuen Modellen?…
    In der langen Geschichte der deutschen Lebensversicherung läuten die Angebote eine neue Ära ein: das Ende des Mindestzinses, gepaart mit dem vagen Versprechen auf höhere Renditen als bei der klassischen Police. Seit die Finanzkrise im Herbst 2008 ihre volle Wucht entfaltete, seit die Notenbanken mit Niedrigzinsen und billigem Geld Staaten am Leben halten, leiden Versicherer unter ihren Zinsversprechen.
    Fazit: Nur wenn die erzielbaren Renditen wieder auf Niveaus des vergangenen Jahrhunderts hochgingen, rechnete sich eine neue Police wirklich.
    Quelle: Handelsblatt
  8. 80.000 Euro für polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe im Ausland
    Zur „Unterstützung der Grenzschutzbehörden der mittel- und osteuropäischen Staaten sowie der polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe für die Türkei sind 2011 insgesamt 73.490 Euro und voriges Jahr 40.000 Euro zur Verfügung gestellt worden. Im laufenden Haushaltsjahr sieht die Planung 80.000 Euro vor, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/14402) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/14280) deutlich.
    Die Koordinierung der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe der deutschen Polizei erfolge generell durch die Bund-Länder-Koordinierungsstelle. Dabei würden unter anderem praktische Erfahrungen ausgetauscht mit dem Ziel, die Instrumente der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe „noch effektiver“ einzusetzen. Maßnahmen der polizeilichen Aufbauhilfe würden in der Regel von den Empfängerländern selbst initiiert und dann von den zuständigen deutschen Behörden geprüft, heißt es in der Antwort weiter.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Die türkischen Polizisten scheinen jedenfalls bei der Räumung des Gezi-Parks viel von der Ausstattung und von der Ausbildung durch ihre deutschen Kollegen profitiert zu haben.

  9. Leiharbeit sorgt für Skandal in Pflegeheim
    Gegen die Leitung des Heimes Casa Reha in Mainz-Finthen wird wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung ermittelt. Der Grund: zu wenig und schlecht ausgebildetes Personal. 20 Bewohner sollen zu wenig zu trinken bekommen haben, offene Wunden sollen stundenlang nicht versorgt worden sein.
    Quelle: dlf
  10. Jens Weinreich – Doping in Deutschland: die Berichte zum Forschungsprojekt
    Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) hat gerade wortlos sechs pdf-Dateien zum vielbesprochenen Dopingforschungsprojekt “Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation” online gestellt.
    So muss das sein.
    Ich fasse diese Dokumente an dieser Stelle kurz zusammen. 804 Seiten sind es nicht. Was da zur Verfügung gestellt wurde und was weshalb nicht, wird noch zu klären sein. Work in progress.
    Quelle: Jens Weinreich
  11. Syrien – Der Westen ist schuldig
    Der Westen, wenn diese etwas voluminöse Bezeichnung gestattet ist, hat in Syrien schwere Schuld auf sich geladen – nicht, wie oft gesagt wird, weil er mit seiner Unterstützung des Widerstands gegen eine tyrannische Herrschaft zu zögerlich gewesen wäre, sondern im Gegenteil: weil er die illegitime Wandlung dieses Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht, gefördert, betrieben hat. Mehr als hunderttausend Menschen, darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische Parteinahme mit dem Leben bezahlt. Und es werden viel mehr sein, wenn dieser Totentanz irgendwann ein Ende findet.
    Diese Strategie ist eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak vor zehn Jahren „demokratischer Interventionismus“ heißt: das Betreiben eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln zum Zweck der Etablierung einer demokratischen Herrschaft. Im Irak besorgten die Invasoren das eigenhändig. Der Kriegsgrund wurde, wie wir wissen, zwischendurch umstandslos ausgewechselt: Waffen hin oder her – jedenfalls befreie man ein unterdrücktes Volk. Auch dieses Ziel rechtfertige den Angriff.
    Quelle: FAZ

    dazu: Doping – Geschichten aus Monsterland
    Auf 800 Seiten bemisst sich der Bericht einer Historiker- und Soziologengruppe zum Doping im deutschen Sport; die Kernerkenntnis lautet: Diese Geschichte muss umgeschrieben werden. Staatlich geförderte Leistungsmanipulation gab es nicht nur im Ostteil des Landes; dort ist flächendeckendes Doping seit Langem nachgewiesen und von Gerichten abgeurteilt. Auch der Westen hielt mit allen verbotenen Mitteln dagegen.
    Sieht man den Aufwand an Steuermitteln, der in diese Art von Spitzensportförderung floss, begreift man, warum bei der Aufarbeitung des DDR-Dopings im vereinigten Land zwei Gruppen notorisch bremsten: die Funktionäre West, die ungern in einschlägige Stasi-Papiere schauten – und der für Medaillen zuständige Teil der Politik, der im Innenministerium siedelt, sich aber eher als eine Art patriotisches Energieministerium verstand.
    Quelle: SZ

  12. Die Zukunftsverweigerung
    Um das Politische bei den Parteien zu finden, reicht heute eine Lupe nicht aus. Warum es in diesem Wahlkampf um rein gar nichts geht. Und warum das eine Lüge und eine Zumutung ist. […]
    Es ist ein Totalitarismus der gegebenen Verhältnisse, es ist das Gefängnis einer Gegenwart, die das Vergangene genauso wie das Künftige ausgesperrt hat aus dem Diskurs, es ist, als ob sich hier schon der Mentalitätswandel der alternden Gesellschaft zeigte: Die Zukunft können sich unsere Parteien nur als Fortschreibung der Gegenwart vorstellen, mit einem stabilen Euro, niedrigeren Mieten oder Steuern, saubererem Strom.
    Quelle: FAZ
  13. Studie entfacht Streit um Ganztagsschulen
    Demnach geht fast jeder dritte Schüler (30,6 Prozent) mittlerweile ganztags zur Schule. Das Angebot liege aber weit unterhalb der Nachfrage: Mehr als 70 Prozent der Eltern würden demnach ihre Kinder gerne auf eine Ganztagsschule schicken. In einer Erhebung von 2010 waren es den Angaben zufolge noch 63 Prozent. Dem Klemm-Papier zufolge unterscheidet sich das Angebot der Bundesländer stark: Während in Sachsen fast 80 Prozent der Schüler eine Ganztagsschule besuchten, seien es in Bayern nur gut elf Prozent.
    Quelle 1: Spiegel Online
    Quelle 2: Ganztagsschulen in Deutschland – eine bildungsstatistische Analyse, von Prof. em. Klaus Klemm, im Auftrag der Bertelsmann Stiftung [PDF – 3.0 MB]

    Anmerkung WL: Immer mal wieder gibt die Bertelsmann Stiftung Studien in Auftrag, deren voraussehbaren Ergebnisse, dieser Stiftung das Image des Engagements für bessere Bildung und mehr Chancengleichheit verschaffen sollen. Ein Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Ganztagsschule hört sich gut an und eine staatliche Investitionsoffensive zu fordern, noch besser. Dabei ist es doch gerade diese Stiftung, die seit ihrer Gründung die Mission hat, die Steuern zu senken und den Staat zurückzudrängen – auch im Bereich der Schule und der Hochschulen. Ständig fordert sie Kosteneinsparungen und Rationalisierungen auch bei den Bildungseinrichtungen und vor allem privates finanzielles Engagement der Wirtschaft und der Eltern. Da eine komplette Privatisierung der Bildungseinrichtungen unrealistisch ist, soll die Bildung funktionell privatisiert werden. Und da bietet natürlich der Bertelsmann Konzern seine Dienstleistungen an, von arvato bis zu elektronischen Lernunterlagen.
    Man kann als sicher voraussetzen, dass die Stiftung kaum eine Initiative startet, hinter der nicht die kommerziellen Interessen des Konzerns stehen.
    Dass der renommierte Bildungsforscher und Professor im Ruhestand, Klaus Klemm, sich für die Zwecke der Stiftung instrumentalisieren lässt, stimmt traurig. Aber so ist es leider wohl, wenn man auf Forschungsmittel von privater Seite angewiesen ist, dann muss man halt mit den Wölfen heulen.

  14. kritisch-lesen.de – Gesellschaft im Neoliberalismus
    Dabei bedeutet Neoliberalismus nicht überall das gleiche: Die Folgen von Strukturanpassungsprogrammen im globalen Süden sind zum Beispiel andere als die der Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen im globalen Norden. In dieser Ausgabe wollen wir uns den Auswirkungen der neoliberalen Ökonomisierung der Gesellschaft widmen und beziehen uns dabei zumeist auf Gesellschaften des globalen Nordens. Innerhalb linker Kritiken am Neoliberalismus stand in den letzten Jahren vor allem der Ab- beziehungsweise Umbau des Sozialstaats im Zentrum. Kritisiert wurden und werden eine zuvorderst auf Aktivierung setzende Arbeitsmarktpolitik, Deregulierungen und Privatisierungen, insbesondere die der öffentlichen Daseinsvorsorge. Daneben wurde in den letzten Jahren auch vermehrt der radikale Umbau der Gesellschaft entlang neoliberaler Kriterien in den Blick genommen und der Neoliberalismus als ein politisches Projekt des Kapitalismus gefasst. In dieser Ausgabe wollen wir uns einiger Facetten dieses neoliberalen Projekts widmen und eine vorläufige und unabgeschlossene Bestandsaufnahme aktueller und vergangener Analysen zum Neoliberalismus liefern und sowohl auf Formen der Unterdrückung und Ausbeutung eingehen als auch darauf, wie sich Neoliberalismus in den Alltag einschreibt und sich auch in Bereichen wie Psychologie oder in Liebesbeziehungen niederschlägt.
    Quelle: kritisch-lesen


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