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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 22. Juli 2013 um 9:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Entweder wollten Merkel und ihre Minister nichts wissen oder sie wussten davon und haben es verschwiegen. Man kann sich aussuchen, was schlimmer ist. Von parlamentarischer Kontrolle ist sowieso keine Spur.
Weitere Anmerkung JK: Von all dem will Merkel nichts gewusst haben? Bekanntlich untersteht der BND unmittelbar dem Kanzleramt. Merkel scheint den Bezug zu Amt und Realität völlig verloren zu haben. Entweder sie hat die Öffentlichkeit seit Wochen bewusst belogen und die Grundrechte der deutschen Bürger an die USA verkauft oder sie hat wirklich keine Ahnung was der BND und andere Geheimdienste treiben. WIe mann es dreht und wendet Merkel muss zurücktreten! Es gab schon Bundeskanzler, die wegen weniger ihre Demission einreichten.
Anmerkung JB: Wer sagt eigentlich, dass es bei den gigantischen Überwachungsprogrammen „nur“ um die Terrorismusabwehr geht? Es liegt auf der Hand, dass die NSA die wertvollen Daten wohl auch zur Wirtschaftsspionage und zur Überwachung politisch Unbequemer nutzt. Ansonsten wären die Zahlen von SPIEGEL Online auch kaum zu fassen. Nach Aussagen des NSA-Whistleblowers sind zwischen 500.000 und einer Million US-Bürger auf den „Ziellisten“ der NSA aufgeführt – nach dem vom SPIEGEL angewendeten Satz hieße dies, dass es allein in den USA zwischen 50 und 100 Terroristen gibt. Wer soll das glauben?
Anmerkung J.K.: Erstaunlich, so ein Kommentar im Spiegel? Dem führenden neoliberalen Propagandamedium, das bisher nicht ansatzweise am Leitbild der “marktkonformen”, über allem schwebenden Kanzlerin zu kratzen wagte. Hoffentlich sind das nicht auch nur Nebelkerzen der Chefredaktion um kritischen Journalismus zu simulieren.
Passend dazu: Merkels Erzählungen
Die Bundeskanzlerin redet bei ihrem Auftritt zur NSA-Affäre zu vieles schön. Es ist erstaunlich, wie ruhig die deutsche Öffentlichkeit sich dieses Schauspiel bieten lässt.
Nur gute Nachrichten von Angela Merkel an diesem Freitag: Deutschland ist ein Rechtsstaat. Die Amerikaner sollen aufklären, sind aber tolle Freunde. Genau wie alle Ministerinnen und Minister, die sich nicht nur untereinander notorisch mögen, sondern auch das „vollste Vertrauen“ der Chefin genießen. Was natürlich auch für den Verteidigungsminister gilt, der halt nicht immer alles über Drohnen wissen kann, was er vielleicht schon mal wusste. So wie die Kanzlerin nicht alles wissen kann, was vielleicht ihr Kanzleramtsminister weiß. (…)
Es ist erstaunlich, wie ruhig die deutsche Öffentlichkeit sich dieses Schauspiel bieten lässt. Die Mehrheit findet das Handeln der Regierung – derzeit in der NSA-Affäre – unzureichend, wird sie aber wahrscheinlich wieder wählen. Und die Vermutung liegt nahe, dass das an dem Geschick liegt, mit dem Schwarz-Gelb die Lasten der Krise scheinbar von uns ferngehalten hat.
In diesem Zusammenhang darf eine Aussage vom Freitag als Höhepunkt Merkel’scher Chuzpe gelten: Facebook habe seine Europa-Zentrale in Irland, da sei halt der deutsche Einfluss in Sachen Daten-Weitergabe begrenzt. Das sagt dieselbe Politikerin, die dem ganzen Kontinent fast nach Belieben ihren wirtschaftspolitischen Kurs aufzwingt.
Wie lange sollen wir ihr noch glauben?
Quelle: Frankfurter Rundschau
Anmerkung C.R.: Tragisch ist an dem ganzen Vorgang zum NSA-Skandal, dass die Opposition aus SPD und Bündnis90/Die Grünen nicht viel glaubwürdiger dasteht.
Dazu passend: Ratgeberschmiede des Tages: Jobcenter Pinneberg
Legendär die Überlebenstricks, die Berlins Exfinanzsenator Thilo Sarrazin von Hartz IV Betroffenen gab. Jetzt nahm das Jobcenter Kreis Pinneberg seinen Ball wieder auf, und zwar in Form eines comicartig gestalteten Ratgebers für ALG-II-Bezieher. Sparen kann man sich den Experten zufolge einiges. Zum Beispiel eine Menge Wasser im sanitären Bereich: Da helfe es, »ein paar Steine in den Spülkasten zu legen«. Auch im Supermarkt heißt es, achtsam sein: »Gehen Sie nie hungrig einkaufen. Denn dann landen meist mehr Lebensmittel in Ihrem Einkaufswagen, als Sie zeitnah verbrauchen können.« Man erfährt bei dieser Gelegenheit auch, dass Leitungswasser nicht nur billiger ist, sondern »oft eine bessere Qualität hat als Mineralwasser« oder andere Getränke. Wenn Sie noch wohnen, sollten Sie überlegen, das zu ändern: Im Internet kann man Mobiliar und andere Haushaltsgegenstände für gutes Geld versteigern. Und das Beste dabei: Der Erlös der Auktion ist »unschädlich«, d.h. er wird nicht einmal auf die Bezüge angerechnet. Die Lücken im Wohnzimmer kann man dann mit Trödel aus einem Sozialkaufhaus auffüllen. Ein paar Adressen werden da praktischerweise gleich mitgeliefert.
Quelle: junge Welt
Und: Inge Hannemann: Die spätrömische Dekadenz lebt weiter
Der Ratgeber “Arbeitslosengeld II” des Jobcenters Pinneberg (Schleswig-Holstein, Rande Hamburg) sorgte in den letzten Tagen für großen öffentlichen Wirbel. Heinrich Alt, Vorsitzender Grundsicherung der Bundesagentur für Arbeit, twitterte: “Jobcenter Pinneberg hat einen tollen #ALG2 Ratgeber herausgegeben.” Politiker, Erwerbslose und deren Verbände sprechen von Diskriminierung, Peinlichkeit und beschämend. Selten hat es ein Jobcenter in so rasender Geschwindigkeit in die Medien bis ins Ausland geschafft…
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
Anmerkung Orlando Pascheit: Mit jenseits der grünen Linie ist gemeint, dass die EU-Kommission keine israelischen Projekte im besetzten Westjordanland, dem arabischen Ostteil Jerusalems und den 1967 von Israel eroberten Golanhöhen unterstützen wird. Wie das Wall Street Journal schreibt, sind in den vergangenen sieben Jahren etwa 800 Millionen Euro an Finanzhilfen aus Brüssel nach Israel geflossen.
Allein für Forschungsprogramme in Israel stellte die EU in den vergangenen Jahren mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung. Allerdings dürfte der Anteil für die besetzten Gebiete in allen Bereichen der Zusammenarbeit marginal sein. “Mir ist nur ein einziges Projekt bekannt, das heute überhaupt noch gefördert wird”, erklärte David Chris, Sprecher der EU-Vertretung in Tel Aviv, am Mittwoch auf telefonische Anfrage. “Davon abgesehen geht es um null Euro.” Seit Jahren schon halte sich die EU daran, keine Projekte in den besetzten Gebieten zu fördern. Die am Mittwoch von Haa’retz veröffentlichten Richtlinien bildeten lediglich einen formalen Rahmen. “Die Regelungen gelten für EU-Institutionen”, betonte der Sprecher, “nicht für die EU-Mitgliedstaaten.”
Die Krux liegt woanders. Für das anstehende EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ würde das z.B. israelische Wissenschaftler betreffen. Es ist kaum anzunehmen, dass die israelische Regierung ein Dokument unterschreiben wird, das erwähnt, dass die nach 1967 besetzten Gebiete (einschließlich Ostjerusalem) von einer Förderung ausgeschlossen bleiben. Andererseits dürften einzelne Institutionen wie z.B. Universitäten kein Problem damit haben, bei der Bewerbung um EU-Fördermittel zu erklären, dass die besetzten Gebiete nicht involviert wären. Die Reaktion der konservativen Presse – so schreibt ‘Israel Hajom’, dass die EU mit ihrer Entscheidung “den Siedlern einen gelben Stern anheftet” – und von Regierungsmitgliedern sowie Parlamentariern, zeigen, dass die nochmalige Klarstellung der EU angebracht war. Die Rede Benjamin Netanjahus von der verloren gegangenen Neutralität Europas ist nicht korrekt. Schließlich ist die Nichtanerkennung der Besatzung der Golanhöhen, des Westjordanlandes, des Gazastreifens und Ostjerusalems Gebiete seit Jahren offizielle Politik der EU. Im Übrigen haben die Außenminister der Europäischen Union bereits am 10. Dezember 2012 ihre Verpflichtung bekräftigt, dass alle Abkommen mit Israel eindeutig und explizit auf die Nichtanwendbarkeit in den von Israel 1967 besetzten Gebieten hinweisen. Die neue Förderrichtlinien stellen nur die bürokratische Umsetzung von Punkt 4 des Außenministertreffens dar.
Wer behauptet, dass die jetzige Klarstellung die Verhandlungen des US-Außenminister John Kerry torpediere, verkennt dass mit Mitgliedern der Regierung wie dem israelische Minister für Bau- und Wohnungswesen eine Zweistaatenlösung nie zustande kommen wird. Vor wenigen Tagen wurde die geplante Errichtung von 900 neuen Wohneinheiten im Westjordanland bekannt. Uri Ariel Reaktion ist deutlich: Die EU trete in die Fußstapfen des “Dritten Reiches … Das ist eine rassistische Entscheidung, die das jüdische Volk diskriminiert und an den Boykott gegen Juden vor mehr als 66 Jahren erinnert.” Seine Partei HaBayit HaYehudi (Jüdisches Heim), welche bei der letzten Knessetwahl 12 Mandate erhielt, lehnt einen eigenständigen Palästinenserstaat grundsätzlich ab und befürwortet den Ausbau jüdischer Siedlungen. Die Position der Justizministerin und Regierungsbeauftragten für Friedensverhandlungen Zipi Livni, die die Richtlinie als Weckruf bezeichnete, ist in der gegenwärtigen Regierung allerdings äußerst schwach. Ihre Partei Hatnua (Die Bewegung) erreichte in der Knessetwahl 2013 sechs Sitze bzw. 4,99 Prozent.
Der Handel ist in den EU-Richtlinien nicht angesprochen, denn die EU erhebt auf Einfuhren aus den besetzten Gebieten bereits Zölle, auf Importe aus dem anerkannten Staatsgebiet Israels kaum. Allerdings sind die Produkte für europäische Zollbeamte nur schwer zu unterscheiden, da sie, egal woher, das Label “Made in Israel” tragen. Derzeit wird seitens der EU die einheitliche Kennzeichnungspflicht für israelische Waren aus dem besetzten Land diskutiert. Kunden könnten dann entscheiden, ob sie Produkte “Made in Israeli settlements” und “East-Jerusalem” kaufen möchten oder nicht, wie es in Dänemark, Holland und Großbritannien bereits Praxis ist. Israel importiert 34 Prozent aller Importe aus der EU und bei den Exporten stellt die EU nach den USA mit 26 Prozent den zweitwichtigste Absatzmarkt. – Israel muss sich entscheiden, ob es die Besiedlung besetzter Gebiete neben den fundamentalistisch religiösen Aspekten weiterhin als sicherheitspolitische Notwendigkeit betrachten will oder in Betracht zieht, dass der palästinensisch-israelische Konflikt als Symbol der Mobilisierung für den Kampf der muslimisch – arabischen Welt gegen Israel und den Westen, nicht nur für radikale Islamisten, höchste Bedeutung zukommt. Ganz abgesehen, dass sich am Horizont auch wirtschaftliche Konsequenzen abzeichnen. Die Tageszeitung Haaretz berichtete, dass als „Investment-Komitees“ bekannte Beratungsfirmen, großen europäischen Banken und Fonds abgeraten hätten, Darlehen oder Hilfe an israelische Firmen zu vergeben, die in der West Bank tätig sind, darunter auch israelische Banken, die für Häuser Hypotheken vergeben, die dort gegen Internationales Recht errichtet werden. In seinem Artikel in der israelischen Tageszeitung beschrieb Yossi Verter das als „das Albtraum-Szenario“ und einen „wirtschaftlichen Tsunami.“ Immerhin hat Palästina aufgrund seines Nichtmitglied-Beobachterstatus bei der UNO jetzt Zugang hat zum Internationalen Strafgerichtshof ICC und könnte Klagen gegen Israel oder andere Rechtsgebilde beim ICC einreichen könnte, die an dessen Verstößen gegen internationales Recht beteiligt sind.
Anmerkung Orlando Pascheit: Man muss die Forderung nicht teilen, um das Leid zu begreifen. Aber was tun? Der Aufruf erschien bereits im Guardian, in Le Monde, an-Nahar und El Mundo.
Anmerkung C.R.: Der offizielle Beginn der Beziehung zwischen Nazi-Deutschland und dem Vatikan gerät angesichts des späteren Attentats auf Hitler leider allzu oft aus dem Blick. Auch der gelernte Theologe Joachim Gauck gedenkt als Bundespräsident offenbar lieber den Attentätern als an das Konkordat zu erinnern.
Allgemeineres zum Thema Konkordat ist u.a. einem Essay von Ingrid Matthäus-Maier zu entnehmen: Mit Glauben ist kein Staat zu machen.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=18031