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Titel: Rudolf Hickels Beitrag in den Blättern ist es wert, den Hinweis von heute noch zu ergänzen
Datum: 9. Juli 2013 um 14:08 Uhr
Rubrik: Euro und Eurokrise, Finanzen und Währung, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Es geht bei diesem Essay „Raus aus dem Euro, zurück ins Chaos“ um die wichtige Frage, ob Währungs- und Lohnanpassungen eine wichtige Bedeutung für die Wiedergewinnung von Wettbewerbsfähigkeit und den Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit haben, und es geht um einen wichtigen Disput zwischen Ökonomen, die sich und die wir als vergleichsweise fortschrittlich einschätzen. In den Hinweisen von heute hatte ich auf Hickels Beitrag hingewiesen und ihn kurz kommentiert. Jetzt erhielt ich einen ergänzenden Text vom NDS-Hinweisgeber G.K. Albrecht Müller.
Er schreibt:
nachdem ich in der vergangenen Woche den Hickel-Beitrag gelesen hatte, war auch mein erster Gedanke: Wo sind denn nun die konkreten Lösungsvorschläge Hickels? Dessen Verweis auf eine “emanzipatorischer Politik” (eine ganz fürchterliche Phrase!) und ähnliche Nebulösitäten ist doch eher dürftig.
Mit Blick auf die von Hickel angesprochenen “konkurrenzfähigen Wirtschaftsstrukturen” erinnerte ich mich an folgenden Beitrag Heiner Flassbecks: “Wirken Auf– und Abwertungen oder wirken sie nicht?”
Darin schreibt Heiner Flassbeck einleitend:
“In der Geschichte ökonomischer Diskussionen gibt es immer die gleichen Abläufe. Menschen in meinem fortgeschrittenen Alter haben bestimmte Argumentationsmuster daher schon etwa zwanzig Mal miterlebt und daher dauernd schreckliche déjà-vu-Erlebnisse. Das mit Abstand beste Beispiel dafür ist die Diskussion um Währungskrisen und die Wirkung von Auf– und Abwertungen. Nachdem sich die Diskussion in der Eurokrise allmählich in die von Friederike Spiecker und mir von Anfang an für richtig gehaltene Richtung entwickelt und das Kernproblem der Währungsunion immer mehr als Problem des Auseinanderlaufens der Wettbewerbsfähigkeit identifiziert wird, betreten jetzt von rechts und von links, genau so wie in allen Krisen vorher, die Auf– und Abwertungsskeptiker die Bühne.Das bringe ja alles nichts, sagen die von rechts, selbst wenn Länder, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, ihre Währung oder eine neue Währung abwerten, werde das nichts helfen, weil mit der Abwertung auch die Importe teurer würden, was die Vorleistungen (aus Deutschland!) so stark verteure, dass von der Abwertung auch in den Exportindustrien nichts Positives übrig bliebe. Die von links pflichten bei, dass die betroffenen Länder auch gar keine Güter hätten, mit denen sie konkurrieren könnten, selbst wenn die Preise niedriger wären. Es wolle einfach niemand noch mehr Feta und Olivenöl aus Griechenland kaufen, das habe mit den Preisen gar nichts zu tun. Industriepolitik müsse man betreiben, damit die Länder endlich mal ein Produkt finden, mit dem sie an die Märkte könnten. Dann singen sie von rechts und von links im Chor: Die Preise sind sowieso nicht wichtig, auf die Qualität der Produkte kommt es an, wenn die nicht stimmt, hilft der niedrigste Preis gar nix.
Ich beginne mal, wie ältere Herren das so tun, mit einer Anekdote. Ich war um die Jahrtausendwende in Brasilien, kurz nachdem das Land in einer Währungskrise (1999) hatte kräftig abwerten müssen. Ich traf Politiker und Wissenschaftler und alle klagten über die hohen Importpreise. Ich hielt dagegen, dass die Abwertung aber doch große Chancen für den Export schaffe. Ach, ich sei ein armer Tor und kenne ihr Land nicht, warfen sie sofort ein, sie hätten ja gar keine Produkte, mit denen sie international konkurrenzfähig auftreten könnten. Ich bemerkte noch schüchtern, dass nach meiner Erfahrung jedes Land immer ein Potenzial an guten Produkten und Talenten hätte, die eine solche Chance wie eine Abwertung nutzen würden. Papperlapapp sagten sie, der hat keine Ahnung davon, wie schwerfällig der Brasilianer ist und wie schön die Landschaft und das Wetter hier sind.
Zwei Jahre später reiste ich wieder nach Brasilien.
Inzwischen hatte das Land einen Exportboom erlebt und das Defizit in der Leistungsbilanz war verschwunden, Brasilien verzeichnete sogar einen Überschuss. Ohne rechthaberisch sein zu wollen, sprach ich meine Gastgeber mehrfach darauf an, dass die Abwertung ja doch ordentliche Erfolge im Außenhandel gebracht hätte. Papperlapapp sagten alle sofort, da sähe man, dass ich keine Ahnung von Brasilien hätte. Der Exporterfolg habe doch nichts mit der Abwertung zu tun. Der Brasilianer sei einfach der geborene Exporteur und die brasilianischen Produkte seien so überragend, dass sie zu jedem Preis auf dem Weltmarkt verkauft werden könnten.”
Weiter mit G.K.:
Eine Anmerkung am Rande: Das Argument, unsere Produkte seien so hervorragend, dass sie zu jedem Preis auf dem Weltmarkt verkauft werden könnten, wird in ähnlicher Form von unseren Neoliberalen vorgetragen, um so von den negativen Folgen des deutschen Lohndumping (dem Verlust der preislichen Wettbewerbsfähigkeit bei den unter permanenten Außenhandelsdefiziten mit Deutschland leidenden Staaten) abzulenken.
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