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Titel: Paul Krugman: Japan the Model – Japan als Vorbild
Datum: 27. Mai 2013 um 10:19 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Jens Berger
Noch vor einer Generation wurde Japan allgemein als wirtschaftlicher Musterknabe bewundert – und gefürchtet. Business Bestseller hatten Samurai Krieger auf dem Einband und versprachen eine Einführung in die Geheimnisse des japanischen Management; Thriller von Autoren wie Michael Crichton stellten japanische Unternehmen als nicht aufzuhaltende Brummer dar, die ihre Vorherrschaft auf den Weltmärkten rapide verfestigten. New York Times Opinion Pages, 23.Mai 2013 (Aus dem Englischen übersetzt von ToberÜbersetzungenBerlin).
Dann verfiel Japan in eine scheinbar endlose Rezession, und die Welt verlor weitgehend das Interesse. Die wichtigsten Ausnahmen waren so eine Handvoll Wirtschaftler, und in dieser Gruppe waren auch der jetzige Präsident der Federal Reserve Ben Bernanke und meine Wenigkeit. Diese von Japan besessenen Ökonomen betrachteten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Inselstaates nicht als Beweis japanischer Inkompetenz, sondern als Omen für uns alle. Wenn so ein großes, wohlhabendes und politisch stabiles Land derart stark ins Straucheln kommen konnte, könnte dann nicht, so fragten sie sich, ziemlich das Gleiche auch anderen Ländern passieren?
Tatsächlich konnte und tat es das dann auch. Dieser Tage sind wir alle, wirtschaftlich gesprochen, Japaner – und darum ist das anhaltende wirtschaftliche Experiment in dem Land, wo alles anfing, so bedeutsam, nicht nur für Japan, sondern für die ganze Welt.
In gewisser Weise ist das wirklich Erstaunliche an “Abenomics” – diesem scharfen Wechsel zu geld- und fiskalpolitischen Anreizen, den die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe unternommen hat – dass niemand sonst in den hochentwickelten Ländern Ähnliches versucht. Tatsächlich scheint die westliche Welt in wirtschaftlichem Defätismus gefangen zu sein.
Zum Beispiel gibt es in Amerika noch immer vier mal so viele Langzeitarbeitslose wie vor der Wirtschaftskrise, doch die Republikaner wollen anscheinend nur über angebliche Skandale reden. Und fairerweise muss auch gesagt werden, dass es lange her ist, dass Präsident Obama eine starke öffentliche Aussage zur Arbeitsbeschaffung gemacht hat.
Aber zumindest wachsen wir ja noch. Europas Wirtschaft ist wieder in der Rezession, und in den vergangenen sechs Jahren ist das Wachstum tatsächlich sogar schwächer gewesen als in der Zeit von 1929 bis 1935; Und die Arbeitslosigkeit erreicht immer neue Höchststände. Trotzdem gibt es keinerlei Anzeichen für einen größeren politischen Wandel. Bestenfalls kann man eine leichte Lockerung bei den grausamen Austeritätsprogrammen erkennen, die Brüssel und Berlin den Schuldnerländern auferlegen.
Die japanischen Politiker könnten einfach die selben Entschuldigungen für tatenloses Zusehen hervorbringen, die man überall am Nordatlantik hören kann: Eine stark alternde Bevölkerung wirkt lähmend; Die Wirtschaft wird von strukturellen Problemen erdrückt ( und Japans strukturelle Probleme, besonders die Benachteiligung von Frauen, sind legendär ); Die Verschuldung ist zu hoch ( im Vergleich zur Gesamtwirtschaft bedeutend höher als die Griechenlands ). Tatsächlich haben japanische Politiker bisher auch sehr gerne solche Entschuldigungen gebraucht.
Die Wahrheit aber ist – und die Abe Regierung scheint das zu verstehen – dass all diese Probleme durch eine wirtschafliche Stagnation verschlimmert werden. Ein kurzfristiger Wachstumsanstoß wird kaum all die Probleme lösen, die Japan hat, aber wenn es gut geht, kann das ein erster Schritt auf eine bessere Zukunft hin sein.
Wie also funktioniert Abenomics? Wenn man sicher gehen will, muss man sagen, dass es noch zu früh für eine Antwort ist. Aber die ersten Zeichen sind positiv – und, nein, der plötzliche Einbruch bei den japanischen Aktien am Donnerstag macht da keinen Unterschied.
Die gute Botschaft beginnt mit dem überraschend guten japanischen Wirtschaftswachstum im ersten Quartal des Jahres – ein erheblich besseres Wachstum tatsächlich als das der Vereinigten Staaten, während Europas Wirtschaft weiter schrumpfte. Die Ergebnisse nur eines Quartals dürfen nicht übermässig bewerten werden, aber genau so etwas wünscht man sich.
Inzwischen sind die japanischen Aktien enorm angestiegen, und der Yen ist gefallen. Falls Sie sich das fragen sollten, ein schwacher Yen ist für die Japaner sehr gut, weil das die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie des Landes stärkt.
Einige Beobachter haben sich besorgt über die steigenden Langzeitzinsen Japans gezeigt, obwohl die noch immer unter 1% liegen. Aber gemeinsam sind die steigenden Zinsen und die steigenden Aktienpreise ein Hinweis darauf, dass nicht die Sorge sondern der Optimismus bezüglich der japanischen Solvenz wächst.
Es stimmt schon, dass der Ausverkauf der japanischen Aktien am Donnerstag dieser optimistischen Einschätzung einen kleinen Dämpfer gibt. Aber die Aktien stehen noch bedeutend höher als im vergangenen Jahr, und ich bin alt genug, mich an den Schwarzen Montag von 1987 zu erinnern, als die amerikanischen Aktien aus unersichtlichem Grund plötzlich um über 20% abstürzten, was den damaligen wirtschaftlichen Aufschwung überhaupt nicht behindert hat.
So weit, so gut, das kann man insgesamt zu Japans Bemühungen, seine Wirtschaft zu retten, sagen. Und man kann nur hoffen, dass diese Beurteilung Bestand haben kann und sich mit der Zeit noch mehr bestätigt. Denn wenn Abenomics funktioniert, hat das einen doppelten Vorteil, nämlich Japan den so benötigten Anstoß zu geben und uns Übrigen das noch viel mehr benötigte Gegenmittel gegen die politische Lethargie.
Wie schon zu Beginn gesagt, momentan scheint die westliche Welt in tiefen wirtschaftlichen Defätismus verfallen zu sein; Wir versuchen noch nicht einmal, unsere Probleme zu lösen. Das muss anders werden – und vielleicht, ganz vielleicht kann Japan der Auslöser sein.
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