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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 27. März 2013 um 8:43 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung unseres Lesers E.J.: Vollkommen zu Recht weist der Autor auf die absurde Pointe der „Zypernrettung“, nämlich der Abkopplung eines Euromitgliedstaates vom freien Kapitalverkehr, einer der vier sog. Grundfreiheiten des EU-Rechts, hin. Wie ahnungslos muss man eigentlich auf Seiten der deutsch-dominierten Eurogruppe sein, um nicht zu wissen, dass jede Form der Beteiligung der Einleger unvermeidlich zu einem bank-run und gesetzlichen Zwangsmaßnahmen zu seiner Verhinderung führen musste ? Wie ahnungslos, dies im Nachhinein als neues Modell der „Bankenrettung“ (Dijsselbloem) für den Euroraum zu propagieren ? Europa schachert um bail-outs und bail-ins und meint, für die Bewältigung der Eurokrise komme es darauf an, wer zahlt. Die eigentliche Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen der ganzen Veranstaltung (statt immer mehr Schaden für Länder und Leute) bleibt unbeantwortet. Und so sehen wir, wie sich die Eurozone in der Hand ihrer Retter zunehmend selbst delegitimiert und unter der Hand zerbröselt. Wer hätte sich – bei aller grundsätzlichen Skepsis – eine derartige Unfähigkeit der politischen Klasse in Europa je träumen lassen?
Anmerkung: IE steht für Irland, MT steht für Malta, CY für Zypern … Luxemburg, wo das Verhältnis der Banken-Bilanzsumme zum BIP 25 : 1 ist, hätte die Balkengrafik gesprengt.
Anmerkung WL: Das Statistische Bundesamt weist jedoch auch darauf hin, dass in jedem Jahr des Zeitraums 2001 bis 2010 das Wachstum der Arbeitskosten der deutschen Privatwirtschaft unterhalb des EU-Durschnitts lag. Im selben Zeitraum sind die Arbeitskosten in Frankreich mit knapp 35% mehr als doppelt so stark gestiegen wie in Deutschland.
Interessant ist weiter, dass die sog. „Lohnnebenkosten“ auf 100 Euro Bruttoverdienst zusätzlich 27 Euro betragen. Damit lagen diese sog. „Lohnnebenkosten in Deutschland unter dem EU-Durschnitt von 32 Euro und damit auf Platz 16 im EU-weiten Ranking.
Dass das Statistische Bundesamt die Arbeitskosten so wichtig nimmt erstaunt nicht weiter, dienten diese Angaben doch den Arbeitgeberverbänden und ihren medialen Mietmäulern (Siehe z.B. die Schlagzeile in Springers Welt und natürlich auch beim Spiegel) für ihre ständige Propaganda, dass die Lohnkosten in Deutschland zu hoch seien. Dass allerdings das IMK nicht darauf hinweist, dass die Wettbewerbsfähigkeit weniger von den Arbeitskosten sondern von den Lohnstückkosten (Lohnkosten in Relation zur Arbeitsproduktivität) abhängig ist, ist merkwürdig. Wegen ihrer viel engeren Beziehung zur Preisbildung sind die Lohnstückkosten ein weitaus besserer Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit als das Arbeits- bzw. das Lohnkostenniveau.
Die Entwicklung der Lohn- und der Lohnstückkosten ging jedoch in den letzten beiden Dekaden weit auseinander:
Quelle: Statistisches Bundesamt
Bis auf die Krisenjahre 2008/2009 lag die Entwicklung der Lohnstückkosten in Deutschland teilweise deutlich unter dem Niveau der EU 27
Quelle: Statistisches Bundesamt
Zum Glück lassen sich viele Menschen nicht mehr für dumm verkaufen. Siehe dazu die Kommentare bei der Tagesschau zu dieser Meldung.
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die Überschrift dieser vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Pressemitteilung ist eine propagandistische Zumutung. Denn der EU-Durchschnitt wird durch die niedrigen Arbeitskosten je Arbeitsstunde der osteuropäischen Staaten (deren Produktivität deutlich unterhalb jener der mitteleuropäischen Staaten liegt) kräftig nach unten gedrückt. Es darf vermutet werden, daß das organisatorisch dem Bundesinnenministerium unterstellte Statistische Bundesamt diese Überschift mit der Absicht gewählt hat, die v.a. im europäischen Ausland geäußerte Kritik an der deutschen Dumpingpolitik zu konterkarieren. So wurde beispielsweise in der vergangenen Woche von der belgischen Regierung bei der Europäischen Kommision mit Veweis auf den deutschen Niedriglohnsektor Klage wegen Sozialdumping gegen Deutschland eingereicht. Die Europäische Kommission schloss sich dem Dumpingvorwurf an. Die Kommission hatte schon im vergangenen Jahr in ihren länderspezifischen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten kritisiert, dass die deutschen Löhne zu wenig, nämlich geringer als die Produktivität, gestiegen seien, sagte der Sprecher von EU-Sozialkommissar Laszlo Andor in Brüssel.
Bei den Arbeitskosten pro Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft, die neben den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer auch die auf die Arbeitgeber entfallenden Lohnnebenkosten beinhalten, befindet sich Deutschland innerhalb der EU nur noch auf Platz 8. Unter Berücksichtigung des nicht zur EU zählenden Norwegen nimmt Deutschland sogar nur Rang 9 ein.
Folgender Hinweis des Statistischen Bundesamtes zur Lohnentwicklung innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes soll wohl dafür herhalten, den Dumpingvorwurf an die Adresse der deutschen Exportwirtschaft zumindest abzuschwächen:
“Im Verarbeitenden Gewerbe, das besonders im internationalen Wettbewerb steht, kostete eine Arbeitsstunde in Deutschland 2012 durchschnittlich 35,20 Euro. Hier lag Deutschland im EU-weiten Vergleich auf Rang fünf. Eine Stunde Arbeit in der deutschen Industrie war 47 % teurer als im EU-Durchschnitt, aber 3 % billiger als in Frankreich.”
Unter Einbeziehung Norwegens liegen die deutschen Arbeitskosten je Arbeitsstunde im Verarbeitenden Gewerbe somit auf Platz 6. Jedoch: Die Entwicklung der industriellen Lohnstückkosten (diese berücksichtigen neben den absoluten Arbeitskosten auch die Produktivität) seit der Jahrtausendwende zeigt, daß auch vom Verarbeitenden Gewerbe über viele Jahre hinweg Lohndumping betrieben wurde. Und: Hinsichtlich der Frage, ob die deutsche Exportwirtschaft Lohndumping betreibt, ist es keinesfalls ausreichend, ausschließlich die Arbeitskosten der Stammbelegschaften in den Industrieunternehmen zu betrachten. Vielmehr sind auch jene Dumpingeffekte zu berücksichtigen, die von der im Verarbeitenden Gewerbe eingesetzten Leiharbeit sowie von den sonstigen zugekauften Dienstleistungen aus dem hierzulande im europäischen Vergleich miserabel entlohnten Dienstleistungsektor bezogen werden. Zu diesen Aspekten siehe die Anmerkungen des NachDenkSeiten-Lesers zum hier verlinkten Beitrag aus der Jungen Welt.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes:
“In jedem Jahr des Zeitraums 2001 bis 2010 lag das Wachstum der Arbeitskosten in der deutschen Privatwirtschaft unterhalb des EU-Durchschnitts. In den Jahren 2011 und 2012 kehrte sich diese langfristige Entwicklung um: Die Arbeitskosten in Deutschland erhöhten sich stärker als in der EU. Dies zeigt sich auch bei einem Vergleich mit Frankreich: 2001 bis 2010 sind die Arbeitskosten in Frankreich mit knapp 35 % mehr als doppelt so stark gestiegen wie in Deutschland (+ 16 %). In den Jahren 2011 und 2012 war der Anstieg in Deutschland (+ 5,9 %) leicht über dem Wachstum in Frankreich (+ 5,4 %).”
Nochmals zur Wiederholung: Im Zeitraum 2000 bis 2010 sind die deutschen Arbeitskosten innerhalb der Privatwirtschaft gegenüber den französischen Arbeitkosten um 19 Prozent stärker angewachsen. Im Zeitraum 2011 bis 2012 – jenem Zeitraum, in welchem laut deutschen Medienberichten die hiesigen Löhne und Gehälter “kräftig angestiegen” sind – haben sich die deutschen Arbeitskosten im Vergleich zu Frankreich um lächerliche 0,5 Prozent stärker entwickelt. Das von den deutschen neoliberalen Propagandisten in Politik, Medien und Wissenschaft propagierte Motto aus schlechten alten Zeiten – “Am deutschen Wesen soll die Welt genesen” – wird von diesen auch auf die Lohnpolitik übertragen: Die übrigen Staaten der Eurzone sollen der Forderung der deutschen Neoliberalen folgend ihre Löhne auf ein “wettbewerbsfähiges Niveau zurückführen”, sprich: die Reallöhne der dortigen Arbeitnehmer absenken. Gerade mit Blick auf Frankreich zeigt Heiner Flassbeck jedoch überzeugend auf, daß in Sachen Lohnpolitik nicht Frankreich der “Sünder” ist, sondern der selbsternannte Musterschüler Deutschland.
“Wenn das größte Land in der Eurozone gegen die zentrale gemeinsam vereinbarte Regel zur Inflationskonvergenz verstößt und auf diese Weise die anderen Länder wirtschaftlich an die Wand drängt, kann auch die effizienteste Volkswirtschaft nicht ohne gewaltigen Schaden davonkommen. Das beste Beispiel ist Frankreich. Frankreich hat sich als so ziemlich einziges Land der entscheidenden Regel der Währungsunion entsprechend verhalten und befindet sich jetzt doch in der gleichen Zwickmühle wie alle anderen Schuldner, weil auch dort die Politiker nicht verstehen oder wahrhaben wollen, dass ein Land wie Deutschland, das in einer Währungsunion mit Gewalt seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert, der eigentlich Schuldige ist.”
In einem aktuellen Beitrag zeigt Heiner Flassbeck am Beispiel der FAZ, wie hierzulande – teilweise unter kräftiger Mithilfe der neoliberalen europäischen “Eliten” – mit wissenschaftlich unredlichen Methoden versucht wird, das von Deutschland seit Ende der 90er Jahre betriebene Lohndumping in Abrede zu stellen: “Die FAZ über die Schere zwischen Lohn und Produktivität oder: Was denkt Mario Draghi wirklich?“
dazu: Wettbewerbsfähigkeit: Arbeit in Deutschland ein Drittel teurer als im EU-Schnitt
Arbeit in Deutschland wird teurer: 31 Euro zahlen die Arbeitgeber je geleistete Stunde, das ist ein Drittel mehr als der EU-Durchschnitt. Deutlich teurer ist Arbeit im Nachbarland Frankreich. […]
Besonders teuer ist Arbeit in der Industrie, die stark im internationalen Wettbewerb steht. Hier kostete eine Stunde 35,20 Euro. Das waren 47 Prozent mehr als im EU-Schnitt, aber drei Prozent weniger als in Frankreich. „Hier lag Deutschland im EU-weiten Vergleich auf Rang fünf“, konstatierten die Statistiker.
Quelle: FAZ
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein plumper Manipulationsversuch – schließlich sagen die absoluten Arbeitskosten/Löhne exakt nichts über die “Wettbewerbsfähigkeit” der Überschrift aus -, der aber genau deshalb sicher erfolgreich sein wird. Die FAZ übersieht sogar die klaffenden Widersprüche im eigenen Artikel – ausgerechnet die “Industrie, die stark im internationalen Wettbewerb steht” (und dabei mit Autos, Maschinen und chemischen Erzeugnissen außergewöhnlich erfolgreich ist), zahlt die höchsten Löhne, was ganz offensichtlich die Wettbewerbsfähigkeit kein bißchen einschränkt, im Zweifel sogar erheblich befördert (für die höchsten Löhne bekommt man schließlich die besten Mitarbeiter). Und ginge es nach der Logik der FAZ – Wettbewerbsfähigkeit ist der einzige Maßstab für die Wirtschaft, und die Wettbewerbsfähigkeit läßt sich an der absoluten Höhe der Löhne ablesen; beides natürlich völliger Quatsch -, dann müßte das bettelarme Bulgarien mit den niedrigsten Löhnen der EU (3,70 Euro pro Stunde) superwettbewerbsfähig, supererfolgreich und superglücklich sein. In Wahrheit liegt die Wirtschaft dort am Boden, und es kommt immer wieder zu Armutsprotesten; leider nimmt die FAZ dazu nicht Stellung.
Quelle: FAZ
Anmerkung WL: Dieses Verbot galt wohl nur bis zum Datum der Veröffentlichung der Antwort der Bundesregierung. Schäuble hat es am Wochenende mit den Beschlüssen der Troika zu Zypern außer Kraft gesetzt.
Quelle: Cuncti
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