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Titel: Weltwassertag – einige gute Gelegenheit Ihre Abgeordneten auf ihr Abstimmungsverhalten zur Privatisierung der Wasserversorgung anzusprechen

Datum: 21. März 2013 um 9:34 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Privatisierung öffentlicher Leistungen, Ressourcen, Verbraucherschutz
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Am 22. März ist Weltwassertag und das Jahr 2013 ist Weltwasserjahr. Um der Bedeutung des Wassers als Lebensgrundlage der Menschheit Nachdruck zu verleihen, hat die UN-Vollversammlung 1992 dem Weltwassertag ausgerufen.
Vor wenigen Tagen, am 28. Februar, fand im Deutschen Bundestag eine geradezu peinliche Debatte über eine EU-Dienstleistungskonzessions-Richtlinie statt, die der Privatisierung der Wasserversorgung in Europa eine Hintertür öffnen will und damit das Menschenrecht auf Wasser zum Objekt der Spekulation machen würde.
Am Weltwassertag werden Sie wieder einmal zahlreiche wunderbare Erklärungen über die Bedeutung des Wassers und die hervorragende Wasserversorgung in Deutschland hören und lesen.
Fragen Sie aber doch bei dieser Gelegenheit einmal bei Ihrem Abgeordneten an, warum er sich bei den Abstimmungen im Bundestag gegen das Menschenrecht auf Wasser und für eine Privatisierung der Wasserversorgung ausgesprochen hat. Nehmen Sie diesen Tag als Anstoß den Aufruf der der Europäischen Bürgerinitiative zu „Wasser ist ein Menschenrecht“ zu unterzeichnen. Von Christine Wicht.

Den Aufruf der Europäischen Bürgerinitiative zu „Wasser ist ein Menschenrecht“ haben hierzulande mittlerweile mehr als eine Million Menschen unterstützt. Damit ist Deutschland in der Europäischen Union absoluter Spitzenreiter. (siehe aktuelle Aufstellung [PDF – 153.3 KB])
Hintergrund für diese Petition ist eine vom EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier vorgelegte EU-Dienstleistungskonzessions-Richtlinie [PDF – 348 KB], in der im Kleingedruckten einer europaweiten Privatisierung der Wasserversorgung eine Hintertür geöffnet werden soll.

Unter dem Eindruck des weitverbreiteten Protests ist der Binnenmarktkommissar Barnier inzwischen ein Stück weit zurückgerudert. Während die EU-Kommission und der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments bislang eher nur rein kommunale Wasserbetriebe von der Ausschreibung ausnehmen wollten, soll jetzt auch die Wassersparte von Stadtwerken von der Ausschreibungsverpflichtung freigestellt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Buchhaltung der Wassersparte völlig von der Buchhaltung der Energiesparte getrennt wird, dass also zwischen Wassersparte einerseits und sowie dem Gas- und Strom-Geschäft andererseits eine „chinesische Mauer“ eingezogen wird. Damit sollen angeblich intransparente Geldflüsse von der Wassersparte ins Wettbewerbsgeschäft verhindert werden.
Nicht nur von den betroffenen kommunalen Wasserversorgern wird bezweifelt, ob damit dem von dem Europäischen Kommission ausgehenden Privatisierungsdruck (auch auf die Strom- und Gasnetze) ein Riegel vorgeschoben wird. Aber das soll hier nicht diskutiert werden.

Hier soll vielmehr auf ein parteipolitisches Possenspiel um die Privatisierung der Wasserversorgung und die Frage des Menschenrechts auf Wasser im Deutschen Bundestag eingegangen werden:

Es war wohl die millionenfache Unterstützung der Bürgerinitiative „Wasser ist Menschenrecht“, die die Oppositionsparteien im Bundestag angestoßen hat, das Thema auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen. Die Fraktion der Grünen hat am 20. Februar [PDF – 74.4 KB] und Linksfraktion am 26. Februar [PDF – 158 KB] jeweils einen Antrag gestellt, in denen die Bundesregierung aufgefordert wird, das Brüsseler Wasserprivatisierungsvorhaben „zu stoppen“ bzw. „abzulehnen“. Am 27. Februar gab auch noch die SPD-Fraktion eine Stellungnahme ab, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich der Auffassung des Bundesrates anzuschließen, „dass es keiner europäischen Rechtsetzung zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen bedarf und diese abzulehnen ist“ [PDF – 104 KB].

Am 28. Februar fand dann im Bundestag die Debatte über diese Anträge statt. Gerade mal eine halbe Stunde war dafür vorgesehen [PDF – 2.8 MB].

Dazu muss man wissen: Die Bundesregierung hatte zuvor (am 11. Dezember 2012) der EU-Richtlinie im EU-Ministerrat und in den entsprechenden Ausschüssen zugestimmt und hat sich bisher auch Änderungen verweigert. Vor allem der FDP-Wirtschaftsminister war dabei die treibende Kraft. Doch auch die Kanzlerin hat sich in einem Schreiben an ver.di und den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft anfangs des Jahres grundsätzlich hinter den Vorschlag der Kommission gestellt. „Den Vorstoß der Europäischen Kommission begrüße ich grundsätzlich. Damit wird für Kommunen und Unternehmen ein verlässlicher Rechtsrahmen geschaffen.“

Die Grünen hatten in ihrem Antrag die Chuzpe, auf den Beschluss der CDU auf ihrem Parteitag vom November in Hannover Bezug zu nehmen. Dort heißt es:

„„Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge.
Dies betrifft z. B. Wasserver- und -entsorgung, Rettungs- und Gesundheitsdienstleistungen und soziale Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen werden sowohl aufgrund ihrer Art als auch ihres Umfangs zum großen Teil vor Ort und nicht grenzüberschreitend erbracht… Die im Entwurf vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und Handlungsspielräume, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür führen und bewährte, gewachsene Strukturen zerstören. Dies wird die CDU im Interesse der Menschen in Deutschland nicht zulassen“, (Beschluss C 86, S. 8 [PDF – 175 KB])

In Hannover hatte sich die Kanzlerin noch gegen die Richtlinie ausgesprochen.

Auch die CSU-geführte Bayerische Landesregierung hat im Bundesrat gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen eine Entschließung gegen diese EU-Richtlinie in den Bundesrat eingebracht.

Der Sprecher für die Fraktionen von CDU und CSU Ulrich Lange hatte nun im Parlament die unangenehme Aufgabe die Anträge zurückzuweisen. Sie hätten „populistischen Charakter“. Lange schob die Verantwortung an „die Technokraten“ nach Brüssel ab. Aus Gründen des Subsidiaritätsprinzips sah er keinen Regelungsbedarf auf der europäischen Ebene. Auch mit den Änderungen Barniers sei er „nicht zufrieden“. Wasser dürfe nicht zum Spekulationsobjekt werden, hier höre die Liberalisierung auf. Es gehe jetzt darum, dass wir versuchten, diese Dienstleistungskonzessionsrichtlinie in Brüssel zu kippen oder wenigstens den sensiblen Bereich der Wasserversorgung aus der Richtlinie zu nehmen. „Dazu stehen wir als CDU/CSU, auch in dieser Deutlichkeit.“

Der parlamentarische Staatsekretär im FDP-geführten Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, wies natürlich die Kritik an der Richtlinie zurück und behauptete, dass sich materiell an der Rechtslage nichts ändere sondern nur Rechtssicherheit geschaffen werde. Die Sorge von Grünen und SPD seien „übertrieben“. Die Europäische Bürgerinitiative wolle vielmehr das kommunale Selbstverwaltungsrecht beschränken und die Kommunen zwingen die Wasserversorgung zu verstaatlichen. Es gebe aber keinerlei Erkenntnisse, dass die Qualität oder der Preis von privaten Versorgern schlechter sei als die von öffentlichen.
Die Kritiker führten ideologische Kampagnen.

Die „Ideologen“ sind für die FDP eben immer die anderen, die gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung sind.

Über den Antrag der SPD wurde im Plenum abgestimmt. Zunächst stellte der Präsident fest, dass dieser Antrag angenommen wurde. Die CDU/CSU habe sich der Stimme enthalten und nur die FDP habe abgelehnt. Da gab es plötzlich Unruhe innerhalb der Unionsfraktion. Dann beantragte die CDU/CSU eine Wiederholung der Abstimmung, der Antrag der SPD wurde nunmehr mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt.

Über die Anträge der Grünen und der Linksfraktion gab es namentliche Abstimmungen.

Den Antrag der Grünen „Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür“ haben 212 Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt, nur Peter Gauweiler, Josef Göppel, Peter Aumer, Alois Karl, Max Lehmer stimmten zu und es gab 6 Enthaltungen. Auch alle anwesenden Abgeordneten der SPD stimmten zu. Von der FDP haben sich zwei MdBs enthalten und ansonsten haben deren Fraktionsmitglieder den Antrag abgelehnt. Die anwesenden Abgeordneten der Fraktion der Linken haben für den Antrag der Grünen gestimmt.

Der CSU-Abgenordnete Johannes Singhammer antwortete auf die Frage eines Reporters von Monitor, warum nur fünf Unions-Abgeordnete dafür, 212 aber mit der FDP dagegen gestimmt haben: „Wir lassen uns als Union beim Einsatz für das Lebensmittel Nummer eins, das Trinkwasser, von den Grünen in keiner Weise übertreffen
Warum haben CDU/CSU dann aber keinen Antrag eingebracht, in dem sie die Grünen bei ihrem Einsatz für das Trinkwasser hätten übertreffen können?

Den Antrag der Fraktion der LINKEN „Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern“
haben 219 Abgeordnete der CDU/CSU Fraktion und 79 von der FDP abgelehnt. Je zwei anwesende Abgeordnete der Regierungskoalition haben sich enthalten. Die SPD-Fraktionsmitglieder haben sich nahezu komplett enthalten. Nur die Anwesenden Mitglieder der Fraktionen der LINKEN und der Grünen haben zugestimmt http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp?id=212.

Die Abstimmungsposse im Deutschen Bundestag hat in den Medien kaum eine Rolle gespielt. Die Redaktionen folgten wohl dem zynischen Rat, der Reichskanzler Otto von Bismarck zugeschrieben wird: „Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie“.

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Regierungsparteien sich wie Marionetten ihrer Regierung verhalten. Obwohl es in der CDU einen Parteitagsbeschluss gibt und obwohl die CSU einen entsprechenden Antrag im Bundesrat eingebracht hat, haben die Parlamentarier der Unionsparteien gegen ihre eigene Meinung und gegen den Beschluss ihrer Partei gestimmt, weil es der FDP-Wirtschaftsminister verlangte. Wieder einmal stand die Koalitionsdisziplin über dem „Gewissen“ der einzelnen Abgeordneten. Sie trinken eben lieber Wein und predigen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern vom guten Wasser.

Bedauerlich ist weiter, dass die Oppositionsparteien SPD, Grüne und LINKE, obwohl in der Sache weitgehend einig, offenbar nicht in der Lage waren, sich auf einen einheitlichen Antrag gegen die Regierung zu verständigen. Die Grünen und die Linken stimmten immerhin einem Antrag der SPD zu und die SPD-Fraktionsmitglieder gaben auch noch dem Antrag der Grünen ihre Stimme. Im Gegensatz zu den Grünen hatte die SPD aber nicht den Mut einem Antrag der Linksfraktion zuzustimmen; die Fraktionsmitglieder der SPD enthielten sich verschämt.

Solche parlamentarischen Geplänkel sind umso bedenklicher als die vom Europäischen Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) und dessen europäischen Mitgliedsgewerkschaften (in Deutschland Verdi) und von vielen Gruppen und Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützte Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“ bislang die erfolgreichste ihrer Art ist. Über 1,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger vor allem aus Deutschland, Belgien und Österreich haben diese Petition bisher unterzeichnet. Eine erste Wirkung hat sie schon erzielt. Der zuständige EU-Kommissar ruderte ein Stück zurück. Obwohl Stimmen aus mindestens sieben EU-Ländern benötigt werden, damit sich das EU-Parlament und die Kommission mit dem Anliegen beschäftigen müssen, werden die europäischen Institutionen wohl kaum darum herumkommen sich weiter damit zu befassen. Die Initiative „Right 2 Water“ strebt 2 Millionen Unterschriften an.

Damit würde jedenfalls mehr bewirkt, als durch Anträge und Debatten im Bundestag, wo es nicht um die Sache, sondern parteipolitisch motivierte Machtspiele geht.
Deshalb nehmen Sie den Weltwassertag als Anstoß für Ihre Unterschrift.

P.S.: Kleiner Exkurs ins Brüsseler Lobbyistenlabyrinth
Die Regeln der EU-Konzessionsrichtlinie greifen, wenn eine Kommune ihre kommunale Aufgaben durch die Vergabe einer Konzession an ein Privatunternehmen überträgt. Würde die Konzessionsvergabe so belassen wie sie ist, würden keine neuen Märkte für global agierende Konzerne geschaffen. Das federführende Bundeswirtschaftsministerium unterstützt die Pläne der EU-Kommission für die Richtlinie. Die EU-Kommission wird unterstützt von einem Sonderausschuss für Außenhandelsfragen, dem sogenannten 133er-Ausschuss. Der Ausschuss tagt wöchentlich. Zugang zu den Sitzungen des Ausschusses haben außer den Vertretern der Wirtschafts- und Handelsministerien auch Vertreter des European Services Forum (ESF) und der European Services Leaders Group (ESLG). Das ESF setzt sich aus Banken, Versicherungen und anderen Unternehmen des Dienstleistungssektors zusammen. In der ESLG sitzen mehr als vierzig Topmanager aus dem Bereich Energie. Mit dieser Präsenz der Lobbygruppen hat die export- und rohstoffinteressierte Wirtschaft einen entscheidenden Einfluss auf die europäische Handelspolitik. Diese Vertreter der Wirtschaft haben naturgemäß ein großes Interesse an der Liberalisierung und Privatisierung der Bereiche in Ländern, die noch in staatlicher Hand sind. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben keinen Zugang zu den Sitzungen. Die Lobbyistenvereinigungen in Brüssel haben enormen Einfluss auf die EU-Politik. Beispielsweise empfahl 1993 der ERT der EU-Kommission, eine Europäische Wettbewerbskommission (European Competitiveness Council) zu gründen, um die Wettbewerbsfähigkeit als höchste Priorität auf die politische Agenda zu setzen. Dies war der Anfang der Lissabon-Strategie. Der European Round Table of Industrialists (ERT), an welchem 45 Vertreter der Europäischen Konzerne vertreten sind, war an der Uruguay-Runde beteiligt. Damit die Industrie mehr Einfluss auf die GATS-Verhandlungen nehmen konnte, wurde seinerzeit auf Vorschlag des EU-Handelskommissars, Leon Brittan, 1998 ein europäisches Netzwerk gegründet, das oben erwähnte European Services Forum (ESF), dem 30 der größten europäischen Konzerne, europäische Dachverbände wie Businesseurope (europäischer Arbeitgeberverband) und 20 Unternehmen aus dem Servicesektor angehören, u.a. Veolia. Ziel des ESF ist es die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte mit Hilfe von GATS weltweit voranzutreiben. Beim Thema Wasser werden die politischen Kräfte offensichtlich. Entscheidungsträger hierzulande versuchen gern ihre Hände in Unschuld zu waschen und verweisen auf Brüssel, wenn unpopuläre Entscheidungen anstehen gegen die angeblich nichts mehr unternommen werden könne. Dabei entscheidet der Ministerrat, in welchem die Fachminister der EU-Staaten abstimmen, so auch über die Konzessionsrichtlinie. Es gibt Abstimmungen, von welchen der Bürger nichts erfährt, doch beim Thema Wasser sind die Bürger wachsam. Die Bundestagsreden und die Abstimmung über die Anträge der Grünen und der Linken haben Bürger verfolgt, ihrer Aufmerksamkeit ist es zu verdanken, dass die namentliche Abstimmung und die Reden im Bundestag bekannt wurden.


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