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Titel: Nochmals: Unternehmer wollen nun auch in der Schule Herr im Haus sein. Beispiel: Politische Bildung in Niedersachsen.
Datum: 30. August 2006 um 11:32 Uhr
Rubrik: Bildung, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Die „Gemeinschaftsinitiative Soziale Marktwirtschaft“ liefert das Schulbuch für den Wirtschaftsunterricht und die Vorsitzenden der Bertelsmann Stiftung, der Ludwig-Erhard-Stiftung und der Nixdorf-Stiftung schreiben das Vorwort.
Es sind manchmal die kleinen und versteckten Meldungen, die die aufschlussreichsten Informationen liefern.
„Wenn am 31. August in Niedersachsen wieder der Unterricht beginnt, werden die Gymnasiasten der Klasse 8 erstmals ´Politik-Wirtschaft` auf dem Stundenplan finden“, so beginnt ein Einspalter auf Seite 28 der Frankfurter Rundschau vom 29.8.06. Das neue Fach trete an die Stelle des Politikunterrichts.
Mit der Verknüpfung wirtschaftlicher und politischer Inhalte hätten die Länder Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen schon seit 1999 auf die „verbreitete Forderung“ reagiert, ökonomische Lehrinhalte stärker in den allgemeinbildenden Schulen zu berücksichtigen. Nun folge Niedersachsen nach.
So weit, so gut und außer vielleicht der Frage, wer die „verbreitete Forderung“ eigentlich aufstellte, nichts Bemerkenswertes.
Dass der Bundesvorsitzende der Vereinigung für Politische Bildung daran Kritik übte, dass die politische Bildung auf höchstens eine Wochenstunde zusammengekürzt würde, ist ja heutzutage nichts Besonderes.
Interessanter ist dann schon, wer bei der Lehrplanarbeit, bei der Lehrerfortbildung und vor allem bei der Schulbuchentwicklung beteiligt war.
Jedenfalls war der liberale Oldenburger Ökonomiedidaktiker Hans Kaminski das einzige wissenschaftliche Mitglied der Richtlinienkommission für dieses Fach. Er ist gleichzeitig Leiter der vom Land Niedersachsen und anderen Bundesländern eingeführten Online-Weiterbildung „Ökonomische Bildung“. Sein von ihm geleitetes „Institut für ökonomische Bildung“ (IÖB) an der Uni Oldenburg und die gGmbH „Ökonomie & Bildung“ bieten zusammen mit dem Bildungswerk der niedersächsischen Unternehmer- und Arbeitgeberverbände (BNW) gleich auch noch die Fortbildung der Lehrkräfte für das neue Fach an.
Das in dem neuen Fach verwendete, gleichfalls von Kaminski herausgegebene Schulbuch „Oec.“ (Amazon-Preis 26,95 Euro) wurde wiederum von der „Gemeinschaftsinitiative Soziale Marktwirtschaft“ initiiert. Die Gemeinschaft, die sich hinter dieser Initiative verbirgt, ist (na, wie könnte es anders sein) die Bertelsmann Stiftung, die Heinz Nixdorf Stiftung und die ordoliberale Ludwig-Erhard-Stiftung.
So nimmt es auch nicht mehr Wunder, dass in einem Schulbuch (!) die Vorsitzenden dieser der drei Wirtschaftsstiftungen das Vorwort schreiben.
Endlich mal ein Schulbuch, wie es sich die Wirtschaft wünscht.
Dass Kaminski quasi eine Monopolstellung bei Produktion und Vertrieb der politischen Bildung an Niedersachsens Schulen hat, scheint die überzeugten Wirtschaftsliberalen Förderer nicht allzu sehr zu stören. Es geht ja um die richtige Sache: „Die Förderung des Wissens und des Verständnisses von marktwirtschaftlichen Wirkungszusammenhängen in unserer Gesellschaft.“
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