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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 8. März 2013 um 17:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Linkspartei wittert Korruption bei Steinbrück und den Beratungen für das Finanzministerium
  2. Brüderle hält Euro-Austritt Italiens für möglich
  3. Kahlschlag bei den Investitionen der Bundesländer
  4. Ulrike Herrmann: Der unbekannte Reiche
  5. US-Börsenboom: Die Reichen jubeln, die Armen leiden
  6. Who saw the economic crisis coming and why?
  7. Work Hard – Play Hard
  8. Wem gehört das Wasser?
  9. Bankenrettungsfonds zahlt 100 Millionen für Berater
  10. 42.500 NS-Lager: Die Faszination der großen Zahl
  11. Südosteuropa: Wenig Optimismus und verschärfte Auseinandersetzungen
  12. Iran-Konflikt: Das Jahr der Entscheidung
  13. Geheime Video-Aufnahmen im Irak: Im Folterkeller der US-Soldaten
  14. Ein luxuriöses Lebensgefühl
  15. Schaut auf diese Stadt
  16. Wissenschaft und Macht
  17. Zu guter Letzt: BER-Chef: so lacht das Web über Mehdorn

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Linkspartei wittert Korruption bei Steinbrück und den Beratungen für das Finanzministerium
    […] Man wolle “alle Bankenrettungspakete einem Korruptionscheck unterziehen”, sagte Linksparteichef Bernd Riexinger gegenüber der Zeitung. “Steinbrück kassiert eine sechsstellige Summe dafür, dass er bei Banken und Bankenkanzleien auftritt, die selbst für siebenstellige Summen sein Ministerium und den von ihm verantworteten Bankenrettungsfonds dabei beraten haben, mit Steuergeld Banken zu retten”, betonte Riexinger. “Wer glaubt, dass das nicht nach Korruption riecht, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.”
    Quelle: LVZ via Presseportal
  2. Brüderle hält Euro-Austritt Italiens für möglich
    Nach der Wahl in Italien hält FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle einen Austritt des EU-Gründungsmitglieds aus der Euro-Zone für möglich.
    Es könne sein, “dass sie rausgehen”, sagte Brüderle am Donnerstagabend im ZDF laut Sendermitteilung. Italien müsse sich entscheiden, ob es sich bei der gemeinsamen Währung anpassen wolle. “Und wenn sie das nicht wollen, müssen sie die Konsequenzen ziehen”, fügte der FDP-Fraktionsvorsitzende hinzu. Die Entscheidung liege allein bei Italien.
    Quelle: Reuters

    Anmerkung WL: Über solche chauvinistischen Zoten Brüderles regt sich leider niemand auf. Hat Brüderle auch nur einen Schimmer davon, was der Austritt des Gründungsmitglieds Italien, der drittstärksten Volkswirtschaft innerhalb der EU nach sich ziehen würde?
    Brüderle betreibt das Geschäft der Spekulanten und er treibt den Chauvinisten à la Berlusconi Wasser auf ihre Mühlen.

    Anmerkung JB: Und dabei hat sich Brüderle in der Illner-Sendung noch über das Stammtischniveau von Steinbrück lustig gemacht. Zusammen mit den wirtschaftsliberalen Hardliner und Parteigründer Bernd Lucke präsentierte Brüderle gestern einmal wieder die hässliche, nationalchauvinistische Seite Deutschlands. Und auch Oskar Lafontaine hatte trotz einiger wichtiger Einwürfe gestern nicht seinen überzeugendsten Tag.

    dazu: Sankt Martin und der Euro
    „Zieht uns Italien in den Abgrund?“, so fragte gestern Abend Maybrit Illner. Aber wie soll man eine richtige Antwort auf eine falsche Frage finden?
    […] Aber dieser Schnee von gestern ist im kommenden Frühling schon längst vergessen. „Chaos, Clowns und Euro-Krise – zieht uns Italien in den Abgrund?“, so hieß das Thema. Europa hat nun wirklich genügend Sorgen. Die Wichtigste sprach der Börsenexperte Dirk Müller in einem Nebensatz an: Wie schafft man ein Klima für Unternehmer und Verbraucher, damit im dritten Jahr der Krise im Euroraum endlich wieder investiert wird? So waren sich, mit Ausnahme des am kommenden Samstag auf dem FDP-Bundesparteitag zu kürenden Spitzenkandidaten Rainer Brüderle, alle Gäste in einem Punkt einig. Mit der bisherigen Strategie, die Einkommen zu kürzen, die Steuern zu erhöhen und die Staatsausgaben zu senken, wird das nicht gelingen. Müller nannte diese Politik im Lichte der bisherigen Erfahrungen mit guten Gründen „Wahnsinn“. […]
    Wo die Deutschen meinen, ihren Mantel wie der barmherzige St. Martin teilen zu müssen, haben also nicht nur Italiener den Eindruck, dass sie vielmehr ihren letzten Mantel verlieren werden. Lucke formulierte gestern Abend ein gutes Argument. Italien müsse gegenüber Deutschland um 30 Prozent abwerten, wenn es wieder konkurrenzfähig werden wolle. Unter den Bedingungen einer gemeinsamen Währung bedeute das Einkommensverluste in gleicher Höhe. Wer wolle das den Italienern zumuten? Lafontaine wies dann auf das deutsche „Lohndumping“ als eine der Ursachen der Krise hin. Tatsächlich könnte Deutschland aufwerten, um den Italienern die Anpassung zu erleichtern. Das bedeutete höhere Löhne oder Renten.
    Deutschland wäre zwar nicht mehr „wettbewerbsfähiger“ als Italien, aber dafür die Bürger reicher. In Deutschland löst diese Perspektive seltsamerweise Angst und Schrecken aus, obwohl die Eurozone nur so funktionieren kann.
    Quelle: FAZ

  3. Kahlschlag bei den Investitionen der Bundesländer
    Schon lange vor der Eurokrise hat der Kürzungswahn Europa erfasst: Die Idee eines „schlanken Staates“ hat sich seit Jahrzehnten ausgebreitet. In Deutschland macht sie auch vor den Bundesländern nicht Halt. Die Schuldenbremse, die Verschuldung der Haushalte und die vorangegangenen Steuersenkungen der Regierungen Kohl, Schröder und Merkel (beispielsweise Aussetzung der Vermögensteuer, Senkung der Körperschaftsteuer und des Einkommensteuer-Spitzensteuersatzes) belasten die Haushalte. Hinzu kommt für die ostdeutschen Bundesländer eine schwache Entwicklung der Steuereinnahmen aufgrund nach wie vor bestehender wirtschaftsstruktureller Defizite. Allerdings müssen trotz nur unzureichend finanzierter öffentlicher Haushalte Investitionen vorgenommen werden, um in Zukunft nicht vor maroden Gebäuden und Straßen zu stehen.
    Wer investiert, erwartet in der Zukunft einen Nutzen, der höher ist als der Aufwand für diese Investition in der Gegenwart. Aus individueller Perspektive ist der Ausgangspunkt einer Investition daher eine Art Verzicht. Für den Staat bedeutet dies eine Ausgabe, die im Zweifel andere Ausgaben verdrängen könnte – zumindest wenn nicht zusätzliche Einnahmen erzielt werden.
    Der Unterschied zwischen Investitionsgütern und Konsumgütern besteht darin, dass Investitionsgüter nicht sofort verbraucht werden. Sie sind vielmehr langfristig im Gebrauch. Allerdings müssen auch abgenutzte Investitionsgüter wieder ersetzt werden. Der bereits vorhandene Kapitalstock sollte in der Regel erhalten bleiben oder angepasst werden, wofür Erhaltungsinvestitionen nötig sind. Es nützt schließlich nichts, Gebäude und Straßen einmal zu bauen und dann verfallen zu lassen. Sie müssen auch in Stand gehalten und saniert werden, um ihrem Zweck auf Dauer gerecht zu werden. Darüber hinaus sind auch immer wieder Neuinvestitionen erforderlich, um ein stabiles und nachhaltiges Versorgungsniveau zu gewährleisten.
    Quelle: annotazioni
  4. Ulrike Herrmann: Der unbekannte Reiche
    Über die Armen weiß man alles – und über die wirklich Reichen fast nichts. Jeder Hartz-IV-Empfänger ist amtlich minutiös erfasst, aber es gibt keine aussagekräftigen Daten, wie viel die Vermögenden in Deutschland wirklich besitzen. In den Statistiken klaffen Löcher, die so groß sind, dass Billionen von Euro verschwinden. Niemand weiß, wer dieses Geld hat. Auch der vierte Armuts- und Reichtumsbericht hilft da nicht weiter, der am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet wurde. Denn in diesem Bericht können ja nur die Daten auftauchen, die es gibt. Die Löcher in der Statistik sind nicht verzeichnet. Schon die bekannten Daten sind erschreckend genug. Arm und Reich driften auseinander, auch wenn die FDP dies nicht zugeben wollte und den entsprechenden Satz streichen ließ. Diese Zensurbemühungen sind jedoch völlig sinnlos, denn die Zahlen sprechen für sich.
    Tatsächlich dürfte die Vermögensverteilung sogar noch viel extremer sein, als sie sich im Bericht wiederfindet. Es gibt seriöse Schätzungen, die davon ausgehen, dass das reichste eine Prozent bereits ein Drittel des Volksvermögens besitzen könnte. Doch, wie gesagt, Genaues weiß man nicht. In Deutschland herrscht ein Daten-Nirwana, weil es keine Vermögensteuer gibt – und damit keine Vollerhebung des individuellen Besitzes. Das ist kein Zufall. Die Reichen haben viel Lobbyarbeit investiert, um eine verlässliche Statistik zu verhindern. Sie wissen genau, dass eine Verteilungsdiskussion nicht geführt werden kann, wenn die Daten fehlen. – Der eigentliche Skandal ist also nicht, dass die FDP hilflos am Text herumredigiert hat – sondern dass sich Deutschland einen Armuts- und Reichtumsbericht leistet, der über Reichtum nichts zu sagen weiß.
    Quelle: taz
  5. US-Börsenboom: Die Reichen jubeln, die Armen leiden
    Die Wall Street schreibt täglich Rekorde, doch nicht alle können sich darüber freuen. Der Boom geht an den meisten Amerikanern vorbei. Das US-Spardiktat macht das nur schlimmer – die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. […]
    Das brutale Spardiktat, das sich die USA jetzt aufgezwungen haben, wird vor allem die Ärmsten treffen. Sollte es wirklich umgesetzt werden, wird die Kluft zur Schlucht.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JB: Wenn man zwischen den Zeilen liest, entdeckt man Erstaunliches. Der SPIEGEL, der jedes noch so brutale „Sparprogramm“ als alternativlos verteidigt und propagiert, spricht nun von einem „Spardiktat“. Gelten etwa für Europa und die USA unterschiedliche ökonomische Regeln?

    passend dazu: Wealth Inequality in America
    Infographics on the distribution of wealth in America, highlighting both the inequality and the difference between our perception of inequality and the actual numbers. The reality is often not what we think it is.
    Quelle: politizane via YouTube

    Anmerkung unseres Lesers K.M.: Eine gute Visualisierung der Einkommensverteilung in den USA. Ganz passend zu den wiederlichen Börsenstands-Rekordmeldungen.

  6. Who saw the economic crisis coming and why?
    Hans-Olaf Henkel is Professor of Business Economics at the University of Mannheim. Previously he was chairman of IBM Europe, Middle East and Africa and President of the Association of German Industries (1995-2000). He is a leading advocate of a split of the eurozone.
    Henkel is also a leading figure in a new political group, “Alternative for Germany”, which is expected to be an official party in time to contest the September general election. Its main plank is the abolishment of the euro. On March 4, Deutsche Bank Research published an analysis concerning its prospects.
    In the following article, Lars Schall revisits a debate over comments Henkel made in 2009 in which he attributed the cause of the sub-prime crisis and subsequent global financial crisis to political “do-gooders” ending the practice of banks in the US “redlining” specific areas, such as slums, often with a specific ethnic population, as no-go zone for home-loans.
    Quelle: Asia Times
  7. Work Hard – Play Hard
    In der modernen Dienstleistungsgesellschaft bedeutet die Optimierung eines Betriebes die Optimierung der Mitarbeiter, des Human Capitals. Das Streben nach Gewinnmaximierung und grenzenlosem Wachstum hat längst die Ressource Mensch entdeckt. Fesselndes Roadmovie in die Arbeitswelt unserer Zukunft.
    Wiederholung: 13.03.2013 (Nacht von Dienstag auf Mittwoch) um 3:20 Uhr
    Quelle: arte
  8. Wem gehört das Wasser?
    Wasser ist die lebenswichtigste Ressource der Erde. Der Kampf um den Besitz der weltweiten Wasser-Reserven hat längst begonnen. Mehrere Weltkonzerne liefern sich ein Wettrennen um die besten Trinkwasserquellen – allen voran Coca Cola, Pepsi und Nestlé, der größte Lebensmittelhersteller des Planeten.
    Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht, erklären die Vereinten Nationen. Die Getränkehersteller halten es dagegen für „blaues Gold“, ein Produkt, das seinen Preis haben müsse. Nur, wer soll dafür wie viel bezahlen – und wer verdient daran?
    Die Wassergiganten kaufen rund um den Globus die besten Quellen auf und machen schon heute damit Milliarden Gewinne. Die weltweite Wasserprivatisierung hat ihren Preis, in manchen Regionen stieg er um bis zu 200 Prozent. Dort wo die großen Wasserkonzerne abpumpen, regt sich vielerorts Widerstand in den betroffenen Kommunen.
    die story folgt den Spuren der Milliardengeschäfte mit dem Wasser rund um den Globus. Nestlé hat die Strategie für diese Geschäfte vorgegeben. Der frühere Konzernchef Helmut Maucher forderte: „Wasser wird weltweit immer knapper, deshalb wollen wir die Hand auf die Quellen halten“.
    Quelle: WDR die story
  9. Bankenrettungsfonds zahlt 100 Millionen für Berater
    Grüne fordern Stellungnahme des Rechnungshofs / Linken-Politiker Ernst: »Jetzt ist die Bombe geplatzt«
    Der Bankenrettungsfonds hat seit Herbst 2008 fast 100 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Klaus Ernst hervor. Zu den Auftragnehmern des umfangreichen Beratungsgeschäfts gehören Banken wie Goldman Sachs, Credit Suisse und Deutsche Bank sowie Unternehmensberatungen wie McKinsey und Ernst & Young. Auch die Wirtschaftskanzlei Freshfields erhielt Berateraufträge.
    Quelle: ND
  10. 42.500 NS-Lager: Die Faszination der großen Zahl
    Die Zahl von 42.500 Lagern in der NS-Zeit, die US-Historiker herausgearbeitet haben, klingt spektakulär, aber das ist sie nicht. Sie sagt so gut wie nichts über den Holocaust und ist eine fragwürdige Zusammenfassung unterschiedlichster Lager unter eine Kategorie – Nazilager. Medien und Wissenschaft folgen unterschiedlichen, manchmal konträren Logiken. Wissenschaft muss exakt arbeiten und präzise Unterscheidungen treffen. Medien funktionieren manchmal nach der Devise “mehr, neu, größer”. In dieses Schema passt die Botschaft “42.500 Nazilager”. Wir haben es mit einem Kurzschluss zwischen wissenschaftlichem Vermarktungsinteresse und medialer Nachfrage nach schlagzeilenfähigem Material zu tun. Das erweist sich beim Thema NS-Zeit als wenig brauchbare Methode. Denn die Forscher des Washington Memorial haben weitgehend Bekanntes neu verpackt und “Sensation” draufgeschrieben. Es ist aber nicht sinnvoll, Vernichtungslager mit Kriegs- und Zwangsarbeiterlagern der schrecklichen und erträglicheren Art in einer Topf zu werfen. Dieses Verfahren dient nicht der historischen Aufklärung. Es folgt den Direktiven der Erregungsdramaturgie. Solche Spekulationen mit der Faszination der großen Zahl sind ein nachlässiger Umgang mit der Ressource Glaubwürdigkeit, über die auch die Geschichtswissenschaft nicht in unendlichem Maße verfügt.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Am 4. April habe ich auf einen Artikel der Zeit hingewiesen (“Mehr als 40.000 Nazi-Zwangslager in Europa”), der im wesentlichen auf einem Artikel der NYT basiert und dazu eine Anmerkung geschrieben. Die Kritik von Stefan Reinecke in der taz zum Zeitartikel sind m.E. nicht nachzuvollziehen. Stefan Reinecke schreibt u.a., die Forscher des Washington Memorial hätten “weitgehend Bekanntes neu verpackt”. Die Forscher des Washington Memorial bestreiten doch gar nicht, dass sie sich u.a. auf vorhandene Untersuchungen stützen. Geoffrey Megargee sagt dazu: “Das größte Problem war das weit verstreute Wissen dazu. Viele Leute haben an einzelnen Aspekten, bestimmten Lagern oder kleinen Lager-Gruppen geforscht, unterteilt nach Kategorie oder Region. Bislang aber hatte niemand all diese Puzzleteile zusammengefügt. Hinzu kam, dass einige der Orte noch nie genauer untersucht wurden. Wir fanden zum Beispiel mehr als 300 Gettos, die noch niemals zuvor katalogisiert worden waren.” Im übrigen verweist Megargee durchaus auf die hervorragende Arbeit anderer Wissenschaftler: “Wolfgang Benz hat mit seiner Arbeitsgruppe eine herausragende Dokumentation der Konzentrationslager und Unterlager erarbeitet, die detaillierter war, als wir das in unserem ersten von sieben geplanten Bänden der Enzyklopädie geschafft haben. Offenbar fehlte aber das Interesse, auch andere Typen von Lagern so genau zu untersuchen. Zumindest fehlte die finanzielle Förderung. Ich weiß zum Beispiel von einer deutschen Arbeitsgruppe, die die Kriegsgefangenenlager erforschen wollte, aber niemanden finden konnte, der das Projekt finanzieren wollte.” Die Zeit wie auch die NYT deutlich gemacht, dass es um eine Subsummierung diverser Lagertypen handelt. Darunter fallen Konzentrations- wie auch reine Vernichtungslager sowie deren Außenlager, Gettos, Zwangsarbeitslager, Zwangsbordelle, Kriegsgefangenenlager, sogenannte Judenhäuser usw. Nun können natürlich Historiker einwenden, dass sich die Lebensbedingungen in diesen Lagern außerordentlich unterschieden (Ulrich Herbert). Nur liegt diese Erkenntnis auf der Hand. Natürlich besteht Zwischen den “Lebensbedingungen” in einem Vernichtungslager mit der fabrikmäßigen Ermordung von Menschen und einem Zwangsarbeiterlager ein Unterschied. Der Historiker Wolfgang Benz meint: “Der jeweils eigene Mikrokosmos ist in den allermeisten Fällen nicht erforscht. Seriöse Forschung zum nationalsozialistischen Lagersystem muss nicht einsammeln, sondern graben.” So mag Benz verfahren, aber ist es nicht auch sinnvoll, bevor man gräbt, sich zuerst einmal eine Übersicht zu verschaffen? Das wird allein schon dadurch deutlich, dass das Team um Megargee auf viele Lager erst durch die Berichte von Zeitzeugen gestoßen ist. Und von diesen gibt es bald keine mehr. Vielleicht sollte Benz erst einmal warten, bis das Projekt abgeschlossen ist. Dessen Leiter Megargee geht davon, dass bis dahin weitere zehn Jahre vergehen werden. Vielleicht stuft Benz dann das Material aus Washington als “enzyklopädiefähig” ein. Und natürlich kann man all diese Lager nicht unter Holocaust subsummieren (Ulrich Herbert), aber mir ist nicht bekannt, dass dies am Washingtoner Institut geschieht. Etwa weil das Institut “Center for Advanced Holocaust Studies” heißt?
    Die Zahl “42.500” macht schlaglichtartig deutlich, wie unglaubwürdig der Satz ist: “Wir haben das nicht gewusst.” Die Bevölkerung in den Dörfern und Städten konnte das menschenverachtende System der NS-Lager nicht übersehen. Megargee schlussfolgert in seinem Interview, dass die Deutschen generell “generell von solchen Lagern wussten, selbst wenn sie das Ausmaß des Systems dahinter nicht begriffen oder nicht in jedem Fall über die Umstände in den Lagern Bescheid wussten.” In meiner Anmerkung habe ich auf die drei Außenlager Barkhausen, Neesen/Lerbeck und Hausberge an der Porta Westfalica hingewiesen. Der Aufsatz von Reinhard Busch, der sowohl im Internet als auch im Buch “Das Leben ist schön. Überlebensstrategien eines Häftlings im KZ Porta” zu lesen ist, verweist darauf, dass bergmännische und andere Facharbeiten von deutschen Fachkräften ausgeführt wurden, die “zum Teil aus der unmittelbaren Umgebung kamen, zum Teil von auswärtigen Firmen nach Porta entsandt wurden.” Es unter diesen Umständen mit Gewissheit anzunehmen, dass die Zivilbevölkerung von den Zuständen in den Lagern wusste. Sicherlich waren dies keine Vernichtungslager, aber die Todesrate (nicht die absoluten Zahlen) in Barkhausen war außerordentlich hoch, laut Busch höher als in Buchenwald oder Mauthausen. Bezieht man mit ein, dass nach der Auflösung des Portaner KZ allein auf dem Transport ca. 2400 der 4000 Häftlinge starben, erscheint mir die Aussage und Formulierung von Stefan Reinecke , “Vernichtungslager” seien nicht “mit Kriegs- und Zwangsarbeiterlagern der schrecklichen und erträglicheren Art in einer Topf zu werfen”, unangemessen. Kann man tatsächlich NS-Lager in “Lager der der schrecklichen und erträglicheren Art” einteilen. Was ist denn an einem “Judenhaus” erträglich? Das System des NS- Terrors kann sehr wohl mit einer bis dato nicht genannten Zahl in Erinnerung gebracht werden. Leider haben Wissenschaftler wie Ulrich Herbert oder Michael Wildt, die die Zahl 42.500 jetzt für “realistisch” einschätzen, diese nicht schon früher genannt. Dass die Zahl Wirkung zeigt, davon zeugen z.B. die entsetzten aber auch ungläubigen Reaktionen der Leser des Zeitartikels.

  11. Südosteuropa: Wenig Optimismus und verschärfte Auseinandersetzungen
    Nach zwei Jahren sehr verhaltenen Wachstums ist Südosteuropa in eine weitere Rezession gerutscht. Die Doppelrezession hat besonders den Westbalkan schwer getroffen.
    Von hoher Arbeitslosigkeit ist besonders die Jugend betroffen. In Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien beträgt die Arbeitslosigkeit der 15 – 24-Jährigen mittlerweile über 50 Prozent, im Kosovo sogar 70 Prozent. Die niedrigsten Werte in der Region weisen Rumänien und Slowenien (25% und 23%) auf.
    Zu beobachten ist ein Trend zur Erosion der Normalarbeitsverhältnisse. In einer Reihe von Ländern wurde die Arbeitsgesetzgebung zugunsten befristeter Beschäftigungsverhältnisse gelockert (Bosnien-Herzegowina, Rumänien, Mazedonien, Slowenien).
    Befristete Arbeitsverträge sind besonders bei der Jugend auf dem Vormarsch. Zudem wird das Tarifrecht schleichend de facto ausgehöhlt. Gleichzeitig zeigten die Arbeitgeber zunehmend geringes Interesse am Abschluss von Branchentarifverträgen.
    In den letzten drei Jahren haben Aktionen der Gewerkschaften erheblich zugenommen. Als neue Aktionsform ist die Einleitung von Volksentscheiden wie in Kroatien und Slowenien gegen Flexibilisierungen des Arbeitsmarks und Verschlechterung der Renten hinzugekommen.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 800 KB]
  12. Iran-Konflikt: Das Jahr der Entscheidung
    In Israel die Wahlniederlage von Ministerpräsident Netanjahu, in den USA die keineswegs als Hardliner geltenden neuen Minister John Kerry (Äußeres) und Chuck Hagel (Verteidigung): Vieles scheint derzeit für Entwarnung im Konflikt zwischen dem Iran und dem Westen zu sprechen. Dazu passt, dass US-Vizepräsident Joe Biden auf der jüngsten Münchener Sicherheitskonferenz direkte Gespräche mit dem Iran in Aussicht stellte, die Revolutionsführer Khamenei jedoch ablehnte. Allerdings weniger aus grundsätzlichen als vielmehr aus taktischen Erwägungen: Parallel zu den wiederholten Gesprächsangeboten verschärft Washington kontinuierlich die gegen den Iran verhängten Sanktionen.
    Tatsächlich ist der US-Kurs keineswegs eindeutig. Einmal abgesehen davon, dass sich direkte Verhandlungen kaum über mediale Verlautbarungen ergeben, haben bislang nur wenige Treffen zwischen amerikanischen und iranischen Delegationen stattgefunden. Nach allem, was man erfährt, sind sie eher frostig verlaufen. Die ideologischen Differenzen und Interessengegensätze beider Seiten erscheinen nach wie vor tief und nur schwer zu überwinden.
    Offenbar sucht Barack Obama weniger den grundsätzlichen politischen Neuanfang mit Teheran als vielmehr die Entschärfung der bestehenden Spannungen. Seit der iranischen Revolution 1979 hat es bilaterale Kontakte kaum gegeben. Umso erstaunlicher, dass sich Obama selbst unter Zeitdruck gesetzt hat: Wiederholt ließ er verlauten, dass er bis Mitte 2013 einen Durchbruch erwarte. Andernfalls seien erneut „alle Optionen auf dem Tisch“ – ein Euphemismus für Angriff und Krieg.
    Quelle: Blätter
  13. Geheime Video-Aufnahmen im Irak: Im Folterkeller der US-Soldaten
    Die Bilder sind erschütternd: Gefangene kauern mit Plastiktüten über dem Kopf am Boden, müssen irakischen Soldaten als Versuchsobjekte für Folterpraktiken dienen. Gedreht hat die Aufnahmen ein ARD-Team im Frühjahr 2004 in einem US-Geheimgefängnis im Irak – unter höchster Lebensgefahr.
    Britische Medien erheben einen brisanten Vorwurf: “Guardian” und BBC zufolge sollen US-Soldaten während der amerikanischen Besatzung im Irak zwischen März 2003 und Dezember 2011 ein Folternetzwerk aufgebaut und überwacht haben. Vom Pentagon sanktioniert, regelten sie laut dem Bericht die systematische Misshandlung ungezählter Gefangener in den sogenannten “Black Sites”, geheimen Foltergefängnissen.
    Der langjährige ARD-Reporter Christoph Maria Fröhder hat im Frühjahr 2004 eine solche “Black Site” besucht – und dort unter Lebensgefahr mit seinem Team Filmaufnahmen gemacht. Auf SPIEGEL ONLINE schildert er seine Erlebnisse und zeigt sein Video.
    Quelle: SPIEGEL Online
  14. Ein luxuriöses Lebensgefühl
    […] Im Dunst jenes Liberalismus, der sich neu nennt, der aber nur ökonomisch angewandt wird, sind stinknormale Redewendungen urplötzlich auch aus dekadenter Perspektive zu verstehen. Wer einem die Suppe versalzt: Wie kommt der an so viel Salz? Oder “zum Saufüttern”: Der muss es ja haben! Noch kann man frei sagen, die Luft sei zum Atmen, was aber, wenn irgendwann ein Konzern auf die Idee kommt, dass Luft ein Rohstoff ist, der in seinen Bereich fällt? Wie in Cochabamba, wo man die Wasserversorgung privatisierte und das Konsortium Aguas de Tunari glaubte, auch das Regenwasser gehöre zum Betriebskapital, denn finge man es nicht in Fässern und Schüsseln auf, würde es im Boden versickern und Aguas de Tunari zur Verfügung stehen. Und genau das taten die Menschen in Cochabamba, sie fingen das Wasser auf, weil jenes Konsortium unter Beteiligung der Firmen Bechtel, Edison und Abengoa, den Wasserpreis schlagartig um den Faktor Drei erhöhte. Das Ende ist bekannt – oder sollte es wenigstens sein.
    Dieser Liberalismus verwässert auch – und leider nicht ausschließlich – die Umgangssprache, macht sie zu einem herablassenden Duktus, zu einer hochnäsigen Sprechweise. Wenn fortan jemand etwas ausbaden muss, sollte er auch seine Wasserrechnung beglichen haben. Blut und Wasser schwitzen? Was kommt billiger? Stille Wasser sind tief? Und vermutlich nicht arm, denn tiefe Wasser muss man sich erstmal leisten. Und auf dem Schlauch zu stehen ist sodann nicht mehr Ausdruck von Begriffsstutzigkeit sondern von Sparsamkeit.
    Quelle: ad sinistram
  15. Schaut auf diese Stadt
    Was passiert, wenn alle Jugendlichen ihre Region verlassen und die Demokratie den Falschen in die Hände fällt? Seit 1990 hat die Stadt fast ein Drittel ihrer Einwohner verloren. Jahr für Jahr verlassen Menschen die Region, vor allem die gut ausgebildeten und motivierten. Die ganze Stadt ist Zeuge dieser Abstimmung mit den Füßen. Jeder hier hat miterlebt, wie immer mehr Freunde und Verwandte weggingen, wie Hoffnung dem Zynismus gewichen ist und der Glaube an einen rettenden Investor verschwand. Trotzdem gibt es Jugendliche in der Stadt, die hier erwachsen werden und ihren Platz suchen.
    Quelle: SZ
  16. Wissenschaft und Macht
    Wie Politiker und Wissenschaftler sich in schwierigen Fragen gegenseitig die Verantwortung zuschieben.
    Auf dem Papier ist die Forschung frei von Einflüssen aus der Regierung. Praktisch beeinflussen sich Wissenschaftler mit ihren Prognosen und Politiker mit ihrer Macht gegenseitig. Das kann wie im Fall der Finanzkrise ins Desaster führen.
    Quelle: dlf
  17. Zu guter Letzt: BER-Chef: so lacht das Web über Mehdorn
    Hartmut Mehdorn wird Chef des Berliner Pannenflughafens. Das klingt wie ein schlechter Witz, ist aber ernst gemeint. Auf Twitter haben viele Nutzer für die Nachricht nur Spott übrig. Sogar Nachrichtenseiten und Politiker kommen der Meldung nur mit Augenzwinkern bei. Da ist von Realsatire die Rede und einige fürchten bereits, Berufskomiker seien bei derartigen Nachrichten bald arbeitslos. Was könnte darauf noch folgen? Benedikt als Bahnchef? Ackermann als „Brot für die Welt“-Vorsitz?
    Quelle: Meedia

    Umfrage: Mehrheit dachte, Mehdorn wäre schon längst Chef von Berliner Flughafen BER
    Berlin (dpo) – Die Nachricht, dass Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn künftig den Berliner Hauptstadtflughafen BER leiten wird, sorgte heute Morgen für große Verwirrung. Angesichts der zahlreichen Pannen und Verzögerungen beim Bau, hat eine große Mehrheit der Bevölkerung angenommen, dass Hartmut Mehdorn schon längst Chef des Flughafens sei. Zu diesem Ergebnis kam eine im Auftrag des Postillon durchgeführte Blitzumfrage unter 1007 repräsentativ ausgewählten Bundesbürgern.
    Quelle: Der Postillon

    passend dazu:

    BER sucht Geschäftsführer

    Quelle: taz via Facebook


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