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- Am Rand der Schönfärberei
Die Botschaft der Ministerin ist klar: Seht her, was alles Gutes und Positives in meinem Bericht steht. Dumm nur, dass vor allem das für Aufsehen sorgt, was nicht in dem Bericht steht. Oder nicht mehr.
Im ursprünglichen Entwurf stand: „Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken.“ Und, so hieß es weiter, dies verletze das „Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“. An der Stelle verließ Leyen ihre Akribie. Erst wich sie der Frage, ob die Passage noch im Text stehe, aus. Beim Nachhaken gab sie zu: „Da bin ich jetzt überfordert.“ Später am Nachmittag reicht ihr Ministerium nach, was mit einer einfachen Wortsuche klar war: Das „Gerechtigkeitsempfinden“ taucht in dem Bericht nicht mehr auf. Dafür schwammigere Formulierungen über „Ungleichheiten“, die zu „Akzeptanzproblemen führen, wenn sie ein gesellschaftlich anerkanntes Maß übersteigen“. Leyen ahnte das wohl und sagte zur Sicherheit: „Eine Einkommensspreizung verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung – der Satz stimmt und ist richtig.“ Nur, fügt sie an, diese Spreizung habe nicht mehr zugenommen.
Quelle: Tagesspiegel
- Von der Leyen schließt die Schere
Arbeitsministerin von der Leyen nennt die umstrittenen Streichungen im Armutsbericht “Aktualisierungen” und wehrt sich gegen den Vorwurf, Rösler habe eine “Schönfärberei” durchgesetzt. Die Änderungen entzürnen nun Sozialverbände und Opposition.
Quelle: SZ
Dazu noch: Ende der Durchsage
“Akribisch” habe sie sich vorbereitet, sagt Sozialministerin Ursula von der Leyen, als sie den entschärften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vorstellt. Mit eiserner Miene spielt sie die inhaltlichen Änderungen zu “Halbsätzen” herab – bis sie ausgerechnet bei einem zentralen Punkt zugeben muss, “überfordert” zu sein.
Quelle: SZ
- Sofortprogramm gegen Armut auf den Weg bringen
„Die Volkssolidarität fordert ein Sofortprogramm gegen Armut“, erklärte Verbandspräsident Prof. Gunnar Winkler am Mittwoch aus Anlass des Beschlusses des Bundeskabinetts zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht. „Das Programm kann finanziert werden, indem große Vermögen und Erbschaften stärker besteuert sowie der Spitzensteuersatz angehoben werden.“
Der Armuts- und Reichtumsbericht dürfe nicht folgenlos bleiben, betonte Winkler. “Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, dass in einem der reichsten Länder der Welt etwa zwölf Millionen Menschen in Armut leben oder von Armut bedroht sind. Über diese Tatsachen können auch die Versuche nicht hinwegtäuschen, die zunehmende Ungerechtigkeit der Verteilungsverhältnisse zu vertuschen und Armut zu verharmlosen. Die ungeheure Konzentration von Reichtum in den Händen weniger erfordert ein Umverteilen für mehr soziale Gerechtigkeit.”
Quelle: Sozialticker
- Armuts- und Reichtumsbericht: “Umfairteilen statt vertuschen”
“Nicht Halbwahrheiten und Beschönigung sind gefragt, sondern politisches Handeln. Es ist höchste Zeit, die Umverteilung von arm zu reich wieder umzukehren. Aus Gründen sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft gleichermaßen”, ist das Fazit Dieter Lehmkuhls, Mitinitiator der Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe.
“Da die Bundesregierung offensichtlich Nachhilfe braucht, gehen mit dem Bündnis ‘Umfairteilen – Reichtum besteuern’ auch in diesem Jahr Tausende auf die Straße. Wir fordern die Wiedereinführung einer dauerhaften Vermögensteuer, die Erhebung einer einmaligen, europaweit koordinierten Vermögensabgabe und eine wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung”, sagte Annette Sawatzki, vom Kampagnennetzwerk Campact.
Quelle: attac
Quelle: Harm Bengen
- Weniger Belastung für die wirtschaftlich Stärksten
Das Deutsche Institut für Wirtschaft hat untersucht, ob die Umverteilung durch Steuern funktioniert. Demnach werden Gutverdiener stärker mit Steuern und Abgaben belastet – mit einer Ausnahme.
Allerdings fanden die Wissenschaftler auch heraus, dass die wirtschaftlich Stärksten relativ gesehen nicht die größte Last für die Gemeinschaft tragen: Die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben des einkommensstärksten Zehntels der Bevölkerung ist weniger groß als die Belastung der 40 Prozent der Bevölkerung, die direkt darunter liegen.
“Verantwortlich dafür ist, dass das obere Zehntel insgesamt etwas weniger belastet wird, sind die Sozialbeiträge”, sagt Autor Thilo Schaefer. Viele Gutverdiener und Selbstständige zahlen nicht in die gesetzlichen Krankenkassen ein, sondern sind privat versichert. Diese Beiträge wurden in der Untersuchung nicht berücksichtigt.
Hinzu kommt, dass die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung aber auch für die gesetzliche Rentenversicherung durch Beitragsbemessungsgrenzen gedeckelt sind und ab einer bestimmten Einkommenshöhe auch mit steigendem Einkommen nicht mehr wachsen.
Quelle: Die Welt
Anmerkung J.A.: Wenn sogar das IW und die WELT die Ungerechtigkeit so deutlich sehen…
Übrigens ist die Tabelle auch ein guter Beleg dafür, dass das Gerede von den Menschen, die wegen niedriger Einkommen keine Steuern zahlen, nur Geschwätz ist. Fast 10% werden von Einkommen unter oder knapp über dem Existenzminimum als Mehrwertsteuer abgezogen, und über 22% insgesamt an Steuern und Sozialabgaben.
- Stahlindustrie Nordwest: IG Metall erzielt Verhandlungsergebnis – 3 Prozent mehr Geld für Stahlarbeiter
Nach 10-stündiger Verhandlung einigten sich die IG Metall und die Stahlarbeitgeber am frühen Mittwochmorgen in Düsseldorf auf ein Verhandlungsergebnis für die 75.000 Beschäftigten der Eisen- und Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen. Ab dem 1. März 2013 erhalten die Stahlarbeiter um 3 Prozent höhere Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen. Der Vertrag hat eine Laufzeit von
15 Monaten bis zum 31. Mai 2014. Die Quote der Anspruchsberechtigten auf Altersteilzeit wird für diese Laufzeit von 4 auf 5 Prozent angehoben. Beschäftigte, die künftig einen Altersteilzeitvertrag abschließen, bekommen einen 2-prozentigen statt bisher 1-prozentigen Inflationsausgleich für die Abfindungszahlungen zum Rentenübergang.
Für die Auszubildenden, die ab sofort Altersvorsorgewirksame Leistungen in Anspruch nehmen, konnte eine Verdoppelung des gegenwärtigen Arbeitgeberbeitrags auf 26,59 Euro erreicht werden. Der Anfang des Jahres ausgelaufene Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung wurde verlängert. (…)Die IG Metall hatte bereits umfassende Warnstreiks geplant, die mit dem jetzt erzielten Verhandlungsergebnis ausgesetzt sind. Am Donnerstag, 7. März, wird die Tarifkommission in Sprockhövel über den erreichten Verhandlungsstand informiert. Eine Entscheidung über die Annahme des Ergebnisses wird erst nach umfassender Diskussion in den Betrieben erfolgen…
Quelle: IG Metall
Anmerkung WL: Das Ergebnis liegt unterhalb des „neutralen Verteilungsspielraums“ von Produktivitätszuwachs plus Preissteigerung.
- Familienpflegezeit
Seit dem 1. Januar 2012 haben 147 Personen bis zum 28. Januar 2013 eine Familienpflegezeitversicherung im Rahmen einer Familienpflegezeit abgeschlossen. Dies teilt die Bundesregierung in einer Antwort (17/12330) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/12166) mit. In 118 Fällen sei die Versicherung über die Gruppenversicherung des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) erfolgt. Die durchschnittliche Dauer der Familienpflegezeit habe 14,73 Monate betrage. Die Regierung teilt zudem mit, dass sie das Anfang 2012 in Kraft getretenen Familienpflegezeitgesetz evaluieren lassen wird. Erst dann könnten verlässliche Aussagen zur Nutzung der Familienpflegezeit gemacht werden.
Quelle: Deutscher Bundestag
Anmerkung WL: Wozu ist zu diesem offensichtlichen Flopp eigentlich noch eine Evaluation nötig?
- Ein gesetzlicher Mindestlohn zur Regulierung des Niedriglohnsektors
Wer den Niedriglohnsektor eindämmen will, kommt an staatlicher Intervention nicht vorbei. Wegen des Rückgangs der Tarifbindung und der gewerkschaftlichen Organisationsmacht funktioniert die kollektive Selbsthilfe nicht mehr. Selbst dort, wo Tarifverträge noch durchgesetzt werden können, sichern diese nicht zwingend ein existenzsicherndes Niveau. 13 Prozent der Tarifentgelte liegen unter 8,50 Euro (in Westdeutschland neun Prozent, in Ostdeutschland 28 Prozent), sieben Prozent unter 7,50 Euro.
Der Zweck der Festsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns ist der Schutz der Beschäftigten und die Armutsbekämpfung. Der Mindestlohn muss, will er effektiv sein, das Existenzminimum sichern. Nun könnte man die Auffassung vertreten, für die Existenzsicherung habe der Staat durch Sozialtransfers zu sorgen, und hierfür dürften nicht mit Hilfe des Arbeitsrechts die Unternehmen in Haftung genommen werden. Das übersieht indes zweierlei: Zum einen kommt es einer auch ordnungspolitisch verfehlten indirekten Form der Subventionierung von Marktteilnehmern gleich, wenn Unternehmen Niedriglöhne zahlen im Wissen darum, dass die Beschäftigten zur Existenzsicherung ergänzende Hilfe des Staates in Anspruch nehmen müssen (sog. „Aufstocker“ durch ergänzende Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II, „Hartz IV“). Das Nebeneinander von Lohn und steuerfinanzierter Aufstockung hat marktverzerrende Subventionswirkungen. Zum zweiten kann es der Sozialstaat zwar theoretisch zulassen, Lohndumping durch staatliche Leistungen zu subventionieren, er kann aber auch kraft seiner demokratischen Legitimation zur verbindlichen Normsetzung in die privat-rechtlichen Vertragsbeziehungen intervenieren und dadurch die „Freiheit zum Lohndumping“ begrenzen.
Quelle: Gegenblende
Anmerkung WL: Was die Höhe des Mindestlohns anbetrifft, ist folgende Berechnung interessant. Legt man den Arbeitslosengeld II-Regelsatz (plus Kosten der Unterkunft plus Erwerbstätigenfreibetrag) zugrunde, käme man auf einen Bruttostundenlohn (bei einer 40-Stunden-Woche) in Höhe von 8,50 Euro. D.h. 8.50 Euro entsprechen in etwa dem Hartz-Regelsatz.
- Nein zu unsozialen Vorschlägen für höheres Rentenalter
Die Volkssolidarität wendet sich vehement gegen alle Vorhaben und Vorschläge, das Renteneintrittsalter noch weiter zu erhöhen“, erklärte der Präsident der Volkssolidarität, Prof. Dr. Gunnar Winkler, am Mittwoch. „Die steigende Lebenserwartung dank des medizinischen und sozialen Fortschritts als Argument für einen noch späteren Rententritt zu missbrauchen, ist demagogisch. Entsprechende aktuelle Vorschläge können nur als unverantwortlich und absurd abgelehnt werden.“ Die vermeintlichen Kosten der Bevölkerungsentwicklung würden ständig neu berechnet, kritisierte Winkler. “Es fehlt aber an der Gegenrechnung, wie durch eine steigende Produktivität in der Wirtschaft die Mittel zur Verfügung gestellt werden können, um die erforderliche Lebensqualität für alle auch im Alter zu bewahren”, betonte der Verbandspräsident. (…) Statt das Vertrauen in die gesetzliche Rente weiter zu zerstören, sind Vorschläge und Maßnahmen notwendig, sie wieder auf das Ziel eines sicheren Lebensstandards im Alter auszurichten.” Dazu sei es auch notwendig, die weitere Absenkung des Rentenniveaus zu stoppen. Für die Volkssolidarität gehöre dazu ebenso ein entschiedenes Vorgehen gegen Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung und zum Abbau von Arbeitslosigkeit ebenso wie die Abschaffung der Kürzungsfaktoren bei den Rentenanpassungen.
Quelle: Volkssolidarität
- Netzkostenbefreiung für stromintensive Unternehmen nichtig
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Verordnungsregelung zur Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzkosten nichtig ist.
Die Änderung des § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung ist seit dem 04.08.2011 in Kraft, wonach stromintensive Unternehmen von der Zahlung der Strom-Netzentgelte befreit werden können. Die Änderung hatte der Bundestag in der Sitzung vom 30.06.2011 beschlossen. Bis zur Änderung im August 2011 konnten stromintensive Unternehmen mit ihrem Netzbetreiber nur ein individuelles, bis auf 20% reduziertes Netzentgelt vereinbaren, das die Regulierungsbehörde genehmigen konnte. Der Umfang der Reduzierung musste dem netzkostensenkenden Nutzungsverhalten des stromintensiven Letztverbrauchers angemessen Rechnung tragen.
Seit der Änderung können sich Unternehmen grundsätzlich von den Netzentgelten befreien lassen, wenn sie mehr als 7.000 Arbeitsstunden und 10 Gigawattstunden Strom pro Jahr abnehmen. Die für die Netzbetreiber entstehenden Einnahmeausfälle werden ab dem Jahr 2012 dadurch ausgeglichen, dass die an sich von den stromintensiven Betrieben zu zahlenden Netzentgelte bundesweit auf die übrigen Endkunden, Verbraucher und Unternehmen, umgelegt werden. Das Nettonetzentgelt macht etwa 20% des Haushaltskundenstrompreises aus (Jahresbericht 2011 der Bundesnetzagentur).
Quelle: Juris
Anmerkung WL: Über diese Verlagerung der Stromkosten auf den Normalverbraucher wurde bisher noch gar nicht diskutiert.
- Zuwanderer unerwünscht: Der erfahrene Migrationsforscher Klaus Bade legt eine erschütternde Bilanz vor
Die Vortragsabende sind für Klaus Bade oft Abende, an denen er nur mit Personenschutz sprechen will. Es sind Abende, zu denen im Internet zum Stören aufgerufen wird. Dem ‘Volksverräter’ wird gedroht von Schreibern, die die Polizei leider nicht ermitteln kann. Die Erfahrungen des Historikers zeigen, wie hasserfüllt die Debatte um Migration in Deutschland vielerorts immer noch geführt wird. Diese Erlebnisse erklären Thema und Duktus des Buches, das einer der renommiertesten Migrationsforscher nun vorlegt: ‘Kritik und Gewalt’ heißt es. Bade hat eine lesenswerte Abrechnung geschrieben, mit Islamkritikern, die er stets in Anführungszeichen setzt, mit der Sarrazin-Debatte und mit all den Hetzern auf Internetforen, die im Schutz der Anonymität ihren polemischen Mist ausschütten. – Seit der Jahrtausendwende sah er endlich die Früchte seines jahrelangen Begehrens reifen, eine aktive Integrationspolitik – und eine wachsende Offenheit für Einwanderer. Doch der Abschluss des Jahrzehnts schien all dies wieder einzureißen – in der Debatte um Thilo Sarrazins Bestseller ‘Deutschland schafft sich ab’.
Bade macht nicht den Fehler, Sarrazins Feststellungen einfach vom Tisch zu wischen; der SPD-Politiker habe bekannte Probleme angesprochen, allerdings dabei polemisch überzogen, sodass eine konstruktive politische Auseinandersetzung nicht in Gang gekommen sei. Was bleibt, ist eine gegenseitige Entfremdung zwischen Einheimischen und Einwanderern aus muslimischen Ländern – das gilt auch für Anwälte, Forscher und andere, die sich längst als Angehörige der deutschen Gesellschaft gesehen haben und nicht als Muslime. Die Debatte habe großen Schaden angerichtet, schreibt Bade und macht bekannten Publizisten schwere Vorwürfe: Necla Kelek, Henryk M. Broder und Ralph Giordano seien ‘Wegbereiter des Islamhasses’; und ihre Argumente werden auf Hass-Foren aufgegriffen, die ‘Fahndungslisten’ posten und wo ‘Todesurteile’ gegen Politiker und Forscher verlangt werden. – Warum aber fand die Sarrazin-Debatte derartige Resonanz? Hier wird Bade sehr soziologisch, sieht in der Diskussion eine ‘eskapistische Ersatzdebatte’, die die nötige Auseinandersetzung darüber umgangen habe, wie sich die Einwanderungsgesellschaft eigentlich verstehen will. Grob gesagt: Verunsicherte Einheimische grenzen sich gegenüber Muslimen ab, um sich ihrer selbst zu vergewissern. Auf die konkreten, besorgniserregenden Begleiterscheinungen der Zuwanderung wie gewaltbereite Islamisten, archaische Familienhierarchien oder Migranten-Machismo geht Bade nicht ein. Dieser Hintergrund der Debatte versinkt leider im Abstrakten. Das unterscheidet sein Buch von ‘Neukölln ist überall’ vom Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, das von der Straße, von Anekdotischem lebt und bloß gelegentlich auf statistisches Material zurückgreift. Beide Seiten argumentieren ganz unterschiedlich. Und das ist schade, denn ein Aufeinanderprall ihrer Welten könnte durchaus erhellend sein.
Quelle: SZ [PDF – 648 KB]
Anmerkung Orlando Pascheit: Im Grunde ist der Satz “Verunsicherte Einheimische grenzen sich gegenüber Muslimen ab, um sich ihrer selbst zu vergewissern” ungeheuerlich. Nur fragt sich, welche Notwendigkeit bestand für jene saturierten, meist schon etwas ältere Mitbürger, die Sarrazin- Veranstaltungen besuchten, sich ihrer selbst zu vergewissern. Worin besteht die existenzielle Bedrohung dieser doch meist relativ gut gestellten “konservativen” Mitbürger? Dass Menschen die arbeitslos und perspektivlos Hartz IV beziehen, im Niedriglohnsektor arbeiten, kurzum ein äußerst prekäres Leben führen, dass Türken in ähnlicher Situation, dazu noch stärker von der deutschen Normalgesellschaft ausgeschlossen, ihrer Lebenssituation nur wenig Selbstvergewisserung abgewinnen können und ihr Heil in der Ablehnung der jeweiligen Gegenkultur suchen, verwundert wenig. Aber was treibt einen Horst Seehofer an, wenn er vor “Migranten aus fremden Kulturkreisen” warnt und “bis zur letzten Patrone” gegen die “Zuwanderung in den deutschen Sozialstaat” kämpfen will. Definiert sich seine Wählerklientel tatsächlich erst über die Verteidigung “westlicher/deutscher Werte” gegen Migranten, Asylanten oder „Zigeuner“. Armes Deutschland! Es würde interessieren, was den Neonazi, der in Ostdeutschland No-Go-Areas für Ausländer durchsetzt, mit konservativen, bayrischen Wählern verbindet. Für beide Gruppen ist allerdings Sarrazin kraft seiner Ämter als Senator in Berlin und als Bundesbanker zu einer Art Thomas von Aquin (Entschuldigung Thomas) fremdenfeindlicher Selbstfindung geworden. Wir können von Glück reden, dass Sarrazin nicht das Charisma und wohl auch nicht die Absicht für die Gründung einer modernen, neokonservativen Partei hat.
- Der Lidl und das Ei
Die Einkäufer von Aldi, Netto und Norma, heißt es in der Lebensmittelbranche, verhandelten hart, aber deren Händler benähmen sich anständig, es gebe Verbindlichkeit und Lieferantentreue. Anders sei es bei Lidl, ist zu hören: Dessen Einkäufer träten arrogant auf, drohten schnell mit der „Auslistung“ der Waren. Sie würden Mitarbeiter ihrer Lieferanten persönlich beleidigen. Etwas besser sei der Umgang Rewe und Edeka – aber auch die hätten zuletzt Verhandlungsmethoden des Discounts übernommen…
Dann benehmen sich Einkäufer wie die Mafia. Sie müssen sich dafür nie rechtfertigen. Die Einkäufer instrumentalisieren es auch gern, wenn ein Unternehmen oder eine Branche negative Schlagzeilen hatte, um die Preise weiter zu drücken – wobei doch gerade das „immer Billiger“ als eine Ursache für Missstände gilt. Einige Hersteller liefern gar nicht mehr an Discountketten, wie Bredford aus Osnabrück.
Quelle: FAZ
- Gesundheitliche Folgen von Fukushima
Zum zweiten Jahrestag der von einem Erdbeben ausgelösten Atomkatastrophe vom 11. März 2011 in Japan legt die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW eine quantitative Abschätzung der „Gesundheitlichen Folgen von Fukushima“ vor.
Der Report dokumentiert besorgniserregende Befunde, die schon jetzt, nur zwei Jahre nach dem Super-GAU sichtbar werden. Der Nürnberger Wissenschaftler Dr. Alfred Körblein fand für ganz Japan einen signifikanten Rückgang der Geburten genau 9 Monate nach Fukushima. Von 4.362 fehlenden Geburten im Dezember 2011 entfielen nur 209 auf die Präfektur Fukushima. Eine erhöhte Säuglingssterblichkeit u.a. „exakt“ neun Monate nach Beginn der Katastrophe ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie sehr dieses Land insgesamt und eben keineswegs nur die Präfektur Fukushima von diesem Atomunfall betroffen ist. Besonders erschreckend sind die jüngsten Zahlen über Schilddrüsenzysten und -knoten bei mehr als 55.000 Kindern allein in der Präfektur Fukushima – und diese ist nur eine von 47 japanischen Präfekturen dieser dicht besiedelten Inseln, über die rund 20 Prozent der in die Atmosphäre freigesetzten Radionuklide niederging (ca. 80% der atmosphärischen Freisetzungen kontaminierten das Meer). Anders als bei Erwachsenen sind derartige Schilddrüsenveränderungen bei Kindern „als Krebsvorstufen“ anzusehen, so der ehemalige Chefarzt der Herforder Kinderklinik, Dr. Winfrid Eisenberg, einer der Autoren der IPPNW-Studie. Die Ärzteorganisation empfiehlt daher eindringlich, in ganz Japan systematische Schilddrüsenuntersuchungen bei Kindern durchzuführen.
Prognosen über die zu erwartenden Krebserkrankungen infolge der deutlich erhöhten „Hintergrundstrahlung“ in Japan wie auch aufgrund des Verzehrs von radioaktiv kontaminierten Nahrungsmitteln sind mit vielen Unsicherheiten behaftet. Die Ärzteorganisation IPPNW hielt es dennoch für erforderlich, der Weltöffentlichkeit zumindest auf der Grundlage der bislang verfügbaren Daten näherungsweise die Dimension dieser Nuklearkatastrophe vor Augen zu führen. Auf der Basis von Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften über die Bodenkontamination mit radioaktivem Cäsium bzw. aufgrund von Messungen der Ortsdosisleistungen im Herbst 2012 kommen die IPPNW-Autoren Henrik Paulitz, Dr. Winfrid Eisenberg und Reinhold Thiel in drei alternativen Abschätzungen auf rund 20.000 bis 40.000 Krebserkrankungen aufgrund der „äußeren Strahlungsbelastung“ in Japan. Diese Zahlen ergeben sich, wenn man mit dem Risikofaktor von 0,1/Sv rechnet, den auch die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen annimmt. Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen muss man allerdings von einem doppelt so hohen Risiko und somit von bis zu 80.000 Krebserkrankungen aufgrund der externen Strahlenbelastung ausgehen.
Quelle: IPPNW [PDF – 945 KB]
- SPD legt Gesetzentwurf zu Arbeitsverträgen in der Wissenschaft vor
Immer mehr Wissenschaftler werden nur noch befristet eingestellt. Vor allem der wissenschaftliche Nachwuchs ist von dieser Praxis betroffen, die teilweise erheblich von den „Regelungszielen“ abweicht, „die mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz angestrebt werden“, schreibt die SPD in ihrem Gesetzentwurf „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (1. WissZeitVG-ÄndG)“ (17/12531).
Der hohe Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit sehr kurzen Laufzeiten von unter einem Jahr lasse eine sachlich ungerechtfertigte Benachteiligung der Arbeitnehmer vermuten. Ferner würden die mit einer Promotion verbundenen Qualifizierungsziele oft nicht hinreichend gewährleistet. Da vertragliche Vereinbarungen über die jeweiligen Rechte und Pflichten oft nicht getroffen würden, hätten die Arbeitnehmer im Bedarfsfall keine Handhabe gegen zu hohe Arbeits- und Lehrleistungen, eine mangelhafte Betreuung und Beratung oder zur Sicherung ihrer eigenen Qualifizierung.
Zudem stellt die SPD fest, dass es eine unterschiedliche Anrechnungspraxis von studienbegleitenden befristeten Arbeitszeiten gebe. Auch die Anrechnung von Elternzeiten, Betreuungs- und Pflegezeiten auf die zulässigen Befristungsgrenzen sei unzureichend geregelt.
Der Gesetzentwurf sieht die Einführung von Mindestlaufzeiten für befristete Beschäftigungsverhältnisse vor, die auf Grundlage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes geschlossen werden. In der Qualifizierungsphase soll während der Promotion das Qualifizierungsziel der Beschäftigung durch eine entsprechende Betreuungsvereinbarung gesichert werden. Nach der Promotion sollen nur in begründeten Fällen Befristungslaufzeiten von 24 Monaten unterschritten werden können. Zudem schlägt die SPD vor, dass für Befristungen aufgrund der überwiegenden Drittmittelfinanzierung, die Laufzeit der Arbeitsverträge den Bewilligungszeitraum der Drittmittel nicht unterschreiten darf. Bei längeren Bewilligungslaufzeiten solle der Vertrag mindestens 24 Monate laufen. Diese Voraussetzung soll auch für das nichtwissenschaftliche oder nichtkünstlerische Personal gelten. Ohne die vorgeschlagenen Anpassungen bliebe ein inakzeptables Missbrauchspotenzial der Befristungsregelungen zum Nachteil der Arbeitnehmer in der Wissenschaft bestehen, ist sich die SPD sicher und geht davon aus, dass keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Quelle: Deutscher Bundestag
- Antwort der Bundesregierung: Beziehungen von Geschäftsbanken und Investmentbanken zur Bundesregierung
Die Bundesregierung unterhält aufgabenbedingt eine Vielzahl von Kontakten zu Banken und Unternehmen. Wie aus einer Antwort der Regierung (17/12332) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/11456) hervorgeht, hatten seit Beginn der Legislaturperiode die Bundeskanzlerin zwölf und der Chef des Bundeskanzleramtes drei Kontakte mit bestimmten Banken. Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) hatte nach diesen Angaben insgesamt 35 Bankkontakte, davon 23 mit Goldman Sachs. 93 Banken-Kontakte werden für das Finanzministerium aufgeführt und 54 für das Wirtschaftsministerium.
Die Linksfraktion hatte nach Kontakten der Regierung zu folgenden Instituten gefragt: Deutsche Bank AG, Commerzbank AG, Goldman Sachs & Co., JP Morgan Chase & Co., Bank of America, Meril Lynch, Barclays Capital, UBS Ag und Credit Suisse AG.
Quelle: Deutscher Bundestag [PDF – 131 KB]
- Werner Rügemer: Multimillionäre streiten sich vor Gericht
Am Mittwoch vergangener Woche begann vor dem Kölner Landgericht einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Nachkriegszeit. Bis Ende dieses Jahres sind 78 Verhandlungstage angesetzt. Angeklagt sind die vier Chefs der Kölner Traditionsbank Bank Sal. Oppenheim und der Immobilien-Tycoon Josef Esch, der mithilfe der gemeinsamen Esch-Oppenheim Holding 72 aufwendige Immobilienprojekte hochgezogen hat.
Quelle: Neue Rheinische Zeitung
- Der neue Medienwandel – Gewerkschaften müssen ihn aktiv gestalten
Die Medienpolitik ist für den DGB ein Arbeitsgebiet, das ebenso wichtig ist, wie andere Bereiche. Denn was nutzen die von uns erarbeiteten Inhalte, was nutzen unsere Forderungen und Positionen, wenn niemand diese mehr in die Öffentlichkeit trägt? Was nutzt es, auf Missstände hinzuweisen, wenn diese von der breiten Bevölkerung nicht als Teil ihrer Wirklichkeit empfunden werden?
Quelle: Gegenblende
- Geplanter Währungs-Beitritt: Lettland unterzeichnet Euro-Antrag
Der Euro ist in der Krise, trotzdem wollen die Balten dabei sein: Die lettische Regierung hat offiziell Antrag auf Mitgliedschaft in der Währungsunion gestellt. Von 2014 an will das Land mit Euros zahlen. Forderungen, erst einmal die Letten selbst zu fragen, ignoriert Ministerpräsident Dombrovskis. Das Land will am 1. Januar 2014 seinen Lats durch den Euro ablösen und erfüllt nach eigenen Angaben seit September 2012 sämtliche Maastricht-Kriterien. Finanzminister Vilks bezeichnete den Antrag als historisch: “Schnelleres Wirtschaftswachstum ist möglich, wenn Lettland Teil der Euro-Zone wird.”Ein Argument für einen baldigen Beitritt Lettlands liefern auch die Experten der Ratingagentur Fitch: Sie berichten laut der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, dass sich Lettland, Litauen und Estland überraschend schnell von den Folgen der Krise 2008/2009 erholen. In den vergangenen beiden Jahren hätten die baltischen Republiken das schnellste Wachstum innerhalb der EU verzeichnet.
Quelle: SZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist nicht zu fassen. Da hat die Eurokrise mehr als deutlich gezeigt, dass der Eurobeitritt für etliche Volkswirtschaften zu früh kam, aber weiterhin gilt die Punktlandung bei den Maastricht-Kriterien bezüglich Preisstabilität, Staatsverschuldung, Budgetdefizit und Zinsniveau als entscheidendes Beitrittskriterium. Und EU-Kommission und die Europäische Zentralbank können gar nicht anders als die Aufnahme Lettlands in die Währungsunion empfehlen. Da fordern etliche Politiker, Wissenschaftler und Journalisten, dass Griechenland austreten solle, dass Zypern in die Pleite geschickt werden solle (Schäuble: nicht systemrelevant), aber auf die Idee, die Eintrittsbedingungen realistischer zu gestalten, kommt keiner. Die Erkenntnis, dass unter den heutigen Bedingungen eher Volkswirtschaften auf einem ähnlichen Entwicklungsniveau in einer Währungsunion miteinander können, wird in einem irrationalen Erweiterungswahn einfach beiseitegeschoben. – Die lettische Volkswirtschaft ist traditionell strukturiert bzw. gegenüber dem europäischen Kern als rückständig zu bezeichnen. Die Industrie ist durch eine geringe Technologieintensität gekennzeichnet. Während die Be- und Verarbeitung von Holz in 2010 mit 2,1% den größten Anteil an der landesweiten Wirtschaftsleistung hatte, gefolgt von der Nahrungsmittelindustrie (1,5%), kamen der Maschinen- und Fahrzeugbau, die Elektronik und Elektronindustrie sowie sonstige Metallverarbeitung zusammen auf nur 1,4%. Entsprechend fällt auch die Exportstruktur aus. Holz und Produkte aus Holz, aber auch Getränke und Nahrungsmittel (Fisch und Fischprodukte) spielen die wichtigste Rolle. Es versteht sich, dass Lettland aufgrund seiner sektoralen Struktur hochwertige Produkte aus dem Ausland beziehen muss und somit sein Defizit im Austausch mit dem Auslandweiter ausweiten wird. Viele werden sagen: die 2,2 Mio., das ist ein Klacks. Nur, Slowenien oder gar Zypern haben noch weniger Einwohner. Wenn Fitch tatsächlich aufgrund der Wachstumsraten der letzten beiden Jahre für einen Eurobeitritt Lettlands votiert, dann ist das Wort Stümper noch zurückhaltend. 2011 hatte Lettland ein BIP-Wachstum von 5,5 Prozent, für 2012 wohl etwa 5,2 Prozent und für 2013 werden etwa 3, 7 Prozent geschätzt. Nur bilden diese Zahlen nicht im geringsten die Situation im Lande ab. – Ganz abgesehen davon: Irland hatte von 2003 bis 2007 ein durchschnittliches Wachstum von 8.1 Prozent. Und wo steht es heute? Irland hat heute wieder Wachstum, seine Bürger werden aber (ohne Schuldenschnitt) noch Jahrzehnte für den Freikauf der europäischen Gläubiger überschuldeter Banken zahlen. – Wie nachhaltig der Zusammenbruch 2008/2009 und die “Rettungsmaßnahmen” von IWF und EU Lettland verändert haben – z.B. mit ähnlichen Auswanderungsquoten wie Irland – lässt in der Anmerkung zu 12) auf den NachDenkSeiten vom 5. Februar nachlesen.
- Chávez und die USA – In Hassliebe vereint
“Esel”, “Teufel”, “Hitler”: Jahrzehntelang beharkten sich Hugo Chávez und die USA als Erzfeinde, die nicht ohne einander auskamen. Nach Chávez’ Tod setzt US-Präsident Obama nun auf politische Reformen in Venezuela – eine Hoffnung, die sich kaum erfüllen dürfte.
Die Reaktion von US-Präsident Barack Obama auf den Tod seines venezolanischen Amtskollegen Hugo Chávez war bemerkenswert: Was fehlte, war Beileid…
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung AM: Armseliger Obama. Nicht einmal Bedauern zum Tod eines Menschen, der sich zumindest für die Mehrheit seines Volkes eingesetzt hat, etwas, das Obama gerne täte, wenn er könnte. Ob es in den USA messbar mehr demokratische Kultur als im Venezuela des Präsidenten Chavez gibt, ist schwer abzuschätzen. – Im einen Land bestimmt die Finanzwirtschaft und die konservative reiche Oberschicht im wesentlichen, wo es lang geht. Im anderen, in Venezuela, hatten die Armen und die weniger Begüterten dank des Präsidenten eine Stimme und Einfluss auf die politischen Entscheidungen. – Im einen Land bestimmen hetzende Medien wie Fox-News wesentlich die Willensbildung mit, im anderen eine Staats- und Partei-Meinungsmachmaschinerie. Ob die Verhältnisse in den USA demokratischer sind? Oder auch in GB oder in Italien oder bei uns mit einer bemerkenswerten Tendenz zur Gleichschaltung im Mainstream? – In unserer westlichen Welt wird zur Zeit die militärische Intervention als erste Option zur Lösung von Konflikten in den Himmel gehoben. Ist das Venezuela des Präsidenten Chavez auf ähnliche Weise ruchbar geworden?
Übrigens: Wie Spiegel Online Meinung zu machen versucht, sehen Sie hier:
Irans Staatschef Ahmadinedschad stellt Chávez auf eine Stufe mit Jesus…
Quelle: Spiegel Online
Siehe auch: Revolutionär aus Berufung
…Zehn Jahre später versuchte Hugo Chávez zum ersten Mal, durch einen Putsch die Regierung zu stürzen. Was misslang, ihm jedoch viel Popularität eintrug, die Werte zwischen 60 und 70 Prozent erreichte. Der damalige Präsident Rafael Caldera von der christdemokratischen COPEI hatte Vertrauen eingebüßt, weil es ihm nicht gelungen war, die sozialen Missstände wenigstens einzudämmen, die zum Volksaufstand, dem El Caracazo, im Februar 1989 geführt hatten. Die Armenviertel von Caracas begehrten gegen steigende Lebensmittelpreise auf. Als es zu Plünderungen kam, ließ der sozialdemokratische Staatschef Carlos Andrés Perez den Aufruhr kurzerhand zusammenschießen. Bis heute konnte nicht endgültig ermittelt werden, wie viele Opfer es damals gab. Mindestens 1.000 Tote sollen es gewesen sein. Vielleicht viel mehr, fast 3.000, sagen manche Quellen. […] Die 1999 beginnende Bolivarische Revolution kam übrigens nie vom Weg der demokratischen Tugend ab. Gewalt kam von Chávez’ Gegnern. Damit sind nicht nur die Putschisten vom 12. April 2002 gemeint, die ihn aus dem Weg räumen wollten und im Namen schuldbeladener Eliten handelten, denen die Privilegien abhanden kamen. Einem ökonomischen Gewaltakt kam auch eine Kapitalflucht gleich, der sofort mit der ersten Chávez-Präsidentschaft Ende 1998 begann und mit 90 Milliarden Dollar damals das Dreifache der Auslandsverschuldung Venezuelas betrug, während zwei Drittel der Venezolaner unter der Armutsgrenze lebten. Um so mehr verdienen die ersten Maßnahmen aus dem Jahr 1999 erinnert zu werden: Es gab Rentenzahlungen für alle Venezolaner über 65, einen besseren Kündigungsschutz, eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden und eine medizinische Grundbetreuung, die fortan nichts mehr kostete. Dafür musste es sich Chávez gefallen lassen, im Namen eines abendländischen Wertekanons als „Sozialdiktator“ diffamiert und mit Muammar al-Gaddafi oder Benito Mussolini verglichen zu werden. Hoffentlich hat ihn auch das in seiner Konsequenz bestärkt. […] Belastungen, möglicherweise Zerreißproben für das post-chavistische Lager sind absehbar, gab es doch unter Chávez keinen Strukturwandel für die venezolanische Ökonomie. Die Sozialprogramme wurde aus den nach wie vor üppigen Erdöleinnahmen finanziert, doch scheint die Praxis einer radikalen Umverteilung allein noch kein allzeit belastbares ökonomisches Prinzip für ein eigenständiges Gesellschaftsmodell, wie es der Revolutionär Hugo Chávez mit seinem “Sozialismus des 21. Jahrhunderts” im Blick hatte.
Quelle: der Freitag
- Dokumentarfilm im Ersten: Töte zuerst. Der israelische Geheimdienst Schin Bet
Quelle: DasErste
Anmerkung AM: Sehr sehenswert.