Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Italien und Meinungsmache
- Von wegen unregierbar!
Nach dieser italienischen Parlamentswahl ist es sicher, dass der Abgeordnete Berlusconi nicht mehr Premierminister in Rom sein wird. Ist das wenig, nach seiner 18-jährigen fast ununterbrochenen Regierungsmacht? Ich hätte erwartet, dass bei dieser Nachricht die Börsen in London und Frankfurt voller Begeisterung eröffnen, dass fast alle europäischen Regierungen in feierliche politische Versammlungen einberufen würden. Mit etwas Phantasie hätte ich mir sogar nächtliche Gesänge und Tänze vorgestellt, das Knallen von Champagnerkorken in der Freude, dem Unheil entkommen zu sein, in Erinnerung an die erstaunlichen Streiche des Cavaliere. Nichts dergleichen ist geschehen. Die europäischen Börsen reagierten negativ. Das zeugt von schwachem Gedächtnis, vor allem aber von besorgniserregender Ignoranz gegenüber den italienischen Angelegenheiten.
Quelle: SZ
Anmerkung JK: Der Beitrag des italienischen Schriftstellers Mario Fortunato zeigt wieder einmal deutlich die manipulative Berichterstattung des deutschen Mainstreamjournalismus. Ohne zu fragen wer denn die Anhänger und Unterstützer der Bewegung Movimento Cinque Stelle (M5S) des Satirikers Beppe Grillo sind, was ihre Motivation ist, welche politischen und sozialen Ursachen der spektakuläre Erfolg dieser Bewegung hat, wird diese pauschal als eine im Grunde unpolitische, Nur-Dagegen-Protestpartei eines Politclowns abgestempelt. Ein wesentliches Motiv der Diffamierung des M5S dürfte dabei die Tatsache sein, dass diese sich vehement gegen das von der Regierung Monti exekutierte merkelsche Austeritätsdiktat wendet. Ein Aspekt, der den deutschen neoliberalen Eliten natürlich so überhaupt nicht ins Konzept passt. Also werden die journalistischen Kettenhunde von der Leine gelassen, damit auch niemand hier auf die Idee kommt, sich näher mit den Hintergründen des Wahlerfolges des M5S auseinanderzusetzen, um vielleicht zu erkennen, dass dieser auch mit den sozialen Verwüstungen zusammenhängt, die 20 Jahre neoliberale Politik – in Italien nicht anders als in Deutschland – hinterlassen haben. Das ganze wird dann noch erbärmlicher wenn deutsche Politiker diese vorgegeben Sichtweise aufnehmen und brav nachplappern. Gerade von einem Kanzlerkandidaten der SPD hätte man mehr Analysefähigkeit erwarten dürfen. Jedenfalls war bisher aus dieser Richtung noch keine explizite Kritik an der brutalen Austeritätspolitik, die die Merkel-Regierung ganz Europa aufzwingt, zu hören.
- Jakob Augstein – Die wahren Clowns sind wir Deutschen
Die Clown-Affäre zeigt: Nicht einmal der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten begreift, was in Europa vor sich geht. Deutschland wird zum europäischen Problem – …
Das zeigten auch die Reaktionen auf die italienische Wahl. Keine “klaren Verhältnisse”, da reagierten “die Märkte” sofort. Sie sind der wahre Souverän und verhalten sich auch so. Die Ratingagentur Moody’s drohte mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Und auch der Anleihenmarkt reagierte: “Italien bekommt mit höheren Zinsen Quittung für Wahlchaos”, meldete die Deutsche Presseagentur. Weil auch viele Journalisten es inzwischen offenbar für normal halten, dass “die Märkte” der Politik eine Quittung schreiben.
Man fragt sich: Warum bestimmen die Finanzmärkte nicht gleich die Regierung? Aber in Wahrheit ist das ja längst geschehen. Der Ökonomieprofessor Mario Monti in Italien und der Zentralbanker Loukas Papademos in Griechenland, das waren Technokratenherrscher, die von den Märkten eingesetzt worden waren – und von Angela Merkel.
Quelle: SPON
- Gefährliches Gemisch – leicht entflammbar
Man kann ökonomische Zusammenhänge ignorieren und sogar Wege finden, mithilfe einer Zentralbank oder höherer Schulden ein unbeschwertes Leben zu führen. Nicht zu ignorieren ist aber, dass sich hinter abstrakten Zahlenkolonnen konkrete Härten verbergen. Die Krise tut weh. Italiens Wähler haben ihre Stimme unter dem Druck der Verhältnisse abgegeben. Sie revoltieren gegen die Aussichtslosigkeit und die Last in ihrem Leben.
Das politische System des Landes hat ihnen dafür ein Ventil geboten. Während in Spanien, Frankreich, Portugal oder Irland alle politischen Lager weitgehend den eigenen Anteil an der Krise akzeptieren und auch den von Deutschland verordneten Rettungskonsens unterschreiben, lieferte die italienische Wahl zwei Spezialitäten. Der Populist Beppe Grillo führte eine anarchistische Dagegen-Bewegung an, deren Programm sich, zugespitzt, reduzieren lässt auf: mit uns nicht.
Quelle: SZ
dazu auch: Clowns und Populisten entdecken das Krisenmonster
Auf den ersten Blick wirkt es noch niedlich, wie deutsche Kommentatoren Europa zur politischen Krise erklären. Denn die Italiener haben Leute gewählt, die einigen in Brüssel, Berlin oder Frankfurt oder eben auch München so gar nicht richtig passen. Über Italiens Wähler schreibt Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung, sie würden die “Medizin, die gegen die Probleme verschrieben wurde, ablehnen”, deswegen drohe jetzt wieder Unheil für das Euroland, das “Monster” der Krise stehe wieder einmal vor der Tür.
Quelle: Weitwinkelsubjektiv
Anmerkung J.K.: Und wie zur Bestätigung des oben gesagten und exemplarisch für den neoliberalen Mainstream, der Kommentar des SZ Wirtschaftsredakteurs Stefan Kornelius. In dem er als einzigen Weg Italiens aus der Krise den deutschen Weg des Lohn- und Sozialdumpings preist, die Unterwerfung von Spanien, Frankreich, Portugal und Irland unter “den von Deutschland verordneten Rettungskonsens” lobt und Italien auffordert sich „ am Ende der deutschen Logik“ zu beugen. Natürlich darf das beliebteste Totschlagargument des Populismus gegenüber des M5S nicht fehlen. Das auch in Deutschland gegen jeden eingesetzt wird der es die neoliberale Politik öffentlich zu kritisieren. Auch hier zeigt sich wieder mit aller Deutlichkeit welche zentrale Rolle die Eurokrise für die Durchsetzung der neoliberalen Agenda hat.
Deswegen lohnt es sich nochmals auf die Studie “Meinungsmacht” des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger zu verweisen, die eindrucksvoll belegt wie eng der Mainstreamjournalismus von den herrschenden neoliberalen Eliten vereinnahmt ist. Zum Glück gibt es aber auch differenziertere Reportagen zu Beppe Grillo und seiner Bewegung und dem Umgang der Mainstreampresse in Italien mit ihm:
- Beppe Grillo – Der Mann, dem das Lachen verging
Beppe Grillo saß in keiner Talkshow, er ist weder Milliardär noch Parteikader, er hatte keine Leitartikler an der Leine und wurde schon lange vor Berlusconis Säuberungswelle aus dem Fernsehen beseitigt: Der inzwischen verblichene Sozialistenchef Bettino Craxi verbannte ihn, als Grillo sich nicht mehr damit begnügte, Sitten und Gebräuche zu verspotten, sondern die politische und soziale Wirklichkeit Italiens kritisierte. Von da an zog er durch die großen Theater des Landes, er schlachtete die heiligen Kühe der Rechten und der Linken, gründete einen erfolgreichen Blog und gab einer Gegenöffentlichkeit eine Stimme.
Als sich bei dem ersten Vaffanculo-Day (Haut-ab-ihr-Ärsche-Tag) 2007 50 000 Italiener versammelten, um die Parteien per Petition dazu aufzufordern, vorbestraften Parlamentariern das Mandat zu entziehen, rangen sich die Zeitungen ein paar Zeilen über diese Kuriosität ab. „Repubblica“-Herausgeber Eugenio Scalfari schauderte und schrieb: „Hinter dem Grillismus sehe ich widerwärtigste Law and Order; ich sehe dahinter die Diktatur“, der „Espresso“ fühlte sich an Mussolini erinnert. Der „Corriere della Sera“ bezeichnete Grillo als „Person mit brutaler Gier“ und die „Stampa“ beschied: „In einem normalen Land wäre der V-Day auf den Unterhaltungsseiten besprochen worden.“
Quelle: Tagesspiegel
- Frankreich – Beppe Grillos Bruder im Geiste
Er ist wieder da. Jean-Luc Mélenchon, der Linkspopulist mit den dichten Augenbrauen, dem störrischen Haar und der rauen Stimme, meldet sich zurück. Die Botschaft ist dieselbe wie im französischen Präsidentschaftswahlkampf vor knapp einem Jahr: „Die europäische Gesellschaft bäumt sich auf gegen das Diktat der Sparpolitik. Die angebliche Schuldenkrise ist nur ein politisches Machwerk, das es Angela Merkel erlaubt, eine EU-Politik durchzusetzen, die allein den Interessen deutscher Rentner dient“, polterte Mélenchon Mitte der Woche im Fernsehsender LCP.
Quelle: FR
Anmerkung JK: Leider wird auch in der FR sofort jeder der sich gegen das Austeritätsdiktat auflehnt als Populist diffamiert.
- Eurokrise
- Massenprotest gegen rigide Sparpolitik und die Troika
Die Wut auf die Sparpolitik nimmt zu. Noch im vergangenen Herbst hieß das Motto der portugiesischen Facebookplattform “Zum Teufel mit der Troika!” gegen die Intervention der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) noch “Gebt uns unser Leben zurück!”. Am Samstag stand auf vielen Transparenten der Demonstration gegen die Sparpolitik in über 30 Städten: “Das Volk ist es, das am meisten bestimmt”.
Eine halbe Million Menschen waren in Portugals Hauptstadt Lissabon dem Aufruf des Internetbündnisses gegen die Troika gefolgt. Im ganzen Land waren es laut Veranstaltern weit über eine Million. Die Proteste wurden von zahlreichen Intellektuellen, von der CGTP, der größten Gewerkschaft des Landes, und von der politischen Linken unterstützt.
Quelle: taz
- Kolossaler Protest in Portugal
Unter dem Motto “Zum Teufel mit der Troika” haben Hunderttausende gegen den Sparkurs demonstriert. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind nach Angaben der Empörten-Bewegung ihrem Aufruf gefolgt. Das wären etwa 15 Prozent der gesamten Bevölkerung Portugals. Sie machten auf mehr als 30 Demonstrationen mit dem Lied der Nelkenrevolution deutlich, dass ihnen der Geduldsfaden gerissen ist. Die Vertreter der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) befinden sich erneut im Land, um zu prüfen, ob ihre Programme umgesetzt werden. Die wurden Portugal 2011 verordnet, als es 78 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungsfonds erhielt. Damit werde die Verfassung mit Füßen getreten, meinen viele und verweisen darauf, dass das Verfassungsgericht schon diverse Sparmaßnahmen gekippt hat. Am neuen Sparhaushalt zweifelt sogar Staatspräsident Anibal Cavaco Silva. Er hat das Gesetz den Richtern zur Prüfung vorgelegt. Dabei verlangt die Troika weitere Einsparungen im Umfang von vier Milliarden Euro. Die Portugiesen haben die Hoffnung verloren, dass sich damit etwas verbessern könnte, denn die Arbeitslosigkeit steigt und steigt. Sie hat im Februar einen neuen Rekordwert von 17,6 Prozent erreicht. 40 Prozent der jungen Menschen sind ohne Job. Und die Caritas stellte unlängst fest, dass der Hunger unter Kindern wegen der EU-Sparprogramme um sich greift.
Quelle: Telepolis
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon interessant, wie unterschiedlich die Medien allein bezüglich der Zahl der Demonstranten in Portugal berichten. Die “junge Welt” bezieht sich mit 1,5 Millionen auf die Angaben der Veranstalter, der „Spiegel“ hält sich an die Medien in Portugal und spricht von Hunderttausenden und die „Welt“ von Zehntausenden. Einen Sonderfall bildet das wirkungsmächtigste Medium, das Fernsehen. Im Tagesschaubeitrag vom 2.2.2013 werden Zehntausende und im Text auf der Tagesschauseite werden Hunderttausende genannt. Die Tagesschau korrigiert sich für diejenigen, die es genauer wissen wollen, also für den kritischen Zuschauer.
Kurzum, es wird klar, dass die regierungsfreundlichen Medien diese starken und konkreten Hinweise für das Scheitern des von Deutschland mitgetragenen Troikakurses beim “Musterschüler Portugal kleinreden wollen.
Der Musterschuldner Portugal sparte, kürzte, flexibilisierte, privatisierte – ohne zu murren. Bisher! Im November verkündete der portugiesische Finanzminister Vítor Gaspar noch stolz: „Die sechste Überprüfung war erfolgreich“. Die Troika sei der Ansicht, “dass das portugiesische Sanierungsprogramm ungeachtet der schlechteren Aussichten der europäischen und internationalen Wirtschaft mit gutem Rhythmus voranschreitet.” 95 Prozent der vereinbarten Maßnahmen seien bereits abgeschlossen oder in Gang gebracht worden. Dabei war das Land schon längst zum Musterbeispiel für die Fehlkalkulationen der “Euro-Retter” geworden bzw. dafür, dass ein rigider und zudem unintelligenter Sparkurs nicht ausreicht, um die Krise zu bewältigen, sondern das Gegenteil bewirkt: Einen Kreislauf aus Sparzwang, Konsum- und Investitionsflaute und in der Folge Rezession, Einbruch der Steuereinnahmen, Anstieg der Sozialausgaben, der mit erneuten Sparpaketen verhindert werden soll usw. Die Finanzmärkte haben das Vertrauen in die Troikarezeptur schon längst verloren und Portugal abgeschrieben. Die Kurse der Kreditausfallversicherungen, den sogenannten Credit Default Swap (CDS) schossen Ende Januar auf Rekordhöhe: Wer einen Anleihewert von 100 Euro absichern möchte, muss dafür 14,60 Euro zahlen. Das war vor den Protesten! Die Bürger Portugals wie die Finanzmärkte haben die bisherige Krisenpolitik der Troika, hinter der die Regierung Merkel voll steht, abgeschrieben.
- Verflucht das Land, das Konsequenz wählt
In Portugal und Spanien demonstrierten Hunderttausende gegen die Arbeitslosigkeit. Als Reaktion warben beide Finanzminister um Vertrauen bei den Finanzmärkten: Sie versicherten, an der Sparpolitik festzuhalten.
Doch sind die Bankschulden, die die USA, Spanien, Großbritannien, Irland und Portugal übernahmen, längst von privaten zu öffentlichen Schulden geworden. Auch die Hilfszahlungen, die unter oft brutalen Auflagen den Staaten gewährt wurden, fließen nicht an die dortigen Steuerzahler, sondern zu den Gläubigern zurück. In Griechenland kamen über zwei Drittel der Hilfskredite nie ins Land. Sie flossen direkt in die maroden französischen und deutschen Gläubigerbanken; in Spanien, Irland und Portugal lief es ähnlich. Im Gegenzug wurden Hunderttausende entlassen, Renten gekürzt, Schulen, Spitäler, Polizeiwachen, Bibliotheken geschlossen.
Und das, während die Profiteure und Verursacher der Krise kaum angetastet wurden. In Griechenland etwa bleiben die superreichen Reeder weiter steuerfrei; in Italien bat Monti die Hausbesitzer, aber nicht Konzerne und Finanzleute zur Kasse; in den USA riskieren die Republikaner, das Land in eine Rezession zu reißen, um Steuererhöhungen bei Superreichen zu verhindern.
Quelle: Tagesanzeiger
- Irland will 15 Jahre mehr Zeit für Tilgung der Hilfskredite
Irland gilt eigentlich als Musterschüler unter den Euro-Krisenländern.
Dank früher Reformen hat das Land verlorenes Vertrauen an den Finanzmärkten zurückgewonnen. Dennoch dringt das Land nun auf eine Verlängerung der Hilfskredite.
Quelle: FAZ
Anmerkung J.A.: Der “Musterschüler” versagt also (weil die Tilgungsforderungen nicht realistisch erfüllt werden können), aber die Propaganda vom “Musterschüler” (“Wachstum durch Haushaltskonsolidierung”) geht ohne jeden Realitätsbezug unvermindert weiter.
- Kredite nur gegen Kündigungen
Bei ihrem aktuellen Besuch in Griechenland drängt die Troika auf die nächste Kündigungswelle im öffentlichen Dienst. Viele Menschen befürchten ein Horroszenario und protestieren. Finanzminister Stournaras bezog in dieser Frage eine Position, die den Euro-Partnern nicht gefallen wird. …
Vom Urteil der Troika hängt ab, ob Athen die nächste Rate von 2,8 Milliarden Euro ausgezahlt bekommt. EU, IWF und EZB schnürten für Griechenland zwei große Hilfspakete über insgesamt 240 Milliarden Euro, die mit strengen Spar- und Reformauflagen verknüpft sind. In Griechenland kletterte die Arbeitslosigkeit mittlerweile auf 27 Prozent. Mehr als 60 Prozent der jungen Leute sind ohne Job.
Quelle: Tagesschau
- Amazon – “Als würden die Menschen dressiert werden”
Extremer Leistungsdruck, systematische Überwachung des Arbeitspensums, schlecht temperierte Lagerhallen: Ehemalige Amazon-Mitarbeiter berichten der SZ von unmenschlichen Arbeitsbedingungen in einem Logistikzentrum des Online-Händlers. Protokolle aus der Amazon-Galeere.
Quelle: SZ
- Fordern und Fördern – Alltag im Jobcenter
“Niemandem aber wird künftig gestattet sein, sich zu Lasten der Gemeinschaft zurück zu lehnen.” Und weiter: “Wer zumutbare Arbeit ablehnt, wird mit Sanktionen zu rechnen haben”. Vor fast genau zehn Jahren, am 14. März 2003, hält Gerhard Schröder seine Regierungserklärung zum Fordern und Fördern. Er stellte seine Agenda 2010 im Detail vor.
Mit diesem höchst umstrittenen Gesetzespaket hat die rot-grüne Regierung von damals unsere Gesellschaft nachhaltig verändert. Nicht zuletzt durch die Einführung von Hartz IV. Was ist aus dem Fordern und Fördern geworden? Unsere Reportage führt uns in ein Jobcenter nach Berlin. Johannes Nichelmann hat den Alltag der Menschen dort begleitet.
Quelle: dradio
- Langeweile bei Portigon
Sie verdienen gut, doch haben kaum etwas zu tun – bei vielen Mitarbeitern des WestLB-Nachfolgers Portigon herrscht Langweile. Die Bank hat fast keine Aufträge, dafür aber 2600 Mitarbeiter. Die produzieren über eine halbe Milliarde Euro Verlust im Jahr, auf Kosten der Steuerzahler. Kein Wunder, dass sich die Politik Gedanken darüber macht, wo die gelangweilten Banker beschäftigt werden könnten – zum Beispiel als Steuerfahnder.
Quelle: wdr
- Automobilmarkt: Verteilungskampf
Die Krise auf dem westeuropäischen Automobilmarkt wird auch 2013 anhalten. Allerdings können sich die deutschen Autohersteller und -zulieferer nach eigener Einschätzung zumindest zum Teil von dieser Entwicklung abkoppeln. Der Grund: Sie profitieren von ihrer globalen Ausrichtung und damit von weiter steigenden Verkäufen etwa in China oder Indien. Generell wollen die Hersteller und Zulieferer ihre Kapazitäten weiter ausbauen, vor allem in zukunftsträchtigen Märkten wie Russland oder China. Damit könnten nach Ansicht von Peter Fuß, Partner der Unternehmensberatung Ernst & Young, mittelfristig auch Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet sein, weil bisher exportierte Fahrzeuge direkt vor Ort gebaut würden.
Quelle 1: Tagesspiegel
Quelle 2: Ernst & Young [PDF – 553 KB]
Anmerkung Orlando Pascheit: Dass die deutschen Autohersteller mehr Neuwagen im Ausland verkaufen als im eigenen Land ist so neu nicht. Auch wenn die Absatzprognosen für China sich nicht so erfüllen, wie in früheren Jahren gestellt, dürfte China in den nächsten Jahren für die weltweite Autoindustrie zentral sein. So dürfte VW 2015 genauso viele Fabriken in China haben wie in Deutschland. VW bestreitet, dass dadurch immer mehr Arbeitsplätze nach China verlagert würden. Allerdings war das ziemlich vage, was VW-China-Chef, Vorstandsmitglied Jochem Heizmann, am Donnerstag vor deutschen Journalisten in Peking erzählte. Das starke Volkswagen-Engagement in China schaffe auch „viel Beschäftigung in Deutschland“ – sei es durch Zulieferungen von Motoren, Komponenten, Ingenieurleistungen oder Anlagen deutscher Maschinenbauer für neue Autowerke. Das erinnert ein wenig an den Verkauf von modernen Förderanlagen, Stahlwerken oder Solaranlagen aus Deutschland in die Schwellenländer: Man hat sozusagen die Konkurrenz erst wettbewerbsfähig gemacht. Ob dadurch den Beschäftigten der deutschen Stahl- oder Solarindustrie geholfen wurde? Eines dürfte in der Tat stimmen: China stellt heute eine „signifikante Größe“ im Konzernergebnis von Volkswagen dar. „Wir verdienen gutes Geld“ meinte Heizmann.
Etwas klarer hat sich der frühere VW-Vorstand Robert Büchelhofer bereits in 2003 ausgedrückt. Er wolle den Export von in China produzierten Volkswagen nicht ausschließen. “Wir träumen davon“. Bereits jetzt würden einige in China hergestellte Teile nach Deutschland geliefert.
Heute wird beklagt, dass zwischen den europäischen Arbeitern keine Solidarität bestünde – siehe z.B. das erfolgreich Gegeneinanderausspielen von Renault-Arbeitern in Frankreich und Spanien (junge Welt, 24.11.2012). Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass zwischen den Kontinenten erst recht die Standortkonkurrenz siegt und nicht gewerkschaftliche Solidarität. Die Heimatbasis eines Konzerns ist, wenn es so weiter geht, irrelevant. Global Player wie die Deutsche Bank machen ihr Hauptgeschäft in London und New York – und VW eben in China.
- Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland
Zusammenfassung der Zwischenergebnisse einer Studie der Consentec GmbH in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer IWES
- Im Jahr 2023 können durch einen optimierten Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland rund zwei Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden. Insbesondere die Verlagerung des Ausbaus von Windkraftanlagen auf dem Meer hin zu Windkraftanlagen an Land spart Kosten
- Eine Optimierung hin zu einer eher „verbrauchsnahen Erzeugung“ führt in etwa zu den gleichen Einsparungen wie eine Optimierung hin zu den „besten Standorten“. Einsparungen in der residualen Stromerzeugung (inklusive Ersatz für abgeregelte EE-Erzeugung) wiegen bei einer „verbrauchsnahen Erzeugung“ die höheren Kosten für den EE-Ausbau fast auf
- Während der Ausbau der Netze langfristig wichtig ist, ist ein verzögerter Netzausbau bei alleiniger Betrachtung der Kosten bis 2023 nicht kritisch. Je verteilter der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland, desto später treten erhebliche Abregelungs-Strommengen auf und entsprechend später wird ein voll ausgebautes Netz benötigt
Im Jahr 2033 können durch einen optimierten Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden.
Quelle: Agora Energiewende [PDF – 832 KB]
Anmerkung WL: Dieses Gutachten dürfte weder der Bundesregierung noch den Energieoligopolisten gefallen.
- Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft wegen bürokratischer Hürden
Weil zahlreiche deutsche Staatsbürger ihren Pass verlieren könnten, ist die Optionspflicht im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht wieder in der Diskussion
Tausenden in Deutschland lebender Menschen meist türkischer Herkunft droht der Verlust ihrer deutschen Staatsbürgerschaft. Dass sind die Konsequenzen eines vor 13 Jahren beschlossenen viel kritisierten Gesetzes, das schon damals niemand wirklich verteidigte: die Optionsregelung im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht. Dort heißt es in §29:
“Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Geburtsortsprinzip (§ 4 Abs. 3 StAG) oder durch Einbürgerung nach § 40 b StAG erhalten hat, muss mit Beginn der Volljährigkeit und spätestens bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres erklären, ob er die deutsche oder die andere Staatsangehörigkeit behalten will.”
Eigentlich wollte die damals frisch ins Amt gewählte rotgrüne Bundesregierung mit der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft das verstaubte und sowohl aus menschenrechtspolitischen als auch aus ökonomischen Gründen anachronistische deutsche Staatsbürgerschaftsrecht modernisieren. Dagegen machten konservative und rechtspopulistische Strömungen mobil.
Der damals politisch angeschlagene hessische Ministerpräsident Roland Koch, setzte sich vor der damaligen Landtagswahl in seinem Bundesland mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft an die Spitze der rechten Gegenmobilisierung. Nachdem er damit die Landtagswahl gewonnen hatte, suchte die rotgrüne Bundesregierung einen Kompromiss mit den rechten Kritikern. Heraus kam die schon damals umstrittene Optionsregelung. Die meisten politischen Protagonisten der damaligen Auseinandersetzung, wie Schröder, Fischer und Koch, haben sich mittlerweile aus der Politik verabschiedet. Doch die Folgen der ungeliebten Reform haben nun die Menschen auszubaden, deren Situation mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts eigentlich verbessert werden sollte.
Quelle: Telepolis
- US-Militärprozess: Bradley Manning, WikiLeaks-Informant aus Gewissensgründen
Vor einem Militärgericht hat Manning erstmals ausführlich seine Motive benannt. Die Amerikaner hätten ein Recht darauf gehabt, die “aufschlussreichsten Dokumente über die wahren Kosten des Krieges” zu kennen, sagte der Soldat. Er habe aus moralischen Gründen gehandelt, deshalb seien seine Taten gerechtfertigt gewesen. “Wir waren besessen davon, menschliche Ziele auf Listen zu fangen und zu töten und haben unsere Ziele und Aufträge ignoriert”, erzählte Manning, der für die US-Armee als Geheimdienst-Analyst in der Nähe von Bagdad gearbeitet hatte. “Ich glaubte, dass die amerikanische Öffentlichkeit das erkennen muss, damit eine Diskussion über unsere Militär- und Außenpolitik beginnt.” Er habe im Irak dienstlich eine Datenbank nutzen müssen. Weil die Internetverbindung oft ausgefallen sei, habe er einmal alle Dateien heruntergeladen, um sich die Arbeit zu erleichtern. So habe er mit dem Kopieren des Geheimmaterials begonnen. Doch je mehr er darin gelesen habe, desto mehr sei er besorgt gewesen. Besonders eindringlich sprach Manning über das Video von einem Kampfhubschrauber-Einsatz der US-Armee im Irak, das unter dem Namen Collateral Murder bekannt wurde: “Dieser Blutrausch, den sie zu haben schienen, für sie schien menschliches Leben wertlos zu sein.” Vor der Veröffentlichung der US-Depeschen habe er gezögert. Ihm sei klar gewesen, dass es für die USA peinlich werden würde. Doch je mehr er in den 250.000 Mitteilungen aus den US-Botschaften gelesen habe, desto mehr sei im klar geworden, dass sie an die Öffentlichkeit gehörten. Denn sie dokumentierten “Hinterzimmer-Deals und anscheinend kriminelle Aktivität”. – Manning droht nun eine lebenslange Gefängnisstrafe wegen Geheimnisverrats. Er bekannte sich in zehn von 22 Anklagepunkten für schuldig. Wesentlichen Vorwürfen der Anklage widersprach er aber. So habe er sich nicht schuldig gemacht, Feinden der USA geholfen zu haben.
Quelle: Zeit Online
Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat, dürfte die harte Haltung der US-Regierung vor allem in der Peinlichkeit begründet sein, in (schmutzigen?) Unterhosen erwischt worden zu sein. Inwiefern die Veröffentlichung von 251 287 Dokumente aus dem US-Außenministerium, von denen kein einziges als “top secret” eingestuft war und von 500.000 anderen Zugriffsberechtigten eingesehen werden konnte, als Hochverrat eingestuft werden kann, entzieht sich dem normalen Verstand. Nach 9/11 hatte man wegen der vielen aneinander vorbeilaufenden Information die Zugriffsrechte beträchtlich erweitert. Es ist naheliegend, dass jeder ausländische Geheimdienst und andere potente Gruppen diese Dokumente schon längst besaßen.
- NSU: Umnachtete Ermittler
Neonaziterror: Polizeibeamte von BKA und LKA geben sich vor Untersuchungsausschuss im Bundestag völlig inkompetent. Die Alternative dazu wäre Vorsatz. – Wenn all das stimmen sollte, was der Untersuchungsausschuss zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) in letzter Zeit im Bundestag erfuhr, dann müssen sich Verbrecher nicht mehr fürchten – die Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) und diverser Landesämter werden sie kaum fangen. »Die können sogar ihr Adressbuch vergessen, die Polizei wird es nicht nutzen«, ätzte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) am Freitag in Berlin. Er spielte auf den jüngsten Skandal an, mit dem sich sein Gremium befassen muss: Eine verschlampte Spur aus der Jenaer Garage, in der die späteren NSU-Gründer Rohrbomben gebastelt hatten. Im Jahr 1998 waren dort mehrere Listen mit Namen und Nummern von Neonazis entdeckt worden.
Quelle: junge Welt
- Leistungsschutzrecht – Ein Gesetz, das nur Verlierer kennt
Wer die quälende Debatte von Lobbyisten, Netzpolitikern und -aktivisten in den vergangenen Monaten versäumt oder schlicht nicht mehr verstanden hat: Die schwarz-gelbe Regierung will ein neues Recht einführen, das es Verlagen ermöglicht, von Suchmaschinen und anderen Aggregatoren im Internet Geld zu verlangen, wenn sie die Inhalte der Verlage indizieren und neu zusammengestellt präsentieren.
Es richtete sich im Grundsatz zunächst unter anderem gegen Google News, einen Dienst, der mit der üblichen Perfektion des US-Monopolisten eine Nachrichtenübersicht zusammenstellt, die vielen Nutzern für einen schnellen Überblick reicht – und damit Seiten wie dieser eine gewisse Konkurrenz macht. Das allerdings ist nur die halbe Wahrheit.
Süddeutsche.de etwa bekommt ungefähr 25 Prozent seiner Besuche über Google, dabei circa sieben Prozent über Google News. Und damit ist das Dilemma hinter dem Leistungsschutzrecht schon beschrieben: Einerseits baut Google mit Verlagsinhalten selbst attraktive Angebote, die über die universelle Suche dort durchaus auch zu Anzeigenerlösen führen. Andererseits profitieren die in Google News verlinkten Nachrichtenseiten von diesem Angebot, weil sie auf ihre anzeigenfinanzierten Angebote täglich so viele neue Nutzer bekommen wie durch keinen anderen Dienst, auch durch kein einziges Social Network.
Quelle: SZ
Anmerkung JK: Durchaus löblich, das die SZ so ehrlich ist und zugibt, dass Sie und andere große Tageszeitungen eigentlich von den Suchmaschinen, explizit Google, profitieren.
Dazu: Die „Lex Hirnverbrannt“
Das Leistungsschutzrecht sieht vor, dass Online-Suchportale den Presseverlagen immer dann Geld bezahlen, wenn sie nicht nur die Fundstellen auflisten, sondern einen Ausschnitt des gefunden Textes, etwa dieses Textes hier, anzeigen. In den äußerst polemischen Diskussionen der letzten Monate traten vor allem der Google-Konzern und der Springer-Verlag öffentlich in Erscheinung, weshalb von dem Gesetz auch als „Lex Google“ oder „Lex Springer“ die Rede ist. Doch weil der Bundestagsbeschluss nicht enthält, wie groß die Text-Ausschnitte („snippets“) sein müssen, um lizenzgebührenpflichtig zu sein, weil also das Gesetz an entscheidender Stelle nichts besagt, können wir ebenso gut von einer „Lex Überflüssig“ oder „Lex Was soll das denn jetzt?“ sprechen.
Quelle: FR
- In die Opposition!
Das Vorhaben von Die Linke, sich der Sozialdemokratie und den Grünen anzubieten, darf als Landgewinn der Realos innerhalb der Partei bewertet werden. Will Die Linke eine parteiliche Alternative bleiben, so darf sie nicht alles daran setzen, regierungsfähig zu werden. Oder genauer: So darf sie gar nichts daran setzen, für eine Regierung einsetzbar zu sein.
Glaubt Die Linke, sie könne auch nur eine ihrer Ziele verwirklichen, wenn sie mit in eine Koalition ginge? Haben Realos Ziele außer Karriere? Aber das ist eine andere Frage. Regierungsfähig zu sein bedeutet zuallererst, die Alternativlosigkeit zu akzeptieren, die der Neoliberalismus der Gestaltung des öffentlichen Raumes abverlangt. Regierungsfähig zu sein bedeutet, dass Ideale und Vorhaben mit dem abgeglichen werden, was der Finanzsektor und das big business vorgeben. Was haben die Grünen als regierungsfähig gewordene Partei umgesetzt? Den Atomausstieg haben sie verschleppt. Sie haben als einst pazifistische Partei in Menschenrechtskriege gelotst und ihre sozialen Ursprung aufgegeben. Die Realos haben die Regierungsfähigkeit hergestellt – Realo zu sein bedeutete nicht realpolitisch zu sein, sondern die realen Klüngeleien, Bekanntschaften, Schmiergelder und Posten als Wirklichkeit anzuerkennen.
Quelle: ad sinistram
- Peer Steinbrück tritt auf die Sozialismus-Bremse
Der SPD-Kanzlerkandidat umarmt den Mittelstand: Steinbrück warnt seine Partei vor zu hohen Erwartungen an eine Vermögensteuer. Und er baut mit seinen “Siegener Thesen” Brücken zu den Unternehmern.
In dem Papier, das der “Welt” vorliegt, warnt der SPD-Kanzlerkandidat seine Partei vor zu hohen Erwartungen an Erlöse aus einer wieder eingeführten Vermögensteuer…
“Der Betriebsübergang darf nicht durch die Erbschaftsteuer gefährdet werden. Notwendig ist daher eine verfassungsfeste, mittelstandsfreundlich ausgestaltete Erbschaftsteuer.”
Quelle: Die Welt
Anmerkung WL: Steinbrück bei der IHK, das heißt Steinbrück unter den Seinen. Wie sagte er doch jüngst in einem Interview mit der Zeit:
ZEIT: Als Ministerpräsident in NRW haben Sie einst gesagt: »Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft des Landes tun, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen und nur für sie.« Das klingt anders als heute.
Steinbrück: Nein. Ich bin unverändert der Meinung, dass die SPD dringend jene ansprechen muss, die die Lastesel des Sozialstaates sind. Diese Menschen dürfen wir nicht überfrachten, weil sie sonst den Solidarvertrag aufkündigen.
- Professoren protestieren gegen Sponsoring von Unis
27 europäische Professoren fordern ein Ende der Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Sponsoring gefährde die Freiheit der Universitäten, schreiben sie.
Quelle: Zeit
Dazu auch: UBS-Millionen: Professoren fürchten um Unabhängigkeit der Universitäten
„Wir appellieren an die Leitung der Universitäten und an alle Bildungsverantwortlichen im In- und Ausland, dem kostbaren und von der Verfassung geschützten Gut der akademischen Freiheit und Unabhängigkeit Sorge zu tragen und das wissenschaftliche Ethos nicht mit problematischen Kooperationen zu gefährden.“
Quelle: Tages-Anzeiger
- Wie und wozu Schülerdaten gesammelt werden
Der Journalist Richard Gutjahr hat eine Initiative im Internet namens Lobbyplag gestartet. Hierbei geht es grundsätzlich darum, Datenschutzverletzungen aufzuspüren.
In dieser Reihe beschäftigt er sich gerade damit, wie Unternehmen die Daten von Schülern einsammeln. Insbesondere geht es hierbei um die Firma Bertelsmann und ihre Methoden. So schildert Gutjahr die Bertelsmann-Masche, wenn erst einmal Adressen von Kindern bekannt sind:
Jetzt, wo das Kind doch das erste Buch habe, sei es ganz besonders wichtig, auch die anderen Bücher zu kaufen. „Sie möchten doch nicht, dass Ihr Sohn Probleme in der Schule bekommt?“
Quelle: ibb
Anmerkung von Steffen Roski: Da sind sie wieder, die Drückermethoden des Hauses Bertelsmann. Natürlich angepasst an den Stand der Technologie. Ich kann berichten, dass Verlagsableger von Random House (Bertelsmann) aggressiv versuchen, direkt in jede Klasse einer jeweiligen Schule vorzudringen. Lehrerinnen und Lehrer sollen dann die milden Gutscheingaben direkt über die Schülerinnen und Schüler an die Erziehungsberechtigten weitervermitteln. Spielt ein Fachbereich nicht mit, fassen die Vertriebler des Hauses Bertelsmann direkt in der jeweiligen Schule nach. Offensichtlich wird hier der Zusammenhang mit den Projekten der vorgeblich gemeinnützigen Bertelsmann Stiftung. Ein Konzern, der mehrheitlich von einer Stiftung gehalten wird, die doch das Gute und Richtige anpeilt, wird doch auch ein absolut honoriger Bildungsverleger sein … Leider fallen viele Lehrerinnen, Lehrer sowie Schulleitungen auf die Maschen des Gütersloher Medien- und Dienstleistungsimperiums herein und werden so zu Bertelsmanns willfährigen Multiplikatoren.
- Straubhaar: „Studiengebühren schaffen Chancengerechtigkeit“
Wenn nun allerorts die Studiengebühren abgeschafft werden, hilft dies finanziell schwächerer Familien kaum, da deren Kinder ohnehin nur vereinzelt studieren. Andererseits, müssen sie nun, stärker als vorher über ihre Steuern das Studium vor allem von Kindern wohlhabender Eltern von ihrem spärlichen Einkommen mitfinanzieren. Demgegenüber schaffen es die Kinder gut verdienender Akademiker mit Unterstützung des Elternhauses einfacher zum Abitur und damit an die Uni. Der Wegfall von Studiengebühren verfestigt somit die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem. Ein gebührenfreies System führt dazu, dass im Vergleich der sozialen Herkunftsgruppen der Studierenden die unterste Einkommensgruppe kaum weniger belastet wird als die höchste.
Quelle: INSM
Anmerkung WL: Nachdem nun in Bayern und in Niedersachsen die Studiengebühren auch noch abschaffen wollen und die Republik bald ein „mautfreies“ Studieren wieder herstellt, bläst die sich selbst so nennende „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ zum Gegenangriff und spannt dazu den Präsidenten des von der Wirtschaft gesponserten HWWI als Mietmaul ein. Er packt dazu die längst widerlegte Behauptung wieder aus, dass Studiengebühren mehr Verteilungsgerechtigkeit schafften. Aus dem zynischen Argument, dass Kinder aus finanziell benachteiligten Familien ohnehin nur vereinzelt studierten, folgert er, dass man deswegen ruhig auch Studiengebühren erheben könne. Sie seien ja – so die Schlussfolgerung – nur vereinzelt betroffen.
Was es heißt, wenn Neoliberale das Wort „Chancengerechtigkeit“ im Munde führen, habe ich erst unlängst dargelegt, siehe „Fluchtpunkt „Chancengerechtigkeit“ – Oder: Wie die INSM über die Einkommens- und Verteilungsungerechtigkeit hinwegzutäuschen versucht“. „Chancengerechtigkeit“ ist das Tarnwort für die Parole „Jeder ist seines Glückes Schmied“.
Genauso manipulativ sind auch die Behauptungen Straubhaars, dass die Ungleichheit in der Einkommensverteilung abgenommen habe. Der Chef des DIW, dessen Studie Straubhaar zitiert, kommentiert die Studie seines Hauses wie folgt: “Die Veränderungen seit 2005 sind so gering, dass man nicht sicher sagen kann, ob Ungleichheit und Armutsgefährdung wachsen oder sinken“.