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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Abzocker-Initiative mit 67,9 Prozent deutlich angenommen
Das Verdikt des Volkes ist deutlich ausgefallen, deutlicher noch als erwartet: 67,9 Prozent der Stimmenden haben die Abzocker-Initiative von Thomas Minder am Sonntag angenommen…
Mit einem Ja-Stimmen-Anteil von rund 68 Prozent erreichte die Initiative die dritthöchste Zustimmungsquote, die eine Volksinitiative je erreicht hat.
Mit dem Ja des Volkes haben jene Unternehmen die Quittung erhalten, die in den vergangenen Jahren mit überrissenen Salären und Boni die Empörung nährten. Die Quittung erhielt aber auch das Parlament, das die Abstimmung mit taktischen Manövern und endlosen Debatten zu möglichen Gegenvorschlägen lange hinauszögerte.
Quelle: Blick
Anmerkung WL: Ich vermute, dass bei einer Abstimmung in Deutschland ein ähnliches Ergebnis zustande käme. Auch hier könnte man natürlich wieder einwenden, diese Abzocker-Initiative sei populistisch. Das ist sie gewiss auch, doch sie ist mehr ein Zeichen für den Unmut über die obszöne Ungerechtigkeit in der Gesellschaft. Leider dürften die Regeln zur Begrenzung der Abzockerei das Abzocker-System nicht ändern.
- Die neue Anti-Euro-Partei
Kritiker der Eurorettungspolitik bereiten nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ die Gründung einer Partei mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ vor. Sie soll schon zur Bundestagswahl in diesem September antreten.
In Deutschland bereiten Kritiker der Eurorettungs-Politik die Gründung einer Partei mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ vor. Sie soll schon zur Bundestagswahl in diesem September antreten, spätestens aber zur Europawahl im Juni 2014. Gründer sind der Ökonom Bernd Lucke, der Publizist und ehemalige FAZ-Redakteur Konrad Adam und Alexander Gauland, der unter dem früheren hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann (CDU) Chef der hessischen Staatskanzlei war.
Das Personal der Initiatoren und der Unterstützer spricht dafür, dass sie Chancen im bürgerlichen Milieu haben. Zu den Unterstützern gehören überproportional viele liberale und konservative Professoren, die Lehrstühle für Volkswirtschaft innehaben oder hatten. Darunter sind bekanntere Namen wie Stefan Homburg und Charles Blankart. Sie lehren in Hannover und Berlin öffentliche Finanzen. Dazu gesellen sich Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider und Dieter Spethmann, die schon gemeinsam gegen die Griechenland-Hilfe vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatten. Der bekannteste Name auf der Unterstützlerliste ist der des ehemaligen Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, der schon mit mehreren Parteigründungen in Zusammenhang gebracht wurde.
Quelle: faz.net
Anmerkung WL: Siehe dazu “Von der deutschen Tea Party zur Henkel-Partei (I) – Rechtspopulist Hans Olaf Henkel spielt mit den Ängsten der Bevölkerung” und „Von der deutschen Tea Party zur Henkel-Partei (II) – Der rechte Ritt auf der Welle der Empörung“.
Anmerkung JB: Der erste Ausflug der Rechtspopulisten in die Realpolitik darf getrost als absoluter Reinfall bewertet werden. Bei den Landtagswahlen in Niedersachsen trat die Wahlalternative 2013, aus der die „neue Anti-Euro-Partei“ hervorgeht, auf einer gemeinsamen Liste mit den Freien Wählern an und konnte – trotz eines aufwändigen Wahlkampfs von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet – gerade einmal 1,1% der Stimmen erzielen. Siehe dazu auch: Wahlalternative 2013 – aus den Freien Wählern sollen freie (Markt-)Radikale werden.
- Was da Mindestlohn genannt wird
Derzeit spricht ganz Deutschland über faule Eier. Die Diskussion um den Mindestlohn gehört auch dazu. Da hat der Bundesrat eine Initiative gestartet, wonach Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro bekommen soll. Die Bundesregierung lehnt das natürlich ab, die Arbeitgeber auch und der Vize der Agentur für Arbeit Heinrich Alt meint, der Mindestlohn würde an der Zahl der Aufstocker nichts ändern.
Recht hat er, denn die 8,50 Euro machen bei einer Vollzeitbeschäftigung von 160 Stunden im Monat gerade mal einen Bruttomonatslohn von 1360 Euro aus. Und wer hat schon einen Vollzeitarbeitsvertrag? “Von den 1,2 Millionen Aufstockern, die wir haben, sind 320 000 Vollzeit beschäftigt”, sagt Alt im Interview. Die niedrigen Löhne sind das eine, die prekäre Beschäftigung das andere. Darüber redet keiner.
Doch was ist von dem Vorstoß des Bundesrates zu halten? Der SPD-Chef Sigmar Gabriel plustert sich schon mal mächtig auf und brüllt in Richtung FDP: “Ein Mindestlohn ist der Lohn, den man braucht, um trotz Vollzeitarbeit nicht zum Sozialamt gehen zu müssen.” Das sagt der Richtige, der wie einst bei der Geburt der Agenda 2010 jetzt auch wieder nicht merkt, wie missgebildet die Realität doch ist. (…)
Doch um eine vernünftige Politik geht es schon lange nicht mehr. Die jetzige SPD-Initiative für den Mindestlohn ist genauso verlogen, wie das fast geschlossene Nein der SPD-Fraktion zum Mindestlohn im Jahr 2007. Damals meinten die Sozialdemokraten als Juniorpartner der CDU noch, die Linken würden nur einen Politzirkus veranstalten wollen. Den Zirkus veranstaltet die SPD nun wieder selbst. Sie fordert den Mindestlohn immer nur dann, wenn sicher ist, dass sie ihn nicht durchsetzen kann.
Die Arbeitgeber halten den Mindestlohn für “Gift”. Diese drastischen Worte wählte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Er sagte, vielen Geringqualifizierten würde damit der berufliche Einstieg erschwert. Das ist interessant. Heute war ich in Hannover auf der jährlich stattfindenden Berufs- und Ausbildungsmesse. Dort referierte ein Vertreter der IHK Hannover. Er meinte, dass der Fachkräftemangel in Niedersachsen und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien eine Win-Win-Situation ergeben würde. Das sagt eigentlich alles.
Quelle: André Tautenhahn
- Walter van Rossum – Zweierlei Maß? Die Berichterstattung über Russland und die USA
2012 war ein Jahr mit Präsidentschaftswahlen in zwei weltpolitisch bedeutenden Staaten – Russland im März, die USA im November. Wie wird über die Kandidaten vor dem Hintergrund der politischen Verhältnisse vor Ort in deutschen Medien berichtet?
Über Wladimir Putin zum Beispiel macht man sich gern als “lupenreinen Demokraten” lustig, behandelt Russland als Ort diktatorischer Barbarei.
Die Ruchlosigkeit US-amerikanischer Präsidentschaftskandidaten hingegen kommt hier meist nur in fiktiven Hollywood-Filmen vor. Bilden also deutsche Medien Politik und ihre höchsten Repräsentanten, diese Antagonisten des Kalten Krieges, heute tatsächlich so unabhängig und distanziert ab, wie sie vorgeben?
Gibt es ideologische Rücksichten auf den westlichen Verbündeten?
Ist der Skandal um Pussy Riot tatsächlich so viel kritikwürdiger als Guantanamo, die Waffenlieferungen an Syrien verwerflicher als die an Saudi-Arabien?
Quelle: dradio
- Italien
- Das Menetekel »Italien«
Die politischen Eliten sind europaweit entsetzt: Wie konnte das italienische Wahlvolk einen verdienten Sanierer wie Mario Monti mit elektoraler Missachtung einfach abservieren? Weshalb ist es so schwer nachvollziehbar, dass eine seit längerem vollkommen aus dem Ruder gelaufene Staatsverschuldung wie in Italien mit 128% des Bruttosozialprodukts harte Haushaltsmaßnahmen erfordert?
Wieso versteht eine Mehrheit südlich der Alpen nicht, dass Wohlstand auf Wettbewerbsfähigkeit und hoher Produktivität beruht? Was bilden sich die Leute eigentlich ein, erklärten EU-Gegnern ihre Stimme zu geben, statt sich der großen Unterstützung aus Brüssel und Berlin dankbar zu erweisen? Hatte es nicht in Griechenland mit der Wahl von Andonis Samaras geklappt, in Portugal mit Pedro Passos Coelho, in Spanien mit Mariano Rajoy und zuletzt in Zypern mit der Wahl von Nikos Anastasiades als neuem Präsidenten? Weshalb nicht in Italien mit einem breit getragenen Mitte-Links-Bündnis von Monti und Bersani?
Das Entsetzen dokumentiert, wie weit sich führende Zirkel im politischen Feld von der sozialen Realität eines Landes, das sie nicht wie ihr eigenes jederzeit auf dem demoskopischen Bildschirm haben, entfremden können.
Quelle: Sozialismus
Anmerkung C.R.: In der Vergangenheit stand Italien oftmals Modell für die Politik in Deutschland – im positiven wie im negativen Sinne. Die derzeitige politische Entwicklung in Italien könnte wieder einmal Vorbild für die deutsche Politik sein. Beppo Grillos M5S ist kritisch-aufklärerisch und ganz offensichtlich -trotz der nicht einfachen italienischen Medienlandschaft- auch populär; vermutlich auch deshalb, weil das M5S-Programm am Gemeinwohl orientiert, kurz und einfach gegliedert sowie klar formuliert ist und online zur Verfügung steht.
Das Programm ist hier nachzulesen [PDF – 310 KB].
- Wahre Clowns
Denkt man über die so verständliche wie billige Polemik Steinbrücks hinaus, dann hat das Wahlergebnis von jenseits der Alpen starke, gewiss auch spannungsgeladene Botschaften zu liefern. Zu lernen gibt es jedenfalls einiges…
Die erste Botschaft ist die totale Niederlage, die ein bestimmtes Europa bei den italienischen Wahlen erlitten hat – das der Troika, der Frankfurter Banker und der Kanzlerin Angela Merkel…
Die italienischen Wähler haben als Einzige dem Druck aus dem Norden widerstanden und die deutsche Austeritätspolitik rundum abgelehnt…In Italien haben die Gruppierungen, die gegen den deutschen Sparwahn, gegen Merkel, gegen die Diktatur des Spreads angetreten sind, 57 Prozent der Stimmen für das Abgeordnetenhaus geholt, also eine klare absolute Mehrheit…
Aber die italienischen Hofnarren haben noch eine zweite Botschaft im Gepäck – und die betrifft den Populismus. In den letzten Jahren hat nämlich die üble Tendenz Schule gemacht, alles, was die Leute tatsächlich wollen und brauchen, als Populismus zu bezeichnen…
Nun, am vergangenen Wochenende haben die Italiener mehrheitlich Populisten gewählt, pittoreske gewiss wie Grillo; und sie haben das getan, weil diese ihnen – zu Recht oder zu Unrecht – als die Einzigen erschienen, die die sozialen Rechte der Bevölkerung auf ihrer Agenda hatten…
Die abschließende Botschaft dieser Wahl ist schließlich, dass das große Rennen Richtung Zentrum seinen Höhepunkt überschritten hat. Die Diktatur der Mitte hat abgedankt…
Quelle: taz
- Ansichten eines Clowns
Ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat, der diese Lage zum Anlass nimmt, gut die Hälfte der italienischen Wähler zu beschimpfen, indem er deren erfolgreiche Spitzenkandidaten als „Clowns“herabwürdigt, ist in Wahrheit selbst ein gefährlicher Narr.
Steinbrück wird seit Jahren als geistig unabhängig und klug beschrieben. Dieses Image ist grundfalsch. Der Kandidat beweist das, seit er einer ist, unablässig. Dass jemand eine scharfe Zunge hat, ist zu wenig, um seinen Verstand zu erweisen – denn vom Verstande eines Mannes muss man, wie schon Bismarck sagte, seine Eitelkeit in Abzug bringen. Deshalb bleibt bei Steinbrück nur wenig übrig. Die seltsame Idee, er sei wegen finanzpolitischer Kompetenz Angela Merkels bester Herausforderer, hat das Wesentliche außer Acht gelassen: Merkels größte Stärke ist gerade, dass sie so uneitel ist. Sie ist durchaus nicht immer klüger als ihre Widersacher (nicht zuletzt die aus der eigenen Partei), aber meist bleibt bei ihr mehr vom Verstande übrig…
Dabei ist die Botschaft aus Italien nicht zuletzt für die SPD bedeutsam: Das Wichtigste dort war doch nicht, wer gewonnen, sondern wer verloren hat. Die Wahl brachte die fast totale Niederlage Montis. Er wird von den Italienern a) als EU-Technokrat und b) als einer dieser neoliberalen Sparmarktkommissare wahrgenommen, die nicht bekümmert, was Reiche reicher und Arme ärmer macht, sondern nur, wenn die Armen reicher und die Reichen ärmer werden. Sowie c) als Deutscher.
Quelle: FAZ
- Werner Rügemer: Bankster vor Gericht
Oppenheim-Prozess in Köln eröffnet. Die Chefs raubten ihr Geldhaus aus und betrogen Kunden. Angesichts der engen Verbindungen mit CDU und SPD konnte es sich die Regierung Merkel nicht leisten, das Geldhaus wie andere damalige Pleitebanken zu retten. So gelang es der Deutschen Bank – mit ebenfalls guten Beziehungen zur Merkel-Partei –, Oppenheim günstig zu kaufen und das Kerngeschäft, die Verwaltung einiger tausend Unternehmervermögen, weiterzuführen. Die Angeklagten wurden aus der Bank gejagt und nagen nicht am Hungertuch. Sie haben die Crème der deutschen Strafverteidiger engagiert. Die kümmern sich für gutes Geld um die gefährdeten Rechte deutscher Multimillionäre: Professor Klaus Volk, der neben seiner Professur an der Universität München genug Zeit findet, um zum Beispiel Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Steuerhinterzieher wie Boris Becker zu verteidigen; Eberhard Kempf, der vom Funktionär des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands (KBW) zum Staranwalt der Reichen avancierte (Ackermann, Immobilienbetrüger Jürgen Schneider, FDP-Chef Jürgen Möllemann) und Heiko Lesch aus der Bonner Kanzlei Redeker. Der verteidigte kürzlich Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Geheimnisse um Ackermanns privat-staatliches Geburtstagsdinner im Kanzleramt.
Die Anklage ist nur die Spitze eines schmutzigen Eisbergs, der tief ins gepflegte Milieu der deutschen High-Society hinabreicht. So darf das Publikum mit Hilfe der Justiz in ein paar Abgründe der High-Society blicken, wo jeder jede und jeden um Millionen zu betrügen versucht. Allzu tief werden die Einblicke aber möglicherweise doch nicht gehen. Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich beklagte, dass für die Ermittlungsgruppe »Byzanz« nur ein Staatsanwalt, eine Wirtschaftsreferentin und zweieinhalb Polizeibeamte bereitgestellt wurden. Die werden es gegen das Dutzend Staranwälte der Angeklagten auch weiter schwer haben. Die Bankster und ihr Beihelfer Esch haben noch weitere Schäden angerichtet, die nicht zur Anklage stehen: Etwa bei Privatisierungen in Kommunen und Staat, bei der heuschreckenartigen Verwertung von aufgekauften Mittelstandsfirmen. Plünderung öffentlicher Kassen? Arbeitslosigkeit? Da klagt niemand.
Quelle: junge Welt
- Merkels Europa
Ist die Kanzlerin zögerlich? Pragmatisch? Beides trifft nicht zu. Tatsächlich besteht ihre Politik in einer aggressiven Vorwärtsverteidigung des Status Quo.
Deutschlands Dominanz in Europa basiert auf seiner wirtschaftlichen Stärke – und dem politischen Willen, diese zum eigenen Vorteil auszuspielen. In der Krise setzt die Bundesregierung eindeutige Prioritäten. Sie sorgt sich zuerst um das deutsche Exportmodell, um die Gewinne der deutschen Banken und um – vermutete oder real vorhandene – Ressentiments der deutschen Steuerzahler. (…)
Insgesamt bietet die Bundesregierung unter Merkel ein widersprüchliches Bild. Sie zeigt sich entschlossen, wenn es um Kürzungen und die Überwachung der nationalen Haushalte geht. Sie zögert mit klaren Aussagen zur institutionellen oder wirtschaftlichen Zukunft der EU. Ihr Kurs besteht in einer aggressiven Vorwärtsverteidigung des Status Quo…
Die Bundesregierung stellte damit die Bewahrung des eigenen Modells und der Gewinne der deutschen Exportindustrie über eine europäische Krisenlösung. Die Exportindustrie selbst spürte zwar die aufgrund der Sparpolitik sinkende Nachfrage in Südeuropa, konnte dies aber durch Geschäfte auf außereuropäischen Märkten kompensieren. Insbesondere für global agierende Unternehmen ist zudem die Stabilität des Euro als internationale Reservewährung von größerer Bedeutung.
Quelle: Telepolis
- Land unter
Die Rettung Griechenlands ist zum Experiment darüber geworden, was eine Gesellschaft alles aushalten kann, bevor sie zerbricht. Die Ergebnisse bisher: In der Stadt regt sich Solidarität, auf dem Land zeigt sich Egoismus. (…)
Nur ein paar Zahlen: Seit Beginn der Krise 2008 ist die griechische Wirtschaft um mehr als dreiundzwanzig Prozent geschrumpft. Mittlerweile liegt die Arbeitslosigkeit bei knapp dreißig, bei den unter Vierundzwanzigjährigen sogar bei 62 Prozent. Wer die Chance hat, ins Ausland zu gehen, geht, und in der Regel sind das die gut Ausgebildeten.
Löhne und Renten wurden teilweise um die Hälfte gekürzt. Der Mindestlohn beträgt 586 Euro, ein Lehrer verdient etwa 650 Euro, ein Busfahrer 750. Bringt eine unversicherte Bürgerin ein Kind zur Welt, kostet sie das 1.000 Euro, ist ein Kaiserschnitt nötig, sind es schon 1.500, ein Fahrschein kostet 1,40 Euro. Zwanzig Prozent der Menschen leben bereits unterhalb der Armutsgrenze. Die griechische Mittelschicht trifft es besonders hart. Es ist ein kollektives Abrutschen und ein Ende ist nicht absehbar.
Griechenland muss trotzdem weiter sparen, so hat es die Troika verordnet, die die Regierung wie eine Marionette lenkt. Allein in diesem Jahr sollen die Bahn privatisiert werden, die staatlichen Gas- und Wasserversorger, Flughäfen, Häfen, einige Inseln, die Post. Bis 2015 will die Regierung so etliche Milliarden einnehmen. „Der Staat verscherbelt unser Land zum Schnäppchenpreis“, sagt Georg. (…)
Auf diese Weise ist eine Art ehrenamtliches Gesundheitssystem entstanden. Eine Parallelwelt, in der der Staat keine Rolle spielt. Aber der Druck kann nicht beliebig erhöht werden, weil irgendwann jedes System zusammenbricht, auch das der Selbstorganisation. Giannis Marangos hofft, dass in seinem Land keine Revolution ausbricht. Aber er sagt: „Es könnte passieren.“ Früher flohen die Menschen vom Land in die Stadt, doch die Stadt hat ihre Versprechungen nicht gehalten. In der Krise ist aus dem Traum ein Albtraum geworden, aus der Landflucht eine Stadtflucht. Mehr als 40.000 Menschen hat die Krise in Griechenlands Dörfer zurückgetrieben. In Dörfer wie Agios Vasilios.
Quelle: faz.net
- „Der öffentliche Sektor investiert zu wenig“
Jörg Zeuner, Chefökonom der staatlichen KfW spricht im Interview über Wachstumsreserven, ausgewogene Lohnforderungen und warum selbst die Schuldenbremse nicht in Stein gemeißelt ist.
Quelle: Frankfurter Rundschau
- Für mehr sozialstaatliche Umverteilung: Ein breiter Konsens in Deutschland
Rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland fließen derzeit in die gesetzlichen Sozialversicherungen und in soziale Transferleistungen. Die Bürger halten diesen Anteil jedoch nicht für ausreichend. Sie wünschen sich eine signifikante Steigerung der Mittel, die durch staatliche Umverteilung – also durch Steuern und gesetzlich festgelegte Sozialabgaben – für die Finanzierung des Sozialstaats bereitgestellt werden. Bei Beziehern überdurchschnittlich hoher Einkommen ist dieser Wunsch sogar besonders stark ausgeprägt. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue, vor kurzem als Buch veröffentlichte Studie von Dr. Christian Pfarr an der Universität Bayreuth.
Wie denken die Bürger über sozialstaatliche Umverteilung? Eine für Deutschland repräsentative Studie (…)
Von den Bürgern in Deutschland gewünscht:
Eine deutliche Steigerung sozialstaatlicher Umverteilung
Die Untersuchung förderte ein klares Meinungsbild zutage. Politische Programme, die niedrigere Steuern und Sozialabgaben fordern und damit einen Abbau sozialstaatlicher Leistungen verbinden, finden in Deutschland kaum Anhänger. Im Gegenteil, die Bürger sprechen sich nahezu einhellig für eine Erhöhung der Sozialquote aus. Aus ihrer Sicht sollte der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der für die gesetzlichen Sozialversicherungen und für soziale Transferleistungen aufgewendet wird, auf mindestens 41 Prozent steigen – was einer Erhöhung um mindestens 11 Prozentpunkte entspräche.
Dieser breite Umverteilungskonsens geht mit der Bereitschaft einher, sich persönlich an den Kosten steigender Sozialleistungen zu beteiligen. Die deutschen Bürger sind bereit, zusätzlich rund 0,6 Prozentpunkte ihres Bruttoeinkommens abzugeben, wenn dafür die Mittel, die in die gesetzlichen Sozialversicherungen und in soziale Transferleistungen fließen, um 1 Prozentpunkt steigen.
Quelle: idw
Anmerkung WL: Wie bei allen diesen Studien (siehe zuletzt die Allensbach-Umfrage „Fluchtpunkt „Chancengerechtigkeit“ – Oder: Wie die INSM über die Einkommens- und Verteilungsungerechtigkeit hinwegzutäuschen versucht“) erschrickt auch dieser Autor über den breiten Konsens über mehr sozialstaatliche Umverteilung in der Bevölkerung. Er warnt „vor einer populistischen Sozialpolitik, die den Wünschen der Bevölkerung bedenkenlos folgt. Denn eine massive Erhöhung der sozialstaatlichen Umverteilung könne sich negativ auf die wirtschaftliche Dynamik auswirken und mittelfristig dazu führen, dass das Bruttoinlandsprodukt und auch die Zahl der Arbeitsplätze sinken.
Hier plappert der Autor eine gängige Behauptung nach. Dass eine höhere Sozialquote sogar zu einem höheren BIP und zu geringerer Arbeitslosigkeit führen, belegen die skandinavischen Länder.
- Ein völlig absurdes Gesetz
Natürlich ist es im Interesse von Journalisten und einer gut informierten Öffentlichkeit, dass Verlage finanziell so ausgestattet sind, dass sie gute Arbeit leisten können. Und natürlich ist es verdammt schwer, Konzepte für Journalismus im Netz zu entwickeln, über die sich ganze Redaktionen finanzieren können.
Nur: Leitet sich daraus ein Recht auf Existenzsicherung ab? Es ist schon eher schlicht, bei dem Laden kassieren zu wollen, der einem inzwischen einen großen Teil der Leser auf die eigenen Internetseiten spült. Und nebenbei ein paar kleinen Internet-Klitschen der Garaus zu machen, die Verlagsinhalte ebenfalls besser auffindbar machen.
Und das Ergebnis? Juristen und Oppositionspolitiker verspotten das verabschiedete Gesetz schon jetzt als „Konjunkturprogramm“ für Rechtsanwälte – einfach weil es sehr viel Interpretations- und Verhandlungsspielraum lässt. Wofür genau wie viel an die Verleger bezahlt werden soll, wer überhaupt als Verleger zählt und wie das zu organisieren sei, lässt das Gesetz weitgehend offen. Ebenso wie die Frage, was eine „angemessene“ Beteiligung der Journalisten, also der Urheber der Texte auf Verlagsseiten, sein könnte.
Den größten Klopper leisteten sich die Koalitionäre aber in dieser Woche. In der größten Not, als selbst führende Schwarzgelbe das Leistungsschutzrecht kritisierten, rangen die Regierungsparteien um einem Kompromiss und fand ihn in einem Halbsatz: „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sind nun vom Leistungsschutzrecht der Verleger ausgenommen.
Quelle: taz
Anmerkung C.R.: Ein „Konjunkturprogramm“ für Rechtsanwälte – könnte das nicht die Absicht der schwarz-gelben Regierungskoalition sein?
dazu: Im publizistischen Würgegriff
Am Freitag verabschiedete der Bundestag das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Ein Recht, das es allein aufgrund der Lobbyanstrengungen der Zeitungsverlage zuerst in den Koalitionsvertrag und jetzt in den Gesetzgebungsprozess geschafft hat. Die Zeitungsverlage haben damit klar gemacht, was für eine Macht sie immer noch über die Politik haben, die von wohlwollender Berichterstattung abhängiger ist, als von der Sinnhaftigkeit ihres eigenen Handelns.
Die Machtdemonstration, die die Verlage abgeliefert haben ist beängstigend und es vermutlich auch kein Zufall, dass kaum ein prominenter Spitzenpolitiker der Oppositionsparteien sich traute, an der Abstimmung teil zu nehmen. Nichts kann man vor einer anstehenden Bundestagswahl schließlich weniger gebrauchen, als eine Presselandschaft, die dem Wahlkampfpersonal nicht wohl gesonnen ist.
Dabei wird ein systemimmanentes Problem augenscheinlich. Was passiert eigentlich mit unserem politischen System, wenn es dort mal um die ureigensten Interessen der “unabhängigen” Presse geht? Wer kontrolliert eigentlich die vierte Macht im Staate? Die Antwort ist erschütternd. Während beinahe alle Verbände, Aktivisten, Experten und Wissenschaftler kein gutes Haar an den Gesetzesentwürfen zum Leistungsschutzrecht ließen, ignorierte die Presse diese Stimmen eisern und hörte nicht auf, das Gegenteil zu verkünden. Und noch schlimmer als das journalistische Totalversagen: es gab nur wenige Politiker, die sich trauten, dieser interessengeleiteten Kampagne öffentlich zu widersprechen.
Quelle: Hier
Passend dazu:
Quelle: stuttmann
- Lebensmittelskandale – Interview mit Hans-Ulrich Grimm
Quelle: Deutschlandradio
Anmerkung MB: Kein Text vorhanden, sehr hörenswert. Es gibt interessante Hinweise auf die Zusammensetzung so mancher Kommission oder Forschungseinrichtung.
- Das philosophische Radio mit Sighard Neckel über Refeudalisierung
Ist das mit den Werten einer Demokratie vereinbar?
Ist der bürgerliche Kapitalismus am Ende? Die Finanzkrise macht deutlich, dass sich in der Gesellschaft wie in der Ökonomie Maßstäbe geändert und Gegebenheiten verschoben haben, und vieles erinnert dabei an die Zeit des Feudalismus.
Zum Beispiel bei den fürstlichen Bezahlungen von Managern: Der Leistungsbegriff hat an Bedeutung verloren, Erfolg ist alles, auch Spitzengehälter werden längst nicht mehr nach dem Leistungsprinzip bestimmt. Demonstrativer Luxuskonsum, das ist ein weiterer Aspekt, dient zum Kenntlichmachen sozialer Unterschiede. Und die Managerklasse agiert wie ein ständisch privilegiertes Adelsmilieu, wobei das Risiko ihres häufig von moralischen Standards entkoppelten ökonomischen Handelns auf die Allgemeinheit übertragen wird.
Dadurch wird deutlich, dass eine Trennung von Markt und Staat nicht vorhanden ist, was zu einer Verstaatlichung der Ökonomie und in der Folge zu einer Ökonomisierung des Staates führt. Zugespitzt könnte man bilanzieren: Eine ärmer werdende Gesellschaft blutet weiter aus, zugunsten einer reicher werdenden Managerklasse, die weder nach dem Leistungsprinzip operiert noch für das Risiko ihres Handelns gerade stehen muss.
Ist das mit den Werten einer Demokratie vereinbar? Erleben wir eine Refeudalisierung der Gesellschaft?
Was können wir dem Schwinden bürgerlicher Werte entgegen setzen?
Quelle 1: wdr5
Quelle 2: wdr5 – Podcast
- Holocaust-Studie: Mehr als 40.000 Nazi-Zwangslager in Europa
Laut einem Bericht der New York Times haben die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs 42.500 Zwangsarbeits- und Gefangenenlager, Konzentrationslager und Ghettos in Europa errichtet. Bislang waren Historiker von rund 7.000 solcher Orte der Nazi-Verbrechen im besetzten Europa ausgegangen. Die Studie zeige auf, wie die Nationalsozialisten ihr Lagernetzwerk von Frankreich bis Russland ausdehnten, schrieb die Zeitung. Die meisten Lager seien in Polen und Deutschland errichtet worden. Bislang sei ihre Existenz nur regional bekannt gewesen. Die Forscher unter der Leitung von Geoffrey Megargee und Martin Dean haben Daten aus etwa 400 Quellen zusammengetragen und ausgewertet. Das gesamte Ausmaß sei nun zum ersten Mal dokumentiert: wo sich die Lager befanden, von wem sie geleitet wurden und mit welchem Ziel sie errichtet wurden. – Der Studie zufolge entstanden die Lager kurz nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933. Allein die Anzahl der Lager – in Berlin seien es 3.000 gewesen, in Hamburg 1.300 – ließe keinen Zweifel daran, dass die Deutschen über deren Existenz informiert waren, sagte der Wissenschaftler Dean der New York Times.
Quelle 1: Zeit Online
Quelle 2: nytimes
Anmerkung Orlando Pascheit: Wenn ich vom meinem Schreibtisch hinaus schaue, fällt mein Blick auf die Porta Westfalica, den Weserdurchbruch zwischen Wiehen- und Wesergebirge. Das Gebirge ist an dieser Stelle durchzogen von einem unterirdischen System von Gängen, Speichern und Produktionshallen, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs angelegt wurden. Hier sollte gut getarnt Platz geschaffen werden für Fertigung von Flugzeugen, für Waffenproduktion, für einen Teil der Phillips-Röhrenwerke und eine Ölraffinerie. Schon in der Ausbauzeit benötigten diese Anlagen eine beträchtliche Menge an Arbeitskräften. Wie überall im Reich wurden solche Projekte deswegen an ein Konzentrationslager angeschlossen. Das Portaner KZ mit seinen drei Außenlagern Barkhausen, Neesen/Lerbeck und Hausberge unterstand dem KZ Neuengamme bei Hamburg. Als amerikanische Truppen Bad Oeynhausen und Minden erreicht hatten, wurden die Lager am Ostermontag 1945 aufgelöst und die Insassen mit einem Güterzug von über 40 Waggons Richtung Nordosten abtransportiert. Allein auf dem Transport, der für einen Teil des Zuges 16 Tage dauerte, starben etwa 2400 der 4000 Häftlinge.
Das, was man unter anderen Aspekten als romantische Gegend bezeichnen könnte, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Stätte der Unmenschlichkeit, des Grauens. Wenn man obige Zahlen liest und sich die Karte in der NYT ansieht, wird einem klar, dass es in Deutschland nur wenige Gegenden gibt, die zur unschuldigen Betrachtung der Landschaft einladen. Die Studie zählt in Deutschland und den besetzten Gebieten 980 Konzentrationslager, 30.000 Zwangsarbeitslager, 1150 Ghettos, 1000 Kriegsgefangenenlager und Tausende weitere Lager. Ich kann ganz gut nachvollziehen, dass viele von diesen Grauen nichts mehr hören, lesen oder sehen wollen. Fast könnte man die Motive derjenigen verstehen, die den Holocaust leugnen: Weil diese Ungeheuerlichkeit nicht sein darf, gibt es sie nicht.
Dies alles lässt einen nicht mehr los, macht depressiv oder wütend und lähmt einen in einem Durcheinander an Gefühlen und Gedanken den ganzen Tag. – Und mit dabei immer die Frage nach den Ur-Sachen. Weimar, die Große Depression, Brüning, die völkische Reaktion mit all dem Hass auf das Fremde schießen einem durch den Kopf. Und da fällt der Blick auf den sonntäglichen Presseclub (Zypern und Italien-Geldwäsche, Clowns & Krise). Ja, heute ist nicht gestern, aber ist es nicht erschreckend, wie oberflächlich, kühl und unbeteiligt und dann noch falsch bis in die Knochen die europäische Krise analysiert wird. Und worauf einigt man sich gnädiger weise? Man müsse den europäischen Krisenstaaten etwas mehr Zeit lassen, die deutsche Schröder- Agenda umzusetzen. Wie gedankenlos, geschichtsvergessen und abgehoben sind diese Journalisten – allen voran die deutsche-, die nicht spüren können/wollen, welches Elend, welche Hoffnungslosigkeit, welches Konfliktpotenzial Arbeitslosenquoten von 27 Prozent (Griechenland), 26,2 Prozent (Spanien) 17,6 Prozent (Portugal) oder eine Jugendarbeitslosigkeit 24,2 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei allen Arbeitnehmern des Euroraums beinhalten. – Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland unter 30 kann nichts mit dem Begriff Auschwitz anfangen. Gewiss, der schwarze Rauch über Auschwitz ist fern, aber wie meinte der Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer: “Junge Menschen mit einer Lebenslage ohne Perspektive haben auch keine Perspektive in die Geschichte hinein”. Dabei könnte der Blick zurück die Sinne schärfen, für neue Modi der Barbarei. Ausgrenzung ist einfachste Form, um von den wahren Problemen abzulenken. Wer hat nicht schon von den arbeitsscheuen Hartz-IV-Beziehern, muslimischen Volksverderbern, den kriminellen Zigeunern gehört oder eben heute von den faulen und korrupten Südländern. Gewiss, die vom eigenen Versagen ablenkenden Strategien unserer “Eliten” mögen für das aufgeklärte Publikum durchsichtig sein, sie tragen aber den Keim der Barbarei. – Darum lasst uns hinschauen auf die Gräueltaten unserer Eltern und Großeltern, bis es weh tut. Vielleicht wird die waidwunde Seele empfänglicher für die Not im Land und draußen in Europa, empfindsamer für die Misstöne der Brüning-Schröder- Merkel-Agenda bis hin zur Entlarvung als Rezept der Plutokraten, das die konkreten Nöte des gemeinen Europas ignoriert. Lupenrein zu erkennen in Herrn Schäubles Bekenntnis zum ‚Methodologischen Individualismus‘: “Jeder kehrt vor seiner Tür – und sauber ist das Stadtquartier“. Ausgenommen natürlich die Banken, die Staaten wie Irland oder Spanien mit geilen aber wenig überlegten Krediten zugemüllt haben. Wobei durchaus zu bedenken ist, dass zu einem Kredit auch der Kreditnehmer gehört. – Macht die Augen auf: Die Staaten in der EU driften auseinander, einzelne Regionen fordern von den Zentralregierungen Autonomie oder gar Separation und den Abgründen in den Gesellschaften wird mit Hetze begegnet. Hört Ihr es: die Krisengewinnler scharren mit den Hufen.
- Widerspruch in Fernost
Die weitere Entwicklung Chinas in Richtung Kapitalismus oder Sozialismus bleibt unentschieden. Das spiegelt auch der XVIII. Parteitag der Kommunistischen Partei wider.
Es geht dabei im Wesentlichen um die Auseinandersetzung zwischen den hauptsächlichen Kräftegruppierungen, die die Entwicklung der Partei und ihre Politik während des letzten Jahrzehnts geprägt haben:
– die einflußreiche »Shanghaier Gruppe« unter dem früheren Generalsekretär Jiang Zemin, die insbesondere in den entwickelten Küstengebieten Ostchinas Einfluß hat, in denen zugleich der Großteil der neuen chinesischen Bourgeoisie angesiedelt ist. Jiang Zemin und die ihm folgenden Kräfte sind vor allem bekannt geworden durch die Politik der Konzentration auf die schnellstmögliche Erhöhung des BIP zu Lasten der sozialen Entwicklung, der Nutzung des Kapitals auf Kosten der Rechte und Interessen der Werktätigen, einer Kommerzialisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge, die Öffnung der Partei für die Bourgeoisie und die gesellschaftliche Marginalisierung der Arbeiter und Bauern, und
– die Tuanpai, die Kräfte aus der kommunistischen Jugendorganisation mit dem bisherigen Generalsekretär Hu Jintao als herausragende Persönlichkeit verbindet. Charakteristisch für die Politik Hu Jintaos wurden das Eintreten für die Aufwertung der sozialen Entwicklung und die Hinwendung zur Lösung der sozialen Probleme, die Hinwendung zur umfassenden und abgestimmten Entwicklung aller Bereiche der Gesellschaft mit dem Menschen als dem Wesentlichen, die Aufnahme des Umweltschutzes als ein Wesenselement der Parteipolitik, der Gedankengang einer politischen Reform zur Schaffung eines vernünftigen Systems der Machtteilung, die Orientierung auf die demokratische Entwicklung einer marxistischen innovativen Partei und das Bestreben, die sich zuspitzenden gesellschaftlichen Interessenkonflikte auf »harmonischem Weg« lösen zu wollen. Kennzeichnend für die Ära Hu Jintao war bis weit in die zweite Hälfte seiner Amtszeit hinein ein offener und öffentlicher Meinungsstreit in den chinesischen Medien um die Lösung der sich verschärfenden gesellschaftlichen Probleme und Widersprüche. (…)
Mit dem Parteitag übernahm die Gruppe der politischen Elite des Landes endgültig die Parteiführung.
Quelle: junge Welt
Anmerkung C.R.: Auffällig an der medialen Berichterstattung hierzulande ist auch, dass über den teilweise bereits vollzogenen Personalwechsel in China, über dessen Hintergründe und die Prozesse der Entscheidungsfindung kaum etwas zu erfahren war.
Dazu: China – Die Konflikte sollen kanalisiert werden
Yuet May Wong über die Veränderungen, die höhere Löhne und Arbeitskräftemangel auf dem Arbeitsmarkt in China mit sich bringen.
China wird in der europäischen Öffentlichkeit meist immer noch als ein Land wahrgenommen, dessen Wirtschaft von niedrigsten Löhnen und Massenfertigung einfacher, arbeitsintensiver Konsumgüter geprägt ist, die oft auch aus der Montage importierter Halbprodukte besteht. Doch die Entwicklung ist längst weiter gegangen. Arbeitskräftemangel und eine Industriepolitik, die auf raschen technischen Fortschritt setzt, führen dazu, dass das Land einen immer größeren Teil der Wertschöpfungskette beherrscht.
Wolfgang Pomrehn fragte für Telepolis die Hongkonger Langzeit-Aktivistin Yuet May Wong, was diese Veränderungen für die chinesische Arbeiterklasse bedeuten. Wong arbeitet für die in Hongkong ansässige Nichtregierungsorganisation Globalization Monitor, die sich unter anderem für mehr Rechte für die chinesischen Arbeiter und einen besseren Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz engagiert. In den letzten Jahren hat sie zum Beispiel gefährliche Arbeitsbedingungen in der Batterieproduktion international bekannt gemacht.
Hongkong gehört seit 1997 zur Volksrepublik China hat aber eine autonom agierende Stadtregierung, eine eigene Währung, eine ultraliberale selbständige Wirtschaftspolitik, und seine Bürgerinnen und Bürger genießen im Vergleich zum großen Rest des Landes größere demokratische Freiheiten.
Quelle: Telepolis
- SPD erarbeitet Wahlprogramm mit Bürgern
Die SPD auf neuen Wegen: Die Bürger schreiben am Wahlprogramm mit. Herausgekommen sind teils schon bestehende Forderungen nach einem Mindestlohn und einer Bürgerversicherung. Aber auch Sprengstoff: So sollen die Länder die Hoheit über die Bildungspolitik abgeben.
Bei einem Bürgerkonvent haben rund 300 Teilnehmer teils brisante Vorschläge für das SPD-Wahlprogramm ausgewählt. „Ganz vorne steht die Einführung eines gesetzlich geregelten Mindestlohns, was sich deutlich unterscheidet von dem Angebot konkurrierender Parteien“, sagte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Samstag zum Abschluss des Konvents in Berlin. Sprengstoff berge die Forderung, dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Bildung zu übertragen. Zudem soll eine Privatisierung der Wasserversorgung verboten werden.
Steinbrück sprach von einem gelungenen Experiment. „Eine Partei wie die SPD, die Volkspartei bleiben will, muss sich öffnen.“ Seit September waren im Rahmen des Bürgerdialogs 40 000 Vorschläge zu der Frage „Was muss besser werden in Deutschland“ eingegangen. Die nun ausgewählten Ideen fließen in das SPD-Wahlprogramm ein, über das ein Parteitag am 14. April in Augsburg entscheiden soll.
Quelle: fr-online
Anmerkung C.R.: Offenbar traut die SPD-Parteiführung und ihr Kanzlerkandidat der eigenen Parteibasis nicht mehr viel zu.
Bereits in einem früheren SZ-Interview hatte Sigmar Gabriel erklärt, dass Ideen für das zukünftige Regierungsprogramm mit interessierten Bürgern z.B. im Internet diskutiert werden sollen. Häufig wird betont, die SPD sei eine Mitgliederpartei. Wäre es dann nicht sinnvoller, die eigene Parteibasis zu befragen? Reichen der SPD-Parteispitze die Ideen der eigenen Mitglieder nicht mehr aus? Zum wiederholten Male möchten Gabriel und andere die SPD für Nichtmitglieder öffnen. Ob sich so die Mitgliederzahl (und der Wähleranteil) dieser Partei erhöhen lässt, kann bezweifelt werden. Warum soll jemand Mitglied dieser Partei werden, wenn auch ohne Parteibuch mitentschieden werden kann?
Ergänzende Anmerkung WL: Da hat die Parteiführung in der Ära Schröder durch ihre Basta-Politik die Parteibasis entmündigt. Nicht zuletzt das Verfahren um die Auswahl des Kanzlerkandidaten war ein Beispiel dafür, wie die innerparteiliche Willensbildung ausgehebelt wurde und danach wieder einmal die schon sprichwörtliche Parteidisziplin erzwungen wurde.Jetzt, wo die Partei inhaltlich weitgehend ausgetrocknet ist, wendet man sich in populistischer Manier an ausgewählte Bürger, um neue Impulse zu einzusammeln.
Es ist eine schlechte Kopie von Merkels „Zukunftsdialog“.
- „Es lohnt sich, den kalten Kapitalismus zu bekämpfen“
Wie nehmen Sie als gelernte DDR-Bürgerin den modischen Antikapitalismus wahr, der derzeit blüht?
Der Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, liegt die Umverteilung am Herzen – nur wer soll in Zukunft was bekommen? Im Interview spricht sie über Castings für Kita-Plätze und die Armut im Land. (…)
Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen den Kapitalismus. Trotzdem finde ich diese Debatte spannender als manches andere, worüber wir in dieser Republik diskutieren. Teile dieser Kritik stimmen ja: Bestimmte Aspekte unseres heutigen Systems haben nicht mehr viel damit zu tun, was Ludwig Erhard mit der Sozialen Marktwirtschaft ursprünglich wollte. Es lohnt sich, für den Kapitalismus in Form der Sozialen Marktwirtschaft zu streiten – und den kalten Kapitalismus zu bekämpfen, in dem es nur noch um den persönlichen Vorteil geht. Manchmal muss man auch neu denken, weil Neues aufgetaucht ist, das Internet zum Beispiel.
Quelle: faz.net
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ausgerechnet Göring-Eckardt, die Hartz IV und den Rest der “Agenda 2010” in der grünen Bundestagsfraktion durchgesetzt hat (sofern es überhaupt irgendwelchen Widerstand gab), schwadroniert vom “kalten Kapitalismus” und der “sich verfestigenden Armut” (beides ihr Verdienst). KGE als Vertreterin sozialer Gerechtigkeit, einfach lachhaft.
- Der Streit um die Zivilklausel an deutschen Hochschulen
Streng vertrauliche Projekte des Verteidungsministeriums, Drittmittel von Rüstungskonzernen, zweifelhafte Forschungsziele – Friedensgruppen warnen vor einer schleichenden Militarisierung der Hochschulen. In vielen deutschen Uni-Städten haben sich Zivilklausel-Initiativen gegründet, die von den Hochschulen das Bekenntnis fordern, Forschung und Lehre in den Dienst des Friedens zu stellen.
Doch können die Universitäten es sich überhaupt leisten, auf wichtige Bereiche der Drittmittel-Forschung zu verzichten? Ist militärisch relevante Forschung tatsächlich so unmoralisch, dass sie an öffentlichen Hochschulen nichts zu suchen hat? Die Zivilklausel-Frage führt zu erbitterten Kontroversen. Front-Berichte aus München, Tübingen und Augsburg.
Quelle: dlf
- Annette Schavan: Politik für die Spitze
…Wie aber verhält es sich mit der Bildungspolitik nach fast acht Jahren Annette Schavan?
Eigentlich kann von Bildungspolitik keine Rede sein: Was von Annette Schavans Politik in Erinnerung bleiben wird, lässt sich sämtlich der Forschungspolitik zuordnen – sie steht für die Exzellenzinitiative, hat mit den Ländern den Hochschulpakt vereinbart und das Deutschlandstipendium eingeführt. Das drängendste Bildungsproblem, das seit Jahren auf Lösung wartet, ist sie jedoch nicht angegangen: Viel zu viele Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss und viele, die zwar einen Schulabschluss vorweisen können, haben keine ausreichende Lesekompetenz. Sie finden keine Ausbildungsplätze, werden in mehr oder weniger sinnvollen Trainingsprogrammen geparkt und haben oft noch Jahre nach dem Schulabschluss keinen Arbeitsplatz. Damit schauen sie häufig in eine trostlose Zukunft, in der sie dauerhaft auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sein werden.
In der Bildungspolitik liegt daher die größte Herausforderung der „Bildungsrepublik Deutschland“. Der jedoch hat sich Schavan nicht gestellt…
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
Dazu: Schavanzentrisches Weltbild
Um die Doktorarbeit von Ex-Ministerin Schavan der Kritik zu entziehen, schlagen ihre Unterstützter immer neue Volten.
Quelle: Tagesspiegel