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Titel: Der Kollektive Wahn, Reformstau sei die Ursache der Krisen, lebt unangefochten fort. Eigentlich erscheint die Aufklärungsarbeit erfolg- und sinnlos.
Datum: 28. Februar 2013 um 17:22 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Neoliberalismus und Monetarismus, Schulden - Sparen, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Ein großer Aufklärer ist leider gerade gestorben: Stéphane Hessel. Seinen viel gepriesenen Optimismus kann ich auf dem Hintergrund seiner persönlichen Geschichte gut verstehen. Aber ich teile ihn nicht. Hessels Büchlein „Empört euch!“ wurde von Millionen Menschen gelesen. Hessel rief zum Kampf gegen den Einfluss der neoliberalen Ideologie und für Sozialstaatlichkeit auf. Hatte und hat das Folgen? Wir haben einen neoliberal eingefärbten Beschöniger als Bundespräsidenten; wir haben eine Bundeskanzlerin und mit Wolfgang Schäuble einen Finanzminister, die ausgesprochen populär sind, obwohl sie die bei uns erprobten neoliberalen Reformen und so genannten Sparmaßnahmen anderen Völkern aufdrücken. Unangefochten von Vernunft und Wahlergebnissen wird nach den Wahlen in Italien wieder einmal unisono und mit erhobenem Zeigefinger die Fortsetzung der so genannten Reformen gefordert. Der SPD-Spitzenkandidat Steinbrück würde auch Hessel einen Clown nennen, wenn dieser nicht den Schutz seiner KZ-Vergangenheit und seines Bucherfolgs genösse. Von Albrecht Müller
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Dass ich den Erfolg der Aufklärungsarbeit und Aufklärungsmöglichkeiten nicht allzu optimistisch sehe, folgt auch aus einem Rückblick auf zehn Jahre intensiver Versuche, an dieser Aufklärung mitzuarbeiten: Vor zehn Jahren, am 12. Februar 2003 bezeichnete ich in einem Essay die Meinungsmache, mit der damals die Agenda 2010 und die neoliberal geprägte Spar- und Modernisierungspolitik vorbereitet wurde, als Ausdruck eines Kollektiven Wahns. Der Beitrag erschien unter dem Titel „Kollektiver Wahn. Wie in Deutschland Meinungen gemacht werden. Über unreflektierte Modernisierungs- und Reformdebatten“ in der Frankfurter Rundschau. Auf den NachDenkSeiten wurde er am 1. Dezember 2003 dokumentiert. Der Text war für mich zugleich eine schriftlich fixierte Basis für das Konzept der NachDenkSeiten und für das dann im August 2004 erschienene Buch „Die Reformlüge“. Wenn Sie den Beitrag zum „Kollektiven Wahn“ lesen und auf die aktuellen Empfehlungen für Italien nach der Wahl und andere Krisen spiegeln, dann geht es Ihnen möglicherweise wie mir: Das ist alles aktuell geblieben. Es hat sich nichts zum Positiven verändert. Die Frage, ob die von uns und von vielen NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern betriebene Aufklärungsarbeit den Einsatz lohnt, ist tatsächlich berechtigt.
Wir haben es mit sehr potenten Gegnern zu tun. Ihre Macht zur Meinungsmache, zur totalen Manipulation und zur Gleichrichtung der veröffentlichten Meinung ist nahezu ungebrochen. Sie vermögen aus einem X ein U zu machen, sie vermögen die Wahrheit zu verdrehen oder – noch einfacher – die Wahrheit zu unterdrücken. Ich verweise auf einige wenige von sehr vielen möglichen Beispielen; die meisten haben zufällig mit der Macht der Finanzwirtschaft zu tun:
Gerne würde ich den Optimismus des verstorbenen großen Hessel übernehmen. Aber die Umstände sind nicht so.
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