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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages II
Datum: 15. Februar 2013 um 17:04 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Quelle: WeitwinkelSubjektiv
Die neue Arbeitslosenquote von 27 Prozent, die Griechenland für den Monat November 2012 ermittelt hat, ist natürlich ein vernichtendes Urteil über die praktizierte Sparpolitik. Schon weil diese Zahl bedeutet, dass die Kurve der Arbeitslosigkeit am Jahresende 2012 noch weiter angestiegen sein wird. Und dass sie sich im neuen Jahr (schließlich ist Winter und die touristische Saison beginn frühestens im April) auf 30 Prozent zu bewegen wird.
Besonders katastrophal ist natürlich die Arbeitslosenquote für die Altersgruppe 15 bis 24 Jahre. Sie ist erstmals über die 60-Prozent-Grenze gestiegen und liegt jetzt noch höher als in Spanien.
Aber bei dieser Zahl ist es wichtig, ein Missverständnis zu vermeiden. Es ist natürlich nicht so, dass man in Griechenland lauter beschäftigungslose Jugendliche auf den Straßen sieht. Die Zahl von 61,7 Prozent bezieht sich auf die Jugendlichen, die dem Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung stehen. Nicht mitgerechnet werden also die Schüler, die Studenten und die Wehrpflichtigen. Die Quote derer, die bis zum Ende des Gymnasiums (bzw. des Lykeio, wie die gymnasiale Oberstufe in Griechenland heißt) zur Schule gehen, liegt in Griechenland sehr hoch, desgleichen die Zahl der Studenten (einschließlich Fachhochschulen). Da in Griechenland zudem die Wehrpflicht (für die männliche Hälfte) gilt, stehen auch von den nicht Studierenden männlichen Jugendlichen die meisten für 9 bis 12 Monate dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dagegen gibt es in Griechenland kaum Lehrlinge im deutschen Sinne des Worts, weil eine Lehrlings-Ausbildung faktisch nicht existiert.
Nach den OECD-Statistiken gingen 2010 in Griechenland noch 89 Prozent der Altersgruppe 15-19 Jahre zur Schule; in der Altersgruppe 20-24 Jahre waren noch 47 Prozent in der Ausbildung (wobei mir unklar ist, ob hier die Wehrpflichtigen schon eingerechnet sind). Berücksichtigt man also Ausbildung und Wehrpflicht, so gilt für die Altersgruppe 15 bis 24 Jahre, dass etwa ein Drittel dieser jungen Leute Arbeit suchen, aber keine Arbeit finden. Das bedeutet immer noch, dass über 20 Prozent all dieser Jahrgänge im buchstäblichen Sinne arbeitslos sind (und dabei übrigens noch deutlich mehr junge Frauen als junge Männer). Auch dies ist natürlich ein fürchterlicher Zustand. Aber die gemeldete Zahl von 61,7 Prozent darf nicht zu der Vorstellung führen, dass so viele junge Leute derzeit nach Arbeit suchen, ohne welche zu finden.
Die eigentliche Katastrophenmeldung über die griechische Arbeitslosigkeit ist deshalb eine andere, und die wird in der Regel kaum beachtet: Die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahre ist im November 2012 auf 36,2 Prozent gestiegen. Unter denjenigen, die ihre Ausbildung abgeschlossen und ihren Wehrdienst geleistet haben, ist also weit über ein Drittel arbeitslos. Und natürlich haben die von den Universitäten nachdrängenden Absolventen noch weniger Chancen, eine Arbeit zu finden, geschweige denn eine, die ihrer Qualifikation entspricht. Dies ist der Grund, warum ein hoher Anteil der heute unter 35-Jährigen mit hoher beruflicher Qualifikation in die Emigration getrieben wird. Und dieses Zukunftsszenario ist, wie ich schon mehrfach auf den NachdenkSeiten betont habe, das größte Desaster für Griechenland und die anderen südlichen Euroländer.
Teil II: Die Quants bekommen Probleme
Ein Bericht von JP Morgan Chase über die Milliardenverluste in Zusammenhang mit dem “London Whale” macht deutlich, dass die entwickelten quantitativen Methoden zur Gewinnsteigerung selbst von der “mächtigsten Bank der Welt” nicht beherrscht wurden. Der Bericht gibt einen guten Einblick in die Welt der Finanzspekulation. Im ersten Teil (Ein Quantum Chaos bei JP Morgan) wurde dargelegt, auf Grund welcher Strategie JPM auf die riskanten quantitativen Methoden setzte und wie diese Strategie umgesetzt wurde.
Quelle: Telepolis
Anmerkung Orlando Pascheit: Eine informative und analytisch starke Übersicht über die Entwicklung zur Bankenunion. Schön z.B., dass Lucas Zeise noch einmal daran erinnert, dass der ursprüngliche Plan von der zentralen Lobbyorganisation der Finanzindustrie (Institute of International Finance), damals unter Führung von Josef Ackermann, ausging. Zeise schreibt, dass dieser Rettungsplan den Zweck habe, “das Finanzvermögen auch in den ökonomisch schwachen Ländern zu retten.” Anzumerken ist, dass die Regierung Merkel wohl auch deshalb zugestimmt hat, weil Deutschlands Banken stark in den Krisenländern involviert sind. So betragen die Forderungen deutscher Banken in Spanien 92,5 Milliarden Euro (Novenber 2012).
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass in dieser Zahl sämtliche Kreditnehmer enthalten sind, also auch Unternehmen und andere Private. Dennoch dürften die Forderungen an spanische Banken im zweistelligen Bereich liegen.
Den ehemaligen Berater von François Mitterrand, Jacques Attali, zitierend interpretiert Zeise Bankenaufsicht in der Hand der EZB als “technokratischen Staatsstreich“
Allerdings stimmt das so nicht ganz. Richtig ist, dass ein Aufsichtsgremium in der EZB die Bankenaufsicht übernimmt, allerdings sitzt in diesem Gremium je ein Vertreter aller sich beteiligenden Staaten. Wie das funktionieren soll, steht allerdings in den Sternen. Man stelle sich nur vor, der Vertreter des Landes, in dem eine Bank geschlossen werden soll, weigert sich. Gilt dann Stimmenmehrheit? Denkbar sind auch die auf europäischer Ebene üblichen Absprachen: Stimmst du jetzt für mich, stimme ich demnächst für dich.
Anmerkung JB: Leider konzentriert sich der Bericht nur auf „physisches Gold“. Das ganz große Geschäft machen Spekulanten jedoch mit „Papiergold“, also Zertifikaten, Derivaten, Optionen und anderen gehebelten Konstrukten, die den Markt ungleich stärker bewegen als die Kleinbürger, die sich eine Unze Gold in ihren Haussafe legen. Die Profite aus diesen Spekulationen sind so groß, dass sich die Branche sogar eigene Portale leisten kann, die unter dem Mäntelchen des „kritischen Finanzjournalismus“ unverhohlen das Marketing für die Gold-Händler erledigen. Und selbst vermeintlich seriöse Blätter, allen voran der Focus mit seiner Goldwerbe-Sonderausgabe „Focus Money“ und die WELT, lassen sich von den Spekulanten immer wieder gerne instrumentalisieren. Kritisch ist das nicht und mit Journalismus hat das alles schon mal überhaupt nichts zu tun.
Anmerkung unseres Lesers M.W.: Eine hörenswerte Zusammenfassung über die typischen Maßnahmen der Troika, Privatisierung von sämtlichen Schlüsselbranchen wie Post, Strom, Wasser, Bahn, Flugverkehr etc. – leider wird über Portugal wie auch über Griechenland und Spanien nur wenig über die konkreten Auswirkungen berichtet. Umso mehr, ist dieser Beitrag ein guter Einstieg in die Probleme der unverantwortlichen Troikapolitik im Zuge der Banken- und Finanzkrise.
Anmerkung Orlando Pascheit: Da ist wohl der Mahnruf Thomas Strobls, des Landesvorsitzenden der baden-württembergischen CDU, im Sommer vorigen Jahres, “nicht der Versuchung zu erliegen, etwas zu verteidigen, was nach heutigem Kenntnisstand nicht zu verteidigen ist” nicht ganz angekommen. Und weiter ging es: “Wir lassen nicht zu, dass 70.000 Mitglieder der baden-württembergischen CDU in Mithaftung genommen werden”. Nun ja, die Partei wird u.a. an ihren Vertretern im Landtag gemessen und nach diesem Vorgang kann man sich schon fragen, wie viel Distanz die CDU zu ihrem ehemaligen Spitzenmann gewonnen hat.
Quelle: SZ
Anmerkung WL: Einmal davon abgesehen, ob man bei den einzelnen Baustellen, die Schavan hinterlassen hat, die Vorstellungen der SZ teilt, so zeigt doch dieser Artikel ein weiteres Mal, dass es mit den Erfolgen der „angesehensten Bildungspolitikerin“ (Merkel) nicht so weit her war.
Anmerkung JB: Mit diesem Artikel – und vor allem der Überschrift samt Einleitung – setzt SPIEGEL Online neue Maßstäbe in Sachen Niveaulimbo. Selbstverständlich ist der Meteorit, der heute morgen über Russland niederging nicht der „folgenschwerste“ Meteoriteneinschlag für die Zivilisation – da gab es ganz andere Fälle. SPON verkommt von Tag zu Tag mehr zu einem nicht mehr ernst zu nehmenden Boulevard-Abelger.
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