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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 6. Februar 2013 um 8:56 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Uni Düsseldorf entzieht Schavan den Doktortitel
  2. Ist Austerität der richtige Weg?
  3. Der Euro als frivoles Experiment
  4. Günter Verheugen: Camerons berechtigte EU-Kritik – Mehr Demokratie, weniger Regelungswut
  5. Finanzkrise – Tanz der Geier
  6. Lauter kriminelle Einzelfälle
  7. Politisches Risiko?
  8. Unter Geiern
  9. Paul Krugman – The Japan Story
  10. Spanien: realwirtschaftliches Desaster!
  11. Länderfinanzausgleich – Münchner Haie
  12. 250.000 Jugendliche ignoriert: Regierung trickst bei Lehrstellen-Statistik
  13. Italien: Gemeinwesen als feindliches Terrain
  14. Korruption in Indien: Tiger beim Dorffest
  15. The sound of Munich
  16. Kulturkampf um die Abrichtung unserer Kinder
  17. Das Letzte: Der SemperOpernball 2013 – Größtes gesellschaftliches Kulturevent Deutschlands verzauberte tausende Gäste und begeisterte mit Rekorden

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Uni Düsseldorf entzieht Schavan den Doktortitel
    Die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universtität erkennt Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel ab. Dies hat der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät entschieden. Die CDU-Politikerin will gegen den Beschluss klagen…
    Für die Aberkennung hätten zwölf Mitglieder des Rats der Philosophischen Fakultät gestimmt bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung. Der Rat habe es als erwiesen angesehen, „dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“.
    Der Rat habe eine „vorsätzliche Täuschungsabsicht“ festgestellt. Mit der Aberkennung des Titels besitzt Schavan nun keinen Studienabschluss mehr, weil sie seinerzeit direkt promoviert hatte…
    „Die Entscheidung ist in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen und sie ist auch materiell rechtswidrig“, heißt es in der Erklärung (von Schavans Anwälten). Die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit des Verwaltungsverfahrens sei mehrfach durch selektive Information der Öffentlichkeit verletzt worden. Weiter heißt es: „Die gebotenen Ermittlungen zur Feststellung einer Täuschung der Gutachter im damaligen Promotionsverfahren sind unterblieben.“ Beweisanträge seien in dem Verfahren von der Universität übergangen worden. Das gelte auch für den Antrag auf Einholung eines externen Fachgutachtens. Die Anwälte betonten: „Eine Täuschung hat es nicht gegeben.“
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Bei den Einlassungen der Anwälte Schavans fällt auf, dass im Wesentlichen das Verfahren bei der Aberkennung des Doktorgrades angegriffen wird.
    Können Anwälte bestimmen, welche „Ermittlungen“ bei der Überprüfung einer wissenschaftlichen Leistung „geboten“ sind? Der Dekan der Philosophischen Fakultät hat erklärt, dass die von Schavan eingereichten Stellungnahmen, zu der auch zwei erziehungswissenschaftliche Stellungnahmen gehörten, geprüft worden seien.
    Der Doktorgrad wird als akademischer Grad einer Fakultät verliehen [PDF – 85.2 KB], anders als ein Staatsexamen sind die zu erbringenden Leistungen nicht staatlich anzuerkennen und auch nicht anerkannt. (So wird z.B. im öffentlichen Dienst nicht die Einstufung davon abhängig gemacht.) Von daher ist auch bei anderen Plagiatsverfahren kein zusätzliches auswärtiges Gutachten eingeholt worden.

    Der Heiligenschein, mit dem sich Frau Schavan als Person und mit ihrem politischen „Erfolgen“ umgeben hat, ist verblasst. Die klammheimliche Freude, ja sogar Häme, die sie bei der Aberkennung des Doktorgrades ihres früheren Kabinettkollegen zu Guttenberg bekundet hat, holt sie nun selbst ein. Sie hätte doch ahnen müssen, dass sie mit ihrer Doktorarbeit selbst nicht auf so hohem Ross saß.
    Die nassforschen Behauptungen ihrer Anwälte eine Täuschung habe es nicht gegeben, bestätigen eher, dass Schavan aus dem anfänglich gleichfalls ignoranten Umgang zu Guttenbergs mit den Vorwürfen nichts gelernt hat. Anders als in der Politik, wo man mit Forschheit und Schönrednerei die grobsten Fehlleistungen vertuschen kann, gibt es in der Wissenschaft Standards, die überprüfbar sind und an denen Fehlverhalten gemessen werden kann. Wenn die Wissenschaft solche Standards preisgäbe, verkäme sie noch mehr – als es einzelne wissenschaftliche „Experten“ ohnehin schon sind – zum Spielball von politischen Interessen.
    Einer Politikerin, die dem begründeten Vorwurf der „vorsätzlichen Täuschung“ ausgesetzt ist, dürfte es schwer fallen für sich und ihre Politik glaubwürdig zu erscheinen.
    Wer jetzt von einer politisch motivierten Kampagne der Düsseldorfer Hochschule daherredet, fährt ein schweres Geschütz gegen die Wissenschaft auf. Wenn sich die Hochschulwissenschaft dagegen nicht wehrt, wird sie einen nicht wieder gut zu machenden Schaden nehmen.

    Dazu: Presseerklärung des Dekans der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Prof. Dr. B. Bleckmann
    Der Fakultätsrat hat sich nach dieser grundsätzlichen Klärung in seinen Beratungen nach gründlicher Prüfung und Diskussion abschließend die Bewertung des Promotionsausschusses zu eigen gemacht, dass in der Dissertation von Frau Schavan in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte zu finden sind. Die Häufung und Konstruktion dieser wörtlichen Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben der Überzeugung des Fakultätsrats nach das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte. Die Entgegnungen von Frau Schavan konnten dieses Bild nicht entkräften. Daher hat der Fakultätsrat Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat festgestellt. Diese Entscheidung wurde mit 13 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen gefällt.
    Anschließend hat der Fakultätsrat alle Argumente gründlich gewürdigt, die zugunsten der Betroffenen anzuführen sind. Insbesondere gehören hierzu

    • der langen Zeitabstand, der seit der Anfertigung der Arbeit verstrichen ist,
    • sowie der Umstand, dass die Betroffene neben ihrer Promotion über keinen anderen Studienabschluss verfügt.

    Auf der Gegenseite waren dagegen insbesondere festzuhalten,

    • die Qualität sowie der Umfang der festgestellten Plagiatsstellen und
    • das öffentliche Interesse am Schutz der Redlichkeit wissenschaftlichen Qualifikationserwerbs.

    Unter pflichtgemäßer Ausübung seines durch Promotionsordnung eingeräumten Ermessens hat der Fakultätsrat mit 12 Ja-Stimmen zu 2 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung in geheimer Abstimmung abschließend entschieden, die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen.
    Quelle: Heinrich Heine Universität Düsseldorf

    Dazu noch: Warum sie gehen muss
    Kann es angehen, dass eine Universität Verstöße gegen ihre „wissenschaftlichen Standards“ noch nach 33 Jahren gnadenlos verfolgt? Wer so argumentiert, verkennt allerdings, dass Fälschungen die Wissenschaft in ihrem Kern verletzen. Das Wesen der modernen Wissenschaft besteht darin, bei der Suche nach Erkenntnis methodischen Standards zu folgen, die erst den Nachvollzug des Gesagten ermöglichen und so die Objektivierbarkeit der Ergebnisse erlauben. Verfährt die Wissenschaft hier großzügig, wird sie zur Esoterik und schafft sich ab.
    Quelle: Tagesspiegel

    Dagegen allerdings: Warum der Titelentzug nicht richtig ist
    Die Entscheidung ist juristisch vertretbar, dennoch ist sie nicht richtig. Zum einen war die Causa Schavan ein Grenzfall, das zeigt schon die lange Prüfung durch die Universität. Und das zeigt der Streit, den die Vorwürfe unter Wissenschaftlern entfacht haben. Zum Zweiten lag das Fehlverhalten der jungen Annette Schavan mehr als 30 Jahre zurück. All das hätte man berücksichtigen, die Zitierfehler rügen – und es dabei belassen können.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Der Autor Roland Preuß muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er die Presseerklärung der Uni Düsseldorf entweder nicht gelesen oder nicht zur Kenntnis genommen hat. Ein typischer Fall für den Journalistenspruch, dass gründliche Recherche die schönsten Kommentare kaputt macht. In der Erklärung der Düsseldorfer Fakultät hätte der Kommentator nachlesen können, dass dort sein Argument mit der „Verjährung“ des Fehlverhaltens ausführlich abgewogen wurde:
    „In den von der Betroffenen beigefügten Stellungnahmen wird eine Besonderheit erziehungswissenschaftlicher Promotionskultur in den frühen 80er Jahren angenommen, auf die sich auch die anwaltliche Vertretung von Frau Schavan beruft. Inwiefern dies aber Besonderheiten beim Zitieren begründet, konnte vom Fakultätsrat nicht nachvollzogen werden. Selbstkritisch konstatiert zwar die Fakultät, dass es in ihrer Geschichte immer wieder in einzelnen Bereichen oder bei einzelnen Personen Defizite in der Betreuung oder in der Prüfung von Dissertationen gegeben haben kann. Gleichwohl ist aber ohne Zweifel festzuhalten, dass die Zitierstandards der Erziehungswissenschaft zum Entstehungszeitpunkt der Arbeit die gleichen waren wie die in der übrigen philosophischen Fakultät. In einschlägigen Leitfäden und Handreichungen wurde deutlich gemacht, dass nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte als Textplagiate zu werten sind und Sanktionen nach sich ziehen müssen, wenn sie entdeckt werden.
    Von diesem Verständnis von Plagiaten als nichtgekennzeichnete und dadurch irreführende Übernahme fremder Texte konnte daher auch der Fakultätsrat bei der Beurteilung der schriftlichen Promotionsleistung von Frau Schavan ausgehen, ohne der Gefahr einer Rückprojektion heutiger Standards in die damalige Zeit zu erliegen. Der Fakultätsrat lehnt es ab, für diese spezielle Dissertation ein Plagiatsverständnis anzuwenden, das von der allgemeinen, auch Anfang der 1980er Jahre gültigen Meinung abweicht. Dies schien ihm auch vor dem Hintergrund einschlägiger Erfahrungen aus dem alltäglichen akademischen Prüfungsbetrieb nicht verantwortet werden zu können.

  2. Ist Austerität der richtige Weg?
    Die Höhe des Multiplikatoreffekts fiskalpolitischer Massnahmen ist entscheidend für die Erfolgsaussichten der Austeritätspolitik im Euroraum. Darum dreht sich die aktuelle Debatte zwischen dem IWF, der Europäischen Kommission sowie den Autoren Blanchard und Leigh. Wer rechnet richtig? […]
    Für ihre eigene Untersuchung folgt die Europäische Kommission weitestgehend der Methodik des IWF, bezieht aber in einer ersten Schätzung ausschließlich Länder des Euroraums ein, in denen in beiden Jahren (2010 und 2011) die erwartete strukturelle Konsolidierung zunimmt. Das Ergebnis ist dann nicht mehr signifikant. In einer weiteren Schätzung verwendet die Europäische Kommission die Änderung der Risikoaufschläge der jeweiligen Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen als Kontrollvariable. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Risikoaufschläge und nicht die Konsolidierung signifikant für den Wachstumseinbruch sind. Beide Schätzungen der EU-Kommission weisen jedoch ebenfalls methodische Probleme auf: […]
    Dass die harten Einschnitte in den Krisenländern nicht von Erfolg gekrönt sind, liegt nicht etwa an einer laschen Umsetzung, sondern ist die makroökonomisch zwingende Folge eines fehlgeleiteten Austeritätskurses. Trotz dieser Befunde argumentiert die Troika für eine Fortsetzung der Maßnahmen, da diese in der langen Frist erfolgreich seien. Ihre Begründung beruht auf Modellsimulationen, die mittelfristig Multiplikatorwirkungen von null unterstellen. Die Wirtschaft würde dann automatisch zum gleichgewichtigen Wachstumspfad zurückkehren. Doch selbst in diesen Modellen dürfte sich auch längerfristig ein steigender Schuldenstand ergeben, wenn – wie in mehreren Euroländern – nach jeder Zielverfehlung neue zusätzliche restriktive Maßnahmen ergriffen werden.
    Quelle: Ökonomenstimme

    Anmerkung JB: Eine sehr interessante und aufschlussreiche Abhandlung über das Thema „Fiskalmultiplikatoren“, die jedoch leider hier „nur“ für ein Fachpublikum geschrieben wurde.

  3. Der Euro als frivoles Experiment
    Im europäischen Wirtschaftsraum muss das Recht auf Abwertung einer nationalen Währung wiederhergestellt werden. Nur so können kurzfristig soziale Verwerfungen verhindert werden. […]
    Statt zuzusehen, wie neoliberale Politik die Währungsunion durch «Reformen» vollendet, die den Markt endgültig gegen politische Korrekturen immunisieren und das europäische Staatensystem als neoliberalen Konsolidierungsstaat festigen würden, sollte man sich und andere an die Institution der Abwertung der Währung erinnern. Das Recht auf Abwertung ist der institutionalisierte Ausdruck des Respekts vor den von ihren Staaten vertretenen Nationen als jeweils besonderen, wie immer auch historisch und politisch konstruierten wirtschaftlichen Lebensgemeinschaften. Es wirkt als Bremse gegen den vom Zentrum auf die Peripherie ausgeübten kapitalistischen Expansions- und Rationalisierungsdruck und bietet Interessen und Identitäten, die diesem entgegenstehen und in der Freihandelswelt des grossen Binnenmarkts in Populismus und Nationalismus abgedrängt würden, eine realistische kollektive Alternative.
    Quelle: WOZ

    Anmerkung JB: Neoliberalismus ist kein Alleinstellungsmerkmal einer Gemeinschaftswährung und die Möglichkeit, Währungen auf- und abzuwerten ist spiegelbildlich kein Schutz vor neoliberalen Reformen. Wolfgang Streeck unterschlägt in seinem sehr engagierten Aufsatz auch, dass man eine Gemeinschaftswährung nicht so einfach abwickeln kann, ohne dass es ganz massive Kollateralschäden gibt. Eine Studie der UBS-Research beziffert die potentiellen Schäden auf 20 bis 25% des BIP Vor allem Deutschland würde es hart treffen. Eine neue D-Mark würde um 40% bis 50% gegenüber dem heutigen Euro aufwerten. Eine zerstörerische Deflationsspirale wäre die Folge und was mit den Auslandsforderungen der deutschen Unternehmen (722 Mrd. Euro) und der deutschen Banken (fast 2.000 Mrd. Euro) geschieht, ist eine weitere offene Frage.

  4. Günter Verheugen: Camerons berechtigte EU-Kritik – Mehr Demokratie, weniger Regelungswut
    Wohlwollender Partner oder nimmersatter Zuständigkeitskrake? Der britische Premier David Cameron hat recht, wenn er sagt, dass die EU transparent und effizient werden müsse. Sonst ist das Vertrauen der Bürger bald ganz weg.
    David Cameron, der britische Premierminister, hat ausgesprochen, was viele in Europa denken. Die EU wird von einer großen Zahl der Bürgerinnen und Bürger nicht als nützlicher und wohlwollender Partner begriffen, sondern als nimmersatter Zuständigkeitskrake, der sich mit immer mehr Regelungen überall einmischt. Wer nun mit teilweise aggressiver Rhetorik nach “mehr Europa” verlangt, muss wissen, dass in einer breiten Öffentlichkeit inzwischen dieser Wunsch nach “mehr Europa” nicht als Verheißung, sondern als Drohung aufgefasst wird.
    Es gibt ein großes, nun schon mehr als zwei Jahrzehnte andauerndes und sich sogar verfestigendes öffentliches Unbehagen, was die europäische Integration betrifft. Es richtet sich nicht gegen die Idee, sondern entspringt dem, was in den Jahrzehnten im Namen dieser Idee alles gemacht wurde. Und dieses Unbehagen sitzt sehr, sehr tief. Neue, auch weitgehende Vertiefungsschritte sind auf mittlere Sicht notwendig, wenn die EU nicht einen weiteren Verlust ihres politischen und wirtschaftlichen Gewichtes erleben will. Aber bevor man zu einem großen Sprung nach vorn ansetzt, muss die EU besser werden. Ansonsten wird jeder neue Vertrag mit tödlicher Sicherheit irgendwo an der Ratifizierungshürde scheitern.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  5. Finanzkrise – Tanz der Geier
    Eine zweiteilige Doku über die aktuelle Krise/Finanzkrise: Schattenbanken, Geschäftsbanken, Hedgefonds und Versicherungen, zunehmene Komplexizität von Derivaten, Immobilienkredite.Unvorstellbar riesige Geldmengen bewegen sich immer schneller um die ganze Welt. Die Gier des Kapitals nach Profit ist riesengroß und unstillbar. Egal ob Rohstoffe, Immobilien oder undurchschaubar gewordene Finanzinstrumente – die Spekulanten machen auf der Suche nach Profit vor nichts halt.
    Wie ist es zu diesem System gekommen und warum können die Staaten es nicht mehr kontrollieren? Die Antwort scheint nahe zu liegen: Banken haben die Macht übernommen und in den USA ist Goldmann Sachs omnipräsent und viele Personen in Machtpositionen waren oder sind nicht nur in den USA, sondern auch anderswo, z.B. in Europa für diese Bank tätig (Monti, Draghi, usw.). Aber auch von Brüssel aus schreiben die allgegenwärtigen Banken den Staaten ihre Gesetze vor. Eine Änderung der Lage und der Regelungen ist trotz globaler Finanzkrise nicht in Sicht.
    Globales Schafescheren: Reiche werden zu Lasten der Bevölkerung immer reicher und immer größere Bevölkerungsschichten verarmen.
    Systemischer Betrug
    Quelle: arte via YouTube
  6. Lauter kriminelle Einzelfälle
    Seit einiger Zeit kommt es knüppeldick: Immer häufiger werden Aktivitäten ruchbar, bei denen sich der normale Durchschnittsbürger fragt, was denn eigentlich wirklich los ist in den Chefetagen der Finanzindustrie. Bewegten sich die Verfehlungen bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007 noch meist innerhalb legaler Grenzen – und bestanden eher in völlig verfehlten Einschätzungen des eigenen Geschäfts –, so haben sie seither mehr und mehr den Rahmen jeglicher Legalität verlassen. Und fast immer dabei: die Deutsche Bank…
    In praktisch allen diesen Fällen liefern die Finanzdienstleister eine ganz einfache Erklärung: „Hierbei handelt es sich um einen bedauerlichen Einzelfall…
    Es sind schon deshalb keine Einzelfälle und keine Einzeltäter, weil man die meisten hier genannten Entgleisungen weder im Alleingang zustande bringt, noch gar von selbst auf die Idee kommt, derartige Aktivitäten zu entfalten. Immer gibt es entweder einen Segen von oben, oder aber die Anreize und Geschäftsziele werden derart aggressiv gesetzt, dass die Betroffenen alle guten Vorsätze fallen lassen. Auch hohe Boni, die mit der Ausgabe aggressiver Geschäftsziele ausgelobt wurden, haben dazu geführt, dass sich Leute in der Finanzbranche etablieren, die in normalen Zeiten eher auf der dunklen Seite des Rechts stehen. Kurz gefasst: Zuviel Geld hat auch zu viel Gelichter angelockt….
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  7. Politisches Risiko?
    An den Märkten dreht sich die Stimmung wieder gegen den Euro. Das “politische Risiko” in Spanien und Italien habe zu Kursverlusten und höheren Spreads geführt, meldet die Finanzpresse. Gemeint ist die “Gefahr” von Neuwahlen – und einer Abkehr vom Sparkurs. Dabei braucht Euroland nichts dringender als das.
    Sie nennen es “politisches Risiko”. Es klingt ja auch so einleuchtend: der Korruptionsskandal, in den der spanische Premier Rajoy verwickelt ist, könnte zu seinem Sturz und damit zu Instabilität führen.
    Und der Skandal um die älteste Bank der Welt in Italien könnte dem Technokraten-Premier Monti ebenso schaden wie EZB-Chef Draghi. Wenn dann auch noch Berlusconi zurück käme – Gott bewahre!
    Nein, auch ich sehne mich nicht nach Berlusconi zurück. Aber der Begriff “politisches Risiko” ist völlig unangemessen. Erstmal sind in die Skandale in Madrid und Rom ja wohl Unternehmen verwickelt, die das Geld für die angeblichen Schmiergeldzahlungen gezahlt haben.
    Quelle: Lost in EUrope
  8. Unter Geiern
    Der US-Amerikaner Paul E. Singer gilt als einer der härtesten Hedgefonds-Verwalter. Der amerikanische Geschäftsmann hat mit dem Ausweiden von Firmen und ganzen Staaten Milliarden von Dollars gemacht. Zu seinen Opfern gehören US-Firmen wie die Fluggesellschaft TWA, der Telekommunikationskonzern MCI WorldCom und der Energiekonzern Enron, Peru und die Republik Kongo – und derzeit hat er Argentinien am Haken. Sein Vorgehen ist simpel: Er hält Ausschau nach Firmen, die kurz vor der Insolvenz stehen oder schon insolvent sind. Wenn deren Aktien ganz tief in den Keller gerutscht sind, schlägt er zu. Erholt sich ein Unternehmen, steigen die Aktien, und Singer verkauft. Erholt es sich nicht, zerschlägt er den Betrieb, verkauft die noch rentablen Teile gewinnbringend und schließt den Rest. Bei Staaten interessiert ihn deren tatsächliche oder erwartete Zahlungsunfähigkeit. Ihre Schuldverschreibungen sind dann für einen Bruchteil ihres Nennwerts zu haben. Beispiel Argentinien: Nach dem Staatsbankrott des Landes Ende 2001 kaufte Singer Schuldtitel des Landes im Nennwert von dreistelligen US-Dollar-Millionen, die billigsten um 15 Cent pro Dollar Schulden. Seither versucht er, diese Schulden gerichtlich einzutreiben – in voller Höhe, versteht sich, plus Verzinsung. Auf 1,3 Milliarden Dollar hat er Argentinien verklagt. Singer ist mit solchen Methoden steinreich geworden. Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Privatvermögen auf 1,1 Milliarden Dollar.
    Quelle: taz
  9. Paul Krugman – The Japan Story
    The idea of invoking Japan, of all places, to justify fears that stimulus leads to inflation or asset bubbles is just bizarre. And while there is much shaking of heads about Japanese debt, the ill-effects if any of that debt are by no means obvious.
    But what remains true is that Japan has run budget deficits for many years while delivering what appears on the surface to be very disappointing economic performance. What’s the story there?
    My answer would run in two parts.
    Quelle: New York Times
  10. Spanien: realwirtschaftliches Desaster!
    Anlässlich der 24. Deutsch-Spanischen Regierungskonsultationen in Berlin äußerte sich gestern die Bundeskanzlerin in einer Presskonferenz mit “großer Hochachtung” und “Bewunderung” für die “Reformen die in Spanien auf den Weg gebracht wurden” und äußerte ihre Überzeugung, “dass die Reformen ihre Wirkung zeigen werden”. Manche Steilvorlagen muss man einfach so nehmen, wie sie kommen, ein Faktencheck:
    Die sogenannten “Reformen” manifestierten sich in zwei Mehrwertsteuererhöhungen, die erste Erhöhung zum 1. Juli 2010 von 16% auf 18% und die zweite Mehrwertsteuererhöhung zum 1. September 2012 von 18% auf 21%, in diversen Erhöhungen administrativer Preise und in einer Austeritätspolitik die sich auf Ausgabenkürzungen im öffentlichen Sektor, Kürzungen von Sozialleistungen u.a. bei Arbeitslosengeld und bei Langzeitarbeitslosen, bei Bildung und Gesundheit, auf die Abwertung nach innen, primär über Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft konzentrierten. Zu den realwirtschaftlichen Wirkungen der “Reformen” mittels Langfristcharts ein Überblick:

    Quelle: Querschuesse

  11. Länderfinanzausgleich – Münchner Haie
    Der Bundesstaat gleicht einer Großfamilie: Sie mag Sorgenkinder und reiche Verwandte haben und vielleicht sogar einen Müßiggänger, der lieber morgens die Bierdose öffnet, statt zur Arbeit zu gehen. Aber in die Kategorie der teuren Kostgänger hat lange Zeit der Freistaat Bayern selbst gehört. Als in München noch der Hundefänger umging, da wurde es von jenen Bundesländern mit durchgefüttert, in denen die Schlote rauchten. […]
    Was die Runterrechner auch gern unerwähnt lassen, ist die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen den Ländern. Als eine der größten Einnahmequellen des Staates ist sie nicht Teil des Länderfinanzausgleichs, hier zahlte 2011 Nordrhein-Westfalen mehr als Bayern, gleich acht Länder gehörten zu den Gebern.
    Ganz so groß ist der Schaden also nicht, den das Verfassungsgericht jetzt richten soll. Die Erfolgsaussichten der Klage sind nicht sehr hoch. Das grün-rote Baden-Württemberg, auch ein großer Nettozahler, macht gleich gar nicht mit. Im Kern wird Karlsruhe das Ausgleichsgebot des Grundgesetzes kaum antasten, bis 2019 wird der Finanzausgleich ohnehin völlig neu ausgehandelt.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  12. 250.000 Jugendliche ignoriert: Regierung trickst bei Lehrstellen-Statistik
    Vor der Ausbildungsbilanz des Pakts werden rund 250.000 Jugendliche quasi versteckt.
    167.772 davon waren im sogenannten Übergangssystem: Das ist ein Bündel von Warteschleifen, schulischen Nachqualifizierungen und Weiterbildungen, die fast alle ohne Abschluss bleiben und in denen die Jugendlichen auch nichts verdienen. Fast 90.000 Jugendliche sind einfach aus der Statistik verschwunden – darunter befinden sich viele Zuwandererkinder oder schlicht Jugendliche, die es satt haben im Übergangssystem eine staatliche Ehrenrunde nach der anderen zu drehen.
    “Die These des Nationalen Ausbildungspakts, dass es in Deutschland mehr offene Ausbildungsplätze als Bewerber gibt, ist schlicht falsch”, sagt Matthias Anbuhl, Abteilungsleiter Bildung aus dem DGB-Hauptvorstand. Anbuhl hat auf Grundlage amtlicher Zahlen die Bilanz des Pakts nachgerechnet und kommt so zu ganz anderen Schlüssen: Die Zahl der Ausbildungsplätze war im vergangenen Jahr mit 551.000 auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Siehe dazu „Lügen mit Zahlen auf dem „Lehrstellenmarkt

  13. Italien: Gemeinwesen als feindliches Terrain
    Italien scheint unbelehrbar zu sein. Silvio Berlusconis Rechtsbündnis befindet sich bereits wieder auf dem Vormarsch. Wieso um alles in der Welt?..
    Endlich schien das bisher in Italien Undenkbare möglich: dass eine seriöse, konstitutionelle Rechte die bisher dominierende populistische Rechte an die Seite drängen wird.
    Vier Wochen vor den Wahlen am 24. und 25. Februar hat sich das Bild gedreht. Das Monti-Lager klebt in allen Umfragen bei fünfzehn Prozent, die Berlusconi-Allianz dagegen, in die sich auch brav wieder die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega Nord einreihte, marschiert Richtung dreißig Prozent…
    Ein doppelter Blickwechsel könnte womöglich helfen, bei der Erklärung der politischen Unsterblichkeit Berlusconis weiterzukommen: erstens ein Blickwechsel weg vom vermeintlich finster-genialen Kandidaten hin zu seinen WählerInnen und zweitens ein Blickwechsel weg von dem vorgeblichen Epochenbruch vor zwanzig Jahren hin zu den grossen Kontinuitätslinien in den Einstellungen der italienischen Wählerschaft…
    Auch heute noch macht der Wahlforscher Ilvio Diamanti weite Teile der Wählerschaft aus, die zwar bitte schön vom Staat geschützt werden wollen, ihm zugleich aber weiterhin tiefes Misstrauen entgegenbringen. Über Jahrzehnte bediente die DC an der Regierung diese Einstellungen, wirkte zugleich aber auch mässigend auf diesen recht grossen Teil ihrer Wählerschaft. Als sie dann Anfang der neunziger Jahre unter der Last zahlreicher Korruptionsskandale zusammenbrach, war es Berlusconi, der die entstandene Lücke füllte – ganz ohne Epochenbruch.
    Quelle: WOZ
  14. Korruption in Indien: Tiger beim Dorffest
    Indiens Alltag ist voller Korruption – die grosse der Bodenspekulation und der staatlichen Armutsprogramme, die kleine der Schikanen von Beamten, die ihr bisschen Macht nutzen, um dem Bürger bei jeder Berührung mit dem Staat auf die Pelle zu rücken, beim Bezahlen einer Busse, einer Rechnung, der Anmeldung eines Stromanschlusses. Es ist die neue Mittelklasse, die darüber klagt, doch die grössten Opfer sind die Akteure der «informellen Ökonomie», Leute wie der Früchteverkäufer oder der Taxifahrer. Informell bedeutet, dass sich diese Menschen nicht im Regelwerk einer durchorganisierten Wirtschaft bewegen. Schmiergelder sind der Eintrittspreis, den sie zahlen, um an ihr teilzuhaben, als Bauarbeiter, Putzfrauen, Abfallsammler. Selbst Bettler müssen zur Kasse.
    Quelle: NZZ Folio

    Anmerkung Orlando Pascheit: NZZ Folio bietet einen Schwerpunkt zum Thema Korruption.
    Wie der Beitrag “Sizilien der Schweiz” zeigt schneiden darin nicht nur Entwicklungsländer schlecht ab. Knapp und erhellend die Einleitung von Anja Jardine:

    “Der typische Korruptionstäter ist gut bis sehr gut ausgebildet. Er ist ehrgeizig, investiert viel Zeit in seinen Beruf und hat eine gewisse Macht in einem Unternehmen oder der Verwaltung. Seine Karriere musste er sich hart erarbeiten. Die Disziplin, das Leistungsstreben und den Selbstverzicht verlangt er auch von seinen Untergebenen. Als Vorgesetzter wird er als streng und penibel wahrgenommen. Diese Haltung bewirkt, dass ihm unkorrektes Handeln nicht zugetraut wird. Im Privaten ist ein stetiger moderater Anstieg des Lebensstandards zu beobachten, der sich auf hohem bis sehr hohem Niveau einpendelt. Sein Selbstverständnis erfolgt (fast) ausschliesslich über seine Arbeit und den gesellschaftlichen Status. So das Ergebnis einer Studie der Wissenschafterin Britta Bannenberg. Zusätzliche Einnahmen aus Korruption sieht dieser Mensch als gerechten Lohn für persönlich erbrachte Opfer. Er zeigt – das erleben Mitarbeiter der Justiz als das Frappierendste – kein Unrechtsbewusstsein. Weder der Topmanager, der sich mit den Eliten eines Drittweltlandes dessen Rohstoffe unter den Nagel reisst, während die wahren Eigentümer verelenden; noch der Kleinstadtpolitiker, der öffentliche Aufträge sich selbst oder seinen Günstlingen zuschanzt und damit ein Gemeinwesen zersetzt. Vielleicht liegt es im Wesen dieses Verbrechens. Korrumpierende und Korrumpierte sind brüderlich vereint im gemeinsamen Vorteil, die Geschädigten weit weg, eine abstrakte Grösse. Doch der Zusammenhang besteht: Die Weltbank bezeichnet Korruption als das grösste einzelne Hindernis für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Diese Schädlinge unterwandern Demokratien, höhlen Rechtsstaaten aus, vernichten die Umwelt, bringen Hunger und Tod.”

    Die von Jardine erwähnte Britta Bannenberg ist eine der wenigen WissenschaftlerInen, meines Wissens die einzige, die sich mit dem Thema Korruption derart intensiv befasst. Siehe hier eine Rezension ihrer Habilitationsschrift “Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle: eine kriminologischstrafrechtliche Analyse” und hier eine Rezension des mit Wolfgang Schaupensteiner verfassten Buches “Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche”. In einem Interview mit dem Deutschlandradio konstatiert Bannenberg für Deutschland trotz guter Gesetze ein Vollzugsdefizit: “Man kann sagen, dass sowohl auf der Ebene der Staatsanwaltschaft, also der Strafverfolgungsbehörden, wie aber auch in den Unternehmen selbst Vollzugsdefizite bestehen, auch in den Verwaltungen. Es gibt sehr viele Vorschriften für eine gute Unternehmensführung, für eine korruptionsfreie Verwaltung, aber gelebt werden diese Vorschriften immer noch zu selten. … Man gewinnt teilweise den Eindruck, dass je gewiefter die Personen sind und je besser sie in der Lage sind, sich auch hervorragende Verteidiger leisten zu können, es natürlich immer zu diesen Bewährungsstrafen kommt, die wohl wenig abschrecken. Mir scheint aber das Hauptproblem gar nicht dort zu liegen, wie hoch die Strafe letztlich ausfällt. Das Hauptproblem liegt darin, dass die meisten Täter kalkulieren können, ich werde sowieso nicht erwischt.“ – Leider wird die empirische Forschung in Sachen Korruption dadurch behindert, dass die Forscher bei laufenden umfangreichen Strafverfahren erst nach Jahren Akteneinsicht erhalten.

  15. The sound of Munich
    The (geopolitical) hills are alive with the sound of … well, not music; rather that post-industrial noise, more Kraftwerk than Schubert, oozing from the recently completed 49th edition of the Munich Security Conference.
    Who wouldn’t give a Goldman Sachs bonus to be briefed on what was whispered, very privately, by a selected cocktail of politicians, ministers, generals and spies congregating in the gilded corridors of the Hotel Bayerischer Hof in Munich.
    At least one knows what is on the record. And the stars of the show are definitely not musical. It’s more like Bayern against Barcelona in a Champions League match; call it the Biden vs Lavrov match.
    Quelle: Asia Times
  16. Kulturkampf um die Abrichtung unserer Kinder
    Die Sozialstaatsutopien von Rot-Grün blühen, und so sollen die zukünftigen Steuerzahler vom ersten Lebensjahr an herangezogen werden – nicht von sorgenden Eltern, sondern vom bevormundenden Staat.
    Die Luft über den Kinderbetten ist wieder Kriegsgebiet. Vorbereitet wurde der Konflikt durch das Sturmgeschütz der Demokratie, den “Spiegel”. Der rechnete in einer zehnseitigen Titelgeschichte nicht nur mit der schwarz-gelben Familienpolitik ab, sondern redete (nicht sonderlich verklausuliert) einer rot-grünen Familienpolitikwende das Wort.
    In der Kavallerie reiten rote und grüne Wahlkämpfer, die mit ihrem Kulturkampf um das Betreuungsgeld in beispielloser Art und Weise Würde und Ansehen jener Frauen (oder Väter) beschädigt haben, die, aufopferungsvoll und wie von Pädagogen und Psychologen empfohlen, für ihre Kinder da sind, wenn diese sie am dringendsten brauchen.
    In dem Kulturkampf geht es nur vordergründig um eine Entwertung traditioneller Familienmodelle. Es geht vielmehr um einen alten sozialistischen Traum, der Erziehung vor allem als Aufgabe des Staates begreift. Sozialdemokraten wie Hannelore Kraft, Heinz Buschkowsky oder Andrea Nahles wollen Kinder zügig in die Obhut von Kitas schicken, und die Grünen krähen mit im Chor derjenigen, die sich vor allem um die Abrichtung künftiger Steuerzahler sorgen.
    Quelle: Welt.de

    Anmerkung unseres Leser C.F.: Die fast schon pathologische Abscheu vor der Sozialisierung von Kleinkindern in der Gemeinschaft ihrer Altersgenossen erinnert stark an die unsägliche “Töpfchendebatte” von 1999. Und siehe da – im Bild über dem Artikel, hinter dem Konterfei des Autors sitzen sie in Reih’ und Glied: Kinder auf dem Töpfchen! Oder wie Herr Poschardt sich ausdrückt als “Sozialisationsmaterial”.
    Im Gegensatz zu den Kita-Gegnern von damals erkennt Herr Poschardt in den kleinen Töpfchenhockern jedoch keine zukünftigen Nazischläger, sondern vielmehr “abgerichtete Steuerzahler”.
    Die ganze Rhetorik ist einfach maßlos überzogen und das reaktionäre Gezeter wirkt nur noch unfreiwillig komisch. Würde man diesen Artikel im exakt gleichen Wortlaut in der TAZ (Deniz Yücel!) oder in der TITANIC lesen, könnte man ihn glatt für eine böse Satire halten.
    Nicht so bei der WELT. Dort ist Herr Poschardt stellv. Chefredakteur und befindet sich zwischen Maxeiner & Miersch, Henryk M. Broder oder auch Ulli Kulke in bester, betonköpfiger Gesellschaft.

    Dazu: Ulf Poschardts kritischer Gedanke
    […] So ist bei Ulf Poschardt ein kritischer konservativer Gedanke zu finden, der ihm aber verborgen geblieben ist. Er ist – Gott sei es geklagt – kein Konservativer, sondern leider immer noch ein popkultureller Neoliberaler geblieben. Poschardt hat den Kern des kritischen Konservativismus schon lange vergessen. So geht es übrigens auch der Union. Aber das wäre die Voraussetzung für eine substantielle Wertedebatte. Frau Merkel wird sich ihre Gedanken machen müssen. Ansonsten scheint es ja in der Union kaum noch jemanden zu geben, der das könnte. Aber wer weiß? Vielleicht arbeitet sich Ulf Poschardt sogar in die Ideengeschichte des Konservativismus ein.
    Quelle: Wiesaussieht

  17. Das Letzte: Der SemperOpernball 2013 – Größtes gesellschaftliches Kulturevent Deutschlands verzauberte tausende Gäste und begeisterte mit Rekorden
    • Überragende Einschaltquote beim MDR
    • Weltrekord: 1.966 Paare tanzen Walzer beim SemperOpenairball
    • So viel internationale Prominenz und Stars wie noch nie
    • Hochkarätige Preisträger: Michael Ballack, Gérard Depardieu, Prof. Dr. Martin Winterkorn, Heiner Lauterbach, S.E. Jean-Claude Juncker […]

    Der für sein Lebenswerk ausgezeichnete Schauspieler Gérard Depardieu kommentierte: “Ich bin sehr beeindruckt von diesem Opernhaus und von dieser Musik.”

    Quelle: Semperopernball

    Anmerkung unseres Lesers M.B.: Depardieu bekommt also einen Preis dafür, dass er keine Steuern mehr zahlt und somit auch keine Kultur mehr fördert. Eben jene Förderung, die ihn weltberühmt und reich gemacht hat. Ob das bloße Selbstironie, Verhöhnung normaler Leute oder schlicht der einzig verfügbare “Star” war, wird wohl immer unklar bleiben.
    Die weitere Preisträger komplettieren das Gesamtbild: Martin Winterkorn (Überraschung – VW sponsert die Semperoper stark, Kulturunterstützung ist zwar weniger schlimm, aber der Preis wirkt gekauft) und Jean-Claude Juncker. Weitere Gäste waren z.B. Carsten Maschmeyer.
    Während sich drin die Oberklasse also selbst feierte und von oben herab schaute, durften das normale Volk vor der Tür bei winterlichen Temperaturen zuschauen und selbst tanzen. Wie symbolisch.
    Ich hoffe, dass wenigstens die Spenden und die hohen Eintrittspreise einer guten Sache dienen.


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