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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 6. Februar 2013 um 8:56 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Bei den Einlassungen der Anwälte Schavans fällt auf, dass im Wesentlichen das Verfahren bei der Aberkennung des Doktorgrades angegriffen wird.
Können Anwälte bestimmen, welche „Ermittlungen“ bei der Überprüfung einer wissenschaftlichen Leistung „geboten“ sind? Der Dekan der Philosophischen Fakultät hat erklärt, dass die von Schavan eingereichten Stellungnahmen, zu der auch zwei erziehungswissenschaftliche Stellungnahmen gehörten, geprüft worden seien.
Der Doktorgrad wird als akademischer Grad einer Fakultät verliehen [PDF – 85.2 KB], anders als ein Staatsexamen sind die zu erbringenden Leistungen nicht staatlich anzuerkennen und auch nicht anerkannt. (So wird z.B. im öffentlichen Dienst nicht die Einstufung davon abhängig gemacht.) Von daher ist auch bei anderen Plagiatsverfahren kein zusätzliches auswärtiges Gutachten eingeholt worden.
Der Heiligenschein, mit dem sich Frau Schavan als Person und mit ihrem politischen „Erfolgen“ umgeben hat, ist verblasst. Die klammheimliche Freude, ja sogar Häme, die sie bei der Aberkennung des Doktorgrades ihres früheren Kabinettkollegen zu Guttenberg bekundet hat, holt sie nun selbst ein. Sie hätte doch ahnen müssen, dass sie mit ihrer Doktorarbeit selbst nicht auf so hohem Ross saß.
Die nassforschen Behauptungen ihrer Anwälte eine Täuschung habe es nicht gegeben, bestätigen eher, dass Schavan aus dem anfänglich gleichfalls ignoranten Umgang zu Guttenbergs mit den Vorwürfen nichts gelernt hat. Anders als in der Politik, wo man mit Forschheit und Schönrednerei die grobsten Fehlleistungen vertuschen kann, gibt es in der Wissenschaft Standards, die überprüfbar sind und an denen Fehlverhalten gemessen werden kann. Wenn die Wissenschaft solche Standards preisgäbe, verkäme sie noch mehr – als es einzelne wissenschaftliche „Experten“ ohnehin schon sind – zum Spielball von politischen Interessen.
Einer Politikerin, die dem begründeten Vorwurf der „vorsätzlichen Täuschung“ ausgesetzt ist, dürfte es schwer fallen für sich und ihre Politik glaubwürdig zu erscheinen.
Wer jetzt von einer politisch motivierten Kampagne der Düsseldorfer Hochschule daherredet, fährt ein schweres Geschütz gegen die Wissenschaft auf. Wenn sich die Hochschulwissenschaft dagegen nicht wehrt, wird sie einen nicht wieder gut zu machenden Schaden nehmen.
Dazu: Presseerklärung des Dekans der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Prof. Dr. B. Bleckmann
Der Fakultätsrat hat sich nach dieser grundsätzlichen Klärung in seinen Beratungen nach gründlicher Prüfung und Diskussion abschließend die Bewertung des Promotionsausschusses zu eigen gemacht, dass in der Dissertation von Frau Schavan in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte zu finden sind. Die Häufung und Konstruktion dieser wörtlichen Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben der Überzeugung des Fakultätsrats nach das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte. Die Entgegnungen von Frau Schavan konnten dieses Bild nicht entkräften. Daher hat der Fakultätsrat Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat festgestellt. Diese Entscheidung wurde mit 13 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen gefällt.
Anschließend hat der Fakultätsrat alle Argumente gründlich gewürdigt, die zugunsten der Betroffenen anzuführen sind. Insbesondere gehören hierzu
Auf der Gegenseite waren dagegen insbesondere festzuhalten,
Unter pflichtgemäßer Ausübung seines durch Promotionsordnung eingeräumten Ermessens hat der Fakultätsrat mit 12 Ja-Stimmen zu 2 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung in geheimer Abstimmung abschließend entschieden, die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen.
Quelle: Heinrich Heine Universität Düsseldorf
Dazu noch: Warum sie gehen muss
Kann es angehen, dass eine Universität Verstöße gegen ihre „wissenschaftlichen Standards“ noch nach 33 Jahren gnadenlos verfolgt? Wer so argumentiert, verkennt allerdings, dass Fälschungen die Wissenschaft in ihrem Kern verletzen. Das Wesen der modernen Wissenschaft besteht darin, bei der Suche nach Erkenntnis methodischen Standards zu folgen, die erst den Nachvollzug des Gesagten ermöglichen und so die Objektivierbarkeit der Ergebnisse erlauben. Verfährt die Wissenschaft hier großzügig, wird sie zur Esoterik und schafft sich ab.
Quelle: Tagesspiegel
Dagegen allerdings: Warum der Titelentzug nicht richtig ist
Die Entscheidung ist juristisch vertretbar, dennoch ist sie nicht richtig. Zum einen war die Causa Schavan ein Grenzfall, das zeigt schon die lange Prüfung durch die Universität. Und das zeigt der Streit, den die Vorwürfe unter Wissenschaftlern entfacht haben. Zum Zweiten lag das Fehlverhalten der jungen Annette Schavan mehr als 30 Jahre zurück. All das hätte man berücksichtigen, die Zitierfehler rügen – und es dabei belassen können.
Quelle: SZ
Anmerkung WL: Der Autor Roland Preuß muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er die Presseerklärung der Uni Düsseldorf entweder nicht gelesen oder nicht zur Kenntnis genommen hat. Ein typischer Fall für den Journalistenspruch, dass gründliche Recherche die schönsten Kommentare kaputt macht. In der Erklärung der Düsseldorfer Fakultät hätte der Kommentator nachlesen können, dass dort sein Argument mit der „Verjährung“ des Fehlverhaltens ausführlich abgewogen wurde:
„In den von der Betroffenen beigefügten Stellungnahmen wird eine Besonderheit erziehungswissenschaftlicher Promotionskultur in den frühen 80er Jahren angenommen, auf die sich auch die anwaltliche Vertretung von Frau Schavan beruft. Inwiefern dies aber Besonderheiten beim Zitieren begründet, konnte vom Fakultätsrat nicht nachvollzogen werden. Selbstkritisch konstatiert zwar die Fakultät, dass es in ihrer Geschichte immer wieder in einzelnen Bereichen oder bei einzelnen Personen Defizite in der Betreuung oder in der Prüfung von Dissertationen gegeben haben kann. Gleichwohl ist aber ohne Zweifel festzuhalten, dass die Zitierstandards der Erziehungswissenschaft zum Entstehungszeitpunkt der Arbeit die gleichen waren wie die in der übrigen philosophischen Fakultät. In einschlägigen Leitfäden und Handreichungen wurde deutlich gemacht, dass nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte als Textplagiate zu werten sind und Sanktionen nach sich ziehen müssen, wenn sie entdeckt werden.
Von diesem Verständnis von Plagiaten als nichtgekennzeichnete und dadurch irreführende Übernahme fremder Texte konnte daher auch der Fakultätsrat bei der Beurteilung der schriftlichen Promotionsleistung von Frau Schavan ausgehen, ohne der Gefahr einer Rückprojektion heutiger Standards in die damalige Zeit zu erliegen. Der Fakultätsrat lehnt es ab, für diese spezielle Dissertation ein Plagiatsverständnis anzuwenden, das von der allgemeinen, auch Anfang der 1980er Jahre gültigen Meinung abweicht. Dies schien ihm auch vor dem Hintergrund einschlägiger Erfahrungen aus dem alltäglichen akademischen Prüfungsbetrieb nicht verantwortet werden zu können.“
Anmerkung JB: Eine sehr interessante und aufschlussreiche Abhandlung über das Thema „Fiskalmultiplikatoren“, die jedoch leider hier „nur“ für ein Fachpublikum geschrieben wurde.
Anmerkung JB: Neoliberalismus ist kein Alleinstellungsmerkmal einer Gemeinschaftswährung und die Möglichkeit, Währungen auf- und abzuwerten ist spiegelbildlich kein Schutz vor neoliberalen Reformen. Wolfgang Streeck unterschlägt in seinem sehr engagierten Aufsatz auch, dass man eine Gemeinschaftswährung nicht so einfach abwickeln kann, ohne dass es ganz massive Kollateralschäden gibt. Eine Studie der UBS-Research beziffert die potentiellen Schäden auf 20 bis 25% des BIP Vor allem Deutschland würde es hart treffen. Eine neue D-Mark würde um 40% bis 50% gegenüber dem heutigen Euro aufwerten. Eine zerstörerische Deflationsspirale wäre die Folge und was mit den Auslandsforderungen der deutschen Unternehmen (722 Mrd. Euro) und der deutschen Banken (fast 2.000 Mrd. Euro) geschieht, ist eine weitere offene Frage.
Quelle: Querschuesse
Anmerkung WL: Siehe dazu „Lügen mit Zahlen auf dem „Lehrstellenmarkt“
Anmerkung Orlando Pascheit: NZZ Folio bietet einen Schwerpunkt zum Thema Korruption.
Wie der Beitrag “Sizilien der Schweiz” zeigt schneiden darin nicht nur Entwicklungsländer schlecht ab. Knapp und erhellend die Einleitung von Anja Jardine:
“Der typische Korruptionstäter ist gut bis sehr gut ausgebildet. Er ist ehrgeizig, investiert viel Zeit in seinen Beruf und hat eine gewisse Macht in einem Unternehmen oder der Verwaltung. Seine Karriere musste er sich hart erarbeiten. Die Disziplin, das Leistungsstreben und den Selbstverzicht verlangt er auch von seinen Untergebenen. Als Vorgesetzter wird er als streng und penibel wahrgenommen. Diese Haltung bewirkt, dass ihm unkorrektes Handeln nicht zugetraut wird. Im Privaten ist ein stetiger moderater Anstieg des Lebensstandards zu beobachten, der sich auf hohem bis sehr hohem Niveau einpendelt. Sein Selbstverständnis erfolgt (fast) ausschliesslich über seine Arbeit und den gesellschaftlichen Status. So das Ergebnis einer Studie der Wissenschafterin Britta Bannenberg. Zusätzliche Einnahmen aus Korruption sieht dieser Mensch als gerechten Lohn für persönlich erbrachte Opfer. Er zeigt – das erleben Mitarbeiter der Justiz als das Frappierendste – kein Unrechtsbewusstsein. Weder der Topmanager, der sich mit den Eliten eines Drittweltlandes dessen Rohstoffe unter den Nagel reisst, während die wahren Eigentümer verelenden; noch der Kleinstadtpolitiker, der öffentliche Aufträge sich selbst oder seinen Günstlingen zuschanzt und damit ein Gemeinwesen zersetzt. Vielleicht liegt es im Wesen dieses Verbrechens. Korrumpierende und Korrumpierte sind brüderlich vereint im gemeinsamen Vorteil, die Geschädigten weit weg, eine abstrakte Grösse. Doch der Zusammenhang besteht: Die Weltbank bezeichnet Korruption als das grösste einzelne Hindernis für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Diese Schädlinge unterwandern Demokratien, höhlen Rechtsstaaten aus, vernichten die Umwelt, bringen Hunger und Tod.”
Die von Jardine erwähnte Britta Bannenberg ist eine der wenigen WissenschaftlerInen, meines Wissens die einzige, die sich mit dem Thema Korruption derart intensiv befasst. Siehe hier eine Rezension ihrer Habilitationsschrift “Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle: eine kriminologischstrafrechtliche Analyse” und hier eine Rezension des mit Wolfgang Schaupensteiner verfassten Buches “Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche”. In einem Interview mit dem Deutschlandradio konstatiert Bannenberg für Deutschland trotz guter Gesetze ein Vollzugsdefizit: “Man kann sagen, dass sowohl auf der Ebene der Staatsanwaltschaft, also der Strafverfolgungsbehörden, wie aber auch in den Unternehmen selbst Vollzugsdefizite bestehen, auch in den Verwaltungen. Es gibt sehr viele Vorschriften für eine gute Unternehmensführung, für eine korruptionsfreie Verwaltung, aber gelebt werden diese Vorschriften immer noch zu selten. … Man gewinnt teilweise den Eindruck, dass je gewiefter die Personen sind und je besser sie in der Lage sind, sich auch hervorragende Verteidiger leisten zu können, es natürlich immer zu diesen Bewährungsstrafen kommt, die wohl wenig abschrecken. Mir scheint aber das Hauptproblem gar nicht dort zu liegen, wie hoch die Strafe letztlich ausfällt. Das Hauptproblem liegt darin, dass die meisten Täter kalkulieren können, ich werde sowieso nicht erwischt.“ – Leider wird die empirische Forschung in Sachen Korruption dadurch behindert, dass die Forscher bei laufenden umfangreichen Strafverfahren erst nach Jahren Akteneinsicht erhalten.
Anmerkung unseres Leser C.F.: Die fast schon pathologische Abscheu vor der Sozialisierung von Kleinkindern in der Gemeinschaft ihrer Altersgenossen erinnert stark an die unsägliche “Töpfchendebatte” von 1999. Und siehe da – im Bild über dem Artikel, hinter dem Konterfei des Autors sitzen sie in Reih’ und Glied: Kinder auf dem Töpfchen! Oder wie Herr Poschardt sich ausdrückt als “Sozialisationsmaterial”.
Im Gegensatz zu den Kita-Gegnern von damals erkennt Herr Poschardt in den kleinen Töpfchenhockern jedoch keine zukünftigen Nazischläger, sondern vielmehr “abgerichtete Steuerzahler”.
Die ganze Rhetorik ist einfach maßlos überzogen und das reaktionäre Gezeter wirkt nur noch unfreiwillig komisch. Würde man diesen Artikel im exakt gleichen Wortlaut in der TAZ (Deniz Yücel!) oder in der TITANIC lesen, könnte man ihn glatt für eine böse Satire halten.
Nicht so bei der WELT. Dort ist Herr Poschardt stellv. Chefredakteur und befindet sich zwischen Maxeiner & Miersch, Henryk M. Broder oder auch Ulli Kulke in bester, betonköpfiger Gesellschaft.
Dazu: Ulf Poschardts kritischer Gedanke
[…] So ist bei Ulf Poschardt ein kritischer konservativer Gedanke zu finden, der ihm aber verborgen geblieben ist. Er ist – Gott sei es geklagt – kein Konservativer, sondern leider immer noch ein popkultureller Neoliberaler geblieben. Poschardt hat den Kern des kritischen Konservativismus schon lange vergessen. So geht es übrigens auch der Union. Aber das wäre die Voraussetzung für eine substantielle Wertedebatte. Frau Merkel wird sich ihre Gedanken machen müssen. Ansonsten scheint es ja in der Union kaum noch jemanden zu geben, der das könnte. Aber wer weiß? Vielleicht arbeitet sich Ulf Poschardt sogar in die Ideengeschichte des Konservativismus ein.
Quelle: Wiesaussieht
Der für sein Lebenswerk ausgezeichnete Schauspieler Gérard Depardieu kommentierte: “Ich bin sehr beeindruckt von diesem Opernhaus und von dieser Musik.”
Quelle: Semperopernball
Anmerkung unseres Lesers M.B.: Depardieu bekommt also einen Preis dafür, dass er keine Steuern mehr zahlt und somit auch keine Kultur mehr fördert. Eben jene Förderung, die ihn weltberühmt und reich gemacht hat. Ob das bloße Selbstironie, Verhöhnung normaler Leute oder schlicht der einzig verfügbare “Star” war, wird wohl immer unklar bleiben.
Die weitere Preisträger komplettieren das Gesamtbild: Martin Winterkorn (Überraschung – VW sponsert die Semperoper stark, Kulturunterstützung ist zwar weniger schlimm, aber der Preis wirkt gekauft) und Jean-Claude Juncker. Weitere Gäste waren z.B. Carsten Maschmeyer.
Während sich drin die Oberklasse also selbst feierte und von oben herab schaute, durften das normale Volk vor der Tür bei winterlichen Temperaturen zuschauen und selbst tanzen. Wie symbolisch.
Ich hoffe, dass wenigstens die Spenden und die hohen Eintrittspreise einer guten Sache dienen.
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