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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages II
Datum: 1. Februar 2013 um 16:18 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Während die knapp über einer Stagnation liegenden Daten zum Wirtschaftswachstum und die notorisch zu hoch angesetzten Zahlen des ifo-Geschäftsklima-Index den Weg in die Schlagzeilen finden, werden die Angaben zum Einzelhandelsumsatz nahezu totgeschwiegen. Dabei ist der Einzelhandelsumsatz eine der aussagekräftigsten Zahlen, sagt sie doch viel über den tatsächlichen Konsum der Bevölkerung und darüber wie viel oder wie wenig die Masse der Menschen Geld in ihrem Beutel haben.
Bis auf die Jahre der Wirtschaftskrise 2009/2010 haben im Januar 2013 weniger beim Einzelhandel eingekauft als in der zurückliegenden Dekade. Das ist ein klares Indiz, dass die angeblichen wirtschaftlichen Wachstumserfolge und die angeblich so gute Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht bei der Mehrzahl der Menschen angekommen ist.
„Im Augenblick wird unser deutsches Wachstum vor allem von der Binnennachfrage getrieben. Wir haben alles getan, um den Binnenkonsum zu erhöhen“, sagte Merkel auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Zahlen über die Einzelhandelsumsätze sprechen jedoch eine ganz andere Sprache.
Anmerkung JK: Wetten, dass dann wieder die steigende Staatverschuldung beklagt wird und als Begründung für weitere “Reformen” herhalten muss. Und was heißt hier schon wieder “systemrelevant”?
Siehe dazu: Bauindustrie zum Stopp der ÖPP-Ausschreibung auf der A7 in Niedersachsen
Siehe auch: Bauindustrie: Positive Erfahrungen mit ÖPP-Verkehrsprojekten
Und hier: PPP Wealth Machine [PDF – 1.7 MB]
Anmerkung Orlando Pascheit: Von wegen einfach Störenfried. Die Berlusconi-Allianz aus vierzehn Rechtsparteien kommt inzwischen nach Umfragen des Euromedia-Instituts auf 32 Prozent (Berlusconis Partei Volk der Freiheit, PdL, auf über 22 Prozent). Die gemäßigte Linke, Partito Democratico (PD) und Sinistra Ecologia Libertà, unter Pierluigi Bersani rutschte inzwischen auf 35 Prozent. Er arbeitet auf eine Koalition mit dem Mitte-rechts-Lager (13 Prozent) unter Mario Monti hin (Scelta civica, christdemokratische UDC und gemäßigt rechte Fini-FLI) hin. Die Internetbewegung “Fünf Sterne” des Komikers Beppe Grillo kommte auf 13 Prozent.
Die entscheidende Frage ist, ob der Mitte-links-Block bei tendenziellem Zugewinn des Berlusconi-Lagers im Senat, der dem Abgeordnetenhaus gleichberechtigt ist, auch die Mehrheit erreicht.
Michael Braun betont in seinem Artikel die Kontinuität der Partikularinteressen in Italien, räumt aber ein, dass Berlusconi in einem durchaus relevanten Punkt einen Bruch vollzog: “Anders als die italienischen Christdemokraten appellierte er offen und ungeniert an den amoralischen Familismus, heizte er die feindselige Haltung gegenüber dem Gemeinwesen offensiv an, ja lebte er sie mit seinen Prozessen wegen Steuerhinterziehung, wegen schwarzer Auslandskonten oder Bilanzfälschung geradezu exemplarisch vor. Millionen Wähler folgten ihm begeistert.” Berlusconi hat es in der Tat geschafft und schafft es anscheinend immer noch, breiten Schichten der Wählerschaft zu vermitteln, er sei einer von ihnen. Berlusconi und seine Wählerschaft treffen sich im sogenannten Furbismo (von “furbo” = Schlaumeier): Der Versuch, um jeden Preis gerissener zu sein als die anderen. Uns mag es dreist erscheinen, wenn Berlusconi seine “Schlauheit” so demonstrativ auslebt. Für viele Italiener scheint dies eine Form von “Ehrlichkeit” zu sein, die sich wohltuend von der hinter patriotischen Parolen verborgenen Gerissenheit der alten politischen Klasse abhebt. Und spricht der gute Mann nicht auch so recht aus dem Herzen vieler liberaler Wähler hierzulande oder Schweizer Bankiers, wenn er erklärt, dass Steuerhinterziehung eine Form von Notwehrrecht für Bürger gegenüber einem überbordenden Staat sei.
Wenn Andrea Camilleri in einem Interview mit der SZ sagt: “Nach meiner Ansicht gibt es vor allem einen fortschreitenden Verfall der Moral in der bestimmenden Klasse, die die Bevölkerung stark beeinflusst hat” so klingt das ein wenig so, als ob es einmal bessere Zeiten gegeben habe. Aber ist Berlusconi wirklich eine “Anomalie in der italienischen Demokratie”? Andererseits geht Camilieri weit in die Geschichte zurück um Berlusconi in eine kontinuierliche Linie zu stellen: “Und so befinden wir uns in neuen Formen des Faschismus. Es sind mutierte Formen. Deshalb glaube ich, die Schäden des Berlusconismus werden so sein wie die Schäden des Faschismus. Es ist wie eine Verseuchung des Wesens der Italiener.“
Und in der Tat hat Berlusconi ein System von persönliche Abhängigkeits- und Klientelbeziehungen, von Ämterpatronage auf die Spitze getrieben, in dem ausgehend von den Bedürfnissen ihres “duce” Gesetze und Amnestien durchgesetzt wurden. Diese kamen sowohl den normalen “Schlaumeiern” wie auch Interessengruppen in der Wirtschaft gelegen. Es geht eben nicht nur um die Privilegien eines engen Kreises von Berlusconi-Vertrauten oder um das Prinzip “jobs for votes”, sondern um den Austausch von Gefälligkeiten für Loyalität und Beschäftigung wie Maurizio Viroli die Botschaft des Belusconis beschreibt: „I defend you if you have trouble. Not only do you vote for me, you serve me — by speaking and talking well of me.”
Die Basis des Bündnis von Wähler und Berlusconi kann durchaus umschrieben werden mit: Gefälligkeiten gegen Loyalität. – Natürlich hatte Berlusconi dank seiner wirtschaftlichen und medialen Macht, die er als Ministerpräsident mit seinem Einfluss auf die RAI, der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt, weiter festigen konnte, ideale Voraussetzungen um auf die politische Kultur Italiens einzuwirken und seine Botschaft zu verkünden: Ich bin wie ihr mit allen menschlichen Schwächen und ihr könnt sein wie ich.
– Wir, die Deutschen, sollten uns allerdings nicht allzu sehr über die italienischen Zustände erheben. Zwar dürfte bei uns kaum der mächtigste Medienunternehmer zugleich Regierungschef werden können. Aber die Möglichkeit der Medien, auf die Politik Einfluss zu nehmen hat über die steigende Medienkonzentration zugenommen, wie die Organisation “Reporter ohne Grenzen” in ihrem jährlichen Bericht zur Pressefreiheit herausstellte: Nur noch Platz 17 im weltweiten Ranking von Pressefreiheit, wegen der abnehmenden Zeitungsvielfalt, des schwierigen Zugangs zu Behördeninformationen, des Einflusses von Unternehmen, die Mittels PR journalistische Inhalte beeinflussen [PDF – 68.3 KB].
Und wie sieht es mit der “Moral in der bestimmenden Klasse” aus, der Camillieri in italien zuschreibt: “Wenn der Kopf stinkt, ist klar, dass die Verwesung anfängt, sich auf das Land auszubreiten.” Nun ja, Deutschland hat sich auch verändert. Neben der Macht- tritt immer mehr die Geldgeilheit in der Politik zu Tage. Und die Dreistigkeit, mit der manche Manager sowohl in der Finanz- wie auch der Realwirtschaft einen immer größeren Teil des Volkseinkommens in die eigene Taschen wirtschaften und dabei mit dem Segen des heiligen “Neolib” der Bevölkerung Lohnsenkungen predigen, wurde noch nie so ungeniert ausgelebt.
„Die in den Medien zitierte Formulierung ist eine Forderung gegenüber den Unternehmen, die Gehälter ihrer Spitzenleute maximal auf das 40fache des gesellschaftlichen Minimums zu begrenzen. Das wären im Moment etwa 40.000 Euro.“
Auch Katja Kipping rudert zurück und weist den Artikel der Mitteldeutschen Zeitung zurück.
Wenn dem denn so sein sollte, stellen sich hier natürlich weitere Fragen. Wie, wenn nicht über das Steuersystem, will man eine Gehälterkappung durchsetzen? Und bezüglich der Steuereinnahmen muss man sich auch die Frage stellen, warum Gehälter oberhalb von 40.000 Euro pro Monat überhaupt gekappt werden sollen, wenn man sie über eine Reichensteuer i.H.v. 75% genauso gut gesellschaftlich sinnvoll besteuern könnte? Nach Adam Riese bringt es dem Staat mehr, wenn er den über dem Maximum liegenden Satz eines Monatsgehalt von 100.000 Euro mit 75% besteuert, als wenn er Regulierungen durchsetzt, die Gehälter in dieser Größenordnung verbietet. Von Katja Kipping wird die Forderung nach einer 100%-Steuer jedenfalls vorgetragen. Und wenn diese Schnappsidee nicht ihren Weg ins Wahlprogramm findet, ist dies ohne Zweifel eine gute Nachricht.
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