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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 21. Januar 2013 um 9:02 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Orlando Pascheit: In der Logik mancher Eurokritiker müssten die dreizehn Empfängerländer aus dem Bund austreten. Unser Finanzausgleich, ist ein ganz gutes Beispiel dafür, dass in einen Währungsraum ohne Abwertungsmöglichkeiten und ohne Finanztransfers nichts geht. Natürlich ist zwischen der “Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse” in der Bundesrepublik und einem Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Ländern in einer nur in Ansätzen föderalen Eurozone ein großer Unterschied, aber mittelfristig müssen die bisherigen Nettozahler (Strukturfonds) mehr zahlen. Zur Größenordnung in der BRD: 2012 mussten die drei Nettozahler in der Bundesrepublik 7,9 Milliarden Euro abgeben; In jeweiligen Preisen gerechnet betrug das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands im Jahr 2012 2 645 Milliarden Euro. – Natürlich könnte Horst Seehofer seine Partei in eine ‘Lega Sud’ umtaufen, in den Wahlen voll auf “Mir-san-mir” setzen und auf weitgehende Autonomie Bayerns drängen nach dem Motto: Gemeinsamer Markt ja, aber ohne die “himmelschreiende Ungerechtigkeit” des Finanzausgleichs.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Sogar die FAZ beugt sich der Realität und erkennt (zumindest beim Thema Wohnen) an, daß die krass gestiegene Ungleichheit ein großes Problem ist.
Anmerkung Orlando Pascheit: Naturgemäß ist es eine Sache, einen kriminellen Zusammenhang gerichtstauglich aufzuzeigen, und eine andere, eine an Evidenz kaum zu übertreffende Plausibilität eines solchen Zusammenhangs zu konstatieren. Welche und wie auch immer einzelne Akteure persönlich involviert war, Tatsache ist, dass die Apothekenvertreter in den Verhandlungen mit den Ministerium ungewöhnlich gut vorbereitet auf die spezielle Position der Ministerialbeamten reagieren konnten. Und wenn dann noch nicht einmal dem Ministerbüro vorgelegte Vermerke “wortgleich in einem pharmazeutischen Fachblatt – inklusive meiner eigenen Rechtschreibfehler” erscheinen, ist die Frage, wer da spioniert hat und in welchem Auftrag, gegenüber der Feststellung, wer diese Informationen genutzt hat, fast zweitrangig. Es ist nicht vorstellbar, dass die Spitzenvertreter der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände nicht wussten, dass sie einen solchen Informationsvorsprung nur auf illegale Weise erreichen und entsprechend verwerten konnten.
Anmerkung Orlando Pascheit: Der Zeit-Artikel löst Unbehagen aus. Erfreulich ist die Aufdeckung der Verschleierungstaktik der Bundesregierung, dass die “erfreuliche deutsche Opferbilanz” nicht der verbesserten Sicherheitslage geschuldet sei, sondern dem Rückzug der Deutschen in ihr Lager. Seit Monaten sind z.B. die spezialisierten Kampfmittelräumer nicht mehr im Einsatz gewesen und wegen der “angespannten Sicherheitslage” bleibt es dabei. “Andere Armeen riskieren mehr” schreibt die Zeit und lässt den Eindruck entstehen, die Unsrigen seien mutlos. Auch wenn Hauke Friederichs am Ende einräumt, dass die einheimischen Truppen irgendwann einmal lernen müssten, “allein zurechtzukommen”, kommt er nicht zu dem Schluß, dass der Afghanistaneinsatz eine “mission impossible” war. Schade, da Friederichs doch der Wahrheit recht nahe kommt, wenn er berichtet: “Der Krieg in Afghanistan wird zum Bürgerkrieg in dem Maß, in dem afghanische Truppen es übernehmen, den aufständischen Taliban entgegenzutreten.” Der Isaf-Einsatz wird in der Geschichte Afghanistans bestenfalls ein retardierendes Element gewesen sein. Ja, man kann sich fragen, wo ein von den Taliban beherrschtes Afghanistan heute stünde. Außenpolitisch standen die Taliban schon einmal in Verhandlung mit den USA. Und jetzt steht das Land wieder vor einem allumfassenden Bürgerkrieg. 40 Prozent aller Diplomaten, Hunderte von afghanischen Regierungsbeamten einschließlich Angestellte des Präsidialamtes, Journalisten, Sportler und zahlreiche Studenten haben dies realisiert und kehren nicht von ihren Auslandsaufenthalten zurück. Laut eines Berichts der dänischen Regierung haben viele Minister ihre Familien im Ausland untergebracht.
Das Kapital ist schon längst weg. Das was der Westen an Aufbauarbeit wirklich geleistet wurde, wird bald nur noch Erinnerung sein.
Der Afghanistaneinsatz war von vornherein ein Fehler und gegenüber unseren getöteten, verwundeten und seelisch geschädigten Soldaten ein Verbrechen. Wir, d.h. die rot/grünen, die schwarz/roten, schwarz/gelben Regierungen und wir, die diese gewählt haben, haben uns mit Schuld beladen. Die Botschaft des Exkanzlers Helmut Schmidt an die zum Gelöbnis angetretenen Soldaten im Jahre 2008: „Ihr könnt Euch darauf verlassen: Dieser Staat wird Euch nicht missbrauchen. Denn die Würde und das Recht des einzelnen Menschen sind das oberste Gebot – nicht nur für die Regierenden, sondern für uns alle”, war damals schon falsch und ist inzwischen nicht richtiger geworden. Helmut Schmidt und viele Andere haben immer noch nicht begriffen: Vergangenes wiederholt sich nicht in derselben Form. Krieg muss nicht “völkisch” daherkomnen, der “rechtlich geordnete Staat” Schmidts kommt heute mit vagen Formeln wie “internationale Verantwortung” daher. Nicht eine faschistische Diktatur, sondern westliche Demokratien haben sich an ihren eigenen jungen Soldaten versündigt – von den afghanischen Opfern ganz zu schweigen. Dass die deutschen Kommandeure in Afghanistan nicht mehr sinnlos unsere jungen Leute ausrücken lassen, ehrt sie. Wenn die Kommandeure anderer Nationen weiterhin Menschenleben vergeuden, obwohl mit dem Abzugsdatum das Scheitern, die Niederlage des Westens festgeschrieben wurde, beweisen sie wenig Realitätssinn bzw. ihre Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben. Die Kommandeure in Afghanistan wie auch unser Verteidigungsminister de Maizière, der Ausbilder und Schutztruppen in Afghanistan belassen will, sollten die jüngsten Aussagen von Obamas stellvertretendem Sicherheitsberater, Ben Rhodes, ventilieren. Nicht ein zweitrangiger anonymer Analyst, sondern ein enger Berater Obamas erklärt, dass auch ein kompletter Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan inklusive der Soldaten, die für Anti-Terror-Missionen und die Ausbildung der afghanischen Armee angedacht waren, möglich sei. – Für unsere Journalisten wird es Zeit, dem Publikum zu vermitteln, wie es dazu kommen konnte, dass Deutschland in einer Art Nibelungentreue einem überforderten US-Präsidenten folgen konnte, bevor das Zeithistoriker in 50 Jahren tun. Im Übrigen gilt es, sich für weitere Einsätze im Namen “internationaler Verantwortung” zu wappnen.
Anmerkung JB: Die Hintergründe, die Pepe Escobar in seinem Artikel aufarbeitet, sind hoch informativ. Wie so oft schießt Escobar jedoch übers Ziel hinaus. So überschätzt er die Rolle der USA bei der Stärkung des militanten Islamismus gewaltig und beschönigt Chinas Außen- und Außenwirtschaftspolitik. Escobars Weltbild ist das “Globalistan”, ein geostrategisches Modell, bei dem die beiden Weltmächte USA (böse) und China (gut) ein “Great Game” um die Energieressourcen der Welt spielen. Auch das mag durchaus interessant sein, leider zeichnet sich der Autor jedoch vor allem dadurch aus, jeden weltpolitischen Vorgang in sein Weltbild zu pressen.
Anmerkung WL: Das Bertelsmann-Blatt Spiegel spielt mal wieder den Lautsprecher für das bertelsmannsche CHE und damit für Studiengebühren. (Der Bertelsmann AG gehören dreiviertel des Magazinhauses Gruner + Jahr und dieser Verlag hat wiederum mit 25,25 Prozent eine Sperrminorität im Spiegel Verlag.)
Der Spiegel meint wohl, dass kalter Kaffee besser schmeckt, wenn er nicht nur einmal sondern mehrfach wieder aufgewärmt wird. Diese ungenießbare Brühe wird nun schon seit Jahren immer wieder aufgetischt, wenn es galt bildungsbenachteiligte Schichten oder Wählerkreise aus der Facharbeiterschaft gegen die Studiengebührenfreiheit aufzuwiegeln.
Die Behauptung die Krankenschwester würde das Studium der Tochter des Chefarztes bezahlen, Studiengebühren schafften also mehr „Verteilungsgerechtigkeit“ hat nun schon vor über zwei Jahrzehnten einmal der Erlanger Finanzwirtschaftler Karl-Dieter Grüske in die Debatte eingebracht (Karl-Dieter Grüske, Verteilungseffekte der öffentlichen Hochschulfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Reinar Lüdeke (Hg.), Bildung, Bildungsfinanzierung und Einkommensverteilung II. Schriften des Vereins für Socialpolitik, NF Bd.221/II, Berlin 1994, S. 71 – 147.) Seine Studie wurde zwar zwischenzeitlich schon mehrfach widerlegt (Bernhard Nabe und Roman Jaich, Bildungsfinanzierung in Deutschland, Kassel 2002; siehe auch: Richard Sturn und Gerhard Wohlfahrt, Umverteilungswirkungen der öffentlichen Hochschulfinanzierung in Deutschland. Zusammenfassung eines Gutachtens im Auftrag des Deutschen Studentenwerks, Graz 2000).
Doch selbst wenn es richtig wäre, dass sämtliche Akademiker, an die Spitze der Einkommensbezieher vorrücken, ihr Studium aber auf Kosten der Allgemeinheit geschenkt bekommen, so wäre diese Aussage entweder trivial oder allenfalls ein weiteres Beispiel für ein sozial ungerechtes Steuersystem.
Trivial wäre das Argument deshalb, weil für viele öffentliche Leistungen gilt, dass sie von geringer Verdienenden mitfinanziert werden, ohne dass diese von ihnen in Anspruch genommen würden: Das fängt bei den polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen für Spitzenverdiener an, geht über Opernhäuser und hört bei den Forschungssubventionen für Großunternehmen nicht auf. Mit der gleichen Begründung könnte man auch Gebühren für den Besuch eines Gymnasiums einführen, weil ja die Arbeiter die Kosten für die Gymnasiasten bezahlen, denn Arbeiterkinder sind in dieser Schulform unterrepräsentiert. Wer „den Staat“ nur für das bezahlen will, wofür er eine unmittelbare Gegenleistung erhält, will weg von der Errungenschaft des „Steuerstaats“ und hin zum „Gebührenstaat“. Im „Gebührenstaat“ zahlt jeder nur die Leistung, die er in Anspruch nimmt – sofern er sie bezahlen kann. Ein sozialer Ausgleich über eine Steuerprogression findet im nicht mehr statt. Der „Gebührenstaat“ heißt Verteilung und Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nach der „Primärverteilung“, also nach den bestehenden Vermögens- und Verteilungsverhältnissen.
In der Bildungspolitik, wo es ja um die Verteilung der Chancen der zukünftigen Generation geht, wo also wenigstens nicht schon die Zukunftschancen für junge Leute vom „Geldbeutel“ der Eltern abhängig sein sollten, kann oder sollte es jedenfalls nicht von den bestehenden Vermögensverhältnissen abhängen, ob jemand seine Bildungschancen bezahlen kann oder nicht.
Sollte es tatsächlich so sein, dass ein besser verdienender Akademiker die öffentlichen Kosten für sein Studium nicht über seine später abzuführende (Einkommens- oder Ertrags-) Steuer refinanziert, dann hieße das schlicht, dass er im Vergleich zum geringer verdienenden Nichtakademiker zu wenig Einkommens- oder Vermögensteuern bezahlen muss.
Es wäre dann jedenfalls erheblich gerechter, um ein Vielfaches einfacher und weniger aufwändig, den bisherigen Spitzensteuersatz zu erhöhen, statt über ein teures zusätzliches Verwaltungsverfahren eine Studiengebühr in gerade in der Lebensphase eines jungen Menschen einzutreiben, wo er jedenfalls nicht viel verdient oder noch nicht viel verdient hat. Das bedeutete nämlich einen weiteren Bruch des „Generationenvertrages“.
Verteilungs- und Chancengerechtigkeit würden im Übrigen viel direkter dadurch erreicht, wenn man die Förderung der Kinder von Geringverdienern so attraktiv machte, dass sie – wenn man schon so rechnen will – wenigstens bis zu ihrem Anteil an der Finanzierung der Hochschulausbildung auch an den Hochschulen vertreten wären. Besser wäre natürlich noch, wenn alle Einkommensschichten einigermaßen gleich repräsentiert wären.
Mit Studiengebühren hätte die Tochter der vielzitierten „Arzthelferin“ jedenfalls eine noch viel höhere Finanzbarriere für ein Studium zu überwinden.
Wenn es so ist, dass die Krankenschwester das Studium ihres Chefarztes mitbezahlt, dann wäre es genauso naheliegend wie die Bildungskosten zu privatisieren, dafür zu sorgen, dass niedrigere Einkommensbezieher entsprechend ihrem Anteil an der Finanzierung der Hochschulausbildung auch als Studierende vertreten sind. Das wäre ein Beitrag zur Chancengleichheit, aber nicht die Privatisierung der Bildungskosten. Das stabilisiert nur den vorhandenen ungleichen Anteil der sozialen Schichten an den Hochschulen. Noch mehr: das verschärft sogar die soziale Selektion.
Es wird weiter unterschlagen, dass im Durchschnitt sowieso die Hälfte der Studienkosten von Privat getragen wird, wie Dohmen und Hoi in einer Studie aus dem Jahre 2004 gezeigt haben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts kostet ein Studierender den Staat im Durchschnitt 7.170 €. Ungefähr genauso viel, nämlich 7.200 €, muss jeder Studierende im Durchschnitt für seinen Lebensunterhalt aufbringen. Zum anderen basiert die Behauptung auf einer unzulässigen Partialbetrachtung. Genauso könnte man behaupten, es sei ungerecht, dass die Akademikerin die Straßen für die Spediteure finanziert.
Und natürlich zieht der Spiegel für seine Argumentation pro Studiengebühren eine WZB-Studie heran, wonach Studiengebühren keinen negativen Effekte auf die Studierneigung hätten. Natürlich hat der Autor Jan Friedmann die Studie nicht gelesen, sonst hätte er lesen können, dass die Autoren dieser Studie ihr Ergebnis selbst einschränken, indem sie abschließend bemerken, dass ihre Befunde nicht zu dem Fazit verleiten sollten, dass Studiengebühren per se keinen negativen Effekt auf die Studierneigung hätten. So könnten etwa Aussagen darüber, wie sich die Studierneigung verändere, wenn Studiengebühren (über die angenommenen 500 Euro pro Semester) erhöht würden, aus den Ergebnissen nicht ableiten lassen. (S. 23)
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