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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Appell an die Intendanten der Öffentlich-rechtlichen Sender: Beenden Sie die Auslagerung von Produktion und Werbung in private Gesellschaften!
Datum: 14. Januar 2013 um 16:43 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse
Verantwortlich: Albrecht Müller
Die jetzt bekannt gewordenen Vorgänge um „Wetten dass …?“ und die Gebrüder Gottschalk – Berichte siehe z.B. hier bei SPON und im gedruckten SPIEGEL – werden das Ansehen der Öffentlich-rechtlichen Sender weiter beschädigen. Die Organisation von Schleichwerbung in „Wetten dass …?“ mithilfe der Firma Dolce Media, die von Thomas Gottschalks Bruder Christoph gegründet wurde und geleitet wird, ist skandalös. Der Skandal beschädigt den Glauben an die Unabhängigkeit der Öffentlich-rechtlichen Sender weiter und wird die Auseinandersetzung um die neue Rundfunkgebühr anheizen. Der Skandal hat viel mit der üblich gewordenen Auslagerung von Produktionen und großen Dienstleistungen wie Akquisition von Werbetreibenden und Werbegeldern in private Firmen außerhalb der Öffentlich-rechtlichen Sender zu tun. Albrecht Müller.
Im konkreten Fall hat das ZDF die „Schleichwerbung“ in „Wetten dass …?“ von einer privaten Firma außerhalb des ZDF vermarkten lassen. Anders kann man das beim besten Willen nicht werten, was jetzt ruchbar wurde. Auch wenn der größere Teil der Millionenbeträge, die von DaimlerChrysler, von Audi, von Solarworld und anderen großen Unternehmen gezahlt worden sind, nicht beim ZDF landeten, sondern bei der Firma Dolce Media der Gebrüder Gottschalk, muss man diese Zahlungen als Zahlungen der Werbetreibenden an das ZDF werten. Für diese Interpretation spricht der Hinweis des ehemaligen Programmdirektors und heutigen Intendanten des ZDF, Thomas Bellut, dass die Markenrechte an „Wetten, dass …?“ in diesem großen Umfang extern vermarktet worden seien, habe daran gelegen, dass Gottschalk für den Sender so wichtig war.
Wenn man diese Aussage ins Deutsche übersetzt, dann heißt das zweierlei:
Erstens: Die an Dolce Media gezahlten Beträge sind ein Zubrot, also ein zusätzliches Honorar zur Bindung des Moderators an das ZDF.
Zweitens: Der ehemalige Programmdirektor und heutige Intendant Bellut wusste von den Honoraren und musste auch wissen, dass diese in ihrer Höhe nicht durch die Vergabe von Lizenzen an die werbenden Firmen zur Nutzung von Filmsequenzen aus „Wetten, dass …?“, sondern nur durch die Schleichwerbung gerechtfertigt sein konnten. Er wusste damit auch von dem Täuschungsversuch, die Schleichwerbung durch den angeblichen Verkauf von Lizenzen zu verdecken.
Mit der Auslagerung in die Gottschalk-Firma Dolce Media – ein süßer Name übrigens – ist den Verantwortlichen beim ZDF ein Schachzug nach dem Motto „Aus den Augen aus dem Sinn“ gelungen. Deshalb wird jetzt vermutlich auch niemand zur Verantwortung gezogen, obwohl der Vorgang gegen die Regel Öffentlich-rechtlicher Sender verstößt, keine Schleichwerbung zu machen. Schon deshalb kann die Lösung nur darin bestehen, die Auslagerung von Produktionen und gravierenden Dienstleistungen bei wichtigen Sendungen zu unterlassen bzw. zurückzunehmen.
Es gab zwar schon immer die Auslagerung von Produktionen in privatrechtlich organisierte Tochterfirmen der Sender und in fremde private Firmen. Aber zum einen gab es dabei auch immer schon Skandale wie etwa bei der Produktion von Filmen durch die Produktionsfirma Ederer für die ARD mit finanzieller Unterstützung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. (Siehe hier wie auch mehrere Einträge in den NachDenkSeiten) Zum andern wird inzwischen auch die Produktion von großen und bedeutenden Sendeformaten wie den Talkshows in private Firmen ausgelagert oder teilausgelagert. Und diese privaten Firmen bestimmen sowohl die redaktionellen Inhalte als auch die Liste der Talkshow-Gesprächspartner und der Talkshowgäste im Studio mit.
Auf die Auslagerung bin ich in dem einschlägigen Medienkapitel in meinem Buch “Meinungsmache” (2009) ausführlich eingegangen. Siehe Auszug am Ende dieses Textes. Dort findet sich auch schon die Forderung, die Auslagerung rückgängig zu machen.
Eine Nachbemerkung: Die NachDenkSeiten haben in der Auseinandersetzung um die neue Rundfunkgebühr zu Gunsten der Öffentlich-rechtlichen Sender Partei ergriffen. Siehe hier am 7. Januar und hier heute. Aber die Verantwortlichen in diesen Sendern machen einem dieses Engagement sehr schwer.
Auszug aus
Albrecht Müller: „Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen“
Seiten 397:
Für die Zuschauer einer Talkshow in den öffentlich-rechtlichen Sendern ist normalerweise nicht zu erkennen, ob die Produktion der Sendung in den Händen der Sender liegt oder ausgelagert ist in eigene Produktionsgesellschaften. Das mag organisatorisch und betriebswirtschaftlich von Vorteil sein. Nach meinem Eindruck sind diese Produktionsgesellschaften zugleich aber Brücken, über die Kampagnen Eingang ins Programm finden und PR-Agenturen mit ganz anderen Absichten ihren Einfluss geltend machen können. Für die Produktion von Sabine Christiansen zum Beispiel arbeitete zeitweise der gleiche PR-Berater wie für den damaligen Finanzminister Hans Eichel. Dass der Anfang Januar 1999 als hessischer Ministerpräsident abgewählte Eichel kurz darauf zum öffentlich bewunderten Sparkommissar avancierte, dürfte auch dem Multitalent seines PR-Beraters Klaus-Peter Schmidt-Deguelle zu verdanken sein.
Die Auslagerung in private Produktionsgesellschaften ist weit verbreitet und nicht auf Talkshows beschränkt. Sie betrifft jede Art von Fernsehsendungen und hat auch dort nachweisbar zur Konsequenz, dass private Interessen über die Produktionsgesellschaften den Weg auf öffentlich-rechtliche Sendeplätze finden.
Ein Beispiel dafür war der Einfluss der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) auf eine Serie von Sendungen des hessischen Rundfunks. Die von den Metallarbeitgebern finanzierte INSM sicherte sich gegen eine fünfstellige Summe die Rechte an einem Dreiteiler des Fernsehjournalisten und Sympathisanten der Arbeitgeberseite Günter Ederer. Die Fernsehreihe behandelte die typischen Themen der Initiative – Steuern, Rente, Arbeitsmarkt. Der Hessische Rundfunk musste entsprechend weniger bezahlen.
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