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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Eine Replik auf Leserbriefe zur „Zwangsgebühren“- Kampagne der Verleger Rundfunk.
Datum: 14. Januar 2013 um 9:10 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Steuern und Abgaben
Verantwortlich: Albrecht Müller
Auf den Gastbeitrag vom 7.1. mit dem Titel „Angstbeißer“ – Zur Kampagne der Verleger gegen die „Zwangsgebühr“ kamen einige kritische Mails unserer Leser. Unten folgt eine Replik des Gastautors. Albrecht Müller.
Vorweg noch:
Es gab Kritik von NDS-Leserinnen und –Lesern, die selbst auf Fernsehen und Hörfunk verzichten und deshalb nicht einsehen, eine pauschale Gebühr bezahlen zu müssen. Andere Kritiker wiesen darauf hin, in unserem Gastbeitrag sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk ziemlich „auf den Hund gekommen“ ist. Sie haben mit Recht angemerkt, dass wir in vielen Beiträgen auf den NachDenkSeiten sehr kritisch mit Produkten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens umgehen. Ich persönlich habe des Öfteren schon eine weit gehende Gleichschaltung vieler Medien, auch eine Gleichschaltung mit der herrschenden Ideologie festgestellt.
Die Kritiker beachten bei ihrer Kritik allerdings zu wenig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, vor allem das Fernsehen, auch deshalb so schlecht geworden ist, weil er bewusst in diese Richtung getrieben worden ist, vor allem über den Kampf um die Einschaltquoten. Da ich den Kampf der privaten und potentiellen privaten Veranstalter von Fernsehen und Hörfunk seit Anfang an – seit 1977 – verfolge, habe ich auch deren Taktik beobachtet, das Konkurrenzprodukt (öffentlich-rechtliches Fernsehen und Hörfunk) immer schlechter werden zu lassen, um damit Argumente für die private Konkurrenz zu finden.
Auf diese Erfahrung hätte ich bei der Einführung zum Artikel „Angstbeißer“ am 7.1. hinweisen müssen. Ich bedaure dieses Versäumnis.
Es folgt die Stellungnahme des Autors:
Die „Zwangsgebühren“- Kampagne der Verleger und der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk
Eine Replik auf einige Leserbriefe,
von Justus Meyer
Wie ich auch aus Gesprächen mit Freunden weiß, ist das Thema Rundfunkgebühren hochgradig emotional besetzt. Das geht so weit, dass das neue System sogar von Menschen, die seit dem 1. Januar weniger bezahlen, weil die Abgabe eben jetzt pro Haushalt und nicht mehr pro Empfangsgerät fällig wird, abgelehnt wird. Dabei spielt eine große Rolle, dass Viele durchaus das Gefühl haben, nun gefangen zu sein in einem Zwangssystem. Während man früher angeben konnte, kein Gerät zu haben und so nichts zahlen musste, scheint einem dieser „einfache Ausweg“ nun versperrt. Natürlich kann man sich weiterhin aus sozialen Gründen von der Gebühr befreien lassen – doch der Gedanke, sich dann rechtfertigen zu müssen, bereitet vielen Probleme.
Auch einige NDS-Leser haben meine Anmerkungen zur „Zwangsgebühren“-Kampagne der Verlage heftig kritisiert. Dabei ging es den meisten allerdings nicht um mein Anliegen – die Kampagne der Verlage aufzuzeigen – , sondern grundsätzlich darum, ob ARD und ZDF überhaupt Gebühren bekommen sollten und ob sie ihrem Auftrag überhaupt noch gerecht werden.
Letzteres kann man sich wirklich fragen. Seit der Einführung der kommerziellen Sender sind ARD und ZDF beliebiger und auch stromlinienförmiger geworden, haben ihren Informationsanteil in Spartensender oder ins Nachtprogramm verschoben und wagen eher weniger Experimente als dass sie neue Maßstäbe setzen. Das wird nicht nur hier auf den Nachdenkseiten immer wieder kritisiert. Das bedeutet aber meiner Meinung nach nicht: der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss weg.
Was man nicht vergessen darf: es gibt immer noch, und nun auf mehr Sender verteilt, in Fernsehen und Hörfunk hochkarätige Informations- und Unterhaltungsangebote. Man macht sich das dann klar, wenn man sich einfach mal vorstellt, wie ein Fernsehabend verlaufen würde, gäbe es die öffentlich-rechtlichen Programme nicht. Auch ich schaue wenig TV, weil ich meine Zeit lieber aktiv nutze, war aber sehr froh, bei Krankheit an einem oder zwei Abenden in der letzten Woche u.a. eine hervorragende Reportage über den internationalen Kunsthandel und den letzten Fälscherskandal auf Phoenix schauen zu können, eine Wiederholung von Dieter Wedels „Schattenmann“- Mehrteiler auf 3SAT und eine Diskussion über Politiker-Gehälter im Bayerischen Rundfunk. In einem reinen Kommerzfunk, der zudem keine Konkurrenz von ARD und ZDF fürchten müsste und dadurch vermutlich noch flacher wäre, hätte ich kein vergleichbares Angebot gehabt. Noch gravierender fällt der Unterschied im Radio aus, auch wenn die populären Wellen der ARD – zugegebenermaßen – immer seichter werden.
Mehrfach kam von Lesern das Argument, sie sähen nicht ein, für ein Angebot zahlen zu müssen, das sie selbst nicht nutzen – sei es, weil sie nur Radio hören möchten oder sei es, weil sie Medienkonsum an sich ablehnen. Auch dieses Argument kann ich durchaus verstehen, weil ich lange Jahre selbst ausschließlich Hörfunk genutzt habe. Ich teile auch die Ansicht, dass es den meisten Menschen gut täte, sie säßen nicht ständig vor der Glotze. Allein: ich kann das Fernsehen leider nicht abschaffen und da ich meine Mitmenschen auch nicht dazu zwingen kann, es aus zu lassen, möchte ich dazu beitragen, dass es eine vernünftige Alternative zu den Privatsendern gibt – und das schließt auch Volksmusiksendungen ein.
Ich möchte beispielsweise auch gerne, dass meine Mutter im Altersheim, die nicht mehr die Konzentration zum Lesen findet, kein permanent durch Werbeclips unterbrochenes Fernsehprogramm, inklusive Dieter Bohlen und Heidi Klum schauen muss. Und ich möchte auch, dass Menschen, die – etwa durch ihre Sozialisation – keine Zeitungen lesen oder es sich abends mit einem Buch gemütlich machen, die Möglichkeit haben, sich halbwegs anständig zu informieren oder sich unterhalten zu lassen. Ich möchte keine amerikanischen Verhältnisse, in denen sich nur eine gut verdienende Elite teures und werbefreies Abonnementsfernsehen leisten kann.
Wir alle zahlen für Dinge, die wir selbst nicht nutzen. Ich fahre beispielsweise kein Auto, komme aber trotzdem für die entsprechende Infrastruktur auf. Ich gehe nicht in die Oper, subventioniere sie aber indirekt mit. Kinderlose kommen für Kindergärten mit auf, Autofahrer für den öffentlichen Nahverkehr. Auch das mag den ein oder anderen ärgern, aber nur so funktioniert unsere Gesellschaft. Man könnte das auch altmodisch „Solidarität“ nennen.
Ein Leser ärgerte sich über die Formulierung, ARD und ZDF seien für die Demokratie unabdingbar. Das war nicht in erster Linie mein Argument, sondern das ist die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes. Damit ist aber auch nicht gemeint, dass ARD und ZDF so bleiben müssen, wie sie zur Zeit sind. Es geht eher darum, dass es in Deutschland ein System geben muss, in dem sicher gestellt ist, dass sich eine Mehrheit der Bürger zu angemessenen Kosten über die Dinge der Gesellschaft informieren, sie diskutieren und sich eine Meinung bilden kann. Bislang wird dies, in der Auffassung des BVErfG, nur durch das öffentlich-rechtliche System garantiert. Das bedeutet nicht, dass das in Zukunft so bleiben muss. Wenn Privatanbieter ein ähnliches System garantieren könnten, könnte das auch anders werden. Nur sieht es danach nicht aus. Wenn die Verlage im Internet Bezahlschranken errichten, wie geplant, dann werden ARD und ZDF mit ihren Online-Angeboten eher an Bedeutung gewinnen.
Braucht es dafür allerdings so viele öffentlich-rechtliche Sender? Und müssen die so sein, wie sie zur Zeit sind? Das sind berechtigte Fragen. Deshalb noch einmal mein Argument: ARD, ZDF und all die anderen Sender sind der Rundfunk aller Bürger – und wir alle sind, sei es über die Quote oder über den Druck auf die Politik, dafür mitverantwortlich, wie dieser Rundfunk aussieht.
Ein Leser fand genau dieses Argument naiv. Er hat längst aufgegeben, von den Öffentlich-Rechtlichen Sendern Qualität einzufordern. Ich finde das schade, weil es nicht weiterhilft. Mit dem selben Argument müsste man sich von der Politik abwenden Und würde damit den Falschen in die Hände spielen.
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