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Titel: „Angstbeißer“ – Zur Kampagne der Verleger gegen die „Zwangsgebühr“, wie sie die neue Rundfunkabgabe gerne nennen

Datum: 7. Januar 2013 um 13:57 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Steuern und Abgaben, Strategien der Meinungsmache
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Das Wort „Zwangsgebühr“ dient dabei als Mittel, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu diskreditieren. Warum tun die Zeitungen das? Albrecht Müller

Angstbeißer

Der Pressekampagne gegen ARD und ZDF
von Justus Meyer

Deutschlands Zeitungen haben ein neues Lieblingswort. Es heißt „Zwangsgebühr“. Gemeint ist die neue Rundfunkabgabe, die nicht mehr nur – wie bisher – für einzelne Empfangsgeräte, sondern seit dem 1. Januar pro Haushalt erhoben wird. Das Wort „Zwangsgebühr“ dient dabei als Mittel, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu diskreditieren. Warum tun die Zeitungen das? Die Antwort ist einfach: es geht ums Geld. Die Verleger wollen ihre Konkurrenz ausschalten.

Während die Bild-Zeitung in gewohnter Holzhammermanier mal einfach so behauptet, ARD und ZDF nähmen jetzt mehr Geld ein (was überhaupt noch nicht errechnet werden kann, da noch nicht ausreichend Daten vorliegen), geht die „Qualitäts“-Presse subtiler vor. Sie streut, wo immer es geht, das Wörtchen „Zwangsgebühr“ ein, damit sich beim Leser das Gefühl festsetzen kann, auf Gedeih und Verderb einem unkontrollierbaren System ausgeliefert zu sein. Einem System, das ohne Gegenleistung Geld verlangt, das ihm gar nicht zusteht.

„Zwangsgebühr“ ist ein fieses, ja hinterhältiges Wort. Es unterschlägt, dass Gebühren in der Regel ohnehin nicht freiwillig gezahlt werden. Die – inzwischen abgeschaffte – Praxisgebühr wurde auch nie als „Zwangsgebühr“ bezeichnet.
Der Begriff suggeriert auch, dass es sich um eine Art Luxussteuer handelt und nicht um eine notwendige Abgabe zur Sicherstellung von Öffentlichkeit und Meinungsvielfalt. Letzteres war der Grund, warum das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen entschieden hat, dass ARD und ZDF nicht nur eine Bestands- sondern auch Entwicklungsgarantie besitzen. Der Hintergedanke dabei: solange die kommerziell betriebenen Medien nicht in der Lage sind, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Information und Bildung (übrigens auch Unterhaltung!) zu gewährleisten, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk für unsere Demokratie unabdingbar. Daher ist es, so kann man darauf schließen, nur recht und billig, wenn alle dafür zahlen müssen, unabhängig von der Zahl der Empfangsgeräte.

Durch die technische Entwicklung lösen sich die Grenzen zwischen Rundfunk und Internet längst auf. Über die Tagesschau-App z.B. oder die Internetportale der einzelnen Sender lassen sich TV-Beiträge abrufen oder auch verlinken. Ein zusätzlicher Service, der von der Rundfunkabgabe abgedeckt wird.

Und das ärgert die Verleger, die im Internet Bezahlschranken errichten wollen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stört ihr neues Geschäftsmodell, das darauf basieren soll, dass vor allem Qualitätsinhalte Geld kosten. Der Springer-Verlag macht es mit Welt-Online vor, die WAZ, FAZ und SZ testen noch, wie das am Besten gehen könnte: Geld für Artikel im Internet zu verlangen. Die schöne neue Internetwelt könnte dann so aussehen, dass der übliche, von allen kolportierte Boulevardquark weiterhin frei im Netz erhältlich ist, Hintergrundberichte und Analysen aber bitte bezahlt werden sollen. Dass die öffentlich-rechtlichen Angebote dann schon bezahlt wären, der Nutzer also im Internet das Gefühl hätte, kostenlose Angebote zu nutzen, das ist den Zeitungen natürlich ein Dorn im Auge.

Verstehen kann man das. Guter Journalismus ist teuer. Man muss allerdings auch fragen, warum die Verleger das öffentlich-rechtliche Angebot nicht – wie jeder gute Geschäftsmann das täte – als Herausforderung betrachten. Im Gegenteil: unter Berufung auf eine „Zeitungskrise“ bauen sie immer noch Redaktionen ab, dünnen ihre Printprodukte in jeder Hinsicht aus. Sie sägen sich damit den journalistisch-ökonomischen Ast ab, auf dem sie sitzen und dem sie ihren Ruf verdanken.. Dabei verdienen sie – trotz aller Klagen – immer noch gutes Geld. Der Axel Springer Verlag erwirtschaftete 2011 gar den höchsten Gewinn seiner Geschichte – zwar hauptsächlich nicht mit Zeitungsangeboten, sondern mit Verkaufsportalen im Netz – aber Journalismus war schon immer das Produkt von Quersubventionierung.

Und Journalismus (wenn auch vielleicht nicht der von Springer) lebt von Glaubwürdigkeit. Die wird allerdings untergraben, wenn die Zeitungen bei der Berichterstattung über die Rundfunkabgabe unterschlagen, wo ihre Interessen dabei liegen. Und wenn sie gezielt Stimmung machen.

Ein kleines, aber feines Beispiel nur aus der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende. Unter der Überschrift „Teures Vergnügen“ gibt es in der „Wochenchronik“ eine Grafik, die die Steigerung der Rundfunkgebühr von 1954 bis heute darstellt. Wirkt natürlich gewaltig, wenn man dabei unterschlägt, dass im selben Zeitraum die Preise gestiegen sind, die Zahl der Sender gewachsen ist und die Ausgaben für das Internet darin enthalten sind. Perfide auch, ausgerechnet die Kosten für die Sendeminuten von Talkshows dagegen zu setzen. Als ob ARD und ZDF nur aus Talkshow-Programm bestünden, als ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur das Fernsehen wäre, als ob es keine differenzierte Hörfunklandschaft gäbe, die neben den Programmen des Deutschlandradios noch weitere anspruchsvolle Kultursender hegen und pflegen würde? Und bei diesen Sendern, nebenbei bemerkt, werden nicht nur Journalisten beschäftigt, sondern finden auch viele Schriftsteller, Schauspieler, Regisseure ein Zubrot, ohne dass sie sich sonst kaum über Wasser halten könnten. Was sind dagegen noch nicht einmal 18 Euro, und das nicht pro Person, sondern pro Haushalt? Und wie viel kostet eigentlich ein Zeitungsabonnement?

Nun rennt die Pressekampagne gegen ARD und ZDF natürlich bei Vielen offene Tore ein. Denn wer, der sich nur noch über das Netz informiert, der lieber Radio hört, der Spielfilme und Serien herunterlädt oder via DVD konsumiert statt die Glotze einzuschalten, kann schon einsehen, warum er auch für Florian Silbereisen, Günter Jauch und Markus Lanz bezahlen soll? Der Denkfehler dabei: es geht eben nicht nur um überflüssige Fernsehtalkshows und Volksmusik. Es geht um die Möglichkeit für jeden Bürger, für einen angemessenen Preis Dokumentationen auf ARTE und den dritten Programmen zu sehen, sich über die Tagesschau live oder im Netz informieren zu können oder Opernübertragungen im Radio zu hören. Und auf diese Dinge auch kostenlos verlinken zu dürfen. Und es geht darum, eine Konkurrenz für die Kommerzsender und die Verlage aufrecht zu erhalten, ohne die sie längst boulevardesker und niveauloser wären als sie es jetzt sind. Denn Niveau kostet Geld.

Einige Verantwortliche bei ARD und ZDF machen es den Kritikern allerdings auch leicht. Der Zuschauer und -hörer hat bei so mancher Programmreform nicht mehr den Eindruck, dass die Sender noch wissen, warum und für wen sie eigentlich senden Und ob sie ihr Publikum noch ernst nehmen. Der Umgang des WDR mit der Bürgerinitiative „Radioretter“ sprach im letzten Jahr für sich. Innovationsfreude, Kreativität, Aufbruch statt Abbruch? Sind eher in publizistischen Randgebieten zu finden. Dabei kann man gerade an der Kampagne der Verleger, die im Grunde eine Art Angstbeißen ist, erkennen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in einer starken Position sind. Denn sie sind durch die Art ihrer Finanzierung Bürgerrundfunk. Und wir, die Bürger, müssten jetzt darauf dringen, dass „unser“ Rundfunk, für den wir bezahlen, auch die Aufgaben wahrnimmt, die ihm das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat. Und die bestünden eher in mehr Qualität als in weniger. Es bestünde in mehr kritischem Journalismus und weniger Tingeltangel. In anspruchsvoller Unterhaltung statt billiger Seifenopern. In Kultur statt Boulevard. Kurz: in Anspruch statt (nur) Quote. Doch das dürfte den Verlegern erst recht nicht passen.


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