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Titel: NPD-Verbotsantrag: Volker und die starken V-Männer
Datum: 3. Januar 2013 um 8:40 Uhr
Rubrik: Innere Sicherheit, Rechte Gefahr
Verantwortlich: Jens Berger
Kommentar von Jörg Wellbrock
Durch alle Parteien zieht sich die Diskussion darüber, ob ein Verbot der NPD durchsetzbar ist und etwas am politischen Klima in Deutschland ändern würde. Wie geheuchelt diese Debatte sein kann, zeigt ein Blick auf die Aktivitäten von Volker Bouffier, dem Ministerpräsidenten Hessens.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hält nichts von einem NDP-Verbotsantrag. Dieser sei erstens nur ein Reflex auf die Morde des NSU. Zweitens stände er rechtlich auf wackligen Beinen. Als wenig durchdacht bezeichnete Lammert die Idee, die NPD zu verbieten. „Man sollte es besser bleiben lassen“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Geschrei danach war groß, und so konterte ausgerechnet Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), er halte einen Verbotsantrag durchaus für möglich. Das hätte geheuchelter kaum sein können, denn erstens müsste Bouffier selbst sehr genau wissen, dass die seit Jahren durchgeführten Einsätze von V-Männern den Erfolg eines Verbotsverfahrens gefährden. Und zweitens wurde er von Sebastian Edathy, dem Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, nicht zufällig der „Strafverhinderung“ beschuldigt. Hintergrund dieser Behauptung war Bouffiers merkwürdiges Verhalten nach dem NSU-Mord an Halit Yozgat im Jahr 2006. Dessen Internetcafé erhielt am 6 April des Jahres Besuch von Andreas Tremme, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit 12 Jahren für den Verfassungsschutz arbeitete. Der Führer von V-Leuten aus der neofaschistischen Szene gilt als besonders radikal und erhielt den bezeichnenden Spitznamen „Klein-Adolf“.
Das Internetcafé von Halit Yozgat betrat Tremme um kurz vor fünf am Nachmittag. Er surfte dort bis 17:01:40, dann loggte er sich aus. Was danach geschah, befand Volker Bouffier als nicht weiter erwähnenswert, obwohl nur zwei Minuten nach dem Ausloggen Yozgat von seinem Vater und einem Kunden erschossen aufgefunden wurde. Für die Polizei galt Tremme als Hauptverdächtiger, er sei die „erste und einzige heiße Spur“ gewesen. Kurze Zeit später jedoch erkaltete diese Spur auf wundersame Weise. Der damalige hessische Innenminister und heutige Ministerpräsident Bouffier sah die Priorität auf dem „Wohl des Landes Hessen“ und erteilte Tremme die Erlaubnis, über die Vorgänge im Internetcafé zu schweigen. Das tat der dann auch und arbeitet heute unbehelligt für das Regierungspräsidium in Kassel. Auch die Generalbundesanwaltschaft sieht keinen Grund, gegen Tremme zu ermitteln.
Für Bouffier ging es eindeutig um den Schutz seiner V-Männer, das äußerte er ganz offen, als er vor dem NSU-Untersuchungsausschuss aussagte. Schließlich habe die Polizei im Zuge der Ermittlungen entweder alle V-Männer oder keinen von ihnen befragen wollen. Und so wurde niemand befragt, sicher ist sicher. Dass Bouffier die Mordserie als „ungeheuerlich“ empfand und sein Gefühl „erdrückend“ sei, wenn er bedenke, dass der Täter noch nicht gefasst werden konnte, empfand nicht nur SPD-Obfrau Eva Högl als Provokation. Ein „eiskalter Bürokrat“ sei Bouffier in ihren Augen. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland witterte einen „Kalten Krieg“ in Hessens Sicherheitsbehörden. Über all dem throne Volker Bouffier und beharre darauf, nicht nur nichts falsch, sondern sogar alles richtig gemacht zu haben. Doch selbst wenn Tremme nicht der Mörder von Halit Yozgart ist – und davon muss man aufgrund der Verfahrenspraxis bis auf weiteres ausgehen -, das Verhalten von Volker Bouffier zeigt, dass der „Schutz der Bundesrepublik“ in diesem Mordfall der Schutz der V-Männer ist. Mit der Konsequenz, dass ein dringend Tatverdächtiger nicht einmal vernommen wurde.
Volker Bouffier war später gewissermaßen nur konsequent, als er Hessens Enthaltung über den Antrag zum NPD-Verbotsantrag im Vorfeld kundtat und dann bei der Abstimmung umsetzte. Allein seine Begründung ist absurd. Ein Verbotsantrag sei nur sinnvoll und gerechtfertigt, wenn eine Partei eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstelle. Oder aber es müsse ihr die Verbindung zu einer terroristischen Vereinigung – hier: dem NSU – nachgewiesen werden. Beides sehe er nicht. Was er nicht ansprach, waren die V-Männer. Sie waren es, die beim letzten Verbotsverfahren maßgeblich zum Scheitern beigetragen hatten. Im Jahr 2003 hätten sich die Innenminister nur darauf einigen müssen, die V-Männer aus den Führungsetagen der NPD abzuziehen. Das taten sie aber nicht, das Scheitern des Antrages war also gewissermaßen ein Scheitern mit Ansage. Mit diesem Wissen ausgestattet, kann es nicht mehr verwundern, dass Bouffier gegen das NPD-Verbotsverfahren ist. Dass er argumentiert, ohne die V-Männer wäre die Politik auf dem rechten Auge blind, darf bezweifelt werden, denn schon Christoph Ahlhaus (CDU), ehemals Innensenator Hamburg, sagte sehr trefflich, was ein V-Mann im Wesentlichen ist: Ein Rechtsextremist, „der sich ein paar Euro dazuverdient, indem er Informationen weitergibt.“ Dass Wohl und Wehe der deutschen Demokratie also von Männern abhängen könnte, die ein paar Informationen verkaufen, klingt doch sehr weit hergeholt. Zumal es unwahrscheinlich ist, dass wirklich wertvolles Wissen weitergegeben wird, wenn es von „Klein Adolf & Co.“ dargereicht wird.
Volker Bouffier hat Zweifel am erneuten NPD-Verbotsantrag. Es begründet diese Zweifel zwar nicht mit der Präsenz von V-Männern, im Gegenteil. Aber er dürfte wissen, dass es zahlreiche von ihnen in den Führungsgremien der NPD gibt. Und auch, dass dieser Umstand ein Hindernis darstellen wird, das zeigt die Begründung des Bundesverfassungsgerichts beim damaligen Verfahren: „Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren … ist in der Regel unvereinbar mit Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren.“ Da jedoch die NPD und zahlreiche andere rechtsradikale Organisationen zu einem nicht unerheblichen Teil durch V-Leute überhaupt erst funktionieren, kann der Erfolg des Verbotsantrages infrage gestellt werden. Hausgemacht. Auf den Punkt brachte es ausgerechnet ein CDU-Politiker. Heribert Rech, bis zum Jahr 2011 amtierender Innenminister Baden-Württembergs, sagte über seine V-Leute: „Wenn ich alle meine verdeckten Ermittler aus den NDP-Gremien abziehen würde, dann würde die NPD in sich zusammenfallen.“ So ginge es also auch.
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