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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Jens Berger – Keinerlei Anlass für Optimismus
Die Eurokrise geht nun ins dritte Jahr. Der Flügelschlag eines griechischen Schmetterlings hat einen Orkan entfacht, der das europäische Haus in seinen Grundfesten erschüttert. Die Politik hangelt sich derweil von einem Rettungsgipfel zum nächsten und verordnet dem Patienten Gift anstelle von Medizin.
Anstatt einen deprimierenden Rückblick über die verpassten Gelegenheiten und zerschlagene Porzellan des ausgehendes Jahres vorzunehmen, ist es heute wohl nötiger denn je, sich Gedanken über die kommenden Krisenjahre zu machen. Europas Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Glaubt man aktuellen Konjunkturprognosen, dann wird die Eurozone im nächsten Jahr noch tiefer in die Rezession gleiten, wobei vor allem die Daten für die ökonomisch ohnehin schon gebeutelten Krisenstaaten rabenschwarz sind.
Quelle: taz
- Ulrike Herrmann – Wahnsinn Wachstum
Weniger wäre mehr – gerade an Weihnachten. Doch so einfach ist es nicht
Jesus war kein Kapitalist. Logisch, denn der moderne Kapitalismus ist erst 1.800 Jahre nach Jesu Geburt entstanden. Trotzdem ist Weihnachten längst zu einem Symbol für den Überfluss geworden, den dieser Kapitalismus hervorgebracht hat. […]
Da scheint sich eine simple Lösung aufzudrängen: Jeder kauft nur noch die Hälfte. Dies wäre kein Verzicht, sondern Befreiung. Endlich wäre der Plunder fort, den man nie anfasst. Natürlich würde unsere kapitalistische Wirtschaft nicht mehr wachsen, sondern schrumpfen, wenn die Konsumenten streiken. Aber was macht das schon? Die Umwelt wäre gerettet.
Doch so einfach ist es nicht, wie die Eurokrise zeigt. […]
Der Kapitalismus funktioniert also anders, als die Werbung suggeriert: Es geht nicht um die Waren, die wir konsumieren und uns zu Weihnachten schenken. Die Produkte sind nur Hilfsmittel für einen höheren Zweck. Das Endziel sind die Arbeitsplätze. Wir arbeiten, um zu arbeiten. Denn nur wer Arbeit hat, hat Einkommen, Sicherheit und Anerkennung.
Quelle: taz
- Wolfgang Münchau – Wir werden uns mit Sehnsucht an 2012 erinnern
Ein weiteres Jahr in der Euro-Krise geht so zu Ende, wie es anfing: mit einer Stimmung, die besser ist als die tatsächliche Lage. Was können wir für 2013 erwarten? Die Lebenslügen der Politiker werden in den kommenden Monaten auffliegen. Neben den strukturellen Problem, die weiter bestehen, sehe ich für 2013 zwei grundlegende Mechanismen, die uns im Euro-Raum die Hölle heiß machen werden. Der erste und wichtigste ist die Auswirkung der Sparpolitik auf die Konjunktur und indirekt auf den Schuldenstand. Die gängigen Prognosemodelle haben den Effekt einer radikalen Sparpolitik in Krisenzeiten deutlich unterschätzt. Schon seit fünf Jahren prognostizieren diese Modelle eine Trendwende für Griechenland im jeweils folgenden Jahr. Sie tun es jetzt schon wieder. Diese Modelle versagen, weil eine ganze Reihe von Stabilisatoren ausgefallen ist: Alle Staaten sparen gleichzeitig; der Finanzsektor ist kaputt; und die Geldpolitik hat ihre Spielräume ausgeschöpft.
Die zweite Gefahr lauert in einer globalen Abwertungsspirale. Das wird den konjunkturellen Schock der Sparprogramme noch verstärken. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte jüngst angekündigt, die Zinsen so lange bei null zu belassen, bis die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent gefallen ist. Es ist das erste Mal, dass eine moderne Notenbank ihr Ziel anhand der Arbeitslosigkeit definiert. Eine derart klare Vorfestlegung wäre hier in Europa völlig undenkbar. Die EZB hingegen muss auch weiter dem alleinigen Ziel der Preisstabilität huldigen. So steht es in den europäischen Verträgen. Zu deren strikter Einhaltung mahnen fast jeden Tag die Bundesbank und die meisten deutschen Leitartikler. Die Folgen dieser Diskrepanz in der Geldpolitik zwischen EZB und fast allen anderen großen Notenbanken sind in den Märkten überhaupt noch nicht durchgesickert. Ich erwarte eine kräftige spekulative Aufwertung des Euro, die die Krise im Euro-Raum noch verschärfen wird.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung Orlando Pascheit: Die generelle Skepsis Münchaus gegenüber der weihnachtlichen Stimmung hinsichtlich der europäischen Krise ist sicherlich angebracht. Wobei er allerdings etliche grundlegende Probleme, die hinter der Krise stehen, gar nicht anspricht. Z.B. wie soll die bestehende Währungsunion ohne eine engere politische Union bestehen? Machen wir uns nichts vor: Ohne dauerhafte Transferunion wird diese Währungsunion nicht halten. – Münchau nervt, wenn er den unbegrenztem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB als “Schachzug eines geldpolitischen Großmeisters”, bezeichnet. Mario Draghi bzw. die EZB hat viel zu spät begriffen, worauf auf den NDS seit Beginn der “Eurokrise” hingewiesen wird.
- Europas Banken beanspruchten 1.600.000.000.000 Euro Staatshilfe
Die europäischen Banken haben von Oktober 2008 bis Ende vergangenen Jahres 1,6 Billionen Euro an staatlichen Beihilfen beansprucht. Das entspricht 13 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU, geht aus dem am Freitag von der EU-Kommission veröffentlichten Beihilfenanzeiger hervor. Zwei Drittel der Bankenhilfen wurden demnach in Form von staatlichen Garantien für Kredite zwischen den Banken gewährt.
Quelle: derStandard.at
Anmerkung JB: Überflüssig zu erwähnen, was man mit dieser Summe alles sinnvolles hätte machen können.
- Alles verbaselt: Über das Basel-III-Abkommen zur internationalen Bankenregulierung
Im Januar 2013 sollen mit dem Basel-III-Abkommen internationale Maßnahmen zur erweiterten Bankenregulierung in Kraft treten. Doch die Konkurrenz der Finanzstandorte macht derartige Regelungen fast unmöglich. Die wichtigsten Neuerungen in den Richtlinien, deren Umsetzung ab 2013 verbindlich für alle Industrie- und Schwellenländer geregelt wurde, bildet die Erhöhung der Kernkapitalquote von vier auf sieben Prozent bis 2019. Erste Schwierigkeiten gab es bereits im November desselben Jahres nach der Niederlage der Demokraten bei den Kongresswahlen in den USA, als die zugesagte vollständige Umsetzung des 2004 beschlossenen Basel-II-Abkommens mit seinen geringeren Eigenkapitalanforderungen weiter aufgeschoben wurde. Derzeit spitzt sich der Konflikt weiter zu. Seit Anfang November die federführenden US-Aufsichtsbehörden bekannt gegeben haben, dass die Regelungen in den USA nicht wie geplant ab dem 1. Januar 2013 in Kraft treten werden, wird der Ton vor allem von deutscher Seite rauer. Dabei wird verschwiegen, dass in den vergangenen Jahren die meisten der 19 US-Großbanken, die bei einem Belastungstest durch die Fed im Frühjahr 2013 evaluiert werden sollen, bereits ausreichende Kernkapitalrücklagen angelegt haben. Dagegen würden nach Angaben des Finanzstabilitätsrats, der im Auftrag der G20-Staaten die Umsetzung der Beschlüsse überwacht, nur sechs der 28 international wichtigsten Großbanken in der EU pünktlich zum Jahresstart 2013 den neuen Regeln unterliegen, da ihre Eigenkapitalisierung noch nicht weit genug fortgeschritten sei. Das Unterlaufen dieser »einheitlichen Standards«, um den Finanzinstituten der einzelnen Standorte Wettbewerbsvorteile zu sichern, war in der jüngeren Vergangenheit allerdings nicht nur eine US-amerikanische Spezialität. Bereits im Oktober waren Pläne der britischen Finanzaufsicht FSA bekannt geworden, die sehr strengen Regelungen in Großbritannien – die geforderte Eigenkapitalquote liegt dort bei zehn Prozent – durch Pauschalrücklagen, die im Fall großer Banken weit unter dieser Quote liegen würden, zu ersetzen. Und auch Deutschland war im vergangenen Jahr nicht untüchtig. Im Januar hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen François Baroin weitere Ausnahmeregelungen eingefordert. Vor diesem Hintergrund erscheint es derzeit mehr als fraglich, ob die Regelungen überhaupt jemals in Kraft treten werden. Gänzlich unwillkommen dürfte dies nur wenigen sein.
Quelle: Jungle World
Anmerkung Orlando Pascheit: Die Zeit geht in das Land und sowohl Basel III, einst als “Herzstück der Finanzsektorreform” (Wolfgang Schäuble) verkauft, als auch viele andere angedachte Finanzmarktreformen werden verwässert oder gehen endgültig den Bach hinunter. Wir brauchen keinen großen Weltuntergang. Was in der großen Krise abläuft ist für viele, die für die Krise bezahlen, durchaus ein Untergang ihrer Welt.
- Die Krise der Volkswirtschaftslehre: Was nun, Herr Smith?
Die Finanzkrise stellt alte Dogmen der Volkswirtschaftslehre in Frage. Der Glaube an die Selbstheilungskräfte der Märkte ist verflogen. Das Fach von Adam Smith steht vor seiner größten Herausforderung seit Jahrzehnten.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Dieser sehr lesenswerte Beitrag der Handelsblatt-Redakteure Olaf Storbeck und Norbert Häring wurde vom Handelsblatt bereits am 30.09.2012 veröffentlicht. Die beiden Handelsblatt-Redakteure schreiben gegen Ende ihres Beitrags:
“Heute setzt sich unter Wirtschaftswissenschaftlern die Erkenntnis durch, dass das Fach seine selbst gewählte Isolation überwinden muss. „Wir müssen mehr mit unseren Kollegen aus der Psychologie, der Soziologie und der Neurowissenschaft reden“, sagt der Yale-Ökonom Robert Shiller. Auch INET-Direktor Robert Johnson ist überzeugt, dass sich die Disziplin langsam, aber sicher bewegt. „Ich spüre gelegentlich noch Widerstand von Mainstream-Ökonomen, aber ich sehe auch sehr viele, die anfangen, ihre Forschungsagenda zu verändern.“”
Diese Aussage ist für zahlreiche Staaten innerhalb und außerhalb Europas sicherlich zutreffend, nicht jedoch für die übergroße Mehrzahl der deutschen Wirtschafts-“Wissenschaftler”, die mehr denn je die neoliberalen Dogmen wie eine Monstranz vor sich hertragen. Sie verkünden tagtäglich die für die deutsche (Wahl-)Bevölkerung in wohlklingende Worthülsen verpackte und häufig zusätzlich chauvinistisch angereicherte Parole vom deutschen Wesen, an dem die Welt wieder einmal genesen soll. Diese Wirtschafts-“Wissenschaftler” finden in Politik und Medien willige Abnehmer für ihre einseitigen “Rezepte” im Dienste der deutschen, teilweise auch der europäischen “Eliten” (auch diesen ist oftmals an Lohnkürzungen und Sozialabbau in ihren jeweiligen Ländern gelegen).
Da eine kritische Gegenöffentlichkeit in unseren Mainstream-Medien so gut wie nicht stattfindet, haben diese neoliberalen Ideologen zur Zeit ein leichtes Spiel: Sie erklären das parasitäre, auf Lohn-, Sozial- und Unternehmenssteuerdumping basierende deutsche “Exportmodell” zum europäischen Allheilmittel, verschweigen aber, daß dessen Übertragung auf ganz Europa aus vielerlei Aspekten heraus scheitern würde. Sie preisen den “ausgeglichenen deutschen Staatshaushalt”, verschweigen aber, daß dies zu einem erheblichen Teil auf die von der “schwäbischen Hausfrau” Merkel oktroyierte Kaputtsparpolitik in den europäischen Krisenstaaten, der daraus für Deutschland resulierenden Ausgabe nahezu zinsfreier Staatsanleihen (Deutschland als “Fluchtland” für Kapitalanleger) und dem aus der hiesigen Dumpingpolitik resultierenden Export von Arbeitslosigkeit sowie dem dadurch bedingten Anstieg der Auslandsverschuldung der darunter leidenden Krisenstaaten zurückzuführen ist.
In ihrer geradezu “unwissenschaftlichen” Kurzsichtigkeit blendet die übergroße Mehrheit der deutschen Wirtschafts-“Wissenschaftler” die von ihrer Fixierung auf die neoliberale Ideologie ausgehenden mittel- und langfristigen ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Schäden, welche auch auf Deutschland zurückschlagen werden, nahezu vollständig aus.
- Uncle Sam plays it again
Kakophonie statt Einstimmigkeit, jeder für sich und gegen alle anderen. Duckmäusertum und Gewusel statt Einigeln und Wagenburg. Resultat: Jetzt hat’s die Staatsbank ZKB erwischt. War völlig vorhersehbar.
Zwei Kader- und ein ehemaliger Mitarbeiter der ZKB wurden vom New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara wegen Beihilfe zu Steuerbetrug von US-Bürgern angeklagt. Sie sollen dabei geholfen haben, 420 Millionen Dollar vor dem US-Fiskus versteckt zu haben. Nicht nur ich habe seit der Anklage gegen drei Wegelin-Mitarbeiter und dann gegen die Bank selbst davor gewarnt, dass nichts die USA daran hindert, dieses Drehbuch beliebig oft nochmals durchzuspielen. Denn die bisherige Reaktion der Schweizer Regierung, Schweizer Behörden, der Bankiervereinigung und der mehr als 300 Schweizer Banken ist gleichbedeutend mit nichts.
Quelle: Journal 21
- Weihnachtsgeschenk: automatischer Informationsaustausch wird kommen
Im Vorfeld der Ablehnung des Steuerabkommens im Bundesrat wurde von Schweizer Seite und aus Regierungskreisen in Deutschland wiederholt die Alternativlosigkeit des Abkommens bemüht. Entweder dieses Abkommen, oder keines. Entweder die Abgeltungssteuer, oder nichts. Der automatische Informationsaustausch wurde kategorisch ausgeschlossen.
Quelle: blog steuergerechtigkeit
- Slowakei – Exportchampion zu sein ist nicht immer ein Vorteil
„Die Slowakei produziert schon zu viel für die Welt“, heißt es in der Pravda. Die Tageszeitung erklärt, dass die Exporte nunmehr 94 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmachen. Durch dieses Verhältnis wird die Slowakei nach Malta, Luxemburg und Ungarn zu einem der meistexportierenden EU-Staaten sowie zu einem der handelsoffensten Ländern der Welt. Die slowakische Wirtschaft wird von der Automobilbranche unterstützt: 2012 wurden 850.000 Fahrzeuge hergestellt, also 157 pro 1000 Einwohner […]
Die Wirtschaftsexperten betonen, dass das Wirtschaftswachstum der Slowakei nur auf dem Papier besteht: Es reduziert die Arbeitslosigkeit nicht und füllt auch nicht die Staatskassen. Die Automobilhersteller profitieren von einem niedrigen Steuersatz und da der Großteil der Produktion exportiert wird, bezieht die Slowakei keine Steuern auf die Absätze. Das Land ist zu sehr vom Handel abhängig und erzeugt nur wenig für den eigenen Markt.
Quelle: Pravda via Presseurop
- Boehner’s Failure and the GOP’s Disgrace
Remarkably, John Boehner couldn’t get enough House Republicans to vote in favor of his proposal to keep the Bush tax cuts in place on the first million dollars of everyone’s income and apply the old Clinton rates only to dollars over and above a million.
What? Even Grover Norquist blessed Boehner’s proposal, saying it wasn’t really a tax increase. Even Paul Ryan supported it.
What does Boehner’s failure tell us about the modern Republican party?
Quelle: Robert Reich
- DGB-Mindestlohnforderung von 8,50 Euro liegt unter Niedriglohnschwellenwert
Das europäische Amt für Statistik, Eurostat, hat heute eine Pressemitteilung herausgegeben, die den Anteil der Niedriglohnempfänger in der EU nach Geschlecht, Bildung und Art des Arbeitsvertrages ausweist. Zur Berechnung wurde ein so genannter Niedriglohnschwellenwert zugrunde gelegt.
“Als Niedriglohnempfänger gelten diejenigen Arbeitnehmer, deren Bruttostundenverdienst zwei Drittel oder weniger des nationalen Medianverdienstes beträgt. Folglich sind die Schwellen, die bestimmen, ob ein Arbeitnehmer als Niedriglohnempfänger gilt, vor dem nationalen Hintergrund festgelegt und spezifisch für jeden Mitgliedstaat”, definiert Eurostat. Für Deutschland wird ein Niedriglohnschwellenwert von 10,20 Euro ausgewiesen.
Die Höhe eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro, wie der DGB und auch die SPD ihn seit Jahren fordern, wäre hieran gemessen nicht geeignet, den Niedriglohnsektor in Deutschland wirksam zu bekämpfen. Selbst Die Linke bleibt mit ihrer Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro unter dem Niedriglohnschwellenwert.
Das ist umso bedauerlicher, weil Deutschland obendrein unter den Ländern der Eurozone nach den Daten von Eurostat den drittgrößten Niedriglohnsektor hat (nur für Griechenland sind keine Zahlen angegeben). Größer ist er nur noch in Zypern und in Estland.
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Auch hinsichtlich der Vermeidung von Altersarmut ist ein Mindeslohn in Höhe von 8,50 Euro nicht hinreichend. Weiter heißt es in Thorsten Hilds Aufbereitung des statistischen Datenmaterials von Eurostat: “Menschen mit niedrigem Bildungsstand haben in Deutschland schließlich EU-weit die schlechtesten Verdienstmöglichkeiten; nur in der Slowakei und Rumänien gibt es einen höheren Anteil Niedriglohnempfänger mit niedrigem Bildungsstand.” Der deutsche Niedriglohnsektor ist laut Analyse des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) jedoch auch dadurch gekennzeichnet, daß ein sehr hoher Anteil der dort Beschäftigten über eine Ausbildung verfügt: Nur 19,4 Prozent der im Niedriglohnsektor Beschäftigten haben keine Berufsausbildung, 70,1 Prozent verfügen über eine Berufsausbildung, 10,5 Prozent haben sogar einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluß. Bildung ist also hierzulande mitnichten eine Garantie für eine auskömmliche Entlohnung. In Anlehnung an Merkel kann man mit etwas Sarkasmus formulieren: “Deutschland geht es gut!”
- Geschenkverbot für Müllmänner – “Da nich’ für!”
Kein Geschenk, das mehr wert ist als zehn Euro, und erst recht kein Geld: Hamburger Müllmänner müssen großzügigere weihnachtliche Dankesgesten in diesem Jahr ablehnen. Sie wurden eigens mit erklärenden Kärtchen ausgestattet – und zum Thema Korruption geschult. […]
Die neue Linie wurde nicht nur mit den kleinen Kärtchen und einer unauffälligen Medienkampagne zur Information der Bürger begleitet, sondern vor allem von einem Wort mit Durchschlagskraft: Korruption. Die rund 2500 Kollegen der Stadtreinigung wurden von einem Mitarbeiter des Dezernats Interne Ermittlungen (DIE) der Hamburger Innenbehörde geschult und bekamen gleich zwei Faltblätter zur “Korruptionsbekämpfung” in die Hand gedrückt: die seit 1. Juni 2012 geltenden “Wichtigen Informationen” der Stadtreinigung sowie eine Broschüre des DIE. Darin wird erklärt, dass Korruption kein Kavaliersdelikt sei, weil sie jährlich enorme volkswirtschaftliche Schäden verursache, seriösen Wettbewerb verdränge, Arbeitsplätze vernichte – und direkt in die Strafbarkeit führe. “Uns wurde sogar gesagt, wie viel Haft dafür droht”, so Rot über die Schulung.
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung unserer Leserin C.W.: Um den immensen volkswirtschaftlichen Schaden näher beziffern zu können: Die Gebühren für die Entsorgung eines 120 L Müllsacks 1x wöchentlich betragen laut Hamburger Stadtreinigung 16,12 € pro Monat, das macht pro Woche ca. 4,00 € pro Sack.
Es fehlt mir leider die Information, wie viele illegale Müllsäcke pro Woche dank Bestechung entsorgt werden. Vor dem Hintergrund, dass sich die Stadt Hamburg neben einer Müllverbrennungsanlage, die natürlich unterhalten werden muss, auch eine 575 Mio. € teure Philharmonie leistet, ist der volkswirtschaftliche Schaden durch die dank Bestechung der Müllmänner illegal mitgenommenen Müllsäcke natürlich gewaltig.
Allein für die letzte Preissteigerung der Elbphilharmonie von 200 Mio. € könnte man grob geschätzt 50.000.000 120 L- Müllsäcke gratis entsorgen…
- Zeitung: Vattenfall verlangt 3,5 Milliarden Euro für Atomausstieg
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verlangt nach Medienangaben aus der deutschen Staatskasse rund 3,5 Milliarden Euro Schadenersatz für den Atomausstieg. Die Stockholmer Wirtschafts-Tageszeitung «Dagens Industri» nannte die Zahl ohne Angaben von Quellen.
Quelle: Badische Zeitung
- Bundesrat versagt Zustimmung zu Streubesitzdividendenregelung
Der Bundesrat hat seine Zustimmung zu dem vom Bundestag am 29. November 2012 beschlossenen Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (17/11314, 17/11711, 17/11718) versagt. Dies teilt der Bundesrat in einer Unterrichtung (17/11940) mit.
Nach dem Bundestagsbeschluss sollten sogenannte Streubesitzdividenden, die an ausländische Unternehmen gezahlt werden, steuerfrei sein. Damit sollte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland) umgesetzt werden. Das Gericht hatte die Erhebung der Abgeltungsteuer auf Dividendenzahlungen an ausländische Unternehmen untersagt, wenn die Beteiligung unter zehn Prozent liegt und damit die sogenannte „Mutter-Tochter-Richtlinie“ keine Anwendung findet. In diesen Fällen war bisher Kapitalertragsteuer von 25 Prozent einbehalten worden, bei Vorhandensein eines Doppelbesteuerungsabkommens 15 Prozent. Bei inländischen Unternehmen wurde zwar auch die Kapitalertragsteuer erhoben, sie wurde jedoch mit der Körperschaftsteuer verrechnet. Die unterschiedliche Behandlung in- und ausländischer Unternehmen war vom EuGH als Verstoß gegen europäisches Recht angesehen worden.
Quelle: Deutscher Bundestag
- Komplexe Uno-Mission in Haiti
Die Cholera-Epidemie hat die Uno-Mission in Haiti in Misskredit gebracht. Deren vielfältige Dienste in den Bereichen Sicherheit, Staatsaufbau, Infrastruktur und humanitäre Hilfe braucht das Land jedoch weiterhin. Ein allein an militärischen und polizeilichen Kriterien orientierter Begriff von Sicherheit wäre gerade in Haiti fehl am Platz. Gewalt gedeiht hier vor allem auf dem Boden sozialer und wirtschaftlicher Fehlentwicklungen, mangelhafter oder inexistenter Institutionen, von Rechtsunsicherheit und Straflosigkeit. Oder wie es der Humanitäre Koordinator der Uno, der Kanadier Nigel Fisher, unverblümt ausdrückt: «Warum ist Haiti, wie es ist? Ein schwacher Staat, eine Elite, der das Schicksal der breiten Bevölkerung egal ist, eine von Embargos und subventionierten Billigimporten zerstörte Wirtschaft, unkontrolliertes Bevölkerungswachstum.» Die Unterscheidung zwischen humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sei hier nicht sinnvoll, meint Fisher; jedes Jahr bringe neue Katastrophen. 2012 gab es zunächst eine Dürre, dann Hurrikane und starke Regenfälle, die wegen der fast vollständigen Entwaldung und der prekären Lebensverhältnisse viel stärkeren Schaden anrichten als in den Nachbarländern. Weil die Ernte im Oktober zerstört wurde, rechnet die Uno bei rund 10 Millionen Einwohnern mit 1,5 Millionen «in extremer Nahrungsunsicherheit», also Hunger. Für Nothilfe ist die Minustah nicht zuständig. Der zivile Arm der Mission leistet aber unter dem Titel der Gewaltprävention Hilfe mit längerfristiger Perspektive. In gefährdeten Gemeinden werden die Bewohner in arbeitsintensiven Infrastrukturprojekten beschäftigt. Frauen erhalten Coaching und Startkapital als Kleinunternehmerinnen. In einem Ausbildungs- und Sozialisierungsprojekt sollen Jugendliche aus Elendsvierteln dem Teufelskreis von Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität entzogen werden. Von ihren Gemeinden ausgewählte Buben und Mädchen ohne Schulabschluss lernen die Grundlagen des Handwerks eines Maurers, Kühlungstechnikers oder Elektroinstallateurs. Wo nötig, werden sie alphabetisiert, psychologisch betreut und über die Gefahren von Alkohol und Drogen aufgeklärt; auch vermittelt man ihnen einen Begriff von Bürgersinn und Allgemeinwohl. Ein ähnliches Programm gibt es für junge Häftlinge.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Angesichts der selbstverschuldeten und in der Folge mehr schlecht als recht gemanagten Finanzkrise und des dadurch verursachten Wohlstandsverlustes großer Bevölkerungsteile in der westlichen Welt, stößt es einen bitter auf, wenn ein Herr Niebel meint die deutsche Entwicklungshilfe-Quote mit der Griechenlandhilfe aufrechnen zu können: “Man könnte durchaus fragen, warum die Hilfen für Griechenland hier nicht eingerechnet werden. Athen hat doch die gleichen Probleme wie viele Entwicklungsländer. Dann wäre die Quote längst übererfüllt.“
Bislang werden Milliarden für die Rettung auch deutscher Banken zur Verfügung gestellt, während die Bevölkerung nicht nur in den sogenannten Krisenländern ausgepresst wird. Sowohl Deutschland bzw. Europa oder die USA werden nach dem Austeritätsregime als Antwort auf diese Finanzkrise in der Tat Probleme haben, die wir bisher nur von Entwicklungsländern kannte. Wie gut hätte man die Bankenrettungsgelder im Kampf gegen die auch ohne Krise viel zu hohe Arbeitslosigkeit und die soziale Deprivation ganzer Bevölkerungsteile in Deutschland einsetzen können. – Und in Ländern, deren Not die unsere (europäische) bei weitem übertrifft. Schon vergessen? Haiti ist ein solches Land. Die wirklich hervorragende Auslandsberichterstattung der NZZ erinnert daran.
- Ägyptischer Verfassungsstreit: Die Angst vor den Pharaonen
Gegen den Verfassungsentwurf der Muslimbruderschaft gibt es viele Einwände. Es gibt aber auch Argumente für ihn: Von den religiösen Bezugnahmen auf die familiäre Rolle der Frau hat man sich verabschiedet. Der zuletzt besonders von Frauen geäußerte Vorwurf, der Entwurf sei noch frauenfeindlicher als die Verfassung von 1971, ist indes kaum haltbar. Ein Vergleich der beiden Fassungen ergibt, dass man sich in der neuen Version sogar von religiösen Bezugnahmen auf die gesellschaftliche wie familiäre Rolle der Frau verabschiedet hat. So hieß es im Hinblick auf die Bemühungen des Staates, Frauen die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu erleichtern, 1971 noch in Artikel 11, dass dies ohne „Verstöße gegen die islamische Rechtsprechung“ erfolgen solle. Diese Auflage findet sich im jetzigen Verfassungsentwurf nicht mehr. Hier garantiert der ägyptische Staat mittlerweile sogar kostenlose medizinische Versorgung für Mutter und Kind. Auch wird in der neuen Fassung die Gleichberechtigung der Frau ausdrücklich in den Vordergrund gestellt.
Unverkennbar ist jedoch das Bestreben, dem Verfassungswerk und damit auch der künftigen ägyptischen Regierung eine deutlichere religiöse Note zu verleihen, und dies nicht nur im Hinblick auf den Islam. Dieser ist zwar wie bisher Staatsreligion, nun aber sichert die neue Verfassung Christen wie Juden nicht nur Religionsfreiheit, sondern auch eine weitgehend autonome Rechtsprechung in internen religiösen und familienbezogenen Angelegenheiten zu. Damit folgt man dem einstigen pluralistischen Modell des Osmanischen Reiches. Die hin und wieder geäußerte Kritik, die Freiheit nichtabrahamitischer Religionen sei hiermit nicht garantiert, entbehrt jeder Grundlage: Artikel 43 definiert die Glaubensfreiheit als ein fundamentales Menschenrecht.
Quelle: FAZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Die Meisten von uns dürften von der neuen Verfassung in Ägypten nur über die Medien informiert sein. Und hier dominieren Aufmerksamkeit erregende Schlagzeilen wie “Faschistische Verfassung“.
Insofern ist es für uns von Nutzen, wenn jemand etwas tiefer in die Details dieser Verfassung zu geht, wie es Joseph Croitoru versucht. Allerding wird es sehr darauf ankommen, wer die Verfassung auslegen wird. Wenn Croitrou dem Vorwurf, dass in der neuen ägyptische Verfassung der islamischen Al-Azhar-Universität ein Einspruchsrecht eingeräumt werde, entgegnet dass dies nur für Angelegenheiten der Scharia gilt, so hilft uns das auch nicht weiter. Denn in Artikel zwei steht: “Die Grundsätze der Scharia, also des islamischen Rechts sind die Hauptquelle der Gesetzgebung.” Dass man hier aber auch hier auf jedes Wort achten muss, zeigt sich darin, dass mit dem Wort “Die Grundsätze” die Bestrebungen der Salafisten gekontert wurden, die dort verankert haben wollten, dass die Scharia die Quelle des ägyptischen Rechts wird. Ein ganz wesentlicher Unterschied. – Sicherlich wichtig, aber dieses Schariadiskussion nervt ein wenig. Wie steht es mit der Macht des Präsidenten? Welche Rolle ist dem Militär vorgeschrieben?
- Das Allerletzte: Weihnachtsfeier und Mitgliederversammlung 2012 Junge Union Münster
Quelle: JU Münster via Facebook
Anmerkung JB: Auch die Stellungnahme der JU Münster macht die Sache nicht besser – im Gegenteil. Jungpolitikern, die unter der schwarz-weiß-roten Flagge posieren darf man durchaus eine mangelnde Sensibilität für die deutsche Geschichte absprechen. In einer Partei, in der man die „Ausgrenzung“ der NPD auch schon mal mit der Judenverfolgung vergleicht, sind sie jedoch offenbar gut aufgehoben.