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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Dezember 2012 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Auf des Messers Schneide – Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung 2013
  2. Die neue Große Depression
  3. Kritik an “Wachstum auf Pump”: Fragwürdige Nähe zwischen Merkel und manchen “Linken”
  4. Joseph Stiglitz – Das Ende des Amerikanischen Traums
  5. Einfach magisch
  6. Future Scenarios of a Better Society?
  7. Schweizer stimmen für mehr Steuern
  8. London Falling
  9. Wut auf Fitschen
  10. 2,2 Milliarden Euro Mittel für Langzeitarbeitslose ungenutzt
  11. Immobilienpreise in Deutschland: Jetzt muss die Luft raus
  12. EU will Deutsche Bahn bis 2019 zerschlagen
  13. Hamburger Elbphilharmonie – Plädoyer für eine Ruine
  14. Ex-Steuerfahnder waren gesund
  15. OECD-Studie zu Geschlechtergleichstellung: Deutschland auf den letzten Rängen
  16. Der Kandidat bleibt Wahlkampfthema
  17. Die Turbo-Abiturienten
  18. Wider die marktkonforme Demokratie
  19. Neues aus der Anstalt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Auf des Messers Schneide – Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung 2013
    Ein Riss geht durch den Euroraum. Auf der einen Seite eine steigende Anzahl von EWU-Ländern, die durch die Krise in eine Rezession oder gar in eine tiefe Depression geraten sind. Auf der anderen Seite einzelne Volkswirtschaften wie Deutschland, denen es bislang gelungen ist, sich der Krise halbwegs zu entziehen. Für diese unterschiedliche Entwicklung gibt es zwei wesentliche Gründe: Maßgeblich ist zum einen, ob ein Land zu einem Austeritätskurs gezwungen ist und zum anderen, ob es ausgeprägte Handelsbeziehungen zu Volkswirtschaften außerhalb des Euroraums unterhält. Solange die Entwicklung der Weltwirtschaft trotz der Krise im Euroraum im Kern aufwärts gerichtet bleibt, kann eine Volkswirtschaft wie Deutschland, die außenwirtschaftlich traditionell eng mit den USA verbunden ist und sich darüber hinaus in den vergangenen Jahren verstärkt nach Osteuropa und Asien orientiert hat, einen Rückgang der Nachfrage aus dem Euroraum mit verstärkten Exporten in diese Regionen zu einem gewissen Grade auffangen. In den kommenden Monaten wird Deutschland davon profitieren, dass der Euro im Zuge der Rezession im Euroraum deutlich abgewertet hat, wodurch sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen gegenüber Konkurrenten außerhalb der Währungsunion verbesserte. Des Weiteren hat sich nach den Wahlen in den USA die Wahrscheinlichkeit für einen Absturz der US-amerikanischen Konjunktur wegen des sogenannten „Fiscal Cliff“, bei dem der amerikanische Staat zu massiven Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen gezwungen wäre, erheblich vermindert. Dies hätte die globale Nachfrage stark belastet.
    Damit stellt sich das weltwirtschaftliche Umfeld außerhalb des Euroraums als relativ stabil dar. Das gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Krise im Euroraum sich nicht in einer Weise verschärft, die die Weltwirtschaft insgesamt spürbar in Mitleidenschaft zieht.
    Quelle: IMK Report [PDF – 1.7 MB]
    Quelle 2: Pressmitteilung mit Tabellenanhang [PDF – 496 KB]
  2. Die neue Große Depression
    Fünf Jahre dauert diese Weltwirtschaftskrise nun schon, und ein Ende ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Seit dem 15. November ist es amtlich, die Eurozone und die EU insgesamt stecken tief in der Rezession. Auch wenn die deutsche Wirtschaft bisher noch zulegt, die Wirtschaft aller Euroländer zusammen genommen schrumpft, im dritten Quartal 2012 um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal und um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die Wirtschaft der EU insgesamt wächst zwar ein ganz klein wenig, um 0,1 Prozent, schrumpft aber im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,4 Prozent.[1] Und das vierte Quartal sieht noch schwächer aus.
    Die Aussichten für 2013 sind also düster. Das Einzige, was in der europäischen Wirtschaft derzeit wächst, sind die Schlangen vor den Arbeitsämtern und die Ungleichheiten und Disparitäten zwischen den Ländern und Regionen. Griechenland steckt seit über vier Jahren in der Dauerkrise, seine Wirtschaft ist inzwischen um mehr als ein Fünftel geschrumpft worden. Auch Belgien, Finnland, die Niederlande und Österreich schrumpfen, und Großbritannien steht nach dem gefürchteten double-dip, der Zweifach-Rezession, nun vor dem triple-dip. Wohin man also auch blickt in Europa: Es herrschen Stagnation und Depression, ohne Aussicht auf Besserung.
    Quelle: Blätter
  3. Kritik an “Wachstum auf Pump”: Fragwürdige Nähe zwischen Merkel und manchen “Linken”
    Die abwertende Formel “Wachstum auf Pump” wird in jüngster Zeit wiederholt gebraucht, um bestimmte – im Detail verschiedene – Vorkommnisse im Kontext der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise zu kritisieren. Im Kern haben sie alle mit Krediten oder Verschuldung zu tun. Diese Formel wird dabei sowohl von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wie auch von sich als links und kritisch verstehenden Köpfen gebraucht. Ein guter Grund, sich diese Argumente und Diskussionen ein wenig genauer anzusehen.
    Eine Sache sei dabei allerdings vorausgeschickt: Nicht bei Merkel, wohl aber bei manchen “Linken” findet sich in Verbindung mit Kritik an “Wachstum auf Pump” eine Neigung zur Zinskritik. VertreterInnen dieser Position sehen in der Existenz des Zinses das Grundübel des modernen Kapitalismus. Ich werde auf diese Argumentation, die ich für fragwürdig halte, in diesem Artikel nicht genauer eingehen. Schließlich hat Jens Berger auf den Nachdenkseiten schon alles gesagt, was aus meiner Sicht dazu zu sagen ist. Und wer es noch ein wenig grundsätzlicher mag, der möge sich ergänzend Nadja Rakowitz’ marxistische Kritik an der Zinskritik durchlesen.
    Quelle: annotazioni
  4. Joseph Stiglitz – Das Ende des Amerikanischen Traums
    Vor vier Jahren gab es einen Moment, in dem die meisten Amerikaner die Kühnheit besaßen zu hoffen. Es schien möglich zu sein, Trends, die seit mehr als 25 Jahren anhielten, umzukehren. Stattdessen verschlimmerten sie sich. Heute ist diese Hoffnung, ungeachtet der Wiederwahl Barack Obamas, zu einem Flackern verkommen.
    Im März 2012 befanden sich rund 24 Millionen US-Amerikaner auf der Suche nach einer Vollzeitstelle.[1] In den Vereinigten Staaten werfen wir Millionen von Menschen aus ihren Eigenheimen. Wir haben auf der einen Seite Leerstand und auf der anderen Obdachlose. Natürlich ist dies eine Folge der seit 2008 anhaltenden gewaltigen Finanzkrise. Aber selbst vor der Krise hielt die amerikanische Wirtschaft nicht, was sie versprochen hatte: Obwohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs, mussten die meisten Bürger eine Senkung ihres Lebensstandards hinnehmen. Schon vor Beginn der Rezession waren die Einkommen der meisten amerikanischen Familien inflationsbereinigt niedriger als zehn Jahre zuvor. Amerika hatte eine fabelhafte Wirtschaftsmaschine erschaffen, die jedoch offensichtlich nur für diejenigen funktioniert, die sich an der Spitze der Einkommenspyramide befinden.
    Quelle: Blätter
  5. Einfach magisch
    Ein kleines Beispiel des inzwischen tief verankerten deutschen Chauvinismus gegenüber Griechenland
    Quelle: ARD (gestern um 20.15)

    Anmerkung AM: Darauf weist uns der Nachdenkseitenleser M.G. hin. Was er im Folgenden beschreibt, finden Sie in der Sendung bei 1 h, 29 min:
    Eine neue TV-Show (“Einfach magisch”) mit Tagesschausprecherin Judith Rakers. Es geht, genau, um Magie. Das Format: Jeweils ein prominenter Gast steht als Assistent einem Illusionisten zur Seite. ARD-Wetterfee Claudia Kleinert schließlich assistiert bei einem Trick, bei dem durch einen türgroßen Spiegel unglaublicherweise Gegenstände durchgereicht werden sollen. Um zu demonstrieren, dass der Spiegel echt ist, wird er von allen Seiten begutachtet und beklopft. Bei der Begutachtung des hinteren Teils jenes Spiegels entfährt es dann Frau Kleinert gut gelaunt und wörtlich:

    “Alles leer! So leer wie die Versprechen eines griechischen Finanzministers!”

    Das Publikum reagiert nicht, es hat den wie eine Wetteransage aufgesagten Satz gar nicht mitbekommen.
    Gerade diese Mini-Begebenheit zeigt, wie alltäglich, wie normal dieser Chauvinismus gegenüber Griechenland geworden ist, wie auch Frau Kleinert diese vergiftete, überhebliche neoliberale Wolke tief in sich eingesogen hat, die in ihrem Sender wabert. Warum sagt sie sowas? Nun, sie fühlt sich schlicht und einfach in ihrem Nachplappern des Mainstreams auf ganz sicherem und auch dankbaren Parkett mit diesem verunglückten Witz. Sie gibt einfach nur die Stimmung, die Meinung in ihrem Sender, in diesem Land wieder. Und sie weiß, hätte das Publikum diesen Satz mitbekommen, hätte es wohlwollend gelacht. Und genau das ist das Bedrückende an dieser an sich vollkommen nebensächlichen Begebenheit.

  6. Future Scenarios of a Better Society?
    Eine neue Erzählung werde dringend benötigt, lautet eine immer wiederkehrende Forderung in den Diskussionsprozessen zur Neuausrichtung der europäischen Sozialdemokratie. Nur wie soll diese neue Erzählung aussehen? Die Autoren analysieren für neun europäische Länder, wie die jeweilige Sozialdemokratie auf der Grundlage von Zukunftsbildern einer besseren Gesellschaft »Neue Antworten in veränderter Zeit« zu geben vermag – und, nicht zuletzt, wie diese Antworten lauten. Die Publikation stellt beachtenswerte Ansätze zur Neukonzeption der Sozialdemokratie dar und zeigt auf, wie überkommene Konfliktlinien und Gruppengegensätze aufgelöst werden könnten.
    Quelle: Friedrich Ebert Stiftung, International Policy Analysis [PDF – 1.5 MB]
  7. Schweizer stimmen für mehr Steuern
    Geldprobleme in der Schweiz? Jahrelang unterboten sich Gemeinden und Kantone mit immer niedrigeren Steuersätzen. Nun hat Luzern als erste größere Stadt der Zentralschweiz in einer Volksabstimmung die Steuern erhöht. Auch in anderen Niedrigsteuerkantonen beginnt das Umdenken. […]
    Mit einer Mehrheit von 64 Prozent billigten Luzerner nun, dass ihre steuerliche Belastung künftig im Schnitt um drei Prozent ansteigt. Die Alternative wären massive Sparmaßnahmen im städtischen Haushalt gewesen. Statt wie geplant 15 Millionen Franken müssen nun nur noch vier Millionen eingespart werden.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  8. London Falling
    Das Finanzzentrum London kämpft um seine Vormachtstellung – nicht immer auf die feine englische Art. Politiker und Aufseher geben dem Druck der Lobby nach und weichen die Regulierung auf. So verteidigt die City ihren Status als Oase für Finanzakrobaten.
    London – Dass Banker im Königreich Großbritannien keinen guten Ruf mehr genießen, ist Dietrich Becker (49) kürzlich wieder einmal auf drastische Weise klar geworden. In einem Spiel, das der Londoner Partner der Investmentbank Perella Weinberg seiner kleinen Tochter zu Weihnachten besorgt hatte, war der Böse plötzlich ein Geldmanager. So etwas, sagt Becker, begegne ihm häufiger.
    Die Zeiten sind ungemütlich geworden – nicht nur für den hageren Kapitalmarktprofi, der seit 20 Jahren in London lebt. Der Ruf der “City Boys” ist spätestens nach dem Skandal um die Manipulation des Libor-Zinssatzes ruiniert. Bei der Bevölkerung sind die Banker unten durch; auch Politiker und Behörden in aller Welt bedrängen die Briten, ihre außer Kontrolle geratene Finanzbranche zu bändigen. Regierungschef David Cameron (46) und die britischen Finanzaufseher haben öffentlich harte Schritte gegen die Geldhäuser angekündigt.
    Quelle: Manager Magazin
  9. Wut auf Fitschen
    Die Kritik des Deutsche-Bank-Chefs Fitschen an dem Vorgehen der Ermittlungsbehörden empört die Politik. Die Linke bringt sogar einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch. Fitschen selbst ist wohl nur knapp einer Razzia in seinem Privathaus entgangen.
    Quelle: SZ

    Siehe auch: Deutsche Bank ignorierte Warnungen
    Bereits 2009 warnte der britische Fiskus das Geldinstitut vor kriminellen Geschäften beim Emissionshandel. Doch anstatt intern durchzugreifen, weitete die Bank diese Geschäfte sogar noch aus und ließ sich dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit dubiosen Firmen ein.
    Quelle: SZ

  10. 2,2 Milliarden Euro Mittel für Langzeitarbeitslose ungenutzt
    Der Bund spart in diesem Jahr rund 2,2 Milliarden Euro an Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose, weil die Mittel nicht abgerufen werden. Das seien fast 15 Prozent der vorgesehenen rund 15,4 Milliarden Euro, heißt es in einem Medienbericht.
    Von den für Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose für 2012 eingeplanten Mitteln werden rund 2,2 Milliarden Euro ungenutzt bleiben. Das geht nach einem Bericht der “Saarbrücker Zeitung” vom Samstag aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Die Linken-Sozialexpertin Sabine Zimmermann forderte deswegen die Bundesregierung auf, die Mittel auf das nächste Jahr zu übertragen.
    Quelle: Der Westen

    Anmerkung unseres Lesers K.G.: Ich bin langzeitarbeitslos und bat neulich mein Jobcenter um eine Fortbildungsmaßnahme in meinem Beruf ( EIB = Europäischer Intallationsbus), um wieder Anschluss zu finden und um meine Chance einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erhöhen. Es ist kein Geld für so was vorhanden. Wir müssen sparen, war die Antwort. Wer oder was wird hier eigentlich gefördert?

  11. Immobilienpreise in Deutschland: Jetzt muss die Luft raus
    Das hat es noch nie gegeben, und es erzeugt Nervosität. Niemals zuvor in der bundesdeutschen Geschichte sind die Preise für Wohnimmobilien in den Ballungszentren so rasant geklettert. Die Statistiker messen ein Plus von zwölf Prozent in den vergangenen zwölf Monaten, auf zwei Jahre sind es etwa 20 Prozent. Das Angebot in München, Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf wird knapp, Makler schleusen bei Besichtigungsterminen Horden von Kaufinteressenten durch die Objekte. Die Leute wollen ein Haus, zu fast jedem Preis. Sie bieten um die Wette, sind bereit, hohe Schulden aufzunehmen, denn die Zinsen sind niedrig. In Spanien und den USA waren diese Umstände Auslöser der späteren Katastrophe, die direkt in die globale Finanzkrise und das Euro-Schuldendilemma führten. Erlebt Deutschland eine Immobilienblase? – Viele Ökonomen haben sich schon daran versucht, übertriebene Preisniveaus, sprich Blasen, zu identifizieren. Aber noch immer gilt vielerorts die Regel: Eine Blase offenbart sich erst, wenn sie platzt. Es ist ein komplexes Thema, auch jetzt, bezogen auf den deutschen Immobilienmarkt.
    Quelle: SZ
  12. EU will Deutsche Bahn bis 2019 zerschlagen
    Die EU-Kommission will bei der Deutschen Bahn einem Bericht zufolge früher als bisher bekannt eine Trennung von Netz und Bahnbetrieb erzwingen. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas wolle im Januar seine Pläne für eine Zerschlagung des Unternehmens mit dem Zieldatum 2019 vorlegen.
    Quelle: RP Online
  13. Hamburger Elbphilharmonie – Plädoyer für eine Ruine
    Wieder 200 Millionen Euro teurer, wieder ein Jahr Verzögerung – warum wollen die Hamburger ihre Elbphilharmonie eigentlich fertig bauen? Bei einem endgültigen Baustopp wäre die Stadt wieder flüssig und hätte zudem das weltweite erste Mahnmal gegen Image-Idiotie und politische Geltungssucht.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Ab und an hat auch die Spiegel Online Redaktion einen wertvollen Impuls – gerade in Zeiten der von der Bankenkrise verursachten EU-weit steigenden Verschuldung sollten solche angeblichen Prestige-Projekte in der Tat gestoppt werden und wenn überhaupt nur noch realisiert werden, wenn die Risiken und Kosten komplett privat getragen werden. Auch die Alternative, die 200 Millionen in dringend benötigen sozialen Wohnraum in der deutschen Millionärshauptstadt Hamburg zu investieren stimmt sicherlich, gerade wenn man sich überlegt das dieses Geld von allen Steuerzahlern (dazu gehören auch die Ärmsten, die die Elbphilharmonie mit ihren von der Allgemeinheit hoch subventionierten Eintrittskarten mangels verfügbarem Einkommen wahrscheinlich sowieso nie von innen sehen werden) in Hamburg aufgebracht werden muss. Dafür steigen dann sicherlich bald wieder Kindergarten und KITA-Gebühren, Grundabgaben und weitere kommunal erhobene Gebühren.

    passend dazu: Grünen-Politiker sieht bewusste Täuschung des Parlaments bei prestigeträchtigen Großbauten
    Quelle: Das Erste, Morgenmagazin, Mediathek

  14. Ex-Steuerfahnder waren gesund
    Ein Gutachten bringt Hessens Regierung unter Druck: Die vor mehreren Jahren für dienstunfähig erklärten hessischen Steuerfahnder sind offenbar psychisch gesund gewesen. Die SPD fordert eine Entschuldigung von Ministerpräsident Bouffier. […]
    Die Gutachten setzen die hessische Landesregierung unter Druck. Das Land hatte die Steuerfahnder zwischen 2007 und 2009 aufgrund falscher Expertisen des Frankfurter Psychiaters Thomas H. zwangsweise in den Ruhestand geschickt, der den Beamten unheilbare „paranoid-querulatorische“ Störungen attestierte. Sie hatten 2001 mit zahlreichen Kollegen gegen eine Amtsverfügung protestiert, die nach ihrer Ansicht zur Schonung reicher Steuersünder führte. Regierung und schwarz-gelbe Koalition behaupten, H.s Gutachten hätten nur an „formellen Fehlern“ gelitten. Diese Haltung wird durch die neuen Gutachten erschüttert.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. OECD-Studie zu Geschlechtergleichstellung: Deutschland auf den letzten Rängen
    So liegt Deutschland, was das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen angeht, unter allen 34 OECD-Ländern auf dem drittschlechtesten Platz. 22 Prozent weniger Gehalt bekommen Frauen bei den mittleren Einkommen…Dabei sind gerade junge Frauen laut den Ergebnissen der Studie besser ausgebildet als Männer…
    Mehr als die Hälfte des Einkommensunterschieds sei auf Teilzeitarbeit zurückzuführen, sagte die Leiterin der OECD-Abteilung für Sozialpolitik, Monika Queisser. In Deutschland arbeiten 62 Prozent der Frauen zwischen 25 und 54 Jahren in Teilzeit, im Nachbarland Frankreich sind es nur 26 Prozent. Einen Ausweg aus der hohen Teilzeitquote sieht Queisser in “guter und bezahlbarer Kinderbetreuung”.
    Noch schlechter als bei den Gehaltsunterschieden schneidet Deutschland aber beim geschlechterbedingten Rentengefälle ab: Dort belegt es unter allen OECD-Ländern den letzten Platz mit dem größten Unterschied zwischen den Geschlechtern.
    Quelle 1: SZ
    Quelle 2: OECD Closing the Gender Gap: Act Now [PDF – 503 KB]
    Quelle 3: Gleichstellung der Geschlechter – Zeit zu handeln, Deutschland [PDF – 503 KB]
  16. Der Kandidat bleibt Wahlkampfthema
    So sehr sich die SPD danach sehnt, endlich wieder das soziale Gewissen der Republik verkörpern zu können: Viele in ihren Reihen mögen nicht glauben, dass ihr dies mit Steinbrück gelingt. Er hat sich als rigoroser Anhänger und Verfechter der Agenda-Politik profiliert, die dazu beitrug, die Gräben in der Gesellschaft zu vertiefen. Dass er nun für soziale Gerechtigkeit streitet, vermittelt sich nur schwer. Manche in der SPD – und viele in der Bevölkerung – halten ihn bei diesem Thema nicht für glaubwürdig.
    Den Agenda-Anhängern in der SPD behagt es wiederum nicht, dass Steinbrück die soziale Gerechtigkeit so stark ins Zentrum des Wahlkampfes schiebt. Fraktionschef Steinmeier, der Architekt der Agenda-Politik, warnt die Partei bereits, sich auf das Thema Gerechtigkeit zu verengen. Die SPD könne nicht nur über Steuerhöhungen für Spitzenverdiener reden, wenn sie die Wahl gewinnen wolle. Die Partei müsse sich auch mit der Wirtschafts- und Industriepolitik befassen…
    Inzwischen wird über sein Verhalten bei den Krisen von WestLB und ThyssenKrupp diskutiert, deren Aufsichtsgremien er angehörte. Und ob er als Finanzminister aus dem Kontakt zu Party-König Schmidt geldwerte Vorteile zog. Und welche Rolle er bei der schleppenden Bewilligung von Ghetto-Renten spielte.
    Quelle: Post von Horn
  17. Die Turbo-Abiturienten
    Eine Hamburger Studie zeigt: Die Schulzeitverkürzung am Gymnasium (G8) hat die Leistungen der Abiturienten nicht vermindert, sondern sogar verbessert.
    Die zweite gute Nachricht: Diese leichte Leistungssteigerung wurde erreicht, obwohl die Zahl der Abiturienten in Hamburg deutlich gestiegen ist. Waren es 2005 erst 4.826 (32,5 Prozent der Schüler machten Abitur), so waren es im Jahr 2011 beachtliche 7.482 (52,7 Prozent der Schüler machten Abitur). Dabei veränderte sich auch die soziale Zusammensetzung der Abiturienten; der Anteil der Schüler aus sogenannten bildungsfernen Schichten hat sich verdoppelt. Trotzdem führt die Steigerung der Zahl der Abiturienten also nicht, wie von vielen befürchtet, zu einem Leistungsabfall.
    Quelle 1: Zeit Online
    Quelle 2: welt.de

    Anmerkung G.L.: Man kann sich ausmalen, welche Möglichkeiten dies für die Bildungspolitik eröffnet: Je mehr man die Schulzeit kürzt, umso besser schneiden die Schüler im Abitur ab (Achtung: das war Satire!).
    Diesen Jubelberichten liegen zwei Tatsachen zugrunde, die man fraglos akzeptieren kann: 1. Die Schulzeit wurde um ein Jahr gekürzt, und 2. die vom Hamburger Landesinstitut ermittelten Testwerte liegen 2012 höher als die Testwerte, die es 2006 berechnet hat.
    Aber alles andere ist fragwürdig. Die Tests werden unter Verschluss gehalten, so dass die Öffentlichkeit nicht sehen kann, was da in beiden Jahren getestet wurde. Wir wissen nicht, ob wirklich anspruchsvolles Wissen und Können, also Kompetenz im eigentlichen Sinne getestet wurde, oder wieder nur auswendig gelerntes Wiedererkennungswissen. Wir wissen nicht, welche Hilfen im Test gegeben wurden, die es Schülern ohne jeden Unterricht in den geprüften Fachgebieten ermöglicht, das Abitur zu bestehen (wie das Hans Peter Klein im Biologie-Abitur in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen hat). Wir wissen nicht, ob die Aufgaben so voll gepumpt mit Distraktoren waren, dass Testteilnehmer mit guten Ratestrategien im Vorteil waren. Schulleistungstests sanktionieren oft Schüler, die Testaufgaben zu genau nehmen. Es kann sein, dass die in Hamburg verwendeten Schulleistungstests ähnlich wie das Memory-Spiel Schüler benachteiligen, die zu viel wissen. Wer als Erwachsener schon einmal gegen einen Grundschüler Memory gespielt hat, weiß wovon ich spreche. Wir wissen auch nicht, wie die Abituranforderungen geändert wurden, um gute Ergebnisse zu erzielen.
    Wir müssen aufpassen, dass wir das Niveau unserer Schulen nicht dem niedrigen Niveau der Tests anpassen, die unsere Testindustrie derzeit zu konstruieren vermag. Dann entsteht nämlich genau der paradoxe Effekt, der sich in den USA eingestellt hat, dass nämlich nach 50 Jahren Testkampagnen das Schulleistungsniveau stagniert, statt sich weiterzuentwickeln.
    Wir müssen auch aufpassen, dass wir die Überprüfung von höheren kognitiven Funktionen nicht verwechseln mit der Erschwerung von Tests durch mehr Zeitdruck und mehr Distraktoren, wodurch nur “Nervenstärke”, und nicht Kompetenz gemessen wird.
    Es kann nicht hingenommen werden, dass dieselben Institute, die schulische Reformen instruieren, diese auch bewerten, ohne dass unabhängige Wissenschaftler hinzugezogen werden und ohne dass die Tests und die Daten für unabhängige Forscher zugänglich sind. Damit wird jede öffentliche Kontrolle außer Kraft gesetzt und einer sozialschädlicher Testeritis Tür und Tor geöffnet.
    Noch ein Tipp an die Redakteure, die solche Berichte unkritisch an die Öffentlichkeit transportieren: Es gibt viele kompetente Experten, die Hilfestellung für eine kritische Analyse von Testergebnissen geben können.

  18. Wider die marktkonforme Demokratie
    Der Schriftsteller Ingo Schulze erhät den Bertolt-Brecht-Preis 2013 […]
    Den Brecht-Preis 2013 von Augsburg, der Geburtsstadt des Dichters, erhält Ingo Schulze (der am vergangenen Samstag 50 wurde). Schulze (»33 Augenblicke des Glücks«, »Simple Storys«, »Neue Leben«) – ein Polemiker »Wieder die marktkonforme Demokratie« und »Gegen die Ausplünderung der Gesellschaft« – sei, so die Jury, der »hartnäckigste Chronist der deutschen Wiedervereinigung«. Ein Porträtist der Wendegewinnler und Wendeopfer, derer, die beides zugleich sind. Ein Neudeutschlandmaler. »Das Chaos ist aufgebraucht. Es war die beste Zeit.« Einer der schönsten Sätze Brechts. Er könnte über dem Werk Ingo Schulzes stehen.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung JB: Die NachDenkSeiten gratulieren! Allen Lesern sei an dieser Stelle noch einmal Schulz ganz wunderbare Rede „Unsere schönen neuen Kleider“ empfohlen, die wir im Februar dieses Jahres veröffentlichen durften.

  19. Neues aus der Anstalt
    Zu Gast in der traditionell längeren Festtagssendung kurz vor Weihnachten sind Rainald Grebe, Michael Hatzius, Jochen Malmsheimer und Nico Semsrott.
    Dienstag, 18. Dezember 2012 um 22:15 Uhr im ZDF
    Quelle: ZDF


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