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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Zur Studie von A.T. Kearney, wonach 85% der Mitarbeiter in betrieblichen Verwaltungsfunktionen deutscher Schlüsselindustrien in den nächsten fünf bis zehn Jahren ihren Job verlieren
Datum: 14. August 2006 um 16:40 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Kai Ruhsert
Die weitere Verunsicherung der Angestellten wird von vielen Ökonomen und Arbeitgebern gewiss gerne gesehen. Doch ob das wirklich der einzige Zweck ist? Und wie wird diese Prognose begründet?
In der TAZ vom 12. August war der folgende Beitrag erschienen:
Software ersetzt den Kollegen
Studie: In der Verwaltung von Großunternehmen fallen in den nächsten fünf bis zehn Jahren 85 Prozent der Jobs weg. Grund: Neue Technologien. Die Mitarbeiter sind schon jetzt unter Druck.
In derselben Ausgabe der TAZ gab es dazu einen Kommentar:
Der Grund für den Abbau von Jobs in der Verwaltung ist Profitgier
Dass erneut und auch noch fast 85 Prozent aller Arbeitsplätze abgebaut werden, ohne dass die Unternehmen massivst an Qualität und Kundennähe verlieren, ist nicht denkbar. Die Studie – in Eigeninitiative von einer großen Managementberatung durchgeführt – kann deshalb nur einen Zweck verfolgen: die Beschäftigten auch in lange als sicher geltenden Angestelltenjobs zu verunsichern.
Eine Zusammenfassung der Studie ist auf der Website von A.T.Kearney zugänglich. Deren Schwächen sind offensichtlich und lassen sich in zwei Punkten zusammenfassen:
Wer behauptet, dass innerhalb von fünf bis zehn Jahren 120.000 von 150.000 Arbeitsplätzen wegrationalisiert werden, sollte schon etwas genauer sagen können, welche technischen Innovationen einen so großen Produktivitätsschub ermöglichen sollen. Die in der Studie erwähnten Beispiele überzeugen nicht:
Fazit: Die Faktenbasis der Studie scheint für so weitgehende Prognosen nicht auszureichen.
Die Autoren von A.T. Kearney befassen sich ausschließlich mit der Automatisierung einfacher, betrieblicher Verwaltungstätigkeiten. Doch die softwaregestützte Prozessintegration und Automatisierung dient keineswegs nur der Rationalisierung, sondern eröffnet auch ganz neue Möglichkeiten. Beispiele:
All diese Möglichkeiten, die Industrialisierung betrieblicher Verwaltungsfunktionen nicht nur zur Rationalisierung, sondern auch für Qualitätsverbesserungen und die Bewältigung neuer Aufgaben zu nutzen, werden in der Studie von A.T. Kearney als strategische Ziele noch nicht einmal erwähnt. Da stellt sich die Frage nach dem Sinn dieses Papiers. A.T. Kearney adressiert explizit das Topmanagement. Könnte es sein, dass die Autoren sich bloß an dem orientierten, was Top-Manager hören wollen, um sich durch schnelle Renditesteigerungen die nächste Erfolgsprämie zu sichern? Dass vor allem aus diesem Grund der Schwerpunkt darauf gelegt wurde, drastische Einsparungen zu versprechen?
Deutschland ist seit vielen Jahren schon einem vollkommen irrationalen Trend zum Kürzen und Sparen verfallen. Unzureichende Investitionen des Staates in Bildung, Forschung und Infrastruktur gefährden die Zukunftsfähigkeit. Analog dazu begegnet man in der Wirtschaft immer häufiger der Tendenz, kurzfristig die Gewinne zu steigern, statt auf lange Sicht in Zukunftsprojekte zu investieren.
Noch aber gibt es andere Unternehmensberatungen, die sich diesem verhängnisvollen Trend entgegenstemmen und ihre Kunden vor den Gefahren dieser Sparwut warnen. Siehe dazu unser Hinweis des Tages Nr.2 vom 2.8.2006:
Sparwut in deutschen IT-Abteilungen wird zum Risiko
Deutsche IT-Manager zeigen sich in einer Umfrage von Accenture und IDC wenig phantasievoll und kennen nur eine Priorität: Bei der IT-Infastruktur geht es um Kostensenkung. Mit dieser Haltung sind sie inzwischen allein auf weiter Flur.
Quelle: Computerwoche
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1516